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  • 20.09.2011

    Hessisches Finanzgericht: Beschluss vom 10.08.2011 – 10 KO 690/11

    - Im finanzgerichtlichen Verfahren ist eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1003 VV RVG in Höhe von 1,0 festzusetzen.


    - Die Geschäftsgebühr ist nur dann nach § 41 Abs. 4 StBGebV a.F. zu kürzen, wenn der Steuerberater die Steuererklärung erst im Rechtsbehelfsverfahren erstellt hat.


    Tatbestand

    Im Klageverfahren 10 K 2699/09 haben die Beteiligten nach Erlass geänderter Steuerbescheide den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

    Die Berichterstatterin hat daraufhin mit Beschluss vom 30. November 2010 die Kosten des Verfahrens zu 92 % dem Finanzamt und zu 8 % dem Kläger auferlegt und die Zuziehung eines Bevollmächtigten zum Vorverfahren für notwendig erklärt.

    Aufgrund des am 2010 bei Gericht eingegangenen Kostenfestsetzungsantrages setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit Beschluss vom 2011 die dem Kläger zu erstattenden Aufwendungen auf einen Betrag von insgesamt € fest (92/100 der zu erstattenden notwendigen Aufwendungen). Dabei berücksichtigte sie u.a. eine Erledigungsgebühr in Höhe von 1,3 nach Nr. 1004 des Vergütungsverzeichnisses des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (VV RVG) in Höhe von € bei einem unstreitigen Streitwert von €. Die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens wurde gemäß § 41 Abs. 3 Steuerberatergebührenverordnung (StBGebV) in der bis zum 31. Dezember 2006 geltenden Fassung (a.F.) mit 8/10 ( €) festgesetzt. Im Einzelnen wird auf den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 2011 Bezug genommen.

    Gegen den am 2011 zugestellten Beschluss hat das Finanzamt (Erinnerungsführer) am 2011 Erinnerung eingelegt.

    Der Erinnerungsführer ist der Ansicht, die Erledigungsgebühr sei lediglich mit 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG zu berechnen anstatt mit 1,3 nach Nr. 1004 VV RVG. Zur Begründung verweist er auf die Beschlüsse des Finanzgerichts (FG) Münster vom 7. Juni 2010, 9 KO 647/10, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2010, 2021 und des FG Köln vom 28. Februar 2011 10 KO 1119/10, veröffentlicht in juris.

    Zudem sei die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens nicht nach § 41 Abs. 3 StBGebV a.F., sondern nach § 41 Abs. 4 StBGebV a.F. auf 1/10 - 3/10 zu ermäßigen. In der Rechnung des Steuerberaters des Vorverfahrens (Blatt 134 der Gerichtsakte) vom 3. Mai 2010 werde unter „Tätigkeit” ausgewiesen, dass seiner Leistung eine Gebühr nach § 24 StBGebV vorausgegangen sei, sodass der Gebührentatbestand des § 41 Abs. 4 StBGebV a.F. und nicht der des § 41 Abs. 3 StBGebV a.F. abzurechnen sei.

    Gem. § 47 a StBGebV sei die StBGebV a.F. anzuwenden, da der Steuerberater das Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 8. Februar 2006 gegen den Ablehnungsbescheid des Finanzamtes vom 31. Januar 2006 begonnen habe und die neue StBGebV erst zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten sei.

    Im Einzelnen wird auf die Antragsschrift vom 2011 sowie auf das Schreiben des Erinnerungsführers vom 2010 im Kostenfestsetzungsverfahren Bezug genommen.

    Der Prozessbevollmächtigte des Erinnerungsgegners ist dagegen der Ansicht, dass sowohl die Erledigungsgebühr mit dem Gebührensatz von 1,3 nach

    Nr. 1004 VV RVG als auch die Geschäftsgebühr des Vorverfahrens von der Urkundsbeamtin rechtsfehlerfrei festgesetzt worden sei. Auf sein Vorbringen im Schreiben vom 2011 wird Bezug genommen.

    Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

    Gründe

    Über die Erinnerung nach § 149 Abs. 2 FGO entscheidet vorliegend der Senat (vgl. dazu Koch in Gräber, Kommentar zur FGO, 7. Auflage, § 79 a Anm. 15 sowie Beschluss des FG Sachen-Anhalt vom 4. Januar 2011 5 KO 1294/10, EFG 2011, 901, Beschlüsse des FG Bremen vom 3. November 1993, 293 079 E 2, EFG 1994, 162 und vom 15. Dezember 1994, 294 238 E 2, EFG 1995, 381).

    Soweit in der Rechtsprechung der Finanzgerichte (vgl. z.B. Urteile des FG

    Baden-Württemberg vom 27. August 2007 1 KO 1/07, EFG 2007, 1972 und des FG Münster vom 7. Juni 2010 9 KO 647/10 KFB, EFG 2010, 2021 jeweils m.w.N.) eine andere Meinung vertreten wird, folgt der Senat unter Bezugnahme auf die Ausführungen des FG Sachen-Anhalt vom 4. Januar 2011

    5 KO 1294/10, EFG 2011, 901 dieser Ansicht nicht. Das Erinnerungsverfahren ist als eigenständiges Rechtsbehelfsverfahren anzusehen, das sich gegen eine von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle außerhalb des „vorbereitenden Verfahrens” getroffene Entscheidung im Kostenfestsetzungsverfahren richtet.

    Die Erinnerung ist nur zum Teil begründet.

    Soweit sich der Erinnerungsführer gegen die Höhe der Erledigungsgebühr wendet, hat die Erinnerung Erfolg. Im Übrigen ist die Erinnerung unbegründet.

    Die zu erstattenden Kosten sind auf die im Tenor ausgesprochene Höhe ( €) herabzusetzen (vgl. dazu die Berechnung unten).

    Erledigungsgebühr:

    Die Erledigungsgebühr ist nicht in einer Höhe von 1,3, sondern nur in einer Höhe von 1,0 anzusetzen.

    Insoweit ist der angegriffene Kostenfestsetzungsbeschluss rechtswidrig und verletzt den Erinnerungsführer in seinen Rechten.

    Nr. 1004 in Verbindung mit Nr. 1002 VV RVG bestimmt den Gebührensatz für eine Erledigungsgebühr in den Fällen, in denen ein Berufungs- oder Revisionsverfahren anhängig ist, mit 1,3. Nach Nr. 1003 VV RVG fällt in den übrigen gerichtlichen Verfahren eine entsprechende Gebühr nur in einer Höhe von 1,0 an.

    In der Vergangenheit wurde überwiegend die Auffassung vertreten, dass ein Verfahren vor dem Finanzgericht einem Berufungsverfahren gleichzustellen und daher eine Erledigungsgebühr in Höhe von 1,3 anzusetzen sei. Begründet wurde dies unter anderem damit, dass in den Motiven zum RVG besonders hervorgehoben worden sei, in wie hohem Maße das finanzgerichtliche Verfahren 1. Instanz einem Berufungsverfahren entspreche (vgl. Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 18. Auflage, VV 1003, 1004 Rz. 53 sowie Beschluss des FG Baden-Württemberg vom

    14. Dezember 2006 8 KO 11/06, veröffentlicht in juris, Beschluss des FG Rheinland-Pfalz vom 26. November 2007 6 KO 2195/07, EFG 2008, 409 und Beschluss des FG Köln vom 28. Juni 2007 10 KO 715/07, EFG 2007, 1474).

    Das FG Münster hat demgegenüber mit Beschluss vom 7. Juni 2010, 9 KO 647/10 KFB, EFG 2010, 2021 entschieden, dass nur ein Ansatz einer Gebühr von 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG in Betracht komme, da aus der ausdrücklichen Gleichstellung eines finanzgerichtlichen Verfahrens mit einem Berufungsverfahren im Unterabschnitt 3.2.1. des VV RVG zu folgern sei, dass der Gesetzgeber eine solche Gleichstellung für den Teil 1 des VV RVG gerade nicht habe vornehmen wollen. Inzwischen haben auch das FG München, Beschluss vom 14. Dezember 2010, 4 E 1512/10, EFG 2011, 833 und das FG Köln, Beschluss vom 28. Februar 2011, 10 KO 1119/10, veröffentlicht in juris, entschieden, dass sich die Höhe der Erledigungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren nach Nr. 1003 VV RVG mit 1,0 und nicht nach Nr. 1004 VV RVG mit 1,3 bestimmt.

    Auch nach Ansicht des erkennenden Senates ist die Erledigungsgebühr im

    finanzgerichtlichen Verfahren nur mit 1,0 nach Nr. 1003 VV RVG zu berechnen.

    Für diese rechtliche Wertung sind folgende Überlegungen ausschlaggebend:

    Schon vom Wortlaut her ist zweifelhaft, ob ein erstinstanzliches finanzgerichtliches Verfahren einem Berufungsverfahren im Sinne der Nr. 1004 VV RVG gleichgestellt werden kann. Die Voraussetzungen der Nr. 1004 VV RVG sind nach dem klaren Wortlaut dieser Norm im finanzgerichtlichen Verfahren nicht erfüllt.

    Das FG Münster hat in seinem Beschluss vom 7. Juni 2010, 9 KO 647/10 KFB, a.a.O., darüber hinaus zutreffend ausgeführt, dass eine andere rechtliche Bewertung auch nicht aus der Systematik der vergütungsrechtlichen Vorschriften herzuleiten ist und eine andere vergütungsrechtliche Regelung nur durch den Gesetzgeber erfolgen kann. Auf die Ausführungen des FG Münster wird insoweit Bezug genommen.

    Zutreffend weist das FG Köln in seinem Beschluss vom 28. Februar 2011,

    10 KO 1119/10, a.a.O., darauf hin, dass spätestens durch die Änderung der

    Nr. 1004 VV RVG durch Art. 47 Nr. 19 d des FGG - Reformgesetzes vom

    17. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2586 -2718-) eine Gleichstellung von

    finanzgerichtlichem Verfahren und einem Berufungsverfahren ausgeschlossen ist. Durch das Reformgesetz wurde der Nr. 1004 VV RVG die Anmerkung (Abs.1) eingefügt, dass die Erhöhung der Erledigungsgebühr in den Fällen der Berufungs- oder Revisionsverfahren auch „in den in den Vorbemerkungen 3.2.1. und 3.2.2. genannten Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren” gelte. Das in der Vorbemerkung 3.2.1. Nr. 1 genannte finanzgerichtliche Verfahren wird in dieser Anmerkung zu Nr. 1004 VV dagegen nicht genannt. Es ist daher davon auszugehen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers das

    finanzgerichtliche Verfahren auch nicht erfasst werden sollte, denn die Streitfrage, in welcher Höhe im finanzgerichtlichen Verfahren eine Erledigungsgebühr anfällt, war zum Zeitpunkt des Erlasses des FGG - Reformgesetzes bekannt. Von einem offensichtlichen Versehen oder einer planwidrigen Regelungslücke ist daher nicht auszugehen (vgl. FG Köln, Beschluss vom 28. Februar 2011, 10 KO 1119/10 a.a.O.). Auch in der Kommentierung von Müller- Rabe in Gerold/Schmidt, Kommentar zum RVG, 19. Auflage, VV 1003, 1004, Anm. 56 m.w.N., wird nunmehr unter Abänderung der bisher vertretenen Ansicht die Meinung vertreten, dass die Erledigungsgebühr im finanzgerichtlichen Verfahren nach der Änderung der Nr. 1004 VV RVG durch das FGG - Reformgesetz nach Nr. 1003 VV RVG zu berechnen ist.

    Die Höhe der Erledigungsgebühr in finanzgerichtlichen Verfahren bestimmt sich nach alledem nicht nach Nr. 1004 VV RVG, sondern nach Nr. 1003 VV RVG und ist in Höhe von 1,0 festzusetzen.

    Geschäftsgebühr:

    Entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers ist die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren nicht gemäß § 41 Abs. 4 StBGebV a.F zu ermäßigen.

    Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat vielmehr zutreffend lediglich eine Kürzung gemäß § 41 Abs. 3 StBGebV a.F. vorgenommen.

    Da das Erinnerungsverfahren vor dem 1. Januar 2007 durch Einlegung des Einspruchs vom 2. Februar 2006 begonnen wurde, ist gemäß § 47 a StBGebV noch die Gebührenverordnung a.F. anzuwenden. § 47 a StBGebV bestimmt nämlich, dass die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen ist, wenn der Auftrag zur Erledigung der Angelegenheit vor Inkrafttreten einer Änderung der Verordnung, hier zum 1. Januar 2007, erteilt worden ist. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Weitere Ausführungen erübrigen sich daher.

    Die Geschäftsgebühr ermäßigt sich nach § 41 Abs. 4 StBGebV a.F. gegenüber Abs. 3 dieser Norm nur dann noch weiter, wenn der Berater im Zusammenhang mit dem Rechtsbehelfsverfahren eine Steuererklärung angefertigt hat. Ein solcher „Zusammenhang mit dem Rechtsbehelfsverfahren” besteht jedoch nur

    dann, wenn der Berater die Steuererklärung erst im Einspruchsverfahren zur Begründung seines Rechtsbehelfs angefertigt hat, nicht aber, wenn die Erklärung bereits im vorausgegangenen Besteuerungsverfahren vorgelegt wurde (vgl. Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 20. Mai 1987 XI KO 1/87, EFG 1987, 634; Beschluss des FG Niedersachsen VI 1/86 KO, EFG 1997, 43 sowie Charlier/Berners, Praxiskommentar zur StBGebV, 3. Auflage, § 41 a.F. Anm. 21 mit weiteren Hinweisen).

    Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Aus der dem Gericht vorliegenden Einspruchsentscheidung vom 28. Februar 2008 ergibt sich, dass die Steuererklärungen nicht erst im Einspruchsverfahren vorgelegt wurden, sondern dass der Erinnerungsgegner Anfang Januar 2006 beim damals zuständigen

    Finanzamt mittels gleichzeitig eingereichter Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs für die Jahre 1994 und 1995 beantragte, den Verlustabzug gesondert festzustellen.

    Erst nachdem diese Anträge ablehnend beschieden waren, wurde Einspruch eingelegt.

    § 41 Abs. 4 StBGebV a.F. findet unter diesen Umständen keine Anwendung.

    Die Festsetzung der Geschäftsgebühr nach § 41 Abs. 3 StBGebV a.F. durch die Urkundsbeamtin erweist sich daher als rechtmäßig.

    Die bisher festgesetzten zu erstattenden Kosten sind danach wie folgt neu zu berechnen:

    Kosten des Vorverfahrens unverändert wie bisher: €

    Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens:

    - Verfahrensgebühr wie bisher: €

    - Erledigungsgebühr neu mit 1,0 gem. Nr. 1003 VV RVG: €

    - Entgelt für Post- und Telekommunikationsdienste wie bisher: €

    - Umsatzsteuer neu €

    Summe finanzgerichtliches Verfahren: €

    Von den notwendigen Aufwendungen hat der Kostenschuldner zu erstatten:

    Vorverfahren: € x 92/100 = €

    gerichtliches Verfahren: € x 92/100 = €

    erstattungsfähige Kosten insgesamt: €

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 S. 1 FGO. Die Entscheidung über die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ergeht gerichtsgebührenfrei, weil das Kostenverzeichnis (Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz) eine Gebühr für diesen Beschluss nicht vorsieht. Die Pflicht zur Kostentragung beschränkt sich demgemäß auf die Auslagen des Gerichtes und die außergerichtlichen Kosten.

    VorschriftenFGO § 149

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