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  • 12.11.2019 · IWW-Abrufnummer 212225

    Finanzgericht Sachsen: Beschluss vom 08.07.2014 – 6 Ko 948/14


    Finanzgericht Sachsen

    Beschluss vom 08.07.2014


    In dem Finanzrechtsstreit
    Herr
    - Erinnerungsführer -
    Prozessbevollmächtigte/r:
    gegen
    Finanzamt
    - Erinnerungsgegner -

    wegen Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.05.2014 im Verfahren 6 V 815/13

    hat der 6. Senat durch Vorsitzenden Richter am Finanzgericht .........., Richter am Finanzgericht ........... und Richterin am Finanzgericht ........... am 8. Juli 2014 beschlossen:

    Tenor:

    Die vom Antragsgegner an den Antragsteller zu erstattenden Kosten werden gemäß § 149 FGO auf 949,14 Euro (in Worten Euro neunhundertvierzehn 14/100) festgesetzt.

    Der festgesetzte Betrag ist ab dem 7. April 2014 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

    [Gründe]

    I.

    Der Erinnerungsführer wendet sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswertes im Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung auf 10% der streitigen auszusetzenden Beträge. Er begehrt die Feststellung mit 25% der Beträge.

    II.

    Für die Entscheidung über die Erinnerung ist der Senat zuständig.

    § 149 FGO enthält für Erinnerungen gegen die Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs - anders als § 66 GKG für Erinnerungen gegen den Ansatz der Gerichtskosten - keine ausdrückliche Zuweisung an den Einzelrichter.

    Die gesetzliche Zuständigkeit des Berichterstatters für die Entscheidung über Kosten (§ 79 a Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. § 4 FGO) erstreckt sich nur dann auf die Entscheidung über Erinnerungen, wenn die Kostenentscheidung im vorbereitenden Verfahren durch den Berichterstatter getroffen worden ist (FG Münster, Beschluss vom 7. Juni 2010, Az. 9 Ko 647/10 KFB, EFG 2010, 2021). Dies war hier nicht der Fall. Der Senat ist vielmehr zuständig, wenn die Kostenentscheidung nicht im vorbereitenden Verfahren ergeht, d.h. insbesondere dann, wenn bereits die Kostenentscheidung in einem Senatsbeschluss enthalten war (vgl. hierzu FG Münster, Beschluss vom 7. November 2002, Az. 15 Ko 4204/02, EFG 2003, 345 [FG Münster 07.11.2002 - 15 Ko 4204/02 KFB]).

    Die Erinnerung ist begründet. Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss ist rechtswidrig. Der Gegenstandswert ist aus 25% der streitigen Beträge zu ermitteln.

    Die Gebühr für das Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung berechnet sich aus dem Gegenstandswert (§ 2 RVG), welcher in diesem Verfahren mit 25% (9.863,00 Euro) des Gegenstandswerts der Hauptsache (39.452,00 Euro) anzunehmen ist (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 20. Juli 2012, Az: 4 V 13/12, [...]). Dazu verweist der Senat auf die folgenden Ausführungen des FG Düsseldorf (EFG 2012, 266 [FG Düsseldorf 14.11.2011 - 11 V 1531/11 A(E,L,G,U,H(L))]) zur Streitwertfestsetzung, denen er sich vollinhaltlich anschließt:

    "1. Die Streitwertfestsetzung im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung ist umstritten. Der erkennende Senat geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass der Streitwert regelmäßig mit 25 % des Wertes der Hauptsache anzusetzen ist (zuletzt Beschluss vom 25. Mai 2005 11 V 5884/03, EFG 2005, 1285 [FG Düsseldorf 25.05.2005 - 11 V 5884/03 A (E)]). Dabei hat er sich im Wesentlichen von der Erwägung leiten lassen, dass sich das Tatbestandsmerkmal der "Bedeutung der Sache" nicht ausschließlich im wirtschaftlichen Vorteil einer erst späteren Zahlung der streitigen Steuerbeträge erschöpfe. Vielmehr führe das Aussetzungsverfahren mit seinen Hinweisen zu den rechtlichen wie auch tatsächlichen Aspekten des Streitfalles regelmäßig zu einer Prägung des weiteren Ganges des Hauptsacheverfahrens. So ermögliche eine gerichtliche Aussetzungsentscheidung den Beteiligten in einer Vielzahl von Fällen die konkretere Abschätzung des eigenen Prozessrisikos, indem der Senat neben einer vorläufigen Sachverhaltswürdigung zugleich auch seine vorläufige Rechtsauffassung darlege. Auch in den Fällen, in denen das Gericht die Rechtslage als offen ansieht, werde durch die vorzunehmende Benennung der nach Auffassung des Gerichts streiterheblichen Sach- und Rechtsfragen das Hauptsachverfahren beeinflusst. Darüber hinaus hat der Senat auf den Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327) verwiesen. Nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs soll in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - (Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten) sowie bei sonstigen auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten der Streitwert in der Regel mit 1/4 des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes bemessen werden. Dem Interesse des rechtsschutzsuchenden Bürgers an einer einheitlichen Handhabung der Streitwertbemessung auf der Grundlage der sowohl für die Verwaltungs- wie auch die Finanzgerichtsbarkeit geltenden Regelungen des GKG sollte Rechnung getragen werden.

    Dieser Rechtsprechung des Senats sind einzelne Finanzgerichte gefolgt (vgl. Beschluss des Sächsischen FG vom 14. Juni 2006 2 V 1992/04, [...]; Beschluss des FG Hamburg vom 31. Oktober 2007 IV 169/05, EFG 2008, 488; Beschluss des FG Münster vom 30. Januar 2007 11 V 4418/05, EFG 2007, 1109 [FG Münster 30.01.2007 - 11 V 4418/05 AO]). Das FG Hamburg (Beschluss vom 31. Oktober 2007, a.a.O.) hat ergänzend darauf hingewiesen, dass die vom BFH zugrunde gelegte pauschale Zinsersparnis von 10 % den Marktverhältnissen in einer Niedrigzinsphase nicht gerecht werde. Zudem trage der pauschale Ansatz von 25 % des Hauptsachestreitwerts zur gebotenen Vereinheitlichung der Streitwertrechtsprechung der Finanzgerichte und Verwaltungsgerichte bei: Aus der Sicht des rechtsschutzsuchenden Bürgers würde es schwer nachvollziehbar erscheinen, sollte der Streitwert eines Aussetzungsverfahrens in Bezug auf die Gewerbesteuer (Verwaltungsrechtsweg) 25 %, in Bezug auf den Gewerbesteuermessbetrag oder die Einkommensteuer (Finanzrechtsweg) dagegen 10 % des Hauptsachestreitwerts betragen.

    Demgegenüber beträgt der Streitwert in Rechtsstreitigkeiten über die Aussetzung der Vollziehung von Steuerbescheiden nach ständiger Rechtsprechung des BFH, der sich die Finanzgerichte überwiegend angeschlossen haben (vgl. die Nachweise bei Brandis, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Rn. 165), 10 % des Betrags, für den die Aussetzung der Vollziehung beantragt wird (zuletzt Beschluss vom 4. Mai 2011 VII S 60/10, BFH/NV 2011, 7121). Zur Begründung hat der BFH auf die Besonderheiten des Aussetzungsverfahrens verwiesen (BFH-Beschlüsse vom 26. April 2001 V S 24/00, BFHE 194, 358, BStBl II 2001, 498 [BFH 26.04.2001 - V S 24/00]; vom 21. Dezember 1993 VIII B 107/93, BFHE 173, 158, BStBl II 1994, 300 [BFH 21.12.1993 - VIII B 107/93]). Bei Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung gehe es nur um die vorläufige Befreiung des Steuerpflichtigen von der Pflicht zur alsbaldigen Befolgung des Leistungsgebots. Das finanzielle Interesse des Steuerpflichtigen beschränke sich auf eine mögliche Zinsersparnis. Um gleichmäßige Ergebnisse zu erreichen, sei dieses Interesse grundsätzlich mit 10 % des Hauptsachestreitwerts zu bewerten (BFH-Beschluss vom 22. November 1995 II S 10/95, BFH/NV 1996, 432). Da weder die Berücksichtigung der individuellen sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen noch eine laufende Anpassung an die jeweiligen Kapitalmarktzinsen in Betracht komme, sei es - sowohl aus Gründen der Praktikabilität als auch im Hinblick darauf, dass das Kostenrisiko für den Bürger einschätzbar sein solle - erforderlich, einen Durchschnittswert zu bilden. Die Bewertung dieses Vorteils mit 10 % des in der Hauptsache streitigen Betrags trage im Regelfall dem wirtschaftlichen Interesse an einer Aussetzung der Vollziehung in angemessener Weise Rechnung (BFH-Beschluss vom 26. April 2001 V S 24/00, BFHE 194, 358, BStBl II 2001, 498 [BFH 26.04.2001 - V S 24/00]).

    In der Literatur wird die Streitfrage nicht einheitlich beantwortet. Brandis (in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vor § 135 FGO Rn. 165) befürwortet den Ansatz von 25 % des Hauptsachestreitwerts. Der Pauschalsatz von 10 % werde der finanziellen Auswirkung des Verfahrens nicht gerecht.

    Demgegenüber beruft sich die überwiegend vertretene Gegenmeinung - im Wesentlichen ohne weitere Begründung - auf die ständige Rechtsprechung des BFH (Ratschow, in: Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, Vor § 135 Rn. 110 "Aussetzung der Vollziehung"; Schwarz, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 259; Brandt, in: Beermann/Gosch, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 80 "Aussetzung der Vollziehung"; Starke, in: Schwarz, FGO, Vor § 135 Rn. 29 "Aussetzung der Vollziehung"; Bartone, in: Kühn/von Wedelstädt, AO/FGO, 19. Aufl. 2008, Vor § 135 Rn. 57).

    Nach erneuter Befassung mit den vom BFH und vom Antragsgegner vorgebrachten Argumenten sieht der beschließende Senat keinen Anlass, von seiner ständigen Rechtsprechung abzuweichen. Dabei hält er weiterhin für ausschlaggebend, dass das Interesse des Steuerpflichtigen an der Aussetzung der Vollziehung nicht allein aus einem finanziellen Gesichtspunkt (Zinsersparnis) besteht. Es kommt hinzu, dass das Aussetzungsverfahren regelmäßig den weiteren Gang des Hauptsacheverfahrens prägt. Dies gilt sowohl in tatsächlicher Hinsicht (z.B. durch Hinweise des Gerichts zur Notwendigkeit weiterer Sachaufklärung) als auch in rechtlicher Hinsicht (durch Darlegung der Rechtsauffassung des Gerichts). Dieser Aspekt darf bei der Bestimmung der Bedeutung der Sache für den Antragsteller nicht außen vor gelassen werden. Auf die Begründung im Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 (a.a.O.) wird Bezug genommen.

    Die Gegenauffassung überzeugt nicht. Der BFH und die Mehrzahl der Finanzgerichte verweisen zur Rechtfertigung des 10 %-Ansatzes regelmäßig nur auf ihre ständige Rechtsprechung, ohne deren sachliche Rechtfertigung einer erneuten Überprüfung zu unterziehen. So ergeben sich auch aus dem vom Antragsgegner zitierten BFH-Beschluss vom 4. Mai 2011 (VII S 60/10, BFH/NV 2011, 7121) keine neuen Gesichtspunkte, die den Senat von der Richtigkeit der Gegenmeinung überzeugen könnten. Im Gegenteil weisen sogar die Vertreter der Gegenauffassung darauf hin, dass eine Anhebung des Streitwerts auf 25 % zu erwägen sei, insbesondere im Hinblick auf das zum Teil erhebliche Interesse der Antragsteller an einer schnellen Klärung der Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren (Ratschow, in: Gräber, FGO, 7. Aufl. 2010, Vor § 135 Rn. 110 "Aussetzung der Vollziehung"). Zudem ist beobachtet worden, dass die Finanzgerichte "vermehrt" dazu übergehen, in Aussetzungsverfahren 25 % des Hauptsachestreitwerts anzusetzen (Schwarz, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rn. 259). Nach alledem spricht nach Einschätzung des Senats mehr dafür, weiterhin von einem Streitwert von 25 % des Hauptsachestreitwerts auszugehen.

    Der Senat räumt ein, dass der Hinweis des Antragsgegners, es diene nicht dem Vertrauen in die Rechtsprechung, wenn es hinsichtlich des Kostenrisikos darauf ankomme, bei welchem Senat desselben Finanzgerichts ein Fall anhängig gemacht werde, nicht von der Hand zu weisen ist.

    Wenngleich keine rechtliche Bindung des Senats an die höchstrichterliche Rechtsprechung des BFH und die überwiegende Rechtsprechung der Finanzgerichte besteht, ist dem Antragsgegner dahingehend zuzustimmen, dass eine Vereinheitlichung des Streitwerts für Aussetzungsverfahren wünschenswert wäre. Diese Erwägung veranlasst den Senat jedoch nicht dazu, den Streitwert - entgegen seiner rechtlichen Überzeugung - nur noch mit 10 % des Hauptsachestreitwerts anzusetzen. Wenn sich die verschiedenen Senate eines Finanzgerichts - von den Senaten der anderen Finanzgerichte und des BFH ganz zu verschweigen - nicht auf einen einheitlichen Streitwert einigen können, ist dieses Ergebnis aus Sicht der Verfahrensbeteiligten vielleicht unbefriedigend. Vor dem Hintergrund des Ermessens, das der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 1 GKG dem Gericht bei der Streitwertfestsetzung einräumt, sowie der Unabhängigkeit der Rechtsprechung ist dies jedoch hinzunehmen. Der Senat ist jedenfalls überzeugt, dass der Streitwertansatz von 25 % des Hauptsachestreitwerts das Interesse des Antragstellers angemessen abbildet. Zudem führt dieser Ansatz zumindest zu einem - gerade für den Bereich der Gewerbesteuer bedeutsamen - Gleichlauf zwischen dem finanzgerichtlichen und dem verwaltungsgerichtlichen Aussetzungsverfahren."

    Demnach ergeben sich folgende festzusetzende Kosten:

    Gegenstandswert: 9.863,00 Euro
     
    Verfahrensgebühr 1,6    gemäß Nr. 3200 VV RVG     777,60 Euro      
    Post- / Telekommunikationspauschale    gemäß Nr. 7002 VV RVG     20,00 Euro      
    Umsatzsteuer 19%    gemäß Nr. 7008 VV RVG     151,54 Euro      
    Summe        949,14 Euro

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