Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 07.08.2017 · IWW-Abrufnummer 195702

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 11.05.2017 – I-12 U 55/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Oberlandesgericht Düsseldorf

    I-12 U 55/16

    Tenor:

    Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.08.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer – Einzelrichterin – des Landgerichts Düsseldorf (6 O 162/13) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen.

    Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

    Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

    1

    G r ü n d e :

    2

    I.

    3

    Die zulässige Berufung hat aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten Gründen des Senatsbeschlusses vom 16.03.2017 in der Sache Erfolg. Der Kläger kann von der Beklagten die Rückgewähr der am 19.06.2009 gezahlten 20.000 EUR verlangen, weil die Beklagte die Zahlung anfechtbar erlangt hat (§§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 143 Abs. 1 InsO).

    4

    1. Die Zahlung vom 19.06.2009 stellt eine inkongruente Deckung im letzten Monat vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung dar, weil die Beklagte in Höhe der geleisteten Zahlung keinen Anspruch gegen die Schuldnerin aus dem Auftrag vom 10.04.2009 (Anl. B 2) hatte. Danach hatte die Schuldnerin die Beklagte mit der Durchführung von diversen Sonderleistungen, unter anderem der Prüfung der Firmenbuchführung für die Jahre 1999 bis 2006, beauftragt. Dass die Beklagte diese Leistungen erbracht hat, ist unstreitig. Damit war gemäß § 7 der Steuerberatervergütungsverordnung (StBVV) der Vergütungsanspruch fällig. Soweit das Landgericht davon ausgegangen ist, dass die Beklagte der Schuldnerin eine der Anl. B 2a entsprechende, von ihr unterzeichnete Berechnung im Sinne des § 9 StBVV mitgeteilt hat, ist dies vom Kläger nicht angegriffen. Die Zahlung war gleichwohl inkongruent, denn die Beklagte hatte keinen Anspruch auf eine Vergütung von 51,00 EUR je angefangene halbe Stunde. Hierdurch wurde der gesetzliche Gebührenrahmen, der durch § 13 S. 2 StBVV in der bis zum 19.12.2012 geltenden Fassung (a.F.) vorgegeben war, überschritten und es lag keine wirksame Vergütungsvereinbarung i.S. des § 4 Abs. 1 StBVV in der bis zum 22.07.2016 geltenden Fassung (a.F.) vor.

    5

    Gemäß § 13 S. 1 Nr. 2 StBVV ist eine Zeitgebühr zu berechnen, wenn keine genügenden Anhaltspunkte für eine Schätzung des Gegenstandswerts vorliegen, wovon die Vertragsparteien hier ausgegangen sind. Diese ist eine Rahmengebühr und betrug seinerzeit 19 bis 46 EUR je angefangene halbe Stunde. Da die nach den Feststellungen des Landgerichts vereinbarte Vergütung von 51,00 EUR je angefangene halbe Stunde über der gesetzlichen Vergütung liegt, hätte die Beklagte sie nur aufgrund einer Vergütungsvereinbarung gemäß § 4 Abs. 1 StBVV (a.F.) verlangen können, an der es hier jedoch fehlt. Zwar hat die Schuldnerin durch ihre Unterschrift ihr Einverständnis mit der Auftragsbestätigung der Beklagten vom 10.04.2009 erklärt, diese Vereinbarung ist aber gemäß § 4 Abs. 1 S. 2 StBVV (a.F.) formunwirksam. Da das Schriftstück nicht von der Schuldnerin verfasst worden ist, hätte es als Vergütungsvereinbarung bezeichnet werden müssen und zudem hätte die Vergütungsvereinbarung von den anderen Vereinbarungen deutlich abgesetzt sein müssen. Hier fehlt schon die Bezeichnung als Vergütungsvereinbarung. Darüber hinaus erfordert ein „Absetzen“ von anderen Vereinbarungen, dass der Vertrag die Vergütungsvereinbarung in einem gesonderten und entsprechend gekennzeichneten Abschnitt oder Paragrafen regelt. „Deutlich“ ist dieses Absetzen, wenn die Vergütungsvereinbarung optisch eindeutig von den anderen im Vertragstext enthaltenen Bestimmungen abgegrenzt ist (BGH, Urt. v. 03.12.2015 – IX ZR 40/15, NJW 2016, 1596, 1598 Rn. 18 zu § 3a Abs. 1 S. 2 RVG). Auch daran fehlt es hier, da sich die Vergütungsvereinbarung – wenngleich in einem eigenen Absatz – im laufenden Text der Auftragsbestätigung befindet.

    6

    Die Formunwirksamkeit der Vergütungsvereinbarung führt allerdings nicht dazu, dass der Steuerberater für seine Tätigkeit überhaupt keine Vergütung fordern kann. Zwar wird der Formmangel entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Ansicht der Beklagten durch die Zahlung nicht geheilt. Die Vereinbarung bleibt aber im Übrigen wirksam, aus ihr kann die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe der gesetzlichen Gebühr verlangt werden (so BGH, Urt. v. 03.12.2015, a.a.O. Rn 21; Urt. v. 05.06.2014 – IX ZR 137/12, NJW 2014, 2653, 2654 Rn. 16 ff. zur Rechtsanwaltsvergütung nach RVG; zur Anwendbarkeit auch auf die Vergütung des Steuerberaters vgl. Raab, DStR 2016, 1184). Dafür sprechen schon der Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 StBVV („Aus einer Vereinbarung kann der Steuerberater eine höhere als die gesetzliche Vergütung nur fordern, wenn …“) sowie die Möglichkeit in § 4 Abs. 2 StBVV, eine unangemessen hohe Vergütung im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag herabzusetzen. Die Vorschrift soll den Mandanten lediglich davor schützen, unbemerkt eine Vergütungsvereinbarung abzuschließen, die dem Steuerberater von den gesetzlichen Gebührenvorschriften abweichende Vergütungsansprüche auf vertraglicher Grundlage verschafft. Danach ist die Zahlung insoweit inkongruent, als die geforderte Vergütung über der gesetzlichen Vergütung liegt. Diese beträgt hier 32,50 EUR (Mittel zwischen 19 EUR und 46 EUR) je angefangene halbe Stunde, denn die Mittelgebühr ist in Durchschnittsfällen angemessen (vgl. BGH, Urt. v. 06.07.2000 – IX ZR 210/99, NJW-RR 2001, 494; OLG Düsseldorf, Urt. v. 03.05.2002 – 23 U 152/01, NJOZ 2002, 1681, 1689) und es sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass die Tätigkeit der Beklagten hier eine über- oder unterdurchschnittliche Vergütung rechtfertigen würde. Die Beklagte selbst geht vielmehr davon aus, dass die Vertragsparteien seinerzeit eine Mittelgebühr vereinbaren wollten. Danach konnte die Beklagte für ihre Tätigkeit anstatt 20.000 EUR lediglich 12.747,88 EUR fordern, nämlich:

    7

    Zeitgebühr gem. § 13 StBVV 164,5 Std. zu je 65,00 EUR 10.692,50 EUR

    8

    Auslagen, § 16 S. 2 StBVV 20,00 EUR

    9

    netto 10.712,50 EUR

    10

    USt., § 15 StBVV 2.035,38 EUR

    11

    12.747,88 EUR

    12

    In Höhe der Differenz von 7.252,12 EUR hat die Beklagte eine inkongruente Deckung erlangt.

    13

    2. Die teilweise Inkongruenz der geleisteten Zahlung hat hier zur Folge, dass die Zahlung insgesamt als inkongruente Deckung anfechtbar ist. Insoweit gilt der Grundsatz, dass eine einheitliche Rechtshandlung nur insgesamt kongruent sein kann; ist sie wenigstens teilweise inkongruent, so ist sie es in vollem Umfang (vgl. MüKoInsO/Kayser, 3. Aufl., § 131 Rn. 11; K/P/B/ Schoppmeyer, InsO, § 131 (60. Lfg.) Rn. 28; HambKomm/Rogge/Leptien, 6. Aufl., § 131 InsO Rn. 3; Bograkos/Kirstein, in: Haarmeyer/Huber/Schmittmann, Praxis der Insolvenzanfechtung, 2. Aufl., Teil III, § 131 InsO Rn. 10; Kirchhof, WM 2005, Sonderbeil. Nr. 2, S. 29). Hiervon lässt die Rechtsprechung zwar Ausnahmen zu, wenn es sich um eine teilbare Leistung handelt. So hat der Bundesgerichtshof (zur Konkursordnung) entschieden, dass bei Vereinbarung einer unangemessen hohen Vergütung eines Rechtsanwalts oder Fachberaters jedenfalls dann, wenn das zur Erfüllung der Vereinbarung Geleistete teilbar ist, nur der nicht angemessene Teil der Vergütung zur Konkursmasse zurückzugewähren ist (BGH, Urt. v. 11.06.1980 - VIII ZR 62/79, NJW 1980, 1962, 1963 f.; Urt. v. 15.12.1994 - IX ZR 18/94, NJW 1995, 1093, 1994 f.; ebenso: Senat, Urt. v. 13.04.1989 – 12 U 81/88, JurionRS 1989, 20550 Rn. 34 ff.). Maßgebend hierfür war, dass die Gläubiger nicht benachteiligt werden, wenn eine werthaltige Leistung unter den Voraussetzungen eines Bargeschäfts angemessen vergütet wird. Auch bei einer teilweise inkongruenten Kontosperre hat der Bundesgerichtshof eine Anfechtbarkeit nur insoweit angenommen, als eine Gläubigerbenachteiligung nicht durch ein (anfechtungsfestes) Pfandrecht der Bank ausgeschlossen ist (BGH, Urt. v. 12.02. 2004 - IX ZR 98/03, NZI 2004, 314 f.). Gemeinsam ist diesen Fällen, dass das Ausmaß der Benachteiligung den Umfang der Anfechtungswirkung begrenzt (vgl. HK-InsO/Thole, 8. Aufl., § 129 Rn. 98; FK-InsO/Dauernheim, 8. Aufl., § 129 Rn. 38; s.a. MüKoInsO/Kirchhof, 3. Aufl., § 143 Rn. 18).

    14

    Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, denn die Zahlung erfolgte auch insoweit, als die Vergütung nach den vorstehenden Ausführungen angemessen war, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht unter den Voraussetzungen eines Bargeschäfts. Als Bargeschäft (§ 142 InsO) werden Leistungen des Schuldners privilegiert, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt ist. Insbesondere können auch Dienstleistungen eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts Bargeschäfte sein. Bei länger währenden Vertragsbeziehungen ist dafür jedoch zu verlangen, dass die jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen zeitlich oder gegenständlich teilbar sind und zeitnah - entweder in Teilen oder abschnittsweise - ausgetauscht werden. Wenn zwischen dem Beginn der (anwaltlichen) Tätigkeit und der Erbringung einer Gegenleistung mehr als 30 Tage liegen, ist ein Bargeschäft zu verneinen (BGH, Urt. v. 06.12.2007 – IX ZR 113/06, BB 2008, 298, 300 Rn. 20; Urt. v. 13.04.2006 – IX ZR 158/05, NJW 2006, 2701, 2704 Rn. 32 ff.; s.a. BGH, Urt. v. 15.12.2011 – IX ZR 118/11, WM 2012, 276, 278 Rn. 24 f.). Hier sind die Leistungen der Beklagten nach der Auftragsbestätigung vom 10.04.2009 (Anl. B 2) und ausweislich der Rechnung vom 18.06.2009 (Anl. B 2a) im Zeitraum von April bis Juni 2009 erbracht worden. Zwischen ihrem Beginn und der Zahlung lagen also mehr als 30 Tage. Damit scheidet ein Bargeschäft bereits aus. Das Vorbringen der Beklagten im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 25.04.2017 rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Selbst wenn – was hier offen bleiben kann – auf die Leistungen der Beklagten Werkvertragsrecht Anwendung finden sollte, liegen die Voraussetzungen eines Bargeschäfts nicht vor. Es war der Beklagten, wie einem Rechtsanwalt, der in den Genuss der Bargeschäftsausnahme kommen will, nämlich auch in diesem Fall möglich (§ 8 StBVV) und zumutbar, in regelmäßigen Abständen Vorschüsse einzufordern, die in etwa dem Wert ihrer inzwischen entfalteten oder der in den nächsten 30 Tagen noch zu erbringenden Tätigkeit entsprechen (vgl. BGH, Urt. v. 13.04.2006, a.a.O. Rn. 36). Abgesehen davon müsste die Masse, um ein Bargeschäft bejahen zu können, zumindest teilweise eine gleichwertige Gegenleistung innerhalb des 30-Tage-Zeitraums erhalten haben. Die vergütete Leistung der Beklagten – hier die Prüfung der Firmenbuchführung für die Jahre 1999 bis 2006 und Ermittlung von Ansprüchen gegen den ausgeschlossenen früheren Mitgesellschafter K. und dessen Vater, den früheren Steuerberater der Schuldnerin – ist der Masse indessen allenfalls mittelbar zugutegekommen, denn bis zu einer erfolgreichen Durchsetzung der ermittelten Ansprüche gegen die Herren K. hatten sich die Möglichkeiten der Gläubigerbefriedigung durch die Leistung der Beklagten noch nicht so verbessert, dass dadurch auch nur ein Teil des abgeflossenen Honorars wertgleich in das Schuldnervermögen zurückgelangt wäre. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt ein Bargeschäft danach nicht vor (vgl. BGH, Urt. v. 06.12.2007, a.a.O. Rn. 23 f.).

    15

    3. Die Beklagte hat danach die erlangten 20.000 EUR zurückzugewähren bzw. Wertersatz zu leisten (§ 143 Abs. 1 S. 1 InsO).

    16

    Der Anspruch ist nicht verjährt. Die Verjährung des Rückgewähranspruchs nach § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO richtet sich nach den Regelungen über die regelmäßige Verjährung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 146 Abs. 1 InsO). Die dreijährige Regelfrist des § 195 BGB beginnt nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB frühestens mit dem Schluss desjenigen Jahres, in dem der Rückgewähranspruch entstanden ist. Dieser Anspruch entstand mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Denn vorher kann der Anspruch nicht als ein Recht der Insolvenzmasse entstehen (vgl. BGH, Versäumnisurt. v. 30.04.2015 – IX ZR 1/13, WM 2015, 1246 Rn. 7). Das Insolvenzverfahren wurde am 01.09.2009 eröffnet, mithin ist der Anfechtungsanspruch im Jahr 2009 entstanden. Die Verjährung trat frühestens mit Ablauf des 31.12.2012 ein. Allerdings hat die Beklagte unstreitig bis zum 31.05.2013 auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Durch die Einreichung des PKH-Antrags für die Klage beim Landgericht am 29.05.2013, dessen Bekanntgabe an die Beklagte am 11.06.2013 veranlasst wurde, wurde die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB gehemmt. Darauf, dass die Beklagte nach der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ein unterschriebenes Exemplar der Klageschrift erst Ende Oktober 2014 zur Akte gereicht hat, kommt es nicht an, weil der Beklagten bereits zuvor ein beglaubigtes Exemplar der Klageschrift zugestellt worden ist und das Verfahren weiter betrieben wurde.

    17

    Der Ersatzbetrag ist gemäß § 143 Abs. 1 S. 2 InsO, §§ 819 Abs. 1, 818 Abs. 4, 291 BGB mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin zu verzinsen (BGH, Urt. v. 25.02.2016 − IX ZR 109/15 = NZI 2016, 266, 268 Rn. 31; Urt. v. 01.02.2007 – IX ZR 96/04 = NZI 2007, 230 f. Rn. 11 ff.).

    18

    II.

    19

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

    20

    Die Revisionszulassung ist nicht veranlasst, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 ZPO nicht vorliegen.

    21

    Die Beschwer der Beklagten beträgt 20.000 EUR.

    22

    Streitwert: 20.000 EUR.

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents