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  • · Fachbeitrag · Organisations- und Führungsaufgaben

    Mitarbeiter im Home-Office: Lange Leine und trotzdem kurzer Draht

    von StBin Dipl.-Kffr. Cordula Schneider, Dortmund

    | Das Büro als tatsächlich realer Ort zum Anfassen ist ein Auslaufmodell. Wurden früher überschaubare Aufgaben und Unterlagen mit nach Hause genommen, geht das moderne Home-Office weiter: Durch die neue Technik - VPN-Zugriff auf den Server, DMS - hat der Mitarbeiter Zugriff auf die gesamten Kanzleidaten. Das bedeutet eine ganze Reihe von Organisations- und Führungsaufgaben, die sich aus dieser Arbeitsform ergeben. Welche das sind und wie sie erfolgreich bewältigt werden können, erfahren Sie in diesem Beitrag. |

    Grundvoraussetzungen

    Die wichtigste Voraussetzung ist Vertrauen. Wenn Sie nicht überzeugt sind, dass der betreffende Mitarbeiter loyal und verschwiegen ist, werden Sie mit dieser Lösung nicht glücklich. In den meisten Fällen kommt die Frage nach Heimarbeit vonseiten der Mitarbeiter auf, die bereits einige Zeit in der Kanzlei arbeiten, weil sich ihre Lebensumstände durch z.B. einen Umzug geändert haben. Ihr Vorteil: Sie kennen die Mitarbeiter, und daher liegt das Grund-Vertrauen vor. Bei neuen Mitarbeitern sieht das anders aus. Wenn möglich, sollte hier eine persönliche Probezeit vereinbart werden, um sich kennenzulernen.

     

    Die zweite wichtige Voraussetzung ist eine klare schriftliche Vereinbarung darüber, wie die Arbeit ausgestaltet werden soll:

     

    • Wann ist der Mitarbeiter für die Kanzlei und Mandanten erreichbar?
    • Wann ist seine persönliche Anwesenheit in der Kanzlei notwendig?
    • Welche Kommunikationsstrukturen werden wann und wie genutzt, um den Informationsfluss zu gewährleisten?

    Touch Points finden und regeln: Einbindung in die Organisation

    Der Begriff „Touch Points“ - also Berührungs- oder Kontaktpunkte - wird im Marketing im Zusammenhang mit den Kundenkontakten verwendet. Je mehr Touch Points es gibt und je besser an diesen Punkten gearbeitet wird, desto besser gestaltet sich die Kundenbeziehung und damit der Erfolg der Kanzlei. Die Touch Points werden mithilfe der Kontaktpunktanalyse ermittelt. Überträgt man diese Vorgehensweise auf das Home-Office, geht es darum, die Kontaktpunkte zwischen Mitarbeiter und Kanzlei sowie zwischen Mitarbeiter und Mandant zu ermitteln und sinnvolle Regelungen dafür zu finden.

     

    Stellen wir uns also den Bearbeitungsprozess vor und schauen uns die wichtigsten Touch Points an. Egal ob Ihr Mitarbeiter im Home-Office Löhne, Buchführung oder Abschlüsse und Steuererklärungen macht - die Touch Points sind im Wesentlichen dieselben.

     

    Kontaktpunkt Arbeitsplanung und Kontrolle

    Sobald der Mitarbeiter nicht mehr persönlich am Schreibtisch im Büro sitzt, fühlen Sie einen gewissen Kontrollverlust? Verständlich, schließlich können Sie schlecht überprüfen, was der Mitarbeiter Zuhause bearbeitet - oder eben auch nicht. Aber können Sie denn im Büro sehen, was Ihr Mitarbeiter den lieben langen Tag so macht? Eine wirklich lückenlose Kontrolle ist weder bei Mitarbeitern im Büro noch im Home-Office gegeben. In der Kanzlei nehmen aber die anderen Mitarbeiter allein durch ihre Anwesenheit eine gewisse Kontrollfunktion ein. Auch diese entfällt beim Home-Office. Also müssen wir umdenken: Die Zeit können wir nicht kontrollieren, wohl aber die Arbeitsergebnisse sehen.

     

    Dafür ist es sinnvoll, jedem Mitarbeiter ein bestimmtes, seiner Arbeitszeit entsprechendes Arbeitspensum zuzuweisen. Viele Kanzleien arbeiten schon mit Sollzeiten, die aus Erfahrungswerten abgeleitet sind. Über diese Sollzeiten lassen sich die Aufträge auf die Mitarbeiter verteilen, die dann auch vom Honorar her dem Gehalt des Mitarbeiters entsprechen. Die Erfolgskontrolle wird dann gerade für die Home-Office-Mitarbeiter deutlich einfacher. Dabei ist es unerheblich, wie viel Zeit der Mitarbeiter tatsächlich mit dieser Arbeit verbringt: Der eine ist Zuhause schneller, weil er weniger abgelenkt ist, der andere braucht mehr Zeit als im Büro, weil er z.B. durch kleine Kinder in der Konzentration gestört wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Damit sie sich die Arbeitsergebnisse nicht mühsam aus den Auswertungen ihres Softwareanbieters heraussuchen müssen, arbeiten manche Kanzleien schon mit einem Erfolgsbericht, in den die Mitarbeiter selbst monatlich ihre Tätigkeiten mit dem daraus resultierenden Honorar sowie die nicht berechenbaren Stunden für Verwaltungstätigkeit eintragen.

     

    Zu einer realistischen und flexiblen Arbeitsplanung und -kontrolle gehört immer auch die Abstimmung und somit die Kommunikation untereinander. Eine kurze aber regelmäßige Arbeitsbesprechung, die ja auch telefonisch bzw. per Online-Plattform (Skype etc.) möglich ist, sollte daher auf keinen Fall fehlen.

     

    PRAXISHINWEIS | Für die Sicherstellung der Qualität der Arbeit (fachlich/mandantenorientiert) empfiehlt sich das Arbeiten nach den Grundsätzen des Qualitätsmanagements (QM) mit entsprechenden einheitlichen Abläufen und Checklisten. Diese Vorgehensweise ist insbesondere bei neuen Mitarbeitern, die gleich ganz oder teilweise im Home-Office arbeiten, unverzichtbar.

     

     

    Kontaktpunkt Arbeitsvorbereitung

    Die Vorgehensweise ist hier stark vom Digitalisierungsgrad der Kanzlei abhängig. Arbeitet die Kanzlei mit einem Dokumenten-Management-System (DMS), stehen dem Mitarbeiter alle Kanzleiunterlagen zur Verfügung. Aufseiten der Mandanten wird aber häufig noch sehr viel mit Papierunterlagen gearbeitet. Ein wichtiger Kontaktpunkt ist also z.B. der Austausch der Belege für die Buchhaltung. Auf diesen persönlichen Kontaktpunkt sollten Sie auch bei Tätigkeit im Home-Office nicht dauerhaft verzichten. Entweder macht der Mitarbeiter also einen Termin im Büro oder Zuhause. Bewährt hat sich hier das Abholen der Unterlagen beim Mandanten.

     

    MERKE | Wichtig ist, dass der Mandant bei Änderung der Arbeitsform des Mitarbeiters keinen Qualitätsverlust bei dem von ihm in der Regel sehr geschätzten persönlichen Kontakt fühlt.

     

    Kontaktpunkt Rückfragen an Chef und Mandanten

    Während der Bearbeitung kommen oft Rückfragen auf, die der Mitarbeiter mit Kollegen, dem Chef oder dem Mandanten klären muss. Hier gilt es, den jeweils angemessenen Kommunikationsweg zu finden. Die E-Mail nimmt in der gesamten Kanzleikommunikation heute einen immer größeren Stellenwert ein. Gerade aber bei der Klärung von fachlichen Fragen oder bei Entscheidungen ist die E-Mail nicht besonders geeignet, da sich beim Austausch von Informationen und Argumenten schnell ein lästiges Pingpong-Spiel entwickelt, das dann oft mehr Zeit kostet, als wenn die Beteiligten den Telefonhörer in die Hand genommen hätten.

     

    PRAXISHINWEIS | Zur Lösung eindeutiger Fragen - z.B. Belege fehlen - ist die E-Mail perfekt. Sobald es jedoch etwas komplexer wird, ist eine telefonische Klärung der bessere Weg. Und um hier ständige Rückrufe zu vermeiden, sollte per E-Mail ein Telefontermin abgestimmt werden. In dieser E-Mail können und sollten die wichtigsten Informationen und Aspekte für das kommende Gespräch genannt werden. Das gilt sowohl für Mandanten- als auch für Chef-Gespräche. Für beide Kontaktpunkte gilt auch: Je mehr Fragen gebündelt werden können, desto entspannter gelingt die Abarbeitung.

     

    Kontaktpunkt Rückgabe Arbeitsergebnisse und Informationen

    Nach der Bearbeitung müssen die Arbeitsergebnisse sowohl der Kanzlei als auch dem Mandanten zur Verfügung stehen. Auch hier gilt es, den persönlichen Kontakt mit dem Mandanten zu pflegen. Aus der Bearbeitung ergeben sich aber oft auch Informationen, die für andere Kanzleimitglieder wichtig sind. Und hier liegt eine Besonderheit des Home-Office: Der Informationsfluss, der sonst nebenbei über den Schreibtisch, am Drucker oder in der Teeküche passiert, muss bewusst sichergestellt werden. Hier ist die E-Mail der richtige Kommunikationsweg!

     

    PRAXISHINWEIS | Verpflichten Sie Ihre Home-Office-Mitarbeiter, bestimmte Informationen nach der Bearbeitung immer per Mail an Sie und/oder das Team weiterzugeben. Dabei geht es weniger um die harten Fakten. Diese können in der Checkliste für die Kontenpflege, die Sie vielleicht schon in der Kanzlei einsetzen, dokumentiert werden. Es geht mehr um die Soft Facts: Was ist beim Mandanten gerade los? Wie ist seine Stimmung? Ist er mit unserer Arbeit zufrieden?

     

    Kontaktpunkt Kanzleibesprechung

    Ebenso wie der Mitarbeiter seinen Erkenntnisgewinn in die Kanzlei zurückmelden muss, muss er auch über wichtige fachliche und organisatorische Änderungen in der Kanzlei informiert werden - schließlich nimmt er ganz oder teilweise nicht am Flurfunk teil. Verpflichten Sie also Ihre Home-Office-Mitarbeiter zumindest für einen Termin im Monat zur persönlichen Anwesenheit in der Kanzlei, auch wenn es sicherlich manchmal schwierig ist, alle Mitarbeiter mit ihren individuellen Arbeitszeit-Modellen unter einen Hut zu bekommen.

     

    PRAXISHINWEIS | Es gibt Kanzleien, die mit dem „elektronischen Flurfunk“ arbeiten. Dabei handelt es sich quasi um ein kleines Kanzleitagebuch. Wichtige Ereignisse - neue Mandanten (bzw. Mandantenabgang), Urlaube, fachliche Neuigkeiten etc. - werden einfach mit Datum in eine Word-Datei geschrieben, die jeder einsehen kann. Nicht nur für Home-Office-Mitarbeiter ist das eine gute Informationsquelle, auch Halbtagsmitarbeiter oder Urlaubsheimkehrer wissen das Tagebuch zu schätzen. Durch diese Maßnahmen stellen Sie gleichzeitig zumindest eine grundsätzliche Integration ins Team sicher. Wenn Sie dafür sorgen, dass bei der Kanzleibesprechung auch genug Zeit für den informellen Informationsaustausch bleibt, z.B. durch ein gemeinsames Mittagessen, verstärken Sie diesen Effekt noch.

     

    Führung per Fernbedienung?

    Neben der Organisation besteht die zweite große Aufgabe in der Führung der Mitarbeiter. Selbstverständlich führen Sie mit den Home-Office-Mitarbeitern Jahres-Entwicklungsgespräche wie mit jedem anderen Mitarbeiter auch. Unterjährig fehlt jedoch oft der persönliche Kontakt. So besteht die Gefahr, Veränderungen im Verhalten der Mitarbeiter nicht rechtzeitig zu bemerken.

     

    PRAXISHINWEIS | Achten Sie darauf, dass Sie sich bewusst Rituale schaffen, persönlich über das Fachliche hinaus Kontakt zu pflegen. Machen Sie mit den Home-Office-Mitarbeitern vierteljährlich einen „Kanzleiplausch“ unter vier Augen, bei dem Sie informell Informationen austauschen und die Zufriedenheit der Mitarbeiter abfragen. Bei der Gelegenheit können Sie den Mitarbeitern auch selbst in Ruhe ein Feedback geben. Häufig ist eine Viertelstunde ausreichend.

     

    Neuer Blickwinkel auf Altbekanntes

    Eigentlich sind die Themen, Kontaktpunkte und Führungsaufgaben in Bezug auf Home-Office-Mitarbeiter gar nicht so anders als diejenigen für alle anderen Mitarbeiter. Auch für Letztere müssen die Organisation und die Führung sichergestellt werden. Durch die unterschiedliche Arbeitsweise ändert sich nur der Blickwinkel, und uns werden Dinge bewusster, die wir sonst in der Kanzlei als selbstverständlich hinnehmen.

     

    PRAXISHINWEIS | Wenn Sie sich das nächste Mal im Rahmen Ihres QMS oder einer Prozessoptimierung Gedanken über Ihre Kanzlei machen, führen Sie doch einmal folgendes Planspiel durch: Tun Sie so, als seien Sie selbst und jeder Mitarbeiter zu 100 % Home-Office-Mitarbeiter. Dann stellen Sie sich die Frage nach den zu regelnden Kontaktpunkten, die in diesem Beitrag vorgestellt wurden. Sie werden erstaunt sein, wie viel Verbesserungspotenzial Sie finden.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 119 | ID 42704135

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