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  • · Fachbeitrag · Nachfolgeregelung

    Aktuelle Entwicklungen und Trends bei der Kanzleinachfolge

    von Alexander Jost, Vorstand der Jost AG, Lauf

    | Inhaber übergibt an jungen Kollegen: Nach dieser einfachen Formel funktioniert es im Bereich der Kanzleinachfolge schon längst nicht mehr. Der Kanzleimarkt verändert sich gerade strukturell. So sinkt zurzeit sowohl die Nachfrage nach Kanzleien als auch die Selbstständigenquote. Die Konstellationen und Beteiligungsvarianten von Kanzleien werden immer komplexer. Alle, die in den kommenden Jahren einen Nachfolger für ihre Kanzlei suchen, müssen sich auf eine längere Vorbereitungszeit einstellen. |

    Kompromisse sind unausweichlich

    Bereits seit einigen Jahren zeichnet sich der Trend ab, dass die Zahl der Kaufinteressenten für Steuerberatungskanzleien kontinuierlich abnimmt. Das hat zur Folge, dass heute bei einer ländlich gelegenen Kanzlei vielleicht nur ein oder zwei etwaige Nachfolger zur Verfügung stehen - früher waren es in der Regel fünf oder sechs. In der Konsequenz bedeutet das für den Kanzleiinhaber, dass es mit dem einzigen Kandidaten dann klappen muss, Kompromisse sind unausweichlich. Das betrifft insbesondere die Höhe des Kaufpreises. Häufig funktionieren solche Konstellationen dennoch, es dauert jedoch deutlich länger, überhaupt einen Kandidaten zu finden.

     

    • Beispiel

    In Baden-Württemberg stand eine Kanzlei zum Verkauf, die über 50 km von der nächsten Autobahn in wunderschöner Landschaft gelegen war. Ein Steuerberater - aber tatsächlich nur ein einziger - auf dem Sprung in die Selbstständigkeit interessierte sich dennoch dafür und die Übertragung klappte am Ende reibungslos.

     

    Problematischer Grenzbereich

    Anders ist die Situation im Grenzbereich Deutschland/Schweiz. Dort suchen einige Kanzleien in den nächsten Jahren Nachfolger, die nur schwer zu finden sind. Zunächst fehlen die potenziellen Kaufinteressenten im Umfeld, da dort wesentlich weniger Kanzleien angesiedelt sind als in Ballungsregionen. Hinzu kommt die Problematik, dass es in dieser Region noch schwieriger als andernorts ist, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Diese ziehen in der Regel den Arbeitsort Schweiz vor, da sie dort deutlich mehr verdienen. Außerdem sind etliche Kanzleiinhaber schon aus Altersgründen nicht gewillt, noch zu kaufen.

     

    Das macht die Ausgangslage schwierig, aber nicht aussichtslos. Wichtig ist, Konstellationen jenseits der Vorstellung zu finden, dass ein einzelner junger Existenzgründer die Kanzlei übernehmen muss. Eine solche kann sein, bestehende Kanzleien als Käufer in Erwägung zu ziehen, die ihre angestellten Berufsträger als Niederlassungsleiter oder Mitunternehmer vor Ort einsetzen. Das bedeutet aber, dass Kanzleiinhaber eine deutlich längere Vorlaufzeit einkalkulieren und frühzeitig mit der Nachfolgeregelung beginnen müssen.

    Große Kanzleien finden keine Einzelnachfolger mehr

    Auch bei Einzelkanzleien mit einer Umsatzgröße jenseits von 500.000 EUR gilt es, sich von der Vorstellung eines Einzelnachfolgers zu lösen. Häufig sind solche Kanzleien durch ein kontinuierliches Wachstum in den vergangenen Jahren entstanden oder es haben bereits interne Nachfolgeregelungen stattgefunden, bei denen der jüngere den älteren Partner ausbezahlt hat. Wenn der jüngere nun heute einen einzelnen Nachfolger für seine 900.000 EUR Umsatz finden will, tut er sich schwer. Nur in absoluten Ausnahmefällen ist jemand bereit, sich diese Verantwortung zuzumuten. Auch die notwendige Finanzierung für das Projekt ist schwierig.

     

    Wahrscheinlicher - und auch ratsamer - ist für Existenzgründer heute ein Umsatzvolumen von 300.000 bis 400.000 EUR. Erfahrene Berater können 100.000 oder 200.000 EUR mehr verkraften. Selbstverständlich gibt es auch die Fälle, bei denen ein 40-jähriger, erfahrener Berater erfolgreich eine Kanzlei von zwei Kollegen übernimmt und auch die Finanzierung von 1,1 Mio. EUR erhält. Aber das sind Ausnahmen. Generell gilt eher die Regel, dass Einzelnachfolger immer dann, wenn eine Kanzlei zu groß wird, nicht mehr in Betracht kommen. Die Kanzlei wird stattdessen durch bereits bestehende Einheiten übernommen. Das sind keineswegs immer die ganz großen Netzwerke, sondern häufig mittelständische Kanzleien, die sich schneller erweitern wollen, als dies über ein organisches Wachstum möglich wäre.

     

    • Beispiel

    Eine Kanzlei in Norddeutschland bestand aus zwei Partnern und erwirtschaftete eine Mio. EUR Umsatz. Sie wurde von einer Gesellschaft mit drei Partnern erworben, die einen starken Unterbau an hochqualifizierten Kräften hatte und auch diesen Perspektiven eröffnen musste.

     

    Wenn man auf die vergangenen Jahre schaut, stellt man fest, dass sich dieser Trend verstärkt. Das liegt vor allem daran, dass die Kanzleien kontinuierlich immer größer geworden sind und dabei entweder Partner ausbezahlt oder aufgenommen haben. Die Anteile werden immer mehr wert: Wer früher eine Umsatzverantwortung von 500.000 DM hatte, verantwortet heute vielleicht eine Mio. EUR. Dabei nimmt die Zahl der Partnerschaftsgesellschaften und GmbHs kontinuierlich zu.

    Bestehende Kanzleien als Käufer schauen genau hin

    Über 40 % der Steuerberatungsgesellschaften wurden in den vergangenen zehn Jahren gegründet. Was strategisch in den mittleren Lebensphasen wertvoll ist, stellt die Nachfolge vor neue Fragen. Wenn in einer Partnerschaft beide etwa in demselben Alter sind und gleichzeitig aufhören wollen, ist die Sache vergleichsweise einfach und lediglich wegen der Größe als Spezialfall zu betrachten. Als Käufer kommen dann in der Regel bestehende Gesellschaften zum Zug. Diese kaufen aber längst nicht mehr nahezu alles, nur um zu wachsen. Der Markt hat sich verändert: Wer heute über Zukauf wachsen will, kann häufig aus mehreren Angeboten wählen.

     

    Daher gibt es eine ganze Reihe von Faktoren, auf die bestehende Kanzleien als Käufer achten. Das ist zum einen natürlich die Frage, ob der Mandantenstamm interessant, d. h. wirtschaftlich gesund, nicht überaltert und in passenden Branchen zu Hause ist. Mittlerweile fast ebenso wichtig sind aber die Mitarbeiter. Auch für sie gilt, dass der Großteil nicht über 55 Jahre, idealerweise höher qualifiziert und mit innovativen technischen Möglichkeiten vertraut sein sollte. Stimmen all diese Voraussetzungen, so ist eine größere Kanzlei auch derzeit gerade für mittelständische Kanzleien auf Wachstumskurs höchst attraktiv.

    Beteiligungen sind schwer zu veräußern

    Kompliziert wird die Veräußerung und überhaupt eine vernünftige Nachfolgeregelung allerdings, wenn ein Partner etwa 65 und der andere etwa 45 Jahre alt ist. Zum Verkauf steht dann lediglich eine Beteiligung von 50 %, angenommen mit einem Wert von 500.000 EUR. Diese ist immer schwer zu veräußern, denn kaum jemand lässt sich in einer solchen Größenordnung auf ein personelles Experiment ein.

     

    Um jemanden zu finden, der einen solchen Anteil übernehmen kann, ist die Vorschaltung eines Angestelltenverhältnissen fast schon zwingend. Dieses ist als Kennenlernphase zu verstehen, die 6 Monate nicht unterschreiten und 24 Monate nicht überschreiten sollte. Finden Nachfolgekandidat und verbleibender Partner in dieser Zeit heraus, dass sie gut miteinander harmonieren, ist das perfekt. Ist das Gegenteil der Fall, dann beginnt die Suche von Neuem, allerdings ist bereits ein Jahr ins Land gegangen. Diese Zeit muss bei der Nachfolgeregelung in Partnerschaften immer mit eingerechnet werden.

     

    • Beispiel

    In einem aktuellen Fall hält der ältere Partner 67 % an der Kanzlei, der jüngere 33 %, da in der Vergangenheit bereits Anteile von anderen Partnern übertragen wurden. Auf dem freien Markt ist eine kurzfristige Übergabe des Anteils von 67 % fast unmöglich. Die Chancen steigen mit einem vorgeschalteten Angestelltenverhältnis. Hierfür braucht man Zeit und Flexibilität.

     

    Problemfall Minderheitsbeteiligungen

    Noch problematischer als eine hälftige Beteiligung sind Minderheitsbeteiligungen. 30 oder 40 % an einer Kanzlei sind für den Markt relativ uninteressant.

     

    • Beispiel

    Eine Kanzlei in Stuttgart hat ganz exzellente Kennzahlen und ist ausgezeichnet für die Zukunft gerüstet. 33 % daran wollte dennoch niemand erwerben. Am Ende haben die beiden verbleibenden Partner den ausscheidenden ausbezahlt.

     

    Um die Konstellation aus dem Beispiel zu vermeiden, sollten die Partner beizeiten intern jemanden aufbauen, der später als Partner infrage kommt. Wenn dieser die Chefs und die Kanzlei bereits seit vielen Jahren kennt, weiß er genau, worauf er sich bei seinen künftigen Partnern einlässt, und kann beurteilen, ob er in ein zukunftsfähiges Modell investiert oder nicht.

     

    Beachten Sie | Grundsätzlich lässt sich die Zeit für ein solches Unterfangen schwer beziffern. Wenn jemand aufgrund von Nachfolgebestrebungen von außen hinzugeholt werden soll, dauert die gesamte Nachfolge in Ballungsräumen rund zwei, auf dem Land eher drei oder vier Jahre.

    Generation Y hat andere Ziele

    Sowohl in ländlichen Regionen als auch in der Stadt finden sich immer seltener Nachfolgekandidaten. Die viel zitierte und strapazierte „Generation Y“ schlägt sich auch hier nieder. Sie bezeichnet die zwischen 1980 und 2000 Geborenen, die ihre berufliche Situation in vielen Bereichen nach ganz anderen Kriterien gestalten als ihre Eltern. So fand PwC in einer Studie heraus, dass die Generation Y sich durch Wechselbereitschaft und geringere Arbeitgeberloyalität auszeichnet. Mehr als ein Viertel der Befragten erwartet, dass sie sechs und mehr Arbeitgeber im Laufe ihrer Karriere erleben werden. Denn Karriereweg und Mobilität müssen sein: Wichtig ist für die Berufseinsteiger, dass kein Stillstand herrscht und sie im Unternehmen eine Chance bekommen, zügig aufzusteigen. Darauf legen sie sogar mehr wert als auf die Gehaltsentwicklung.

     

    Bei allem Karrierewillen gilt aber dennoch: Eine adäquate Work-Life-Balance und die persönliche Weiterentwicklung im Job sind wichtiger als finanzielle Kompensation. Auch Vielfalt in Bezug auf die Belegschaft und die Arbeitsbedingungen steht im Mittelpunkt. Entscheidend ist zudem die Technologie: 41 % der Generation Y bevorzugen elektronische Kommunikation vor Telefonie oder gar dem Vier-Augen-Gespräch. Auch die Nutzung eigener Kommunikationsmittel ist von Bedeutung. Dies steht noch im Konflikt zu der Gestaltung heutiger Arbeitsplätze.

     

    All das passt außerdem schon auf den ersten Blick nicht so recht zum Lebensstil als selbstständiger Steuerberater. Am schwersten aber fällt die Tatsache ins Gewicht, dass die Generation Y das unternehmerische Risiko mehr und mehr scheut. Wozu sollte sie es auch eingehen? Schon heute bezahlen Kanzleien in Ballungszentren Berufseinsteigern über 80.000 EUR Jahresgehalt. Wozu sollten sie für wenige 10.000 EUR mehr Unternehmerlohn das volle unternehmerische Risiko tragen, auf bezahlten Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall verzichten? Das alles ist in einer eigenen Kanzlei ungleich schwieriger zu realisieren. Einen Niederschlag findet dies bereits in der sinkenden Selbstständigenquote im Berufsstand.

    Selbstständigenquote sinkt

    Während die Quote der selbstständigen Steuerberater im Jahr 2011 noch 71,1 % betrug, ist sie in den letzten Jahren rückläufig und beträgt 2014 nur noch 70,2 %. Dieser Trend ist nicht nur bei den Steuerberatern, sondern seit dem Jahr 2012 bundesweit branchenübergreifend zu beobachten. Zuletzt waren knapp 60.000 Steuerberater selbstständig, gut 25.000 dagegen angestellt tätig. Über ein Viertel aller Steuerberater ist außerdem älter als 60 Jahre, sodass die Nachfolgeproblematik bei ihnen in den kommenden Jahren stark in den Fokus rücken wird.

    In der Nachfolgersuche zweigleisig fahren

    Unter den genannten Umständen wird es für die bestehenden „klassischen“ Kanzleien immer schwieriger werden, einen Nachfolger von außen zu finden. Die Strategie muss daher eine doppelte sein: Zum einen gilt es, die Kanzlei so am Puls der Zeit weiterzuentwickeln, dass sie auch für bereits bestehende Kanzleien attraktiv ist. Zum anderen sollten beizeiten qualifizierte Mitarbeiter an mehr Verantwortung herangeführt werden, sodass der Sprung in die Selbstständigkeit am Ende vielleicht doch nicht so groß ist und mit dem Privatleben vereinbar erscheint.

     

    Checkliste / Faktoren, die die Vorlaufzeit beeinflussen

    • 1. Regionale Lage: Generell gilt, dass es für Kanzleien in ländlichen Gegenden zunehmend schwieriger wird, einen Nachfolger zu finden. Wichtig | Rechnen Sie bei einer Veräußerung in einem ländlichen Gebiet mit einer Vorbereitungszeit von eineinhalb bis zwei Jahren. In Ballungsräumen liegt sie bei sechs bis zwölf Monaten.

    • 2. Größe der Kanzlei: Ab etwa 500.000 EUR Umsatz wird eine Kanzlei schwerlich einen einzelnen Nachfolger finden. Wahrscheinlich ist die Veräußerung an eine bestehende Gesellschaft. Generell ist die Umsatzgrenze für einen Partner bei ca. 600.000 EUR. Ab 700.000 EUR trägt der Unternehmerlohn zwei Partner. Wichtig | Rechnen Sie bei der Veräußerung mit einer Vorbereitungszeit von ein bis zwei Jahren.

    • 3. Sozietät oder Partnerschaftsgesellschaft: Beteiligungen sind deutlich schwieriger zu veräußern als Einzelkanzleien. Problematisch sind insbesondere Minderheitsbeteiligungen. In der Vorbereitungszeit für die Veräußerung gilt es, einen etwaigen Nachfolger als angestellten Steuerberater in die Kanzlei zu holen und diesem eine Probezeit zu ermöglichen. Fehlversuche gehören zum Programm und müssen zeitlich mitberücksichtigt werden.Wichtig | Rechnen Sie bei der Veräußerung mit einer Vorbereitungszeit in Ballungsräumen von rund zwei bis drei Jahren, in ländlichen Regionen von drei bis vier Jahren.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Lesen Sie in den nächsten Ausgaben von KP zur Kanzleinachfolge „Auch ältere Kanzleien müssen attraktiv bleiben“ und alles zu den rechtlichen Fragestellungen beim Kanzleiübergang.
    Quelle: Ausgabe 03 / 2016 | Seite 45 | ID 43797967

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