Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · DSGVO

    Muss das Akteneinsichtsrecht bald nicht mehr eingeklagt werden?

    von StB Simon Beyme, Syndikus-Rechtsanwalt/FA SteuerR, Berlin; Geschäftsführer Steuerberaterverband Berlin-Brandenburg e. V.

    Anträge auf Akteneinsicht beim FA außerhalb eines Gerichtsverfahrens wurden bislang in aller Regel abgelehnt, da Steuerpflichtige hierauf keinen unmittelbaren Anspruch nach AO, sondern nur auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen solchen Antrag haben. Erst im finanzgerichtlichen Verfahren besteht ein Anspruch auf Einsicht in die Finanzamtsakte nach § 78 FGO. Dies könnte sich durch die DSGVO zugunsten der Steuerpflichtigen geändert haben. Einen ersten Fall entschied das FG Saarland (3.4.19, 2 K 1002/16; EFG 19, 1217).

     

    Sachverhalt

    In der Entscheidung ging es um das Akteneinsichtsrecht eines Klägers, der an einer RA/WP/StB GbR beteiligt war. Für die Ende 2008 aufgelöste GbR fand 2014 eine Betriebsprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 statt. Die Gesellschafter der GbR waren zerstritten und stritten im Rahmen der Betriebsprüfung um die Berechnung des Veräußerungsgewinns und die Erstellung der Auseinandersetzungsbilanz.

     

    Anlässlich einer Besprechung zwischen der Betriebsprüfungsstelle und dem Kläger beantragte dieser im Oktober 2015 Akteneinsicht. Den Antrag lehnte das FA unter Hinweis auf die lange Verfahrensdauer und das Steuergeheimnis ab und wies auch den hiergegen eingelegten Einspruch zurück. Mit einer im Januar 2016 erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Begehren auf Akteneinsicht gerichtlich weiter. Da die Akteneinsicht s‒ nun nach § 78 FGO ‒ während des Klageverfahrens gewährt wurde, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Das FG hatte aber noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden (§ 138 Abs. 1 FGO) und prüfte dabei (summarisch) die Erfolgsaussichten der Klage, also ob ein außergerichtliches Akteneinsichtsrecht bestand.

     

    Entscheidungsgründe

    Das FG ging dabei von einem außergerichtlichen Recht auf Akteneinsicht aus und legte deshalb die Kosten des Verfahrens dem FA auf. Das FG begründet seine Entscheidung vor allem mit der DSGVO. Zwar gilt diese grundsätzlich nur für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Anwendungsbereich des Unionsrechts, was bei nicht harmonisierten Steuern wie der Einkommen- oder Körperschaftsteuer zweifelhaft ist. Da jedoch die DSGVO nach Auffassung der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder zugunsten der Betroffenen für sämtliche Steuerarten anwendbar ist (vgl. BMF-Schreiben vom 12.1.2018, BStBl I 2018, 185, Rz. 3 und 22), folgt der Anspruch des Klägers auf Informationszugang zumindest aus der insofern eingetretenen Selbstbindung der Verwaltung.

     

    In der DSGVO ist ein Recht auf Akteneinsicht nicht ausdrücklich geregelt. Nach Art. 15 Abs. 1 Hs. 2, Abs. 2 DSGVO besteht aber ein Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, soweit die Finanzbehörden ‒ wie vorliegend ‒ Papierakten führen, da auch nach Steuernummern oder sonstigen Aktenzeichen sortierte Papierakten ein Dateisystem i. S. des Art. 4 Nr. 6 DSGVO sind. Dies gilt auch, soweit die Papierakten Informationen vor Inkrafttreten der DSGVO am 25.5.2018 enthalten (vgl. Art. 99 Abs. 2 DSGVO).

     

    Soweit die Finanzverwaltung beim Akteneinsichtsrecht weiterhin von einem Ermessensanspruch ausgeht, widerspricht dies sowohl Unions- als auch nationalem Recht. Nach § 32d Abs. 1 AO besteht ein behördliches Ermessen nur, soweit es an Regelungen in der DSGVO fehlt. Dies ist jedoch gerade nicht der Fall, da Art. 15 Abs. 1 2.HS, Abs. 2 DSGVO genau diesen (ermessensfreien) Anspruch auf Information regelt. Damit besteht für alle Steuerpflichtigen grundsätzlich ein Anspruch auf Akteneinsicht bei der Finanzbehörde, sofern keine Ausschlussgründe nach AO vorliegen. Ausschlussgrund für einen Anspruch auf Akteneinsicht ist insbesondere das Steuergeheimnis (§§ 32c Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 32b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. mit § 30 AO). Das Steuergeheimnis nach § 30 AO stand der Akteneinsicht vorliegend jedoch nicht entgegen. Denn die für das Verfahren zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte bedeutsamen Verhältnisse sind gegenüber den an der Feststellung beteiligten Gesellschaftern nicht vom Steuergeheimnis erfasst. Sämtliche Beteiligte sind deshalb, solange sie Mitgesellschafter sind, berechtigt, in die Steuerakten über die einheitliche und gesonderte Feststellung Einsicht zu nehmen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Sofern erforderlich bietet es sich an, ab sofort außergerichtliche Anträge auf Akteneinsicht unter Berufung auf die DSGVO zu stellen. Laut FG Saarland hat die DSGVO die Rechtslage grundlegend verändert: Art. 15 Abs. 1 2. HS, Abs. 2 DSGVO räumt einen Auskunftsanspruch über sämtliche verarbeiteten personenbezogenen Daten ein, woraus sich auch ein Akteneinsichtsrecht gegenüber dem FA ableitet. Dieser Anspruch ist nur ausgeschlossen, wenn ausdrückliche Ausschlussgründe, insbesondere das Steuergeheimnis, dagegen stehen. In „eigener Sache“ bestehen solche Ausschlussgründe regelmäßig nicht, so dass insofern auch außergerichtlich ein Anspruch auf Akteneinsicht besteht. Hierbei kann auf die gut begründete Entscheidung des FG Saarland zurückgegriffen werden, auch wenn es sich dabei formal „nur“ um einen Beschluss nach § 138 Abs. 1 FGO handelt.

    Quelle: ID 46178192

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents