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  • · Fachbeitrag · Rechte und Pflichten des Steuerberaters

    Folgen der pflichtwidrigen Verneinung einer insolvenzrechtlichen Überschuldung

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Erklärt der vertraglich lediglich mit der Erstellung der Bilanz betraute Steuerberater, dass eine insolvenzrechtliche Überschuldung nicht vorliege, haftet er der Gesellschaft wegen der Folgen der dadurch bedingten verspäteten Insolvenzantragstellung (BGH 6.6.13, IX ZR 204/12, Abruf-Nr. 132200).

     

    Sachverhalt

    Ein Insolvenzverwalter verlangte von der früheren Steuerberaterin einer GmbH Schadenersatz, weil sie eine bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung nicht erkannt und deswegen entsprechende gebotene Hinweise an die Geschäftsführung unterlassen habe. Die Beraterin hatte im Bilanzbericht explizit ausgeführt, der ausgewiesene, nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag sei „rein bilanzieller Natur“. Aus diesem Grund habe die GmbH keinen Insolvenzantrag gestellt, sei aber weitere Verbindlichkeiten von mehr als 200.000 EUR eingegangen, für die die Berufsangehörige haften müsse. Der BGH schloss sich, anders als die Vorinstanzen, der Argumentation des Verwalters prinzipiell an.

     

    Entscheidung

    Grundsätzlich ist es nicht Aufgabe eines allein mit der allgemeinen steuerlichen Beratung beauftragten Berufsangehörigen, die Mandantschaft bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz auf insolvenzrechtliche Prüfungs- und Antragspflichten hinzuweisen. Hingegen besteht eine haftungsrechtliche Verantwortung, wenn dem steuerlichen Berater ein ausdrücklicher Auftrag zur Prüfung der Insolvenzreife eines Unternehmens erteilt wird. Diese Grundsätze hat der BGH erst kürzlich aufgestellt (BGH 7.3.13, IX ZR 64/12, Abruf-Nr. 131400; s. hierzu ausführlich Streit, KP 13, 97).

     

    In der jetzt zu entscheidenden Sache hatte sich die Beraterin aber nicht nur auf die von ihr zu leistende Bilanzerstellung beschränkt: Ausdrücklich hatte sie unter Bezugnahme auf bestehende Rangrücktrittsvereinbarungen und den vorhandenen Firmenwert unmissverständlich vermerkt, die (rechnerische) Überschuldung sei nicht als materielle Überschuldung zu werten, also insolvenzrechtlich unbeachtlich. Damit hatte die Beraterin nach Auffassung des BGH eine über die bloße Bilanzierung hinausgehende Leistung erbracht.

     

    Aufgrund der wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung solcher Angelegenheiten handelte es sich auch nicht um eine bloße Gefälligkeit der Berufsangehörigen, sondern um eine zusätzliche Prüfung, auf deren Richtigkeit die GmbH vertrauen durfte. Wurde von der Beraterin eine tatsächlich bestehende insolvenzrechtliche Überschuldung verkannt, muss sie auch Schadenersatz leisten. Zur weiteren Aufklärung hat der BGH die Sache zurückverwiesen.

     

    Anmerkungen

    Der BGH weist auf die Bedeutung eines möglichen Mitverschuldens der Organe der GmbH hin, das für den Schadenersatzanspruch ebenfalls relevant werden kann. Die Abschlussprüfung soll und kann das gesellschaftsinterne Kontrollsystem nicht ersetzen. Der Geschäftsführung ist daher regelmäßig ein (mindestens fahrlässiges) Mitverschulden anzulasten, wenn sie eine vorhandene Insolvenzreife nicht erkennt.

     

    Der Grad des Mitverschuldens hängt davon ab, wie schwer die Fehler des Beraters waren. Hat er grob fehlerhaft völlig überhöhte Vermögenswerte mit der Folge eines deutlichen bilanziellen Vermögensüberschusses angesetzt, wiegt dies erheblich schwerer als eine bloße Überbewertung stiller Reserven, die nur zu einer ausgeglichenen Bilanz geführt haben. Weckt der Steuerberater bei der Mandantin fälschlich das irrige Vertrauen, sich nicht in einer wirtschaftlichen Schieflage zu befinden, ist nach Auffassung des Senats regelmäßig von einem überwiegenden Verschulden des Berufsangehörigen auszugehen. Im Streitfall verbleibt hier zusätzlicher Aufklärungsbedarf für das weitere Verfahren.

     

    Probleme ergeben sich im Regressfall überdies häufig im Zusammenhang mit der Schadensberechnung selbst. Den jeweiligen Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden muss immer derjenige beweisen, der den Schadenersatzanspruch geltend macht. In Verträgen mit Beratern gilt zunächst die Vermutung, dass der Mandant beratungsgemäß gehandelt hat, wenn nach der Lebenserfahrung bei vertragsgemäßer Leistung des Beraters lediglich ein bestimmtes Verhalten nahelag. Kommen als Reaktion auf eine zutreffende Beratung jedoch mehrere objektiv gleich vernünftige Verhaltensmöglichkeiten in Betracht, muss der Mandant die Alternative deutlich machen, für die er sich entschieden hat. Ihn trifft in einem solchen Fall die volle Beweislast (ausführlich BGH 14.6.12, IX ZR 145/11, Abruf-Nr. 122095).

     

    Ob und in welcher Höhe ein ersatzfähiger Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre (sogenannte Differenzhypothese). Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, d.h. ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen (ausführlich BGH 14.6.12, a.a.O.; BGH 19.5.09, IX ZR 43/08, Abruf-Nr. 092349).

     

    Praxishinweis

    Die Entscheidung macht wieder einmal deutlich, wie gefährlich auch eher beiläufige Bemerkungen und ungefragte Feststellungen eines Berufsangehörigen haftungsrechtlich werden können. Im Streitfall bezog sich das ursprüngliche Mandat allein auf die Bilanzerstellung. Weitergehende Aufträge waren nicht erteilt. Hätte sich die Beraterin auf den bloßen Jahresabschluss beschränkt, würde sie sich nicht Regressforderungen gegenübersehen. In derartigen Fällen ist also stets besondere Vorsicht und Zurückhaltung geboten: Beschränkt sich der Berufsangehörige strikt auf die vereinbarten Leistungen, drohen jedenfalls keine Regressansprüche.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 197 | ID 42238573

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