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  • · Fachbeitrag · Verfahrensrecht

    Ablehnung eines Richters: Wie viel Distanz kann ein Richter zu seinem Ehegatten halten?

    von Oberstaatsanwalt Raimund Weyand, St. Ingbert

    Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn sein Ehegatte als Rechtsanwalt in der Kanzlei tätig ist, die den Gegner vor diesem Richter vertritt (BGH 15.3.12, V ZB 102/11, Abruf-Nr. 121516).

    Sachverhalt

    Das OLG hatte sich mit dem Rechtsmittel gegen eine erstinstanzliche Entscheidung zu befassen. Dem hierfür zuständigen Senat gehörte ein Richter an, dessen Ehefrau halbtags als Rechtsanwältin in einer der von den streitenden Parteien mandatierten Kanzleien tätig war, ohne dort mit dem Streitfall befasst zu sein. Der auf diesen Umstand gestützte Befangenheitsantrag eines der Beteiligten war zunächst erfolglos. Der BGH gab einer Rechtsbeschwerde jetzt aber statt.

     

    Entscheidung

    Im Zivilprozess liegt ein Ablehnungsgrund vor, wenn aus der Sicht der ablehnenden Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass besteht, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des mit der Sache befassten Richters zu zweifeln (§ 42 Abs. 2 ZPO). Dafür genügt es, dass die konkreten Umstände im Einzelfall geeignet sind, bei den Parteien begründete Zweifel zu veranlassen. Bei den Vorschriften zur Befangenheit von Richtern geht es allein darum, schon den „bösen Schein“ einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden, ohne dass der Abgelehnte tatsächlich voreingenommen sein müsste. Die Bestimmungen dienen zugleich der Verwirklichung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs der Parteien, nicht vor einem Richter stehen zu müssen, dem es an der gebotenen Neutralität fehlt.

     

    Die anwaltliche Tätigkeit der Ehefrau des Richters in der gegnerischen Kanzlei und das sich hieraus ergebende besondere Näheverhältnis genügt, solche Zweifel zu wecken. Grundsätzlich ist freilich davon auszugehen, dass Richter regelmäßig über innere Unabhängigkeit und Distanz verfügen, die sie befähigen, unvoreingenommen und objektiv zu entscheiden. Dennoch ist es einer Partei nicht zuzumuten, allein darauf zu vertrauen, dass eine unzulässige Einflussnahme durch den Gegner unterbleiben wird. Sie muss insbesondere nicht abwarten, ob eine derartige Beeinflussung doch geschieht und dies bekannt wird. Eine erfolgreiche Ablehnung ist schon vorher möglich.

     

    PRAXISHINWEIS | Im finanzgerichtlichen Verfahren gelten dieselben Kriterien. Zwar enthält die FGO keine speziellen Bestimmungen zur Ablehnung von Gerichtspersonen, § 51 FGO verweist jedoch explizit auf die diesbezüglichen Vorschriften der ZPO.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2012 | Seite 135 | ID 33504550

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