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  • · Fachbeitrag · Vorsteuerabzug

    Vermietung des „Homeoffice“ an den Arbeitgeber: BFH gewährt gestalterischen Vorsteuerabzug!

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Durch die zweite Welle der Coronapandemie hat sich die Anzahl der im „Homeoffice“ tätigen Arbeitnehmer nochmals deutlich erhöht. Nun beweist der BFH erfreulichen Aktualitätssinn, indem er dem Gestaltungsmodell „Vermietung des Homeoffice an den Arbeitgeber“ aus umsatzsteuerlicher Sicht seinen Segen erteilt hat. Der BFH (7.5.20, V R 1/18) gewährt den betroffenen Arbeitnehmern aus den damit verbundenen Kosten den Vorsteuerabzug ‒ und das sogar für Teilbereiche der Sanitärräume. Zudem enthält die Entscheidung „en passant“ erleichternde Ausführungen zum Dauerstreitpunkt „Vorsteuerabzug bei Bruchteilsgemeinschaften“. |

    1. Sachverhalt

    EM war als Vertriebsleiter bei der X angestellt und mit seiner Ehefrau EF zu je ½ Bruchteilseigentümer eines Zweifamilienhauses. Die Hauptwohnung (120 qm) nutzten die Eheleute privat und die Einliegerwohnung im Souterrain (54 qm) vermieteten sie an den Arbeitgeber des EM für monatlich 400 EUR zzgl. USt, damit EM diese Fläche als Homeoffice nutzen konnte. Die Eheleute machten in ihrer ESt- bzw. USt-Erklärung Renovierungskosten von rund 26.000 EUR für das in der vermieteten Wohnung befindliche Badezimmer geltend sowie den Vorsteuerabzug aus den Aufwendungen. Beides versagte das FA nach einer Ortsbesichtigung mit der Begründung, dass das Badezimmer dem „privaten/nichtunternehmerischen“ Bereich zuzuordnen sei. Im Klageverfahren beriefen sich die Eheleute darauf, auch das streitige Badezimmer sei selbstverständlich unselbstständiger Teil des Mietverhältnisses; zudem benötige EM das Badezimmer bei Vertriebsgesprächen mit Kunden.

     

    Das FG gab der Klage nur zum Teil statt: Trotz Kundenverkehr sei davon auszugehen, dass nur die Anmietung der Büroräume nebst WC und Waschbecken vom „überwiegenden betrieblichen Arbeitgeberinteresse“ gedeckt sei. Daher seien die Renovierungskosten nur bezüglich dieser Sanitärartikel zuzüglich des Fenster- und Türaustauschs zu berücksichtigen ‒ nicht aber die Kosten für Dusche und Badewanne. Von den weiteren „allgemeinen Handwerkerkosten“ gewährte das FG zudem einen auf WC und Waschbecken entfallenden „Flächenanteil“ von 1/3 bei Werbungskosten und Vorsteuer. Das sah der angerufene V. Senat des BFH umsatzsteuerlich letztlich genauso, da es im Übrigen am erforderlichen Zusammenhang zu den Vermietungsumsätzen fehle.

    2. Entscheidungsgründe

    Der BFH betont einleitend, ein Vorsteuerabzug komme dem Grunde nach nur in Betracht, soweit der Unternehmer eine Leistung „für sein Unternehmen“ beziehe. Demnach scheide ein Vorsteuerabzug nach Unionsrecht nicht nur für Ausgaben ohne „streng geschäftlichen Charakter“ aus, sondern auch dann, wenn die Eingangsleistungen keinen „direkten und unmittelbaren“ Zusammenhang zu nachfolgenden Ausgangsleistungen hätten, also die Aufwendungen nicht zu den Kostenelementen der Vermietungsumsätze rechneten. Bei einer vom Arbeitnehmer an seinen Arbeitgeber vermieteten und von diesem für Bürotätigkeiten wieder „rücküberlassenen“ Raumeinheit könne dieser erforderliche Zusammenhang nur bezüglich der tatsächlich beruflich genutzten Flächenanteile angenommen werden, womit die mit Dusche und Badewanne ausgestattete Badezimmerfläche außen vor bleibe. Denn das FG habe als Tatsacheninstanz festgestellt, dass es bezüglich der streitigen Badezimmerbereiche an einer „beruflichen Nutzung“ gefehlt habe und zudem darauf verwiesen, dass der vom Arbeitgeber gezahlte Mietbetrag auch nach der kostenträchtigen Badrenovierung nicht erhöht worden sei.

     

    Des Weiteren hält der BFH an seiner jüngsten Rechtsprechungsänderung fest, wonach „Bruchteilsgemeinschaften“ nicht mehr als Unternehmer i. S. v. § 2 UStG angesehen werden können, sondern jeder einzelne „Bruchteilseigentümer“ eigenständig (anteilig) Vermietungsumsätze erwirtschafte und „bruchteilig“ Vorsteuer geltend machen könne. Dies sei im Klageverfahren zwar außer Acht gelassen worden; dies sei jedoch bei Ehegatten unschädlich, da der für die Bruchteilsgemeinschaft ergangene USt-Bescheid in solchen Fällen vereinfachend als zusammengefasster Steuerbescheid i. S. v. § 155 Abs. 3 S. 1 UStG beurteilt werden könne.

    3. Relevanz für die Praxis

    3.1 Gekürzter Vorsteuerabzug/Homeoffice-Gestaltung

     

    3.1.1 Glaubwürdigkeitsproblem

    Der BFH stand vor einer Argumentationshürde: Im Mietvertrag war die Einbeziehung des Badezimmers in das Vermietungsverhältnis (und damit in die vereinbarte Nettomonatsmiete von 400 EUR) nicht angesprochen. Und das FG hatte als „Tatsacheninstanz“ hierzu auch keine Feststellung in dem Sinne getroffen, dass der Vertrag das Badezimmer (und damit auch dessen hochpreisige Renovierung) tatsächlich nicht einbeziehe. Angesichts dessen hätte der BFH das Verfahren also auch an die Vorinstanz zurückverweisen können. Der V. Senat umschiffte diese Klippe jedoch mit einem unorthodoxen Argumentationsansatz:

     

    So sei der Vorsteuerabzug systematisch nur aus Renovierungskosten zu gewähren, die ihrerseits als Kostenelement in die Ausgangsumsätze (Miete) eingeflossen seien. Gegen dieses „Einfließen“ spreche jedoch bereits, dass die Nettomonatsmiete von 400 EUR gegenüber dem Arbeitgeber trotz der mit fast 26.000 EUR netto sehr kostspieligen Badrenovierung nicht angehoben worden sei. Und zudem sei Geschäftsgrundlage dieser Vermietung die Bereitstellung eines Arbeitsplatzes für eine Bürotätigkeit. Trotz der wiederholten Beteuerungen der Revisionskläger spreche nichts dafür, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall Räumlichkeiten mitbezahle, um seinem Beschäftigten die Nutzung einer Dusche oder Badewanne zu ermöglichen: Zur Überzeugung des Gerichts war die Einlassung der Revisionskläger daher weder schlüssig noch glaubwürdig.

     

    3.1.2 Gestaltungsmodell eröffnet

    Gleichwohl bleibt im ersten Schritt festzuhalten, dass der BFH dem ausgesprochen gekünstelt wirkenden Modell der „Homeoffice-Vermietung an den Arbeitgeber zur unmittelbaren Rücküberlassung für berufliche Zwecke“ nicht bereits aus grundsätzlichen Erwägungen die Anerkennung verweigert hat. Dies entspricht der Sichtweise bei den ähnlich gelagerten „Kfz-Überlassungsmodellen“, denen die Finanzverwaltung erfolglos die Anerkennung wegen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO zu entziehen versuchte, soweit „Vermieter und tatsächlich Nutzender letztlich identisch waren“ (vom BFH akzeptiert: BFH 11.10.07, V R 77/05; so auch für die Kfz-Überlassungen durch den Gesellschafter an „seine“ Gesellschaft: BFH 16.3.93, XI R 45/90; BFH 21.7.94, V R 102/92).

     

    Wie im Besprechungsurteil stand auch im dortigen Vorsteuerstreit zur Diskussion, ob die Mietzahlungen als Vermietungserlös oder als „faktischer Arbeitslohn“ zu beurteilen seien. Aber hier wie dort betonte der BFH, aus der ertragsteuerlichen Beurteilung ergebe sich keine Folge für die umsatzsteuerliche Einordnung. Damit kann von diesen Modellen in geeigneten Fällen Gebrauch gemacht und nicht nur die laufenden Nettokosten ertragsteuermindernd erfasst, sondern wegen bejahter Unternehmereigenschaft auch noch der Vorsteuervorteil in den „Gestaltungsprofit“ einkalkuliert werden.

     

    3.1.3 Dusche im Mietvertrag

    Es bleibt unklar, ob der Senat bereits bei einer expliziten vertraglichen Einbeziehung des Badezimmers in das Mietverhältnis anders entschieden hätte. Die mehrfache Betonung der Entbehrlichkeit von Dusch- u. Bademöglichkeiten bei „reiner Bürotätigkeit“ (so z. B. in Rn. 24 sowie 26 bis 28) wirft die Frage auf, ob diese Aussage dem entschiedenen Einzelfall geschuldet war, also etwas anderes (z. B. Einbeziehung einer Dusche) gelten könnte, wenn der vermietende Arbeitnehmer einem „verschmutzungsträchtigen Beruf“ (Schornsteinfeger, Kanalarbeiter) nachgehen würde.

     

    3.2 Sonderproblem „Bruchteilsgemeinschaft“ als „Nichtunternehmer“

    Soweit mehrere Personen „gemeinschaftliches Vermögen“ zur Einnahmenerzielung nutzen, ist die Vermögensbindung in „gesamthänderischer Verbundenheit“ (GbR) oder aber (wie im Urteilsfall) in Form von Bruchteilseigentum denkbar. Lange Jahre galten Gesamthands- wie Bruchteilsgemeinschaften undifferenziert als umsatzsteuerliche Unternehmerin i. S. v. § 2 UStG, sodass bei einer Vermietung „die GbR“/„die Bruchteilsgemeinschaft“ als Besteuerungssubjekt die Ausgangs-USt abzuführen bzw. Eingangs-Vorsteuerbeträge geltend zu machen hatte. Mit Urteil vom 22.11.18 (V R 65/17) hatte der BFH jedoch diese Unternehmereigenschaft für „Bruchteilsgemeinschaften“ verneint und konstatiert, in diesen Fällen müsse künftig jeder einzelne „Bruchteilseigentümer“ höchstpersönlich seine anteiligen Erlöse versteuern bzw. seine anteiligen Vorsteuerbeträge geltend machen.

     

    Mit dieser Rechtsprechungsänderung hat der BFH die Finanzverwaltung wie die Beraterpraxis in tiefe Ratlosigkeit gestürzt, denn diese Judikatur dürfte eine Fülle komplizierter und kaum praktikabler Folgen haben:

     

    • Erfassung: Vervielfachung der umsatzsteuerlichen Erfassungen (für jeden „Bruchteilsbeteiligten“) mit entsprechenden Deklarationspflichten

     

    • Rechnungslegung: Veränderte Ausgangsrechnungen durch jeden (bzw. Bruchteilsgutschrift gegenüber jedem) einzelnen Beteiligten für die Erlösanteile (z. B. „multiple Vermietungsleistungen“)

     

    • Eingangsrechnung: Eine bruchteilige Rechnungslegung müsste künftig grds. „anteilig“ gegenüber jedem einzelnen Beteiligten erfolgen (z. B. bei Renovierungsaufwendungen für eine Vermietungsimmobilien-Bruchteilsgemeinschaft); vom Bruchteilseigentum und den Beteiligungsquoten müsste der leistende Unternehmer aber überhaupt erst einmal Kenntnis erlangen. In der Folge könnten zwar die Regelungen in Abschn. 15.2a Abs. 3 S. 6 bis 9 UStAE für Erleichterungen sorgen, aber deren Einschlägigkeit in diesem Bereich und die Sichtweise des BFH hierzu ist noch unklar.

     

    • § 14c UStG: Fakturierungsfehler bei Ausgangs- wie Eingangsrechnungen könnten Steuerschuldnerschaftsfolgen i. S. d. § 14c UStG auslösen.

     

    • Kleinunternehmer/§ 19 UStG: Während insofern bei der Vermietungsgemeinschaft bislang eine Gesamtbetrachtung galt, wäre die Frage des § 19 UStG künftig bei jedem einzelnen Bruchteilsbeteiligten zu klären.

     

    • Option zur USt-Pflicht/§ 9 UStG: Künftig könnte sich jeder Gemeinschafter für seine bruchteilige Vermietung „individuell“ für oder gegen eine Option zur Steuerpflicht entscheiden.

     

    • Korrekturen nach § 15a UStG/„GiG“ i. S. d. § 1 Abs. 1a UStG: Auch die Fragen nachfolgender Vorsteuerkorrekturen (§ 15a UStG) oder der Beurteilung einer Übertragung als Geschäftsveräußerung (§ 1 Abs. 1a UStG) wäre damit künftig stets auf „Bruchteiler-Ebene“ zu beurteilen.

     

    Die Finanzverwaltung hatte sich angesichts dieser Fülle kaum lösbarer Folgefragen bislang „bedeckt“ gehalten und ihre bisherige Sichtweise (Behandlung der „Bruchteilsgemeinschaft“ als Unternehmer i. S. v. § 2 UStG) in Abschn. 2.1. Abs. 2 S. 2, 3 u. 6 UStAE unverändert bestehen lassen. In Rn. 29 des Besprechungsurteils bekräftigt der BFH nun zwar im ersten Schritt sein „Festhalten an der Rechtsprechungsänderung“. Dies hätte vorliegend allerdings dazu führen müssen, dass der bislang gegenüber der Bruchteilsgemeinschaft als Unternehmer i. S. v. § 2 UStG ergangene USt-Bescheid wegen „des unzutreffenden Besteuerungsbeteiligten“ hätte aufgehoben werden müssen. Der BFH baut für den vorliegenden „Ehegattenfall“ aber die „goldene Verfahrensbrücke“, indem er „zusammengefasste Steuerbescheide“ i. S. v. § 155 Abs. 3 AO unterstellt. Aus diesem rein verfahrensrechtlichen Kunstgriff ergibt sich für die Grundsatzfrage der künftigen Beurteilung von Bruchteilsgemeinschaften jedoch keinerlei praktikable Klärung der o. a. Detailfragen. Der Umsatzsteuerpraktiker hätte sich daher vom V. Senat „die Rolle rückwärts“ zur früheren Handhabung gewünscht.

    Quelle: Ausgabe 02 / 2021 | Seite 46 | ID 46990748

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