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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    „Preiszuschüsse“ des Vermittlers mindern das Entgelt seines Vermittlungsumsatzes nicht

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Die vom EuGH zu „Preiserstattungen“ bei Lieferketten bejahte Entgeltsminderung hatte der BFH in der Folgezeit auch auf „Preiszuschüsse“ eines Vermittlers übertragen. Jüngst hatte der BFH dann beim EuGH angefragt, ob die von einem Reisebüro an den Kunden anteilig weitergereichte Vermittlungsprovision auch dann das Entgelt für die Vermittlung mindern könne, wenn die Reise selbst gemäß § 25 Abs. 2 UStG umsatzsteuerfrei bleibe. Die klare Botschaft des EuGH: Bereits die analoge Anwendung der „Lieferkettenrechtsprechung“ sei unzutreffend gewesen und die Folgefrage stelle sich daher nicht mehr ( EuGH 16.1.14, C-300/12 ). |

    1. Das Vorlageverfahren

    Die V-GmbH (V) betrieb in den Streitjahren 02 bis 05 ein Reisebüro, das Pauschalreisen im In- und Ausland vermittelte. Die von diversen Reiseveranstaltern erhaltenen Provisionen unterwarf V der Umsatzsteuer. Zahlreichen Kunden gewährte die V verdeckte Zuzahlungen zum Reisepreis, indem sie ihre Vermittlungsprovision anteilig an diese weiterreichte. V wertete diese „Zuschüsse“ in vollem Umfang als Entgeltsminderung. Das FA sah dies jedoch zumindest dann anders, wenn die Reisen im Drittlandsgebiet stattfanden und beim Reiseveranstalter gemäß § 25 Abs. 2 UStG umsatzsteuerfrei blieben. Das FG gab der Klage der V zwar statt. Der BFH hatte jedoch Zweifel und fragte beim EuGH an, ob die vom EuGH bislang nur für Lieferketten bejahte Entgeltsminderung (vgl. EuGH 24.10.96, Rs. „Elida-Gibbsu“, C-317/94) auch auf Provisionserlöse aus der Vermittlung eines Liefer- oder Leistungsumsatzes Anwendung finde und dies vor allem auch dann gelte, wenn der vermittelte Umsatz steuerfrei bleibe.

    2. Anmerkungen

    Der EuGH stellt zunächst klar, dass der Umsatz des Reiseveranstalters durch die Weiterleitung der Provision nicht beeinflusst wird, da der Veranstalter von V den vom Kunden gezahlten vollen Reisepreis erhält. Der dem Kunden von V gewährte „verdeckte Zuschuss zum Reisepreis“ mindert laut EuGH aber auch nicht den Vermittlungsumsatz der V. Denn auch die V hat vom Reiseveranstalter die ungeschmälerte Vermittlungsprovision erhalten und mit der an den Kunden weitergeleiteten Provision keinen Nachlass für ihre an den Veranstalter erbrachte Dienstleistung gewährt.

     

    Die in der „Elida-Gibbs“-Entscheidung ausgeführten Entgeltsminderungsgrundsätze können laut BFH nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. Im damaligen Streitfall sei es um Zahlungen des ersten Umsatzbeteiligten in einer Lieferkette gegangen, die dieser nicht seinem unmittelbaren Leistungsempfänger, sondern einem nachfolgenden Beteiligten zugewandt habe. Das passte jedoch nicht auf den vorliegenden Streitfall:

     

    • Zum einen ist der Reiseveranstalter nicht das erste Glied in einer Kette, denn er erbringt seine Leistung ohne Zwischenschaltung weiterer Unternehmer unmittelbar an den Reisenden.

     

    • Zum anderen liegt überhaupt keine „Kettenleistung“ vor. Denn während der Veranstalter an den Reisekunden leistet, erbringt V seine Leistung (umgekehrt) an den Veranstalter. Zudem werden - anders als bei einer Lieferkette - keine kongruenten Leistungsinhalte weitergereicht.

     

    Ergebnis: Daher kann sich die Finanzierung eines Preiszuschusses des Vermittlers nicht auf seinen Vermittlungsumsatz auswirken, sondern es handelt sich um umsatzsteuerlich unbeachtliche Entgeltsverwendung.

    3. Praxishinweise

    Die Veröffentlichung der zu Preiszuschüssen des Herstellers an Endverbraucher in Lieferketten ergangenen EuGH-Entscheidung „Elida-Gibbs“ hatte in der Praxis seinerzeit für Furore gesorgt:

     

    • Der BFH (12.1.06, V R 3/04) vertrat die Auffassung, in analoger Anwendung müsse es dann auch hinsichtlich der Vermittlungsumsätze eines Reisebüros zur Entgeltsminderung kommen, soweit das Reisebüro seine Provisionserlöse anteilig an den Kunden weiterreiche.

     

    • Der V. Senat hatte mit dieser „Analogisierungstheorie“ auch die Finanzverwaltung überzeugt, die die Übertragbarkeit der Grundsätze auch auf die Vermittlungsumsätze von „Verkaufsagenten“ dem Grunde nach akzeptierte (BMF 8.12.06, IV A 5 - S 7200 - 86/06, BStBl I 07, 117). Allerdings hatte das BMF in Rz. 5 ff. seines Schreibens klargestellt, dies gelte nur, soweit das Umsatzsteueraufkommen aus der gesamten Leistungskette dem vom Endabnehmer gezahlten Entgeltssaldo entspreche. Eine Umsatzsteuerkorrektur komme daher beim Vermittlungserlös nicht in Betracht, soweit aus dem vermittelten Grundgeschäft wegen einer Steuerbefreiung keine Umsatzsteuer an den Fiskus fließe.

     

    Hinweis | Bei der Vermittlung von ermäßigt besteuerten Umsätzen sollte nach dieser Systemlogik hinsichtlich des vom Vermittler gewährten „Preiszuschusses“ auch nur eine Umsatzsteuerminderung zum ermäßigten Steuersatz beim Provisionserlös in Betracht kommen (vgl. BMF Rz. 8 ff.).

     

    Sechs Jahre später kamen dem V. Senat nun Bedenken an seiner bisherigen Sichtweise. Der EuGH hat der „Analogisierungstheorie“ des BFH nun eine klare „Abfuhr“ erteilt. Dem wird der BFH in der anstehenden Nachfolgeentscheidung wohl folgen müssen. Die bislang bei Vermittlern/ Verkaufsagenten akzeptierte Minderung der Bemessungsgrundlage gemäß § 17 UStG kann daher künftig nicht mehr gewährt werden.

     

    Wichtig | Angesichts der bisher gegenteiligen BFH-Rechtsprechung kann sich der Vermittler jedoch für „Altjahre“ (in denen eine USt-Festsetzung bereits vorliegt) auf § 176 Abs. 1 Nr. 3 AO berufen. Dieser Vertrauensschutz endet m.E. nicht bereits mit der ergangenen EuGH-Entscheidung, sondern erst mit der nun anstehenden Folgeentscheidung des BFH. Zudem ist vonseiten der Verwaltung mit einer Übergangsregelung zu rechnen.

     

    MERKE | Vor dem Hintergrund der Rechtsprechungsänderung müssen Verkaufsagenten nun generell die Gewährung von „Preiszuschüssen“ an Kunden überdenken. Denn diese gelten künftig als umsatzsteuerlich unbeachtliche Entgeltsverwendung und müssen daher - da die auf der Vermittlungsprovision lastende Umsatzsteuer künftig definitiv bleibt und daher nur noch ein geringerer Nettobetrag zur Finanzierung des „Preiszuschusses“ verbleibt - entsprechend reduziert werden.

     

    Zudem hat die vorliegende Rechtsprechungsänderung eine ambivalente Rechtsfolge: Denn während sich beim Vermittler der vorstehend beschriebene Besteuerungsnachteil ergibt, kann dies beim unternehmerischen Kunden künftig Vorsteuervorteile generieren:

    • Beispiel

    Verkaufsagent V veräußert im Namen und für Rechnung des Lkw-Herstellers H Fahrzeuge und erhält hierfür eine Vermittlungsprovision von 10 %. V gewährt Speditionsunternehmer S beim vermittelten Kauf einer Zugmaschine einen „faktischen Preisnachlass“, indem er ihm von seiner Vermittlungsprovision 30 % weiterreicht. Auf der dem S erteilten Rechnung wird der ungeschmälerte Fahrzeugpreis (100.000 zzgl. 19.000 EUR USt) ausgewiesen und H erteilt V eine Provisionsgutschrift über 10.000 EUR zzgl. 1.900 EUR USt.

     

    Die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage für die Fahrzeuglieferung an S bleibt bei H mit 100.000 EUR ungeschmälert erhalten, da sein Umsatzerlös durch die (verdeckte) Provisionsweitergabe nicht berührt wird; auch aus der Provisionsabrechnung hat H dementsprechend den ungeschmälerten Vorsteuerabzug von 1.900 EUR.

     

    Trotz dieses ungeschmälerten Vorsteuerabzugs konnte V nach bisheriger BFH-Rechtsprechung seinen korrespondierenden Vermittlungsumsatz aufgrund der anteiligen Provisionsweitergabe an S von (netto) 10.000 auf 7.000 EUR (abzuführende USt dann nur noch 1.330 EUR) reduzieren; im Gegenzug hatte S nach bisherigem Systemverständnis seinen Vorsteuerabzug hinsichtlich des von V erhaltenen „Preiszuschuss“ um 570 EUR zu mindern (A 17.2 Abs. 10 S. 9 UStAE).

     

    Hinweis | Da ein „Preiszuschuss“ des V an den unternehmerischen Kunden S nach neuer Rechtsprechung nun keine umsatzsteuerliche Entgeltsminderung mehr auslöst, führen solche Preiszuschüsse künftig auch nicht mehr zur Vorsteuerkürzung beim Kunden (hier: S). Denn für den Vorsteuerabzug ist die Mittelherkunft grundsätzlich unbeachtlich, sodass auch die Preissubvention von dritter Seite keine Vorsteuerkappung beim Leistungsempfänger auslöst (vgl. EuGH 23.4.09, C-74/08).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Rechtsprechungsänderung hat - neben den Vermittlungssachverhalten - auch Auswirkung auf sonstige „Leistungsgeflechte“, denn der BFH hatte seine Analogisierung in jüngerer Zeit auf weitere Fallkonstellationen - wie die Umsätze eines „Zentralregulierungsunternehmens“ - ausgedehnt (BFH 13.3.08, V R 70/06). Das in dieser Frage erneut anhängige Revisionsverfahren V R 3/12 hatte der BFH mit Blick auf das nun entschiedene EuGH-Verfahren C-300/12 zum Ruhen gebracht, sodass auch hier zeitnah mit einer Klarstellung zu rechnen ist.

     

    Auch wenn bei Vermittlungsumsätzen die Rechtsprechung des EuGH in der Rs. „Elida-Gibbs“ nun nicht mehr einschlägig ist, bedeutet das m.E. nicht, dass diese Grundsätze nur bei Lieferketten und damit nicht bei Dienstleistungen anwendbar sein können. Denn die ablehnende Haltung des EuGH fußt m.E. alleine auf der unterschiedlichen Leistungsrichtung und der fehlenden Inhaltskongruenz der Leistungsbeziehungen im Urteilssachverhalt. Etwas anderes müsste daher gelten, wenn eine Dienstleistung inhaltlich unverändert in einer aus mehreren Beteiligten bestehenden Leistungskette weitergereicht wird (z.B. beim Kettenvertrieb von Eintrittskarten, Software oder sonstigen Lizenzen/ Rechten) und der erste Unternehmer in der Kette dem letzten Abnehmer einen Preisnachlass gewährt.

     

    Ungeklärt ist zudem, ob eine Entgeltsminderung auch bei einer „grenzüberschreitend“ verlaufenden Lieferkette greift, wenn also der erste Lieferant z.B. eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung tätigt und einen „Preiszuschuss“ nicht seinem unmittelbaren Leistungsempfänger (z.B. Großhändler), sondern einem „nachfolgenden Kettenbeteiligten“ gewährt; zu dieser bislang uneinheitlich entschiedenen Frage sind aber inzwischen mehrere Revisionsverfahren anhängig (vgl. FG Sachsen 18.12.12, 3 K 590/10; Rev. V R 6/13 sowie FG Niedersachsen 29.9.11, 16 K 255/10; Rev. XI R 25/12).

     

    PRAXISHINWEIS |  

    Über die geänderte „Preisminderungsrechtsprechung“ hinaus droht den Vermittlern die Gefahr von umsatzsteuerlichen Fehlbeurteilungen auch von anderer Seite, wie eine aktuelle BFH-Entscheidung zeigt (BFH 16.10.13, XI R 39/12). Im dortigen Urteil hatte ein „Handyshop“ im Auftrag eines Mobilfunknetzbetreibers Laufzeitverträge vermittelt und bei der ergänzenden Abgabe von „Gratis-Handys“ an die Kunden eine zusätzliche „Geräteprovision“ vom Netzbetreiber erhalten.

     

    Während der Vermittler bei den Vertragsprovisionen wie den „Geräteprovisionen“ von steuerpflichtigen Provisionserlösen (Vermittlungsumsätze gegenüber dem Netzbetreiber) ausging, stellte der BFH klar, dass die „Geräteprovision“ ein vom Netzbetreiber an den Handyshop gezahltes „Entgelt von Dritter Seite“ darstellt. Der Vorgang sei daher vom Shop als Liefervorgang an den Kunden - und nicht als Provisionserlös gegenüber dem Netzbetreiber - zu fakturieren; eine Fehleinschätzung also, die schnell zu hohen unzutreffenden Steuerausweisen des Vermittlers i.S. von § 14c UStG führen kann.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2014 | Seite 152 | ID 42568555

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