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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Geschäftsveräußerung im Ganzen bei Übernahme eines Gastronomiebetriebs

    von Prof. Dr. Volker Kreft, Dipl.-Finanzwirt, RiFG, Bielefeld

    | Im Umsatzsteuerrecht ist die Annahme einer sog. Geschäftsveräußerung im Ganzen (GiG) Fluch und Segen zugleich. Für den Veräußerer ist der Vorgang gemäß § 1 Abs. 1a UStG nicht steuerbar, für den Erwerber wird aber gleichzeitig der Vorsteuerabzug ausgeschlossen. Doch reicht es für eine GiG aus, wenn bei einem in gepachteten Räumen geführten „Gastrobetrieb“ das bewegliche Inventar und die feste Ladeneinrichtung vom Vorbetreiber erworben, der Mietvertrag fortgeführt und am Betriebskonzept keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden? Eindeutig ja ‒ so der BFH (29.8.18, XI R 37/17, Abruf-Nr. 205114 ). |

    1. Sachverhalt

    Im Streitfall hatte der Kläger im Frühjahr 2015 einen Gastronomiebetrieb vom vorherigen Betreiber übernommen. Dieser betrieb den Gastronomiebetrieb seit 2012 in gemieteten Räumlichkeiten. Im Zuge der Übernahme schloss der Kläger zunächst im Januar 2015 mit der Vermieterin einen neuen Mietvertrag über die Räumlichkeiten ab, in denen sich der Gastronomiebetrieb befand. Dabei übernahm er die Mietbedingungen des bisherigen Betreibers. Anschließend erwarb er das bewegliche Inventar und die Ladeneinrichtung für 40.000 EUR zzgl. 7.600 EUR Umsatzsteuer. Nach einer kurzen Renovierungsphase und der Beschaffung zusätzlicher unwesentlicher Wirtschaftsgüter sowie des Warenbestands führte der Kläger den Betrieb ohne wesentliche Änderungen am Bistrokonzept fort. Das FA ließ die Vorsteuer aus dem Kaufvertrag nicht zum Abzug zu, da eine GiG vorliege. Der BFH gab der Finanzverwaltung Recht.

    2. Die umsatzsteuerliche Problematik

    2.1 Rechtliche Grundlagen

    Eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung liegt vor, wenn die wesentlichen Grundlagen eines Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebs im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht werden (§ 1 Abs. 1a S. 2 UStG). Diese Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 19 der MwStSystRL. Dieser Artikel bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbstständigen Unternehmensteilen. Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil fortzuführen (etwa EuGH 10.11.11 Rs. C-444/10 Schriever; BFH 19.12.12, XI R 38/10, BStBl II 13, 1053).

     

    Beachten Sie | Der Erwerber tritt dabei in die Rechtsposition des Übertragenden ein, was insbesondere Bedeutung für Berichtigungen nach § 15a Abs. 10 UStG hat (vgl. Meurer, MBP 18, 204).

     

    MERKE | Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Annahme einer Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes dem Erwerber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln.

     

    2.2 Streitanfällige Übertragungen von Betrieben in gemieteten Räumen

    Ob die oben geschilderte und häufig anzutreffende Sachverhaltskonstellation die Voraussetzungen einer GiG erfüllt, war bislang umstritten. So hatte der BFH im Urteil vom 4.2.15 (XI R 42/13, BStBl II 15, 616) noch entschieden, dass die Voraussetzungen einer nicht steuerbaren GiG dann nicht vorliegen, wenn der (bisherige) Pächter einer Gaststätte lediglich ihm gehörende Teile des Inventars (im Streitfall: Kücheneinrichtung nebst Geschirr) veräußert und der Erwerber den Gaststättenbetrieb sowie das übrige Inventar durch einen weiteren Vertrag von einem Dritten pachtet.

     

    Im Nachgang zu dieser Entscheidung wurde vereinzelt vertreten, dass bereits der bloße Neuabschluss eines Mietvertrags über das Ladenlokal zwischen Erwerber und Vermieter schädlich sei (so noch FG Düsseldorf 27.3.15, 5 K 2502/12 U). Eine Geschäftsveräußerung im Ganzen wäre damit bei einem in angemieteten Räumen betriebenen Unternehmen im Regelfall ausgeschlossen. Dieser Auffassung war das FG Düsseldorf in der Vorinstanz aber entgegengetreten und hatte die Klage als unbegründet abgewiesen (FG Düsseldorf 13.10.17, 1 K 3395/15 U, EFG 18, 881). Insbesondere sei nicht entscheidend, dass der Übergang des Mietverhältnisses zivilrechtlich nicht in einem dreiseitigen Vertrag mit Parteiwechsel des bisherigen und des neuen Mieters mit Zustimmung des Vermieters erfolgt ist. So sieht es nun auch der BFH.

     

    PRAXISTIPP | Früher verlangte die Finanzverwaltung in solchen Fällen noch eine langfristige Vermietung für z. B. 8 Jahre. Mittlerweile akzeptiert die Verwaltung aber auch ein auf unbestimmte Zeit abgeschlossenes Miet- oder Pachtverhältnis, selbst wenn der Vertrag eine kurzfristige Kündigungsmöglichkeit vorsieht (A. 1.5 Abs. 3 S. 4 UStAE; als Reaktion auf EuGH 10.11.11, C-444/10, Rs. Schriever).

     

    3. Entscheidung des BFH

    In Abgrenzung zu seinem o. g. Urteil vom 4.2.15 (XI R 42/13) geht der BFH nun davon aus, dass die Übertragung des Inventars einer Gaststätte eine nicht der Umsatzsteuer unterliegende Geschäftsveräußerung ist, wenn der Erwerber selbst über die zur Fortführung der Tätigkeit erforderliche Immobilie verfügt, weil er diese von einem Dritten gepachtet hat. Zudem sei der Tatbestand der Geschäftsveräußerung auch dann erfüllt, wenn selbstständige Unternehmensteile, mit denen eine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (sog. Teilvermögen), übertragen werden. Die Unterscheidung ähnelt den ertragsteuerlichen Begriffen der Geschäftsveräußerung im Ganzen bzw. der Teilbetriebsveräußerung i. S. d. § 16 EStG.

     

    Beachten Sie | Im Streitfall behandelte der BFH das übertragene Inventar als ein solches Teilvermögen im umsatzsteuerlichen Sinne. Der Annahme einer Fortführung des Unternehmens steht danach nicht entgegen, dass der Erwerber einzelne unwesentliche Gegenstände von Dritten hinzuerworben hat, solange die übertragenen Gegenstände aus Sicht des Erwerbers ein hinreichendes Ganzes bilden. Wegen der Nichtsteuerbarkeit dieser Teilvermögensübertragung kam ein Vorsteuerabzug nicht in Betracht.

    4. Relevanz für die Praxis

    Nach dieser richtungsweisenden Entscheidung ergeben sich für die steuerliche Praxis folgende Konsequenzen:

     

    • Werden Geschäftsbetriebe oder selbstständige Unternehmensteile übertragen, die in gepachteten Räumlichkeiten betrieben werden, hindern Fortführung oder Neuabschluss des Miet- oder Pachtvertrags nicht die rechtliche Einordnung als GiG.

     

    • Zumindest bei der Übertragung von Gaststätten, Restaurants, Bistro o. Ä. reicht die Übertragung des Inventars und der festen Ladeneinrichtung für die Annahme einer Geschäftsveräußerung im Ganzen. Ein nicht mit übereigneter Warenbestand ist hier unschädlich. Zur Begründung stellte das Gericht hier auf die schnelle Verderblichkeit und den schnellen Verbrauch des Warenbestands in solchen Branchen ab. Dagegen wäre es bei einem Einzelhandelsgeschäft schädlich, wenn kein Warenbestand übereignet worden ist.

     

    • Der EuGH hat zum Umfang des übertragenen Vermögens entschieden, dass (nur) die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter, wie etwa eines Warenbestands, nicht ausreicht, um als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen (EuGH 27.11.03, C-497/01 Rs. Zita Modes).

     

    • Im Falle der Beurteilung als GiG kommt ein Vorsteuerabzug auf Erwerberseite selbst dann nicht in Betracht, wenn in der Rechnung über die erworbenen Gegenstände die Umsatzsteuer offen ausgewiesen ist. In diesem Fall handelt es sich wegen der Nichtsteuerbarkeit des Vorgangs nicht um eine gesetzlich geschuldete Steuer. Ist der Vorsteuerabzug mit in die Preisverhandlungen einbezogen worden, bliebe dem Erwerber nur die Möglichkeit, sich an den Veräußerer zu wenden und von diesem die im Kaufpreis enthaltene USt nach § 313 BGB zurückzuverlangen (so Anm. Schütze, EFG 18, 886).

     

    PRAXISTIPP | Die steuerliche Gestaltungsberatung wird sich nunmehr künftig an den Grundsätzen der Besprechungsentscheidung ausrichten müssen. Jedenfalls hat der XI. Senat des BFH einer weiteren Vorlage an den EuGH eine Absage erteilt, da die Urteilsgrundsätze auf einer zutreffenden Auslegung des Art. 19 der MwStSystRL beruhen. Der Streitfall zeigt aber jedenfalls, dass es für die Beteiligten einer möglichen GiG immer ratsam ist, vertragliche Steuerklauseln vorzusehen und ggf. eine verbindliche Auskunft einzuholen (s. Meurer, MBP 18, 204).

     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2019 | Seite 42 | ID 45625523

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