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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaftsanteile

    Beteiligung Einzelunternehmer an GmbH: Notwendiges Betriebsvermögen oder nicht?

    von Dr. Hansjörg Pflüger, Stuttgart

    | Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage, ob die Beteiligung an einer GmbH Privatvermögen oder aber notwendiges Betriebsvermögen (BV) darstellt. Steuerberater sollten ihre Mandanten bei solchen Konstellationen jedenfalls unbedingt auf die unterschiedlichen Konsequenzen hinweisen, damit sie nicht bei einer Aufdeckung stiller Reserven „aus allen Wolken fallen“. Der BFH hat jüngst seine restriktive Rechtsprechung in diesem sensiblen Bereich konkretisiert und in zwei Fällen notwendiges BV bejaht (BFH 10.4.19, X R 28/16, Abruf-Nr. 209898 ; 12.6.19, X R 38/17, Abruf-Nr. 210081 ). |

    1. Sachverhalt

    1.1 Die Rechtssache X R 28/16

    Einzelunternehmer EU betreibt eine Werbeagentur und ist daneben Alleingesellschafter der B-GmbH. Aus der B-GmbH wurde die C-GmbH ausgegliedert. Außerdem brachte EU seine Alleinbeteiligung an der A-GmbH in die B-GmbH ein. Die Werbeagentur des EU erhielt ca. 99 % ihrer Aufträge von der A- und der C-GmbH. Hintergrund der Gestaltung war, dass die im Vertrieb von Finanzdienstleistungen und Immobilien tätigen A- und C-GmbHs von Verlagen für das Schalten von Werbeanzeigen nicht den üblicherweise Werbeagenturen eingeräumten erheblichen Rabatt bekamen.

     

     

    EU behandelte die Beteiligung an der B-GmbH als Privatvermögen und erklärte die Ausschüttungen demnach als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Dem widersprach das Finanzamt. Vor dem Finanzgericht bekam EU zwar Recht, der BFH hob das Urteil jedoch auf und entschied im Sinne des Finanzamts, dass die GmbH-Anteile notwendiges BV beim Einzelunternehmen darstellten.

     

    1.2 Die Rechtssache X R 38/17

    Im zweiten Verfahren sind die Kläger Eheleute. Der Ehemann war zu 45 % an der H-GmbH beteiligt, der er auch die Betriebsgrundstücke vermietete. Um die Entstehung einer Betriebsaufspaltung zu vermeiden, hielten die übrigen 55 % der Anteile seine Ehefrau und die volljährige Tochter. Die H-GmbH betrieb an mehreren Orten Fachmärkte. Um das Unternehmen fortzuentwickeln, startete die H-GmbH einen Online-Shop, um ihre Produkte fortan auch über das Internet zu vertreiben. Daraufhin drohte der Einkaufsverband Y, über den die GmbH einen Großteil ihrer Waren mit erheblichen Rabatten bezog, mit deren Ausschluss. Um dies zu vermeiden, gründete der Ehemann ein Einzelunternehmen, das den Online-Shop übernahm. Das EU bezog seine Waren von der H-GmbH ‒ und damit indirekt vom Einkaufsverband Y ‒ aber auch direkt von den Herstellern. Der Wareneinkauf des EU entwickelte sich wie folgt:

     

    • Entwicklung des Wareneinkaufs des Einzelunternehmens
    2003
    2004
    2005
    2006
    2007
    2008
    2009
    2010

    über H-GmbH

    100 %

    51 %

    4 %

    3 %

    11 %

    43 %

    25 %

    28 %

    über Y

    0 %

    45 %

    89 %

    72 %

    66 %

    4 %

    0 %

    0 %

     

    Nach den Feststellungen des Finanzgerichts wies das EU zum 31.12.04 Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen gegenüber der H-GmbH von mehr als 1 Mio. EUR aus. Eine Außenprüfung für die Jahre 2003 bis  2006 behandelte die Beteiligung des Ehemanns an der H-GmbH als notwendiges Betriebsvermögen des EU (Online-Shop) und setzte die Anschaffungskosten auf 11.600 EUR fest, was den ursprünglichen Gründungskosten entsprach. Die Kläger wehrten sich dagegen mit einem Rechtsgutachten, wonach kein notwendiges BV gegeben sein soll.

     

    Mit Vertrag vom 15.12.10 übertrug der Ehemann seinen 45%igen Anteil an der H-GmbH unentgeltlich auf seine Ehefrau und seine volljährigen Kinder. Eine weitere Außenprüfung ging von der Entnahme der Beteiligung an der H-GmbH aus dem EU aus, setzte einen entsprechenden Entnahmewert fest und unterwarf diesen ‒ nach Abzug der historischen Anschaffungskosten ‒ der Besteuerung. Für die Kläger bedeutete das die unerwartete Aufdeckung erheblicher stiller Reserven.

     

     

    Dagegen wehrten sich die Eheleute mit dem Argument, die Beteiligung sei dem Privatvermögen zuzuordnen, da der Ehemann keinen beherrschenden Einfluss auf die H-GmbH gehabt habe. Das Finanzgericht und der BFH sahen das allerdings anders.

    2. Rechtliche Würdigung

    Für die Zuordnung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen eines Einzelgewerbetreibenden, Freiberuflers oder Land- und Forstwirts gelten übereinstimmende Grundsätze. Danach gehören Wirtschaftsgüter dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn sie dem Betrieb dergestalt unmittelbar dienen, dass sie objektiv erkennbar zum unmittelbaren Einsatz im Betrieb selbst bestimmt sind.

     

    MERKE | Eine Beteiligung wird unmittelbar für eigenbetriebliche Zwecke genutzt, wenn sie dazu bestimmt ist, die gewerbliche (branchengleiche) Betätigung des Steuerpflichtigen entscheidend zu fördern oder wenn sie dazu dient, den Absatz von Produkten des Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Demgegenüber reicht die Unterhaltung von Geschäftsbeziehungen, wie sie üblicherweise auch mit anderen Unternehmen bestehen, für die Annahme notwendigen Betriebsvermögens ebenso wenig aus wie ein einmaliger Geschäftsvorfall.

     

    Die Absatzförderung muss sich dabei nicht nur auf „Produkte“ im engeren Sinne (Waren) beschränken. Zum notwendigen BV wird eine Beteiligung vielmehr auch dann, wenn die Beteiligungsgesellschaft den Absatz von Dienstleistungen des Steuerpflichtigen gewährleistet oder für den Absatz notwendige Dienstleistungen für das EU erbringt. Entscheidend für den Gesichtspunkt der Absatzförderung ist dabei der Anteil der Beteiligungsgesellschaft am Umsatz des EU, nicht aber an dessen Gewinn.

     

    Die Anwendung dieser Grundsätze führt in beiden Fällen zu notwendigem Betriebsvermögen:

     

    2.1 Anwendung auf Urteil X R 28/16

    Im ersten Streitfall tätigte der EU mit der A- und C-GmbH über 99 % des Umsatzes seines Einzelunternehmens. Das Einzelunternehmen war daher auf die Geschäftsbeziehung mit den Beteiligungsgesellschaften existenziell angewiesen. Der Einwand des Klägers, dass er auf die Einkünfte aus dem Einzelunternehmen angesichts der sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht angewiesen gewesen sei, hilft nicht weiter. Denn für die Zuordnung einer Beteiligung zum notwendigen Betriebsvermögen kommt es in rechtlicher Hinsicht vor allem darauf an, ob die Beteiligung von existenzieller Bedeutung für das EU ist. Ob darüber hinaus auch das Einzelunternehmen von existenzieller Bedeutung für den Steuerpflichtigen nach Maßgabe seiner individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ist, ist ohne Belang.

     

    Beachten Sie | Und auch umgekehrt „wird ein Schuh draus“: Aufgrund der Vergabe der Werbeaufträge über das EU konnten die GmbHs eine Ersparnis von rd. 10,5 % des Volumens der Werbeaufträge erzielen. Diese Rabatte waren unmittelbar gewinnwirksam, sodass unter diesem Gesichtspunkt auch aus Sicht der beiden GmbHs eine erhebliche Bedeutung der Geschäftsbeziehung zu bejahen war.

     

    2.2 Anwendung auf Urteil X R 38/17

    Eine „entscheidende Förderung“ des EU ist regelmäßig dann gegeben, wenn zwischen der GmbH und dem EU eine intensive und nachhaltige Geschäftsbeziehung besteht, die sich für den EU als erheblich vorteilhaft erweist. Darüber hinaus muss dieser Vorteil seine Ursache im Gesellschaftsverhältnis haben. Im Streitfall wird die GmbH-Beteiligung eindeutig zum Zwecke der Förderung des EU eingesetzt, weil diesem hierdurch fremdunübliche Vorteile verschafft werden ‒ hier die Möglichkeit, online verkaufte Waren mittelbar über einen Einkaufsverband mit erheblichen Rabattvorteilen zu beziehen.

     

    Beachten Sie | Nicht erforderlich ist hierfür eine rechtliche oder faktische Beherrschung der GmbH. Die Frage, ob eine Beteiligung notwendiges Betriebsvermögen ist oder nicht, ist losgelöst von der Beteiligungshöhe des Steuerpflichtigen allein nach der Bedeutung des gegenseitigen Umsatzes zu beantworten.

     

    Dementsprechend war die Beteiligung auch in diesem Fall notwendiges Betriebsvermögen, denn der Online-Shop wurde durch die Leistungen der H-GmbH zumindest in der Anfangsphase erst ermöglicht. Dass der BFH diesen Fall nicht abschließend entschieden hat, lag ausschließlich an der vom FG angewandten Methodik zur Ermittlung des Entnahmewertes, der nach Saldierung mit dem Einlagewert den steuerpflichtigen Entnahmegewinn ergibt. Hier muss das FG erneut dessen Höhe nach den vom BFH näher dargelegten Gründen ermitteln.

    3. Relevanz für die Praxis

    Mit den beiden Entscheidungen setzt der BFH seine konsequente Rechtsprechung fort. Für den Steuerberater bedeutet dies, dass die Annahme notwendigen Betriebsvermögens nur in Ausnahmefällen verhindert werden kann. Es ist z. B. nicht möglich, notwendiges Betriebsvermögen zu vermeiden,

    • wenn die wesentlichen Geschäftsbeziehungen nur mittelbar über die Beteiligungsgesellschaft mit deren Tochtergesellschaften bestehen (X R 28/16),
    • wenn auf die GmbH kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird; der BFH ging in einer anderen Entscheidung sogar in einem Fall von notwendigem Betriebsvermögen aus, in dem die Beteiligung nur 5 % betrug (8.12.93, XI R 18/93, BStBl II 94,296).

     

    GESTALTUNGSTIPP | Die Annahme notwendigen Betriebsvermögens kann also wohl nur dann vermieden werden, wenn die Beteiligung an der GmbH nicht vom EU selbst, sondern ausschließlich von Angehörigen (Ehepartner, volljährige Kinder etc.) gehalten wird. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die Zuordnung bereits von Anfang an vorgenommen wird, um ‒ wie im Fall X R 38/17 ‒ einen Entnahmegewinn zu vermeiden.

     
    Quelle: Ausgabe 01 / 2020 | Seite 10 | ID 46273937

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