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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Die „scheintote“ GmbH: Gesellschafter wird wegen Löschung nicht von seiner Darlehensschuld befreit

    von Dr. Helmar Fichtelmann, Ansbach

    | Welche Folgerungen ergeben sich für den (rechtlichen) Bestand einer Forderung gegenüber Gesellschaftern, wenn die Kapitalgesellschaft wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wird? Und welche Konsequenzen hat das für die Steuerpflicht des Auflösungsgewinns eines Gesellschafters nach § 17 EStG ? Hierzu hat der BFH jüngst Stellung bezogen ( BFH 16.6.15, IX R 28/14, GmbHR 15, 1229). |

    1. Der Sachverhalt

    In der Entscheidung des BFH ging es um die Steuerpflicht des Auflösungsgewinns des Alleingesellschafters einer GmbH nach § 17 EStG. Die GmbH war im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht worden. Der Alleingesellschafter schuldete seiner GmbH die Rückzahlung von Darlehen, die jedoch wegen Vermögenslosigkeit des Gesellschafters unterblieben war. In der Entscheidung geht es um zwei wesentliche Rechtsfragen:

     

    • 1. Besteht die Darlehensforderung der GmbH an den Gesellschafter fort oder ist sie durch die Löschung im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit untergegangen?

     

    • 2. Für den Fall, dass die Verpflichtung des Gesellschafters auf Rückzahlung des Darlehens fortbesteht: Steht das der Zurechnung der Verpflichtung zum Auflösungsgewinn entgegen?

    2. Die Entscheidung des BFH

    Die grundsätzliche Frage, ob die Löschung der GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit Forderungen der GmbH untergehen lässt, hat der BFH klar beantwortet: Die Forderungen bestehen unverändert fort. Dafür sprechen vor allem zwei Gründe:

     

    • a) Die Löschung hat keine konstitutive Wirkung. Die Löschung besagt nur, dass die GmbH im Augenblick der Löschung kein verteilbares Vermögen mehr besitzt. Die GmbH ist ab diesem Zeitpunkt „scheintot“. Sie wird aber nach h. M. wieder zum Leben erweckt, wenn verteilbares Vermögen auftaucht (z. B. weil eine Forderung wieder werthaltig wird).

     

    • b) Die Meinung, dass eine wegen Vermögenslosigkeit gelöschte Kapitalgesellschaft wieder in Erscheinung tritt, wenn verteilbares Vermögen auftritt und damit eine Nachtragsliquidation auslöst, ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum allgemein anerkannt. Sonst wären die vielen in Richtung Nachtragsliquidation gehenden Entscheidungen allesamt unzutreffend.

     

    Würde man vom Untergang der Forderungen ausgehen, wäre eine solche Nachtragsliquidation nicht zu rechtfertigen. In der Nachtragsliquidation würde dann z. B. Vermögen verteilt, das der Gesellschaft überhaupt nicht gehört und die Gesellschafter würden etwas erhalten, worauf sie keinen Anspruch haben. Gegenstände (Sachen) der Gesellschaft würden herrenlos, weil kein Eigentümer mehr vorhanden ist, wobei man allerdings der Gesellschaft ein Aneignungsrecht zugestehen müsste, wenn sie die Sachen in Eigenbesitz nimmt und damit das Eigentum wieder erwirbt (§ 958 Abs. 1 BGB).

     

    MERKE | Die Löschung einer Kapitalgesellschaft im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit lässt den Fortbestand eines evtl. noch vorhandenen Vermögens unberührt: Forderungen bestehen fort und Sachen bleiben weiterhin im Eigentum der Gesellschaft. Dem BFH ist insoweit in vollem Umfang beizupflichten.

     

    3. Die abweichende Entscheidung desselben Senats vom 9.6.10

    Nun gibt es aber ein abweichendes Urteil (BFH 9.6.10, I R 52/09, GmbHR 10, 1272), in dem derselbe Senat eine gegenteilige Meinung vertritt. Danach soll die Verbindlichkeit einer GmbH gegenüber einem Kreditinstitut aufgrund ihrer Löschung wegen Vermögenslosigkeit untergegangen sein. Daher könne die Leistung eines Gesellschafters infolge einer für diese Verbindlichkeit eingegangenen Bürgschaft nicht zu einem Auflösungsverlust führen, weil eine Verpflichtung des Bürgen mangels des Bestehens der Forderung der Bank nicht existiert habe. Wörtlich führt der BFH aus: „Da die GmbH bereits voll beendet war, haben keine Forderungen der R-Bank gegenüber der GmbH mehr bestanden, die der Kläger hätte ablösen und damit der GmbH hätte Kapital zuführen können“. Im Leitsatz der Entscheidung heißt es klipp und klar:

     

    “Befriedigt ein qualifiziert beteiligter Gesellschafter einer GmbH einen Gläubiger der GmbH, obschon diese Verbindlichkeit wegen der Vollbeendigung der GmbH nicht mehr besteht ...“, zählt der Vorgang nicht mehr zum Auflösungsgewinn. Für den Gesellschafter bleibt seine Zahlung damit ohne steuerliche Auswirkung. Bedauerlich, dass der Gesellschafter hier Opfer einer Fehlentscheidung geworden ist (vgl. im Einzelnen Fichtelmann in: GStB 14, 212).

    4. Welche Entscheidung ist nun maßgebend?

    Wir haben zu ein und derselben Rechtsfrage somit zwei sich widersprechende Entscheidungen desselben Senats. Das Problem kann nicht durch Vorlage an den Großen Senat des BFH gelöst werden. Denn dieser wird nur berufen, wenn ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen will (§ 11 Abs. 2 FGO). Vorliegend handelt es sich aber um Entscheidungen desselben Senats. In solchen Fällen erklärt der entscheidende Senat üblicherweise, dass er an seiner früher geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr festhalten wolle. Das hat der BFH vorliegend bedauerlicherweise nicht getan. Er hat damit offengelassen, welche Auffassung denn nun maßgebend ist. Es wäre daher angezeigt, wenn der BFH alsbald eine Korrektur dahin gehend vornehmen würde, dass die Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit diese nur scheintot macht, sie aber wieder voll wirksam wird, wenn verteilbares Vermögen auftaucht. Denn nur diese Auffassung steht im Einklang mit der h. M. in Rechtsprechung und Schrifttum.

    5. Noch ein Wort zur Verwirklichung eines Auflösungsgewinns

    Auch wenn man mit der Beurteilung des BFH in vollem Umfang übereinstimmt, dass die Forderung der GmbH gegen ihren Gesellschafter durch die Löschung der GmbH wegen Vermögenslosigkeit nicht erloschen ist, sondern fortbesteht, muss man nicht unbedingt zu dem Schluss kommen, dass für den Gesellschafter kein Auflösungsgewinn entstanden ist. Es erscheint m. E. nicht abwegig, diesen Teil der Entscheidung kritisch zu würdigen.

     

    Als Auflösungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 1, 2 und 4 EStG sieht der BFH den Betrag an, um den der gemeine Wert des dem Steuerpflichtigen zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens die im Zusammenhang mit der Auflösung der GmbH vom Steuerpflichtigen getragenen Kosten sowie seine Anschaffungskosten übersteigen. Dabei sind alle dem Gesellschafter im Rahmen der Auflösung zugeteilten materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter anzusetzen (vgl. BFH 3.6.93, VIII R 23/92, BFH/NV 94, 459).

     

    PRAXISHINWEIS | Gegenstand des zugeteilten oder zurückgezahlten Vermögens kann auch die Befreiung von einer gegenüber der Gesellschaft bestehenden Verbindlichkeit sein. Der Gesellschafter muss also von einer Verbindlichkeit frei geworden sein. Besteht die Verbindlichkeit zivilrechtlich fort, so ist dem Gesellschafter laut BFH insoweit kein Wirtschaftsgut aus dem Vermögen der Gesellschaft zugeteilt worden, sodass auch kein Auflösungsgewinn realisiert werden kann.

     

    Der BFH stellt allein auf den rechtlichen Bestand der Forderung der GmbH ab. Bei Berücksichtigung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, die ja im Steuerrecht sonst eine große Rolle spielt, hätte man m. E. auch zu einer gegenteiligen Entscheidung kommen können. Den Urteilsgründen sind leider keine Angaben zu entnehmen, wie sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesellschafters voraussichtlich entwickeln werden (z. B. aufgrund seines Alters). Ist mit einiger Sicherheit zu erwarten, dass der Gesellschafter nicht mehr zu Vermögen gelangen dürfte, dann stellt seine Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft keine tatsächliche Belastung dar; und somit hat die Forderung der Gesellschaft auch keinen Wert mehr. Wirtschaftlich gesehen, ist die Forderung der Gesellschaft/die Verbindlichkeit des Gesellschafters nicht mehr existent, sodass auch eine Auswirkung auf den Auflösungsgewinn des Gesellschafters eintritt.

     

    PRAXISHINWEIS | Sollte der Gesellschafter wider Erwarten wieder zahlungsfähig werden, kann die Veranlagung nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO berichtigt werden, soweit die Festsetzungsfrist (§ 169 AO) nicht abgelaufen ist (AEAO, vor §§ 172 bis 177 Abs. 6 AO). Sollte eine Änderung nach Ablauf der Festsetzungsfrist scheitern, muss der Gesellschafter das in Kauf nehmen.

     
    Quelle: Ausgabe 08 / 2016 | Seite 277 | ID 43846045

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