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  • · Fachbeitrag · EU- und Non-EU-Geschäft

    Neues zur Umsatzsteuerbefreiung bei einem „gebrochenen Transport“

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund.

    | Die Finanzverwaltung hat sich erstmals zu der Frage positioniert, welche Folgen es für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder Ausfuhrlieferung hat, wenn Lieferant und Kunde den Transportweg aufteilen und jeder für ein Teilstück die Verantwortung übernimmt ( BMF 7.12.15, III C 2 - S 7116-a/13/10001 /III C 3 - S 7134/13/10001, BStBl I 15, 1014). |

    1. Praxisrelevanz der Neuregelung

    Wird Ware aus Deutschland in das europäische oder außereuropäische Ausland verkauft, teilen sich Lieferant und Kunde häufig die Transportverantwortung und übernehmen jeder ein Teilstück des Transports (sog. gebrochener Transport). Dies geschieht aus den unterschiedlichsten Gründen:

     

    • Die Kosten der Streckenanteile im Ausland lassen sich für den Verkäufer im Vergleich zu Inlandsstrecken weit weniger sicher kalkulieren und einpreisen. Aus diesem Grund werden Transporte bis zur deutschen Grenze vereinbart; dort übernimmt der Kunde die Ware.

     

    • Sind Bestimmungsländer durch besonders häufige Fahrzeugdiebstähle oder -beschädigungen aufgefallen, findet der deutsche Lieferant in der Regel keinen Spediteur oder Frachtführer - aus Angst vor Beschädigungen an den Lastzügen des Transporteurs. Auch dann wird ein Transport bis zur letzten deutschen oder zumindest letzten sicheren Grenze vereinbart; sodann ist der Kunde für den Transport verantwortlich.

     

    Das BMF unterscheidet Geschäfte mit 2 Beteiligten (bilaterale Geschäfte) von solchen mit 3 oder mehr Beteiligten (Reihengeschäfte) und sieht für beide Umsatzarten bei gebrochenem Transport unterschiedliche Rechtsfolgen vor.

    2. Bilaterale Geschäfte (2 Teilnehmer)

    An einem Transport (Beförderung oder Versendung) können

    • entweder nur der Lieferer oder
    • nur der Abnehmer oder
    • in deren jeweiligem Auftrag allein ein Dritter beteiligt sein.

     

    PRAXISHINWEIS | Bei diesen Geschäften ohne Transportbrechung sind keine Besonderheiten zu beachten; es gilt das Übliche.

     

    Möglich ist aber auch, dass sowohl der Lieferer als auch der Abnehmer in den Transport des Liefergegenstands eingebunden sind:

     

    • Beispiel 1

    Großhändler D aus Dortmund beauftragt einen Frachtführer, die verkaufte Ware zum Duisburger Hafen zu bringen. Von Duisburg aus wird die Ware im Auftrag des D eine Woche später an Abnehmer A in Tunesien verschifft. A holt die Ware am Zielhafen ab und befördert sie mit eigenem Lastzug zum eigenen Auslieferungslager.

     

    Derartige gebrochene Transporte sind für die Annahme der „Beförderung oder Versendung des Liefergegenstands bei der Lieferung“ und damit für die Entscheidung, ob eine Ausfuhrlieferung nach § 6 UStG bzw. eine innergemeinschaftliche Lieferung nach § 6a UStG vorliegt, unschädlich, wenn

     

    • der Abnehmer zu Beginn des Transports feststeht (s. A 3.12 Abs. 3 S. 4 ff. UStAE) und
    • der liefernde Unternehmer nachweist, dass ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen der Lieferung des Gegenstands und seiner Beförderung sowie eine kontinuierliche Warenbewegung gegeben sind.

     

    PRAXISHINWEIS | Wie dieser Nachweis konkret zu führen ist, lässt das BMF-Schreiben offen. Dokumentieren Sie daher insbesondere, dass Sie den Transport in Erfüllung eines bestimmten Kaufvertrags vornehmen und sorgen Sie für eine zügige Abwicklung.

     

    2.1 Unschädliche Transportunterbrechungen

    Rein tatsächliche Unterbrechungen, die lediglich dem Transportvorgang geschuldet sind, führen ebenfalls nicht zum Verlust der Steuerbefreiung.

     

    PRAXISHINWEIS | Das BMF lässt offen, wann Transportunterbrechungen „rein tatsächlicher“ Natur sind. Gemeint sind wohl solche, die dem Transportvorgang selbst geschuldet sind, wie

    • das Umladen der Ware
    • eine Umlagerung der Ware
    • die Zusammenstellung auf anderen Lkws
     

    2.2 „Fußangel“ beim Abholfall

    Transportiert in diesen Fällen der Abnehmer die Ware im Rahmen seines Teils der Lieferstrecke in das Drittlandsgebiet, müssen die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UStG erfüllt sein (vgl. A 6.1 Abs. 3a S. 3 UStAE n.F.).

     

    • Beispiel 2

    Wie Beispiel 1. Wieder bringt D die Ware zum Hafen Duisburg; Kunde A besorgt die Verschiffung nach Tunesien.

     

    Variante a: Kunde A ist ein ausländisches Unternehmen.

    Variante b: Kunde A ist ein anderes deutsches Unternehmen.

     

     

    Wichtig: Bis zum Duisburger Hafen liegt die Transportverantwortung bei D, den Rest der Strecke hat A zu verantworten.

     

    PRAXISHINWEIS | Nur dann, wenn der Kunde ein ausländischer Abnehmer ist (Variante a), ist die Lieferung des D als Ausfuhrlieferung steuerfrei. Abhollieferungen an andere Deutsche (Variante b) sind immer steuerpflichtig!

     

    3. Reihengeschäfte (3 oder mehr Teilnehmer)

    Voraussetzungen für das Vorliegen eines Reihengeschäfts sind gemäß § 3 Abs. 6 S. 5 UStG, dass

    • mehrere Unternehmer
    • über denselben Gegenstand
    • Umsatzgeschäfte abschließen und
    • der Gegenstand beim Transport unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt.

     

    3.1 Keine Unmittelbarkeit bei gebrochenem Transport

    Bei einer gebrochenen Beförderung oder Versendung fehlt es an der für das Reihengeschäft erforderlichen Unmittelbarkeit der Warenbewegung.

     

    • Beispiel 3

    Wie Beispiel 2. A hat die Ware seinerseits weiterverkauft und verschifft diese von Duisburg aus direkt zum Endkunden nach Tunesien.

     

    Der Vorgang spaltet sich damit in mehrere hintereinandergeschaltete und getrennt zu beurteilende Einzellieferungen auf:

    • Bei Beurteilung der Warenlieferungen des D an den A ist ausschließlich der Transportweg Dortmund - Duisburg zu berücksichtigen. Die Lieferungen sind damit umsatzsteuerbar und -pflichtig. D muss gegenüber A in jedem Fall brutto - mit deutscher Umsatzsteuer - abrechnen.

     

    • Die Lieferungen des A an seine Endkunden sind unter den weiteren Voraussetzungen (§ 6 UStG) als Ausfuhrlieferung steuerfrei.

     

    MERKE | Insoweit hält das BMF also unverändert am bisherigen A 3.14 Abs. 4 S. 1 UStAE fest.

     

    Rein tatsächliche Unterbrechungen des Transports stehen - wie bei den bilateralen Geschäften (s. o.) - der Annahme einer unmittelbaren Warenbewegung nicht entgegen und führen damit auch hier nicht zum Verlust der Umsatzsteuerbefreiung.

     

    3.2 „Kollisionsregelung“ - Eine vermeintliche Vereinfachung, die aber meist nicht zur Anwendung kommen wird

    Trotz einer gebrochenen Beförderung oder Versendung durch mehrere Beteiligte (vgl. A 3.14 Abs. 4 S. 1 UStAE) aus einem anderen Mitgliedstaat ins Drittlandsgebiet ist die Behandlung als Reihengeschäft nicht zu beanstanden, wenn der erste Unternehmer den Liefergegenstand aus dem Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung (Abgangsmitgliedstaat)

     

    • nur zum Zweck der Verschiffung ins Drittlandsgebiet in das Inland befördert oder versendet,
    • aufgrund des Rechts des Abgangsmitgliedstaats die Behandlung als Reihengeschäft vorgenommen worden ist und
    • der Unternehmer, dessen Lieferung bei Nichtannahme eines Reihengeschäfts im Inland steuerbar wäre, dies nachweist.

     

    Beachten Sie | Die Kollisionsregelung gilt nicht bei Transportbeginn in Deutschland!

     

    Am bloßen Erfordernis einer solchen Kollisionsregelung zeigt sich letztlich wieder einmal, dass die Besteuerung von Reihengeschäften de facto noch nicht harmonisiert ist.

    4. Zeitliche Anwendung

    Die Neuregelung gilt für alle offenen Fälle, ist damit also auch rückwirkend anzuwenden. Letzteres aber wohl nur zugunsten des Unternehmers! Sollte sich die Neuregelung nachteilig auswirken - was allerdings derzeit schwer vorstellbar ist -, wird Vertrauensschutz zu prüfen sein.

     

    FAZIT | Für bilaterale Geschäfte sind die Klarstellungen des BMF sicher hilfreich. Für Reihengeschäfte bleiben dagegen viele Fragen offen. Wie soll der deutsche Lieferant wissen, ob er Partner eines bilateralen Geschäfts ist und steuerfrei liefern darf oder in ein Reihengeschäft eingebunden ist und damit steuerpflichtig abrechnen muss? Darf er sich insoweit auf den Kundenvortrag verlassen? Wichtige Fragen, die hoffentlich baldmöglichst geklärt werden!

     

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    Quelle: Ausgabe 06 / 2016 | Seite 207 | ID 43976247

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