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  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    Endlich Entwarnung bei der Postfachangabe und erster Lichtblick beim Vertrauensschutz

    von Dipl.-Finw. Rüdiger Weimann, Dozent, Lehrbeauftragter und freier Gutachter in Umsatzsteuerfragen, Dortmund

    | Der EuGH hat klargestellt, dass das Recht zum Vorsteuerabzug es nicht erfordert, dass in der Eingangsrechnung die Anschrift angegeben ist, unter der der Rechnungsaussteller seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt ( EuGH 15.11.17, C-374/16 u. C-375/16, Abruf-Nr. 197763 ). Gleichzeitig mahnt der Generalanwalt beim Recht auf Vorsteuerabzug in Deutschland ein „Vertrauensschutzdefizit“ an. |

    1. Anschrift des leistenden Unternehmers als Pflichtangabe

    Eine Rechnung muss bekanntlich „den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers“ enthalten. Dazu führt A. 14.5 Abs. 2 UStAE weiter aus: „Verfügt der Leistungsempfänger über ein Postfach oder über eine Großkundenadresse, ist es ausreichend, wenn diese Daten anstelle der Anschrift angegeben werden.“ Diese großzügige Sichtweise galt in der Praxis aber letztlich für beide Anschriften ‒ also auch für die des Leistenden. Diese Handhabung gab eine über viele Jahre gefestigte Rechtsauffassung wieder (vgl. z. B. A. 185 Abs. 2 UStR 2005); ernsthafte Gegenstimmen fanden sich bis dato weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur.

     

    1.1 Unerwartete Bedenken des BFH ab 2015

    Umso größer war der Überraschungseffekt, den der BFH im Jahr 2015 hervorrief (BFH 22.7.15, V R 23/14, Rz. 25): Danach ist das Merkmal „vollständige Anschrift“ in § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG nur erfüllt, wenn die Anschrift des leistenden Unternehmers angegeben ist, unter der er seine wirtschaftlichen Aktivitäten entfaltet. Denn nur so werde der Finanzverwaltung anhand der Rechnung eine eindeutige und leichte Nachprüfbarkeit des Tatbestandsmerkmals der Leistung eines anderen Unternehmers ermöglicht.

     

    MERKE | Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungstellung keinerlei geschäftliche Aktivitäten stattfinden, reicht als zutreffende Anschrift mithin nicht aus. Soweit der Senat (o. g. Urteil vom 22.7.15, m. w. N.) geäußert hat, ein „Briefkastensitz“ mit nur postalischer Erreichbarkeit könne ausreichen, hält er hieran nicht mehr fest. Der BFH hat sich damit bewusst gegen die Rechtsauffassung der Finanzverwaltung und auch gegen seine eigene Rechtsprechung gestellt.

     

     

    1.2 EuGH-Vorlagen

    Die Finanzgerichte vermochte die Rechtsprechungsänderung nicht zu überzeugen, sodass sich der BFH zu Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH veranlasst sah (BFH 6.4.16, V R 25/15 und XI R 20/14, Abruf-Nrn. 187073 und 187074). Vereinfacht ausgedrückt wollte der BFH wissen,

     

    • ob der Begriff der Anschrift dahin zu verstehen ist, dass der Steuerpflichtige (= leistender Unternehmer) an diesem Ort seine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, oder
    • ob es ausreicht, dass er dort lediglich zu erreichen ist.

     

    1.3 Der EuGH stellt klar

    Nach Art. 226 Nr. 5 MwStSystRL sind in einer Rechnung der vollständige Name und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und des Erwerbers oder Dienstleistungsempfängers anzugeben. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind bei der Auslegung dieser Vorschrift vor allem der Wortlaut und Sinn und Zweck der Norm zu berücksichtigen (EuGH 15.11.17, C-374, 375/16, Rz. 30 f.).

     

    1.3.1 Wortlaut der Vorschrift

    Der Begriff „Anschrift“ wird allgemein weit verstanden. Der EuGH verweist insoweit auf Nr. 36 der Schlussanträge des Generalanwalts; danach umfasst die gewöhnliche Bedeutung dieses Begriffs jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, sofern die Person darunter erreichbar ist (EuGH-Urteil, Rz. 35). Darüber hinaus müssen Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die in Art. 226 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Angaben enthalten. Daraus folgt, dass die Mitgliedstaaten insoweit keine strengeren Verpflichtungen vorsehen dürfen (Rz. 36 ff.).

     

    PRAXISHINWEIS | Die Mitgliedstaaten können die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug nicht nach eigenem Gutdünken von der Erfüllung zusätzlicher Voraussetzungen betreffend den Inhalt der Rechnungen abhängig machen, die in den Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen sind.

     

    1.3.2 Teleologische Auslegung der Vorschrift

    Die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, sollen es den Steuerverwaltungen ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und gegebenenfalls das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren. Dazu führt der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen aus (Rz. 40 ff.; gstb.iww.de, Abruf-Nr. 195561):

     

    „40. Die Angabe der Anschrift des Ausstellers in der Rechnung dient ‒ zusammen mit seinem Namen und seiner Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer ‒ dem Zweck, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer herzustellen. Sie ermöglicht also die Identifizierung des Rechnungsausstellers.

     

    43. Es sollte bedacht werden, dass Unternehmen, um eine Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer zu erhalten, ein Registrierungsverfahren durchlaufen müssen. Dabei haben die Mitgliedstaaten eine Vielfalt von Informationen in Bezug auf alle Wirtschaftsteilnehmer zu sammeln. Sie sind eindeutig nicht auf die Anschrift in einer Rechnung angewiesen, um den Aussteller zu identifizieren und zu bestimmen, wo und wie er erreicht werden kann.“

     

    Der EuGH folgt den Ausführungen des Generalanwalts vollinhaltlich (Rz. 41 ff. des Urteils).

     

    PRAXISHINWEIS | EuGH und Generalanwalt werden hier erstaunlich deutlich:

     

    Beide teilen nicht die von der deutschen Regierung geäußerte Ansicht, dass tatsächliche wirtschaftliche Aktivitäten oder eine reale Präsenz des Geschäfts des Unternehmers an der angegebenen Anschrift notwendig sind, damit der Rechnungsteller zutreffend identifiziert werden kann.

     

    Und weil die Finanzverwaltung selbst über alle o. g. relevanten Daten verfügt, muss sie diese auch selbst auswerten und darf den Unternehmer insoweit nicht in die Pflicht nehmen!

     

    1.3.3 Auslegung im Licht der heutigen Gegebenheiten

    Interessant ist insoweit auch ein Gedanke in den Schlussanträgen des Generalanwalts (a.a.O., Rz. 44 ff.), der beim EuGH ein wenig zu kurz kommt:

     

    „44. Angesichts der heutzutage bestehenden unterschiedlichen Arten, wie Geschäfte organisiert werden, überzeugt das Erfordernis der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit (oder alternativ des Vorhandenseins von Geschäftsräumen) an der in der Rechnung angegebenen Anschrift nicht. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die jüngsten Entwicklungen in der Wirtschaft, wie sie sich etwa aus dem elektronischen Handel, der gemeinsamen Nutzung von Büroräumen und der Telearbeit ergeben.

     

    45. So kann heutzutage ein An- und Verkaufsgeschäft einzig mit einem Computer und einem Internetanschluss von nahezu überall auf der Welt aus betrieben werden.“

     

    1.4 Anschrift des Leistungsempfängers

    Auch beim Rechnungsadressaten (= Leistungsempfänger) können die unterschiedlichsten Gründe für die Verwendung eines Postfachs sprechen. Die Ausführungen des EuGH dürften hierauf entsprechend anwendbar sein.

    2. Schutz des Vertrauens in das Vorliegen der Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug

    In ständiger Rechtsprechung hat der BFH wiederholt festgestellt, dass § 15 UStG nicht den guten Glauben an die Erfüllung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug schützt. Liegen die materiellen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug wegen unzutreffender Rechnungsangaben nicht vor, kommt unter Berücksichtigung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes ein Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren (§§ 163, 227 AO) in Betracht. Macht der Steuerpflichtige im Festsetzungsverfahren geltend, ihm sei der Vorsteuerabzug trotz Nichtvorliegens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen zu gewähren, ist die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 S. 3 AO regelmäßig mit der Steuerfestsetzung zu verbinden (vgl. z. B. BFH 8.10.08, V R 63/07, BFH/NV 09, 1473).

     

    • Beispiel

    Unternehmer U hat Ausgangsumsätze von 100.000 EUR, die dem Regelsteuersatz unterliegen. Die Vorsteuerbeträge des U belaufen sich insgesamt auf 5.000 EUR. Ein Teilbetrag von 3.000 EUR entfällt auf eine Rechnung mit unzutreffenden Angaben, was U nicht erkennen konnte.

    Umsatzsteuererklärung des Unternehmers
    Steuerfestsetzung des Finanzamts

    Steuer auf Ausgangsumsätze

    19.000 EUR

    19.000 EUR

    Vorsteuern (unstrittig)

    2.000 EUR

    2.000 EUR

    Vorsteuern (Falschangaben)

    3.000 EUR

    (3.000 EUR)

    Umsatzsteuer

    14.000 EUR

    17.000 EUR

    Billigkeitsmaßnahme (§§ 163, 227 AO)

    3.000 EUR

    14.000 EUR

    Das Finanzamt berücksichtigt im Rahmen der Steuerfestsetzung nur die unstrittigen Vorsteuerbeträge i. H. v. 2.000 EUR. Über den Restbetrag i. H. v. 3.000 EUR entscheidet das Finanzamt anschließend gesondert im Rahmen einer Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO (abweichende Festsetzung von Steuern aus Billigkeitsgründen) oder § 227 AO (Erlass).

     

     

    2.1 EuGH-Vorlagen

    Dazu ergaben sich folgende spannende Vorlagefragen:

     

    • Ist für den Fall, dass die formellen Rechnungsanforderungen des Art. 226 MwStSystRL nicht erfüllt sind, der Vorsteuerabzug bereits immer dann zu gewähren, wenn keine Steuerhinterziehung vorliegt oder der Steuerpflichtige die Einbeziehung in einen Betrug weder kannte noch kennen konnte? Oder setzt der Vertrauensschutzgrundsatz in diesem Fall voraus, dass der Steuerpflichtige alles getan hat, was von ihm in zumutbarer Weise verlangt werden kann, um die Richtigkeit der Rechnungsangaben zu überprüfen? (3. Vorlagefrage des 5. Senats)

     

    • Steht Art. 168 Buchst. a i. V. m. Art. 178 Buchst. a MwStSystRL einer nationalen Praxis entgegen, die einen guten Glauben des Leistungsempfängers an die Erfüllung der Vorsteuerabzugsvoraussetzungen nur außerhalb des Steuerfestsetzungsverfahrens im Rahmen eines gesonderten Billigkeitsverfahrens berücksichtigt? (2. Vorlagefrage des 11. Senats)

     

    2.2 Überlegungen des Generalbundesanwalts

    Aufgrund seiner unter 1. dargestellten Antworten konnte der EuGH diese Fragen leider unbeantwortet lassen. Der Generalanwalt hatte dies bereits erkannt. Dennoch hielt er es für wichtig, seine gravierenden Bedenken gegen die derzeitige deutsche Rechtspraxis darzustellen.

     

    PRAXISHINWEIS | Darin steckt eine große Aussagekraft für gleichgelagerte zukünftige Verfahren!

     

    2.2.1 Guter Glaube an die Richtigkeit der Rechnungsangaben

    Der Rechnungsempfänger ist nicht dazu verpflichtet, den Rechnungsaussteller ohne konkreten Anlass umfassend zu überprüfen. Das ist vielmehr Aufgabe der Finanzverwaltung. Letztere trägt auch ‒ entgegen BFH ‒ die Feststellungslast für Unregelmäßigkeiten (a. a. O., Rz. 57 ff. unter Hinweis auf EuGH 22.10.15, C-277/14, Rs. PPUH Stehcemp, Abruf-Nr. 182778).

     

    • Sachverhalt EuGH-Urteil „Stehcemp“

    Klägerin K kaufte von V Dieselkraftstoff und zog aus den Eingangsrechnungen die Vorsteuern. Nach einer Steuerprüfung versagte die polnische Finanzverwaltung der K den Vorsteuerabzug, weil die Rechnungen über die Kraftstoffeinkäufe von einem nicht existenten Wirtschaftsteilnehmer ausgestellt worden seien.

     

    Die Feststellung, dass V nicht existent sei, wurde auf eine Reihe von Gesichtspunkten gestützt ‒ u. a. darauf, dass V nicht für mehrwertsteuerliche Zwecke registriert war, keine Steuererklärung abgab und keine Steuern entrichtete. Außerdem veröffentlichte V seine Jahresabschlüsse nicht. Und letztlich seien alle Versuche, mit V oder mit der als seinem Geschäftsführer im Handelsregister eingetragenen Person Kontakt aufzunehmen, erfolglos gewesen.

     

    Die gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Der K wurde insbesondere angelastet, dass sie nicht überprüft habe, ob die Umsätze der V in Zusammenhang mit einer Straftat stünden.

     

    Gegen diese Entscheidung legte K Kassationsbeschwerde ein. K machte geltend, es verstoße gegen den Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer, einem gutgläubigen Steuerpflichtigen das Recht auf den Vorsteuerabzug zu versagen. K habe nämlich von V Unterlagen erhalten, die belegten, dass diese Gesellschaft ein ihre Tätigkeiten legal ausübender Wirtschaftsteilnehmer sei. Dabei handelte es sich um einen Auszug aus dem Handelsregister, die Steueridentifikationsnummer sowie eine Bescheinigung über die Zuteilung einer statistischen Identifikationsnummer. Der polnische Oberste Verwaltungsgerichtshof ersuchte nun den EuGH, sich zur Bedeutung des guten Glaubens für den Vorsteuerabzug zu positionieren.

     

    Der EuGH stellte klar, dass der Vorsteuerabzug nicht versagt werden darf, wenn die materiellen Voraussetzungen des Vorsteuerabzugs erfüllt sind (Art. 167 ff. MwStSystRL) und eine formell richtige Rechnung vorliegt (Art. 226 MwStSystRL). Einschränkend gilt dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger

    • keine Veranlassung hatte, im Hinblick auf die unternehmerische Tätigkeit des angeblich Leistenden weitere eigene Nachforschungen anzustellen und
    • hinsichtlich des Vorliegens einer „Scheinfirma“ nicht bösgläubig war.

     

    Welche Maßnahmen von einem Steuerpflichtigen verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Betrug einbezogen sind, hängt vom Einzelfall ab. Liegen Anhaltspunkte für Unregelmäßigkeiten oder eine Steuerhinterziehung vor, kann der Steuerpflichtige dazu verpflichtet sein, Auskünfte einzuholen. Er ist jedoch nicht generell verpflichtet zu prüfen, ob der Aussteller der Rechnung die fraglichen Leistungen erbringen konnte und die Mehrwertsteuer abgeführt hat.

     

    PRAXISHINWEIS | Der Rechnungsempfänger darf also von der Finanzverwaltung nicht mittelbar zu Nachprüfungen bei seinem Vertragspartner verpflichtet werden, die ihm grundsätzlich nicht obliegen. Die Steuerbehörde würde nämlich ihre eigenen Kontrollaufgaben auf die Steuerpflichtigen übertragen, wenn sie diesen die o. g. Maßnahmen mit dem Druckmittel der sonst drohenden Verweigerung des Vorsteuerabzugs auferlegt.

     

    2.2.2 Effektiver Rechtsschutz

    Zur Frage, ob man den den Vorsteuerabzug begehrenden Steuerpflichtigen auf ein gesondertes Billigkeitsverfahren verweisen darf, führt der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen Folgendes aus (a.a.O., Rz. 40 ff.):

     

    72. Der Gerichtshof verfügt nicht über hinreichend detaillierte Informationen zu dem besonderen Billigkeitsverfahren, um entscheiden zu können, ob die jeweiligen nationalen Verfahrensvorschriften der Mehrwertsteuerrichtlinie entsprechen. Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts im Lichte der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entscheiden, ob das Recht eines Steuerpflichtigen, seinen guten Glauben hinsichtlich der formellen Richtigkeit einer Rechnung geltend zu machen, in einem gesonderten Billigkeitsverfahren nach den §§ 163 und 227 AO effektiv geschützt ist.

     

    73. Bei seiner Würdigung sollte das vorlegende Gericht besonders berücksichtigen, ob das gesonderte Verfahren hinsichtlich seiner Länge, Komplexität und der damit verbundenen Kosten unverhältnismäßige Schwierigkeiten für den Steuerpflichtigen mit sich bringt. Solche Schwierigkeiten sind sicherlich umso wichtiger, wenn der Steuerpflichtige bei Klagen, die im Wesentlichen dieselben Rechtsfragen bzw. Umsätze betreffen, gezwungen ist, parallel zwei oder mehr gerichtliche Verfahren anzustrengen.

     

    74. Die Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Verfahrensvorschriften mit dem Unionsrecht ist zumindest zweifelhaft. Das Recht eines Steuerpflichtigen auf Vorsteuerabzug ergibt sich aus der Mehrwertsteuerrichtlinie und nicht aus Billigkeitserwägungen. Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffenden Rechnungen vollständig Art. 226 dieser Richtlinie entsprechen.

     

    75. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein Steuerpflichtiger nicht berechtigt sein sollte, sein Recht auf Vorsteuerabzug im Rahmen des normalen Steuerfestsetzungsverfahrens geltend zu machen.

     

    FAZIT |

    • 1. Hinsichtlich der Adressangaben bleibt alles so wie vor der Rechtsprechungsänderung ‒ und damit so, wie in A. 14.5 Abs. 2 UStAE verfügt.
    • 2. Hinsichtlich der Pflicht zur Überprüfung von Eingangsrechnungen ist die deutsche Rechtspraxis dem EuGH-Fall „Stehcemp“ anzupassen ‒ zugunsten der Kreditoren.
    • 3. Der deutsche Schutz des guten Glaubens ausschließlich über §§ 163, 227 AO dürfte einer Überprüfung durch den EuGH nicht Stand halten e‒ Folgeverfahren sind absehbar.
     
    Quelle: Ausgabe 02 / 2018 | Seite 67 | ID 45057325

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