Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fachbeitrag · Umsatzsteuer

    „Echter Schadenersatz“ oder Leistungsvergütung? Abgrenzungskriterien für die häufigsten Praxisfälle

    von Georg Nieskoven, Troisdorf

    | Während „echter Schadenersatz“ mangels Leistungsaustausch keine Umsatzsteuer auslöst, unterliegen Entschädigungen, die wirtschaftlich als „Leistungsvergütung“ einzuordnen sind, der Umsatzbesteuerung. Doch in der Praxis ist die Abgrenzung oft nicht leicht. Eine aktuelle BFH-Entscheidung zur Einordnung von Vergleichszahlungen als Leistungsvergütung (BFH 16.1.14, V R 22/13) nehmen wir zum Anlass, die häufigsten Praxisfälle in diesem Bereich zu durchleuchten und wichtige Abgrenzungsfragen zu klären. |

    1. Die aktuelle BFH-Entscheidung

    Die von mehreren gesetzlichen Krankenkassen gegründete T-GmbH (T) erbrachte für ihre Gesellschafter entgeltlich IT-Dienstleistungen und betrieb zu diesem Zweck ein Service-Zentrum. So hatte sie an ihren Gesellschafter, die Betriebskrankenkasse B, ab 1.1.99 Datenverarbeitungsdienstleistungen zu erbringen. Der Vertrag sah eine Mindestlaufzeit von 3 Jahren vor, war mit einer Frist von 9 Monaten erstmalig zum 31.12.01 kündbar und verlängerte sich andernfalls jeweils um ein Jahr. Nachdem die B mit zwei anderen BKK fusioniert worden war, trat sie bei der T als Gesellschafterin aus und kündigte mit Schreiben vom 16.10.02 den Dienstleistungsvertrag mit Wirkung ab 31.12.03. Zugleich erklärte sie, dass sie aufgrund der Fusion bereits mit Ablauf des 31.12.02 keine Dienstleistungen von T mehr in Anspruch nehmen könne.

     

    Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Wirksamkeit dieser Kündigung schlossen die Parteien am 20.12.02 einen Vergleich. Darin gingen sie einvernehmlich davon aus, dass die Kündigung vom 16.10.02 „gegenstandslos “ sei; beide Parteien seien jedoch zu einer „vorzeitigen Vertragsbeendigung zum 31.12.02“ gegen eine Vergleichszahlung bereit. Während die T den vereinnahmten Betrag als „echten Schadenersatz“ behandelte und nicht der Umsatzsteuer unterwarf, sah das FA darin einen Leistungsaustausch und forderte die Umsatzsteuer hierauf nach. Die Gerichte sahen das unterschiedlich:

     

    • Das FG sah in der Vergleichszahlung echten Schadenersatz, da ein entsprechender Betrag auch ohne Vergleich aufgrund Gesetzes von der B geschuldet worden wäre (Ersatz von Ansprüchen aus den §§ 326 Abs. 2, 615 BGB).

     

    • Der BFH war gegenteiliger Auffassung. Es komme hier nicht auf die zivilrechtlichen, sondern allein auf die umsatzsteuerlichen Maßstäbe an. Vorliegend habe T auf eine ihr gesetzlich bzw. vertraglich zustehende Rechtsposition verzichtet. Denn im Streitfall sei der B der vorzeitige - nämlich ein Jahr frühere - Ausstieg aus dem Vertrag ermöglicht worden; und dies verknüpft mit der Gewissheit, dass auf einen weiteren Rechtsstreit verzichtet werde. Ein solcher Verzicht stelle gemäß § 3a Abs. 4 Nr. 9 UStG eine sonstige Leistung dar, die von der B auch entsprechend vergütet worden sei.

     

    2. Die praktischen Auswirkungen dieser Abgrenzungsfrage

    Gehen die Beteiligten fälschlicherweise von echtem Schadenersatz aus und stellt sich dies bei einer späteren Steuerprüfung als unzutreffend heraus, so wird das FA vom Empfänger der Entschädigungszahlung Umsatzsteuer nachfordern. Neben dem dabei regelmäßig entstehenden „Zinsschaden“ i.S. von § 233a AO steht der Zahlungsempfänger meist vor dem Problem, ob er von seinem damaligen Vertragspartner nachträglich noch die vom FA nacherhobene Umsatzsteuer ersetzt bekommen wird. Entscheidend wird dabei insbesondere sein, ob bei der damaligen „Schadenersatzvereinbarung“ die Frage eventueller USt-Nachforderungen geregelt wurde oder nicht.

     

    MERKE | Nicht oder nur eingeschränkt vorsteuerabzugsberechtigte Vertragspartner - wie z.B. die öffentliche Hand, Banken, Versicherungen oder auch Ärzte - dürften sich schon allein deswegen gegen eine Nachbelastung wehren, weil diese für sie zur echten Zusatzbelastung wird. Aber selbst bei vorsteuerabzugsberechtigten Vertragspartnern ist eine Nachberechnung schwierig. Oft lehnt „die Gegenseite“ eine Nachzahlung erst einmal ab oder bekundet stattdessen, mit vermeintlichen Gegenforderungen aufrechnen zu wollen.

     

    Gingen die Beteiligten dagegen fälschlicherweise von umsatzsteuerbarem Entgelt - zuzüglich ausgewiesener und bezahlter Umsatzsteuer - aus, so wird das FA nach Aufdeckung der Fehlbeurteilung die gezogenen Vorsteuern vom Zahlenden - nach § 233a AO verzinst - zurückfordern. Auch hierbei ergeben sich in der Folge die oben angesprochenen Rückforderungsprobleme.

     

    PRAXISHINWEIS | Zudem steht der Zahlungsempfänger vor dem Problem, dass sein Umsatzsteuerausweis nicht nur als „überhöhter Steuerausweis“ i.S. von § 14c Abs. 1 UStG, sondern sogar als „unberechtigter Steuerausweis“ i.S. von § 14c Abs. 2 UStG einzuordnen ist (so ausdrücklich A 14c.2. Abs. 2 Nr. 2 UStAE). Während er beim unrichtigen Steuerausweis (§ 14c Abs. 1 UStG) seine Umsatzsteuerschuld bereits nach schlichter Rechnungsberichtigung korrigieren dürfte, sieht § 14c Abs. 2 UStG eine Korrektur erst nach erfolgter „Gefährdungsbeseitigung“ vor (vgl. A 14c.2. Abs. 3 u. 5 UStAE). Das heißt, der Zahlende muss nachweislich die Vorsteuer an sein Finanzamt zurückgezahlt haben.

     

    Beachten Sie | Bevor man einen solchen Vergleich schließt, kann es sich anbieten, die Einordnung der „Entschädigungszahlung“ als Schadenersatz oder Leistungsentgelt durch eine verbindliche Auskunft absichern zu lassen.

    3. „Falltypen“ im umsatzsteuerlichen Entschädigungsbereich

    Als Hilfestellung werden nachfolgend die unterschiedlichen „Falltypen“ genau analysiert.

     

    3.1 Schadenersatz wegen Nichterfüllung/nicht gehöriger Erfüllung

    Einen klassischen Anwendungsfall des „echten Schadenersatzesg“ stellt folgender typische Fall aus dem Baugewerbe dar:

     

    • Beispiel 1

    U1 hat eine anspruchsvolle Stahlkonstruktion ausgeschrieben und Stahlbauunternehmer S1 für 1 Mio. EUR zzgl. USt den Auftrag erteilt. Bereits kurz nach Vertragsschluss wird klar, dass das Angebot eklatante Fehler aufweist und S1 das Werk nicht vertragsgemäß erstellen kann. U1 tritt vom Vertrag zurück, erteilt Mitbieter S2 (Angebotsvolumen 1,2 Mio. EUR zzgl. 228.000 EUR USt) den Auftrag und nimmt S1 für die Zusatzkosten von 200.000 EUR in Regress.

     

    Die Zahlung des S1 basiert nicht auf einem umsatzsteuerlichen Leistungsaustausch, sondern ist als Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu qualifizieren. Der Betrag von 200.000 EUR stellt mithin „echten Schadenersatz“ dar (A 1.3 Abs. 3 UStAE) und es darf demzufolge keine Umsatzsteuer fakturiert werden (ansonsten läge § 14c Abs. 2 UStG vor!). Der Vorsteuerabzug des U1 aus der Rechnung des S2 bleibt mit 228.000 EUR ungeschmälert bestehen, mindert sich also nicht um den von S1 zum Gesamtbetrag beigesteuerten Schadenersatz.

     

    Die letztlich gleiche Rechtsfolge ergibt sich bei Vertragsstrafen:

     

    • Beispiel 2

    U2 beauftragt Bauunternehmer B mit dem Bau eines Verwaltungsgebäudes für 5 Mio. EUR zzgl. USt. U2 hat im Vertrag festschreiben lassen, dass bei Überschreiten des Fertigstellungstermins eine zeitlich gestaffelte Vertragsstrafe fällig wird. Als sich die Fertigstellung aus - von B zu vertretenden Gründen - um mehrere Wochen verzögert, kürzt U2 den in Rechnung gestellten Bruttobetrag (5.950.000 EUR) um die sich ergebende Vertragsstrafe von 10 %.

     

    Vertragsstrafen wegen nicht gehöriger Erfüllung haben Schadenersatzcharakter und berühren den Umfang des umsatzsteuerlichen Leistungsaustauschs nicht (A 1.3. Abs. 3 UStAE). B hat dem U2 daher trotz des reduzierten Zahlungseingangs eine Rechnung über 5 Mio. EUR zzgl. 950.000 EUR USt zu erteilen und den Umsatzsteuerbetrag auch in dieser Höhe ans FA abzuführen. Dem U2 steht folglich trotz seiner um die Vertragsstrafe reduzierten Zahlung der ungeschmälerte Vorsteuerabzug von 950.000 EUR zu.

     

    Entsprechendes gilt auch für Vertragsstrafen mit „umgekehrten Vorzeichen“:

     

    • Beispiel 3

    U3 beauftragt Fertighaushersteller F mit dem Bau eines Geschäftsgebäudes zum Preis von 1 Mio. zzgl. USt. Die von F übernommene Leistung umfasst den Gebäudeaufbau „ab Oberkante Kellerdecke“, da U3 das Ausschachten und Erstellen des Kellergeschosses in Eigenregie übernehmen will. U3 hat sich zur Fertigstellung dieser Vorarbeiten bis zum 1.7.14 verpflichtet. Für dem F durch eine Fristüberschreitung entstehende Verzugsnachteile ist im Vertrag eine zeitgestaffelte Vertragsstrafe vorgesehen. Aufgrund personeller Schwierigkeiten gerät U3 mit seinen Vorarbeiten in Verzug, sodass F erst mit erheblicher Verspätung mit seinen Arbeiten beginnen kann; nach erfolgter Schlussabnahme stellt F dem U3 daher neben dem vereinbarten Werklohn die Vertragsstrafe in Rechnung.

    Da es sich auch bei dieser Fallkonstellation bei der Vertragsstrafe um „Zahlungen mit Schadenersatzcharakter“ handelt, die die umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage nicht berühren, darf F gegenüber U3 nur den Werklohnbetrag mit Umsatzsteuerausweis fakturieren (ansonsten: § 14c Abs. 2 UStG); der Vorsteuerabzug des U3 ist dementsprechend auf den auf den Werklohn entfallenden Umsatzsteuerbetrag beschränkt (Abschn. 15.2 Abs. 1 S. 2 UStAE).

     

    3.2 Teilausgeführte Werkverträge

    Stellt der Werkunternehmer die Arbeiten am Werk vorzeitig ein, so reduziert sich der Leistungsaustausch auf die bis dahin erbrachten Werkleistungsfragmente bzw. die zugehörige Gegenleistung (A 3.9 Abs. 2 UStAE). Entsprechendes gilt, wenn die tatsächlich erbrachte Werkleistung hinter dem vertraglich Vereinbarten zurückbleibt und der Leistungsempfänger aus diesem Grund die Gegenleistung reduziert. Für die Beurteilung der Umsatzbesteuerung ist dabei jedoch abzugrenzen, ob die Vergütungsreduktion ihre Ursache in werksbezogenen Mängeln hat oder vielmehr auf der Aufrechnung mit einer „schadenersatzbezogenen Gegenforderung“ basiert:

     

    • Beispiel 4

    Sägewerksunternehmer S bestellt bei Maschinenbauunternehmer M eine im Werk des S zu montierende Sägeanlage zum Preis von 1 Mio. EUR zzgl. USt und leistet nach erbrachten Vorarbeiten die vereinbarte Abschlagszahlung von 20 %. Nach der Montage erstellt M dem S eine Schlussrechnung über den Gesamtbetrag und fordert die verbleibenden 800.000 EUR zzgl. USt an. S macht aus diesen Rechnungen zwar den Vorsteuerabzug geltend, zahlt den Restbetrag jedoch nicht, da er inzwischen an der Maschine gravierende Mängel festgestellt hat. Ein von S beauftragter Gutachter kommt zu dem Ergebnis, die Sägeanlage sei aufgrund mehrerer Konstruktionsmängel nur sehr eingeschränkt nutzbar und eine Schadenbeseitigung würde ca. 1,2 Mio. EUR kosten.

     

    S macht daraufhin Schadenersatz in der gutachterlich ermittelten Höhe geltend. Letztlich verständigen sich S und M in einem außergerichtlichen Vergleich aber darauf, dass mit der bereits geleisteten Anzahlung von 200.000 EUR zzgl. USt alle wechselseitigen Ansprüche abgegolten sind. Gegenüber seinem Finanzamt macht S geltend, sein Vorsteuerabzug aus der Gesamtrechnung (190.000 EUR) bleibe ungeschmälert erhalten, denn der Vergleich beinhalte keine Entgeltsminderungsvereinbarung i.S. von § 17 UStG, sondern führe lediglich zur Aufrechnung der vertraglichen Vergütung mit seinen gegenläufigen Schadenersatzansprüchen.

     

    Zunächst bestätigte der BFH (16.1.03, V R 72/01, BStBl II 03, 620), dass ein Auftraggeber bei Mängeln am Werk zivilrechtlich entweder die Vergütung mindern (§ 634 Nr. 3 BGB) oder stattdessen gemäß § 634 Nr. 4 BGB Schadenersatz geltend machen könne. Nach Ansicht des BFH führt die unterschiedliche zivilrechtliche Einordnung - Vergütungsminderung oder sog. „kleiner Schadenersatz“ - jedoch nicht zu einer unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Folge. In beiden Fällen habe die Minderung nämlich letztlich werkmangelbezogene Ursachen und wirke daher umsatzsteuerlich letztlich als Werklohnminderung i.S. von § 17 UStG.

     

    MERKE | Im Streitfall konnte der BFH davon ausgehen, dass der vom Vertragsentgelt abweichende Minderungsbetrag über netto 800.000 EUR vollumfänglich auf einem „Werksmangel“ beruhte, denn der außergerichtliche Vergleich enthielt keine Aufsplittung dieses Betrags in Werksminderwert einerseits und sich aus der deutlich eingeschränkten Nutzbarkeit der Säge für S ergebende Folgeschäden (i.S. eines umsatzsteuerlichen Schadenersatzes) andererseits.

     

    Diese Problematik vertiefte der BFH (17.12.09, V R 1/09) jedoch in einer Folgeentscheidung. Im dortigen Verfahren hatte die W-GmbH (W) mit der Errichtung ihres Betriebsgebäudes die S-AG (S) für 4,8 Mio. DM zzgl. USt beauftragt. Nach beanstandungsloser Schlussabnahme und ungekürzter Werklohnzahlung stellt W in der Folgezeit von S zu vertretende Baumängel fest. Ein Gutachter bezifferte die Mängelbeseitigungskosten mit 141.000 DM und den Gebäudeminderwert mit 366.000 DM. Auf Basis eines daraufhin geschlossenen Vergleichs zahlte die S der W 300.000 EUR zum „Ausgleich aller wechselseitigen Ansprüche“, die die W als „umsatzsteuerlichen Schadenersatz“ wertete und daher ihren Vorsteuerabzug nicht gemäß § 17 UStG minderte. Das FA sah das jedoch anders.

     

    Der BFH kam hier zu dem Ergebnis, für die Abgrenzung zwischen „werksbezogener Entgeltminderung“ (§ 17 UStG) und schadensbezogener „Entschädigungszahlung“ sei allein auf den wirtschaftlich-technischen Bezug der Zahlung (Bauwerksbezug versus Schadenersatz) abzustellen. Für die umsatzsteuerliche Einordnung spiele es daher keine Rolle, ob

     

    • die (Rück-) Zahlung schon im Zuge der Schlussabnahme oder erst viele Jahre nach Abschluss des Leistungsaustauschs erfolge,
    • der Auftraggeber eine „Werklohnminderung“ oder „Schadenersatz wegen Nichterfüllung“ gemäß § 635 BGB a.F. geltend mache,
    • die Zahlung von den Kontrahenten als „Schadenersatz bezeichnet“ werde oder zivilrechtlich als solche einzustufen sei.

     

    Wichtig | Die Einordnung als Werklohnminderung i.S. von § 17 UStG ergab sich für den BFH daher aus den bindenden Tatsachenfeststellungen des FG, wonach die W vor Abschluss des Vergleichs Mängelbeseitigungskosten und Wertminderung, nicht jedoch Mangelfolgeschäden hinsichtlich anderer Rechtsgüter gegen S geltend gemacht hatte.

     

    PRAXISHINWEIS | Umsatzsteuerlicher Schadenersatz kann daher nur erfolgreich gegenüber dem FA reklamiert werden, wenn sich dies aus der Streitkorrespondenz bzw. der Vergleichsvereinbarung ergibt. Dazu müsste der Auftraggeber nachvollziehbar z.B. entgangenen Gewinn (§ 252 BGB) oder sonstige Folgeschäden aus der mangelhaften Werkleistung geltend gemacht haben. Hätte S im o.g. „Sägewerksfall“ (Bsp. 4) seine Zahlungsforderung nachweislich damit begründet, dass er infolge der Mängel der Anlage Kunden verloren habe (Gewinnausfall) oder bereits zugesagte Aufträge nicht habe fristgerecht erfüllen können und daher seinerseits Vertragsstrafen oder Schadenersatz habe leisten müssen, so käme diesem Zahlungsanteil Schadenersatzcharakter zu. Der Anteil mit Schadenersatzcharakter sollte in der Vergleichsvereinbarung dann genau beschrieben und konkret beziffert werden.

     

    In die Richtung der vorgenannten Abgrenzungsüberlegungen geht m.E. auch die Rechtsprechung des BGH, der nicht selten in Zivilverfahren auch die umsatzsteuerliche „Schadenersatzabgrenzung“ mitzuentscheiden hat. Denn er muss auch beurteilen, ob dem Leistungsempfänger der Anspruch nur als „Nettobetrag“ oder „zuzüglich Umsatzsteuer“ zusteht.

     

    In diesem Sinne hatte der BGH (22.11.07, VII ZR 83/05) im Falle eines vom Auftraggeber vor Fertigstellung vorzeitig gekündigten Bauerrichtungsvertrags entschieden. Soweit der Auftragnehmer unter Berufung auf § 649 BGB nicht nur die bislang erbrachten Bauleistungen abgerechnet habe, sondern dem Auftraggeber die vertragliche Gesamtvergütung - abzüglich ersparter Aufwendungen für Material, Personal, Gerät und Ähnlichem i.S. von § 649 S. 2 BGB - in Rechnung gestellt habe, sei aufzuteilen:

     

    • Umsatzsteuerliches Entgelt sei nur der Rechnungsbetrag, der auf die tatsächlich erbrachten Teilleistungen entfalle.
    • Soweit dem Werkunternehmer jedoch nach § 649 S. 2 BGB bzw. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B Vorbereitungsaufwand und entgangener Gewinn vergütet werde, besitze der Anteil Schadenersatzcharakter.

     

    3.3 Exkurs: Zusatzvergütungen des leistenden Unternehmers

    Interessant ist insoweit auch ein Urteil des BGH, in dem es um über den ursprünglich vereinbarten Werklohn hinausgehende Zusatzansprüche des leistenden Unternehmers nach Fertigstellung des Werks ging (BGH 24.1.08, VII ZR 280/05). Laut BGH ist hier nur die auf § 2 Abs. 5 VOB/B fußende Zusatzvergütung als umsatzsteuerpflichtiges Leistungsentgelt zu werten, während die nach § 6 Abs. 6 VOB/B zu zahlenden Beträge „nicht umsatzsteuerbaren Schadenersatz“ darstellen.

     

    PRAXISHINWEIS |  

    Dies überzeugt, denn nach § 2 Abs. 5 VOB/B hat der leistende Unternehmer gegenüber dem Auftraggeber einen Anspruch auf Zusatzvergütung, soweit ihm durch eine auftraggeberseitig veranlasste Bauplanungsänderung Mehraufwendungen (mithin werksbezogener Entgeltserhöhung wegen „Mehrleistung“) entstanden sind.

     

    § 6 Abs. 6 VOB/B dagegen begründet einen Anspruch des Auftragnehmers auf Ausgleich des ihm entstandenen Schadens, sofern er durch vom Auftraggeber zu vertretende Umstände an seiner Leistungserbringung gehindert wurde (Ersatz des Schadens).

     

    Achtung | Getrübt wird diese systemkonforme BGH-Logik allerdings durch die ergänzende Aussage, auch die gemäß § 642 BGB an den Leistungserbringer zu zahlende Entschädigung (weil der Auftraggeber seinen erforderlichen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen ist) stelle umsatzsteuerliches Entgelt für das über den Ursprungsvertrag hinausgehende zusätzliche Bereithalten von Gerät, Kapital und Personal dar. Letzteres dürfte der BFH (vgl. BFH 30.6.10, XI R 22/08/s.u. Bsp. 5) anders sehen, sodass eine zivilrechtlich erstrittene t„Zahlung zuzüglich USt“ den Zahlenden hinsichtlich des Umsatzsteueranteils gleichwohl nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen dürfte (A 15.2. Abs. 1 S. 2 UStAE).

     

    3.4 Schlichte „Bereithaltensleistungen“

    Bei sogenannten Bereithaltensleistungen ist immer wieder strittig, ob es sich um einen vergüteten Leistungsaustausch handelt, soweit der Auftragnehmer dem Auftraggeber für das „Bereithalten“ von Personal oder Sachmitteln kalkulatorisch entstehende anteilige Kosten (ggf. zuzüglich Unternehmerlohn) in Rechnung stellt:

     

    • Beispiel 5

    Gerichtsvollzieher G arbeitet bei Zwangsräumungen mit Speditionsunternehmen S zusammen. Nach den Rahmenvereinbarungen erhält S ein nach Wohnfläche gestaffeltes Pauschalentgelt. Muss G eine Zwangsräumung weniger als 5 Tage vor dem anberaumten Termin absagen, steht S eine Stornopauschale in Höhe von 30 % des erwartbaren Pauschalentgelts zu. Nach Ansicht des S unterliegt die Stornopauschale nicht der Umsatzsteuer.

     

    Der BFH (30.6.10, XI R 22/08) hat seinerzeit klargestellt, dass solche Vorgänge nicht steuerbar sind. Die Begründung: Der Stornopauschale stehe keine von S tatsächlich erbrachte Leistung gegenüber. Denn die vom FA als „Leistung“ gewerteten Vorbereitungshandlungen - Auftragsannahme sowie organisatorische Planung der Personal- und Sachkapazitäten - stelle keine im Rahmen eines Leistungsaustauschs erbrachte Leistung an den Auftraggeber dar, sondern sei übliche unternehmensinterne Vorbereitung als Vorbedingung der späteren vertragsgemäßen Leistungsausführung.

     

    Der BFH stützte seine Sichtweise auf die jüngere EuGH-Rechtsprechung. Der EuGH hatte entschieden, dass die in Frankreich bei einer Hotelbuchung mit vorzeitiger Stornierung üblicherweise anfallende „Stornopauschale“ nicht als Vergütung für das Anlegen einer Gästeakte und das Vorhalten und Reservieren der entsprechenden Zimmerkapazität zu werten sei (EuGH 18.7.07, C-277/05). Nach dieser Rechtsprechung dürften Pauschalentschädigungen des Auftraggebers im Zuge seiner Stornierung noch vor Leistungsbeginn umsatzsteuerlich als echter Schadenersatz zu werten sein.

     

    Fraglich bleibt allerdings, ob die Finanzverwaltung diese Einschätzung vollumfänglich teilt. Denn während sie die BFH-Entscheidung zur o.a. „Umzugs-Stornopauschale“ bereits 2011 durch Aufnahme in Abschn. 1.3. Abs. 7 S. 2 UStAE übernahm, will sie systematisch hinsichtlich der „Entschädigung bei storniertem Leistungsauftrag“ wohl weiterhin differenzieren:

     

    • Zur Stornogebühr im Beherbergungsgewerbe hatte das BMF schon früh die Auffassung vertreten, die Stornokosten könnten nur dann als nicht umsatzsteuerbarer Schadenersatz gewertet werden, wenn dem reservierenden Kunden in den zugrunde liegenden Vertragsbedingungen ausdrücklich ein Rücktrittsrecht eingeräumt wurde (BMF 6.11.97, IV C 3 - S 7100 - 89/97, DStR 98, 236) .

     

    • Fehle ein solches Rücktrittsrecht, so könne sich der Kunde nicht wirksam vom Vertrag lösen, sodass die „Stornokosten” Entgelt für eine umsatzsteuerpflichtige Bereithaltensleistung seien.

     

    Diese Differenzierung hatte die Finanzverwaltung auch nach Ergehen der o.a. EuGH-Entscheidung ausdrücklich bekräftigt (vgl. OFD Frankfurt 5.8.08, S 7100 A - 199 - St 110, DStR, 1833). Demnach dürfte die Finanzverwaltung bei jeglichen „Entschädigungszahlungen“ für letztlich nicht in Anspruch genommene Leistungen nur dann von echtem Schadenersatz ausgehen, wenn der Leistungsauftrag auf Basis eines vertraglichen Rücktrittsrechts schon im Vorfeld wirksam storniert wurde (andernfalls: Einordnung der Zahlung als umsatzsteuerpflichtiges „Leistungsentgelt“!).

     

    MERKE | Ohne diese Differenzierungsproblematik zu erwähnen oder gar aufzuheben, hat das BMF allerdings in Rz. 8 seines zu § 12 Abs. 2 Nr. 10 UStG ergangenen Anwendungsschreibens vom 5.3.10 (IV D 2 - S 7210/07/10003, BStBl I 10, 259) formuliert, übernachtungsbezogene Stornokosten stellten nichtsteuerbaren Schadenersatz dar.

     

    Beachten Sie | Aus den o.a. BFH- und EuGH-Aussagen (BFH XI R 22/03 u. EuGH C-277/05) ergibt sich allerdings nicht, dass jegliche „Bereithaltungsentgelte“ von der Umsatzbesteuerung ausgenommen wären:

     

    • Betrifft das Bereithaltungsentgelt nämlich nicht den „bereits vor Leistungsbeginn stornierten Leistungsauftrag“, sondern „planmäßige Bereithaltungsleistungen“, so bleibt es unstreitig bei deren Umsatzbesteuerung (z.B. bei pauschalvergüteten Winterdienstbereitschaften oder technischen Bereitschaftsdiensten wie Heizungsnotdienst etc.).

     

    • Entsprechendes gilt, soweit der Auftraggeber eine Leistung zwar beauftragt, aber nicht in Anspruch nimmt (z.B. bei Laufzeitverträgen in Fitnessstudios ohne tatsächliche Nutzung).

     

    • Ob dies auch für gebuchte, aber nicht genutzte Flüge gilt, hat der BFH zwar offen gelassen, da er eine Besteuerung bereits aus der nicht rückgewährten Bezahlung herleitete (BFH 15.9.11, V R 36/09). M.E. ist in diesen Fällen aber eine vollzogene Leistungserbringung auch dann zu bejahen, wenn der Kunde den bereitgehaltenen Sitzplatz nicht zum Mitflug genutzt hat.

     

    QUINTESSENZ | Wegen der Komplexität in der Rechtsbeurteilung und der unterschiedlichen Grenzziehung zwischen nichtsteuerbarem Schadenersatz und umsatzsteuerlichem Leistungsentgelt durch BMF bzw. BFH einerseits und die Zivilgerichte andererseits repräsentieren entsprechende Sachverhalte ein ausgesprochen beratungssensitives Problemfeld der Umsatzbesteuerung.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Problematisch sind in der Praxis auch die häufigen Fälle, bei denen ein Dauerleistungsverhältnis (z.B. ein Leasingvertrag) vorzeitig beendet wird und in diesem Zusammenhang eine Entschädigung gezahlt wird. Typische Beispiele hierzu folgen in der nächsten Ausgabe.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2015 | Seite 33 | ID 43017107

    Karrierechancen

    Zu TaxTalents