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  • · Fachbeitrag · GmbH-Geschäftsführerversorgung

    Wirksamkeit, Eindeutigkeit, Auslegung und Üblichkeit von Pensionszusagen: In dubio pro fiskus ‒ Teil 2

    von Jürgen Pradl, Rentenberater für die betriebliche Altersversorgung und Kevin Pradl, LL. B., MPM, Rentenberater, beide Zorneding

    | Das FG Düsseldorf hat mit seiner Entscheidung vom 9.6.21 (7 K 3034/15 K, G, F) in der Fachwelt für Aufmerksamkeit gesorgt. In einem sehr komplexen Fall hat das Gericht zu unterschiedlichen Fragen der Geschäftsführer-Pensionszusage Auffassungen vertreten, die dringend einer Überprüfung und Korrektur durch den BFH bedürfen (Rev. BFH: I R 29/21 ). Die zur Wirksamkeit, Eindeutigkeit und Auslegung von Pensionszusagen getroffenen Entscheidungen haben die Autoren im Rahmen des ersten Teils des Beitrags ausführlich behandelt ( GStB 22, 139  ff.). Der zweite Teil setzt sich nun mit den Aspekten des Streitfalls auseinander, die das FG als unüblich und somit als vGA beurteilt hat. |

    1. Sachverhalt (verkürzt)

    Die am 30.10.84 gegründete GmbH hat ihren beiden jeweils zu 50 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern (Jahrgang 1951 und 1953; Diensteintritt: 1.1.85) mit individualvertraglichen Vereinbarungen vom 1.11.85 jeweils eine gehaltsabhängige Pensionszusage erteilt, die jeweils mit Vereinbarungen aus 1992, 1994 und 1998 ersetzt bzw. ergänzt wurden. Die gültigen Vereinbarungen zu den Pensionszusagen in der jeweiligen Fassung vom 1.10.94 enthielten zur vorgezogenen Altersrente folgende Regelung:

     

    „Sie haben auch die Möglichkeit, zu einem früheren oder einem späteren Zeitpunkt als der Vollendung des 65. Lebensjahres bei Ausscheiden aus der Firma eine Altersrente gemäß Punkt A-1 zu beziehen. Aufgrund der kürzeren bzw. längeren Dienstzeit und entsprechend längerer bzw. kürzerer Gewährung der Rente wird die mit dem 65. Lebensjahr erreichbare Rente um 0,4 % pro Monat der längeren Dienstzeit erhöht. Der vorzeitige Bezug der Rente ist jedoch entsprechend den Regelungen der gesetzlichen Rentenversicherung frühestens nach Vollendung des 60. Lebensjahres möglich.“

     

    Mit Wirkung zum 11.1.10 schieden beide GGf aus den bestehenden Dienstverhältnissen aus und übertrugen ihre Anteile an ihre Söhne. Parallel dazu schloss die GmbH mit einer GmbH & Co. KG, deren Kommanditisten die beiden ehemaligen Geschäftsführer waren, einen Beratervertrag ab. Das dafür vereinbarte Honorar belief sich ursprünglich auf mtl. netto 6.500 EUR. Es wurde zum 1.2.11 auf netto 4.400 EUR und ab dem 1.10.12 auf netto 2.400 EUR herabgesetzt. Das Beratungsverhältnis wurde per 31.12.12 gekündigt. Der im Jahre 1951 geborene ehemalige Geschäftsführer vollendete das 60. Lebensjahr im Februar des Jahres 2011 und bezog ab Februar 2011 eine vorgezogene Altersrente von mtl. 2.099,09 EUR. Das Honorar aus dem Beratungsverhältnis wurde nicht ausdrücklich mit der gezahlten Pension verrechnet. Der im Jahre 1953 geborene ehemalige Geschäftsführer bezog erstmals in 2013 ‒ und somit außerhalb des Prüfungszeitraums ‒ eine vorgezogene Altersrente.

    2. Die Entscheidung des FG Düsseldorf, 7 K 3034/15 K, G, F

    Mit o. a. Urteil vom 9.6.21 hat das FG Düsseldorf hinsichtlich der (Un-)Üblichkeit der gewählten Gestaltung das Folgende entschieden:

     

    2.1 Zur vorgezogenen Altersrente („Mindestpensionsalter“)

    Ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter wird sich für die Zusage einer Altersversorgung an der Regelung für die gesetzliche Sozialversicherungsrente orientieren; die Vereinbarung des 60. Lebensjahres als Mindestpensionsalter (in einer Pensionszusage aus dem Jahr 1994) indiziert bei einem beherrschenden GGf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung der Pensionszusage i. S. einer verdeckten Gewinnausschüttung gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG (hier: im Zeitpunkt der Pensionszusage konnten Männer erst mit Erreichen des 65. Lebensjahres Rente gem. § 35 SGB VI beantragen).

     

    2.2 Zum Zeitpunkt der Erteilung einer GF-Pensionszusage („Probezeit“)

    Zudem waren die streitigen Pensionszusagen auch deshalb dem Grunde nach durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, weil sie erstmalig am 1.11.85 und damit bereits vor Ablauf eines Jahres nach Bestellung der Begünstigten zu Geschäftsführern am 1.1.85 erteilt worden sind. Selbst unter Berücksichtigung der Gründung der Klägerin am 30.10.84 betrug die Probezeit lediglich ein Jahr, weshalb ‒ gerade auch im Hinblick auf das damalige Alter der Begünstigten von 34 bzw. 32 Jahren ‒ eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis anzunehmen ist (vgl. Gosch, KStG, § 8 Rz. 1080 f.).

     

    2.3 Zur anschließenden Beratertätigkeit („Rente und Gehalt“)

    Im Streitfall konnte offengelassen werden, ob die Auszahlung der Pension aus weiteren Gründen, als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, anzusehen war (hier: Nichtanrechnung von Beratervergütung auf Versorgungsleistung; „Ausscheiden aus der Firma“ trotz Beratervertrag).

     

    Obwohl das Finanzamt die o. a. Punkte im Rahmen der Betriebsprüfung nicht beanstandet hatte, hat das FG Düsseldorf die Pensionszusagen aufgrund der Vereinbarung eines Mindestpensionsalters von 60 Jahren und einer Erteilung vor Ablauf der Probezeit dem Grunde nach als nicht betrieblich veranlasst beurteilt. In der Folge führen die Rentenzahlungen gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG zu verdeckten Gewinnausschüttungen. Da die Zulässigkeit einer Rückstellungsbildung vom FG schon auf der ersten Prüfungsstufe verneint wurde, kommt insoweit die Annahme einer vGA nicht mehr infrage.

     

    Die GmbH hat die Möglichkeit zur Revision wahrgenommen, sodass der BFH nun das letzte Wort hat (I R 29/21). Die o. a. Rechtsfragen betreffen nur noch Inhalte, die der zweiten Prüfungsstufe (betriebliche Veranlassung gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG) zuzurechnen sind. Auf diese wird im Folgenden eingegangen.

    3. Zweite Prüfungsstufe gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG

    Sind die Grundvoraussetzungen des § 6a EStG durch die zu beurteilende Pensionszusage erfüllt und handelt es sich beim Versorgungsberechtigten um einen GGf (oder um eine diesem nahestehende Person), so ist in der zweiten Prüfungsstufe das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung („vGA“) gem. § 8 Abs. 3 S. 2 KStG auszuschließen.

     

    3.1 Fremdvergleich als Maßstab der Handlungsveranlassung

    Das zu beurteilende Rechtsgeschäft muss ‒ um zu einer vGA oder zu einer verdeckten Einlage werden zu können ‒ durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst und nicht nur verursacht sein. Als Maßstab dient insoweit der Fremdvergleich. Nach Gosch gilt zum Fremdvergleich das Folgende (Gosch in: Gosch, KStG, § 8 Rz. 290):

     

    „Der Fremdvergleich dient dazu, die wahre Handlungsveranlassung in jenen Fällen aufzudecken, in denen sie sich nicht (ausnahmsweise) in Gestalt einer konkreten Veranlassung offenbart. […] Der Fremdvergleich dient (als unbestimmter Rechtsbegriff und zugleich als Hilfsmittel) dazu, die im Einzelfall maßgebliche Willensrichtung der an einem tatsächlichen Lebensvorgang beteiligten Personen festzustellen.“

     

    Im Bereich der Pensionszusage ist zwingend zu beachten, dass sich der Gf einer GmbH nicht mit einem beliebigen Arbeitnehmer vergleichen lässt. Vergleichssubjekt ist vielmehr i. d. R. der Gf in vergleichbarer Position mit vergleichbarem (und erreichbarem) Wissens- und Erfahrungsstand. Bei der Bewertung der Rechtsfigur des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters als anerkanntem Maßstab für den Fremdvergleich ist immer davon auszugehen, dass es sich um einen fremden und unabhängigen Geschäftsleiter handelt, der nicht am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist.

     

    Das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters liefert jedoch keine allein als richtig zu beurteilende Handlungsanweisung. Die Rechtsfigur liefert lediglich die Leitidee für das Verhalten eines Geschäftsleiters und wird von dem Gedanken getragen, dass der Geschäftsleiter sein Verhalten in verantwortungsvoller Weise darauf ausrichten wird, Vorteile für die Gesellschaft wahrzunehmen und entsprechende Schäden von ihr abzuwenden. Als Maßstab dienen die kaufmännischen Gepflogenheiten, das Verkehrsübliche und das wirtschaftlich Vernünftige.

     

    3.2 Materieller Fremdvergleich

    Ob ein Rechtsgeschäft als vGA oder als verdeckte Einlage zu beurteilen ist, bestimmt sich in erster Linie danach, ob die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) in materiell-rechtlicher Hinsicht dem Fremdvergleich standhalten kann. Der materielle Fremdvergleich ist anhand einer generalisierenden Betrachtung durchzuführen, zu dessen Umsetzung die Rechtsprechung schablonenartige Kriterien vorgegeben, welche die zu prüfende Pensionszusage zu erfüllen hat. Hinsichtlich der strittigen Positionen vertritt die Finanzverwaltung folgende Rechtsauffassung:

     

    3.2.1 Pensionsalter

    Gemäß BMF-Schreiben vom 9.12.16 (BStBl I 16, 1427) gilt hinsichtlich des Pensionsalters das Folgende: Bei Neuzusagen (Erteilung nach dem 9.12.16) ist bei einer vertraglichen Altersgrenze von weniger als 62 Jahren davon auszugehen, dass keine ernsthafte Vereinbarung vorliegt (vGA dem Grunde nach). Zuführungen zur Pensionsrückstellung sind in voller Höhe vGA. Bei Altzusagen (zum 9.12.16 bereits bestehende Zusagen) gilt weiterhin eine Altersgrenze von 60 Jahren.

     

    Ist der Versorgungsberechtigte als beherrschender GGf zu beurteilen, so ist bei Neuzusagen eine Pensionszusage grds. unangemessen, soweit eine geringere vertragliche Altersgrenze als 67 Jahre vereinbart wird (vGA der Höhe nach). Zuführungen zur Pensionsrückstellung sind dann insoweit vGA, als diese nicht auf das 67. Lebensjahr, sondern auf das vertraglich vereinbarte geringere Pensionsalter berechnet werden. Den Steuerpflichtigen bleibt es aber unbenommen, die Fremdüblichkeit eines niedrigeren Pensionsalters darzulegen. Bei Altzusagen wird es nicht beanstandet, wenn eine Altersgrenze von mindestens 65 Jahren vereinbart wurde. Ist eine Altersgrenze von weniger als 65 Jahren vereinbart, ist für die Berechnung der vGA statt auf das 67. Lebensjahr auf das 65. Lebensjahr abzustellen.

     

    3.2.2 Probezeit

    Gemäß BMF-Schreiben vom 14.12.12 (BStBl I 13, 58) gilt hinsichtlich der erforderlichen Probezeit das Folgende: Die Finanzverwaltung (und ebenso der BFH) sieht es als erforderlich an, dass die Qualifikation und Leistungsfähigkeit eines GGf vor dem Zeitpunkt der Erteilung einer Pensionszusage in ausreichendem Maße erprobt wird. Die Finanzverwaltung hält hierfür regelmäßig eine Probezeit von zwei bis drei Jahren für ausreichend. Handelt es sich um eine neu gegründete Kapitalgesellschaft, ist die Zusage überdies erst dann zu erteilen, wenn die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft verlässlich abgeschätzt werden kann. Hierzu bedarf es i. d. R. eines Zeitraums von wenigstens fünf Jahren.

     

    Beachten Sie | Die Finanzverwaltung hatte früher vertreten, dass bei einer vorzeitig erteilten Pensionszusage die Zuführungen zur Pensionsrückstellung nur bis zum Ablauf der angemessenen Probezeit als vGA zu behandeln sind. Nach Ablauf der Probezeit ließ sie zu, dass die Zuführungen für die Folgezeit gewinnmindernd berücksichtigt werden (BMF 14.5.99). Diese Auffassung hat sie aber nach Ergehen der BFH-Entscheidung vom 28.4.10 (I R 78/08, BStBl II 13, 41) mit BMF-Schreiben vom 14.12.12 modifiziert, da der BFH darin die Auffassung vertreten hat, dass eine zu früh erteilte Pensionszusage auch nach Ablauf der Probezeit nicht in eine fremdvergleichsgerechte Versorgungszusage hineinwächst. Für Zusagen, die vor dem 30.7.10 erteilt wurden, hat das BMF jedoch Bestandsschutz gewährt.

    4. Kommentierung

    Beim Vergleich beider Standpunkte wird deutlich, dass das FG in beiden Rechtsfragen eine Rechtsposition eingenommen hat, die deutlich über die Anforderungen der Finanzverwaltung gem. den geltenden BMF-Schreiben hinausgeht. Dies ist Anlass genug, sich mit den Ausführungen des FG zur (Un-)Üblichkeit der Pensionszusagen kritisch auseinanderzusetzen.

     

    4.1 Zunächst zur Bindungswirkung von BMF-Schreiben vor Gericht

    BMF-Schreiben stellen allgemeine Weisungen i. S. d. Art. 108 Abs. 3 S. 2, 85 Abs. 3 GG dar. Sie dienen ‒ wie allgemeine Verwaltungsvorschriften nach Art. 108 Abs. 7 GG ‒ der Vollzugsgleichheit im Bereich der von den Ländern im Auftrag des Bundes verwalteten Steuern.

     

    BMF-Schreiben dienen der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze und sind entsprechend von der Steuerverwaltung im Vollzug dieser Gesetze zu beachten. Sie binden daher auch nur die Landesfinanzbehörden, nicht dagegen die Steuerpflichtigen. Für die Gerichte entfalten BMF-Schreiben aufgrund der Gewaltenteilung keine Bindungswirkung. Damit wird deutlich, dass die Regeln, die die Finanzverwaltung zur ertragsteuerrechtlichen Beurteilung von Gf-Pensionszusagen im Rahmen von BMF-Schreiben aufstellt, vor einem Finanzgericht ihre Bedeutung verlieren.

     

    Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass die in einem FG-Verfahren ursprünglich zu klärende Rechtsfrage zwar zugunsten des Steuerpflichtigen entschieden wird, das FG aber in einer anderen Rechtsfrage, die bisher nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, eine restriktivere Auffassung als die Finanzverwaltung vertritt und somit zu einer Beanstandung gelangt, anhand derer das bisherige Ergebnis der ursprünglich rechtswidrigen Beurteilung der Finanzverwaltung bestätigt wird. Vor diesem Hintergrund hat im Vorfeld eines Finanzrechtsstreits zwingend eine ganzheitliche Beurteilung der streitgegenständlichen Pensionszusage zu erfolgen.

     

    4.2 Vereinbarung eines „Mindestpensionsalters“

    Die Analyse der Entscheidung zur Üblichkeit eines „Mindestpensionsalters“ führt bereits bei der Beurteilung des verwendeten Terminus zu einem erheblichen Störgefühl. BFH und Finanzverwaltung verwenden diesen Begriff nämlich unisono bisher ausschließlich, um das Pensionsalter zu bestimmen, das der Bewertung einer Pensionsverpflichtung gem. § 6a EStG mindestens zugrunde zu legen ist. Da der Bewertung der Pensionsverpflichtung immer der in der Pensionszusage vorgesehene reguläre Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls zugrunde zu legen ist, bezieht sich der Begriff bisher ausschließlich auf die sog. Regelaltersgrenze.

     

    Wenn nun das FG Düsseldorf die Altersgrenze, die für die Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente vereinbart wurde und die lediglich einen Unterfall der Regelaltersrente darstellt, als „Mindestpensionsalter“ bezeichnet, so ist dies unsachgemäß und irreführend. Unseres Erachtens wäre es zutreffender, wenn in diesem Zusammenhang der Terminus „vorgezogene Altersgrenze“ verwendet werden würde.

     

    Das FG Düsseldorf stellt die These auf, dass sich ein ordentlich und gewissenhaft handelnder Geschäftsleiter bei der Erteilung einer Pensionszusage an einen beherrschenden GGf an den Regelungen der gesetzlichen Sozialversicherungsrente orientieren würde. Eine Abweichung von diesem Grundsatz sollte nur dann möglich/zulässig sein, wenn besondere betriebliche oder in der Person des Ruhegeldempfängers liegende Gründe eine vorzeitige Pensionierung erfordern. Eine objektiv nachvollziehbare Begründung für diese Behauptung bleibt das FG ‒ mit Ausnahme eines Verweises auf zwei FG-Urteile und die Kommentarmeinung von Gosch ‒ aber schuldig.

     

    Unseres Erachtens basiert die Entscheidung zur Annahme einer unüblichen Gestaltung auf einer unsubstanziierten Behauptung. Denn sowohl der Verweis auf die Entscheidung des FG Düsseldorf vom 6.11.12 als auch das Zitat zu Gosch (KStG, § 8 Rz. 1092) gehen ins Leere.

     

    Abweichend von der vorliegend zu beurteilenden Sachlage sah in dem durch Urteil vom 6.11.12 entschiedenen Streitfall die dem beherrschenden GGf erteilte Pensionszusage eine Regelaltersgrenze von 60 Jahren vor. Da die GmbH die Kapitalleistung mit Vollendung des 60. Lebensjahres erfüllte, ohne dass der GGf aus dem Dienstverhältnis ausgeschieden war, hat der BFH im Revisionsverfahren die Zahlung der Kapitalleistung schon wegen der vertragswidrigen Erfüllung als vGA beurteilt (23.10.13, I R 89/12, BStBl II 14, 729). Eine Entscheidung darüber, ob sich aus der Regelaltersgrenze von 60 Jahren ‒ statt eines andernfalls üblichen Pensionsalters von 63 oder 65 Jahren ‒ bereits dem Grunde nach eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung ableiten lässt, hat der BFH offengelassen. Entsprechendes gilt für die BFH-Entscheidung vom 11.9.13 (I R 72/12, BStBl II 16, 1008).

     

    Das FG Düsseldorf möchte somit die Vereinbarung zu einer Regelaltersgrenze unter dem „Deckmantel“ des Mindestpensionsalters mit einer vorgezogenen Altersgrenze gleichsetzen. Dies ist jedoch sachlich nicht zu rechtfertigen. Auch lässt sich diese Handhabung nicht durch den Verweis auf Gosch begründen. Es trifft zwar zu, dass dort unter der zitierten Rz. 1092 dargestellt wird, dass für einen beherrschenden GGf regelmäßig ein Pensionsalter von 65 Jahren gefordert wird. Im weiteren Verlauf findet sich dann aber folgender Wortlaut:

     

    „Im Übrigen soll das Pensionsalter von mindestens 65 Lebensjahren für die Berechnung der Pensionsrückstellung unabhängig davon als maßgeblich zugrunde zu legen sein, ob der GGf nach der Versorgungszusage eine Pension auch bereits von einem früheren Alter an beanspruchen kann. Ist der GGf ein Beherrschender, empfiehlt es sich in derartigen Fällen dennoch, das (mögliche) niedrigere Pensionsalter von 62 oder 63 Jahren fest in der Zusage zu vereinbaren, um ggf. dem insoweit bestehenden steuerlichen Nachzahlungsverbot zu entgehen und damit sicherzustellen, dass die ggf. erforderliche außerordentliche Zuführung zur Rückstellung im Falle einer vorzeitigen Verrentung als Betriebsausgabe anerkannt wird.“

     

    Damit wird deutlich, dass auch Gosch im Unterfall der vorgezogenen Altersrente eine frühere Altersgrenze und eine frühere Inanspruchnahme für möglich (und zulässig) erachtet. Auch Höfer hält eine entsprechende Vereinbarung für steuerkonform, verweist jedoch richtigerweise auf eine erforderliche Regelung zur Anpassung der Höhe der vorgezogenen Altersrente (Höfer in: Höfer/Veit/Verhuven, BetrAVG, Band II, Kap. 44, Rz. 45, 197).

     

    Eine Aussage dazu, dass sich ein ordentlicher Geschäftsleiter bei der Bestimmung der vorgezogenen Altersgrenze an den Bestimmungen des SGB VI zu orientieren hätte, findet sich weder bei Gosch noch bei Höfer. Stattdessen verweist Gosch darauf, dass die Bestimmungen der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. die zur Altersbestimmung ergriffenen Gesetzesmaßnahmen anderweitigen sozialpolitischen Überlegungen dienen (Gosch, KStG, § 8 Rz. 1094). Auch Briese ist der Ansicht, dass den in der gesetzlichen Rentenversicherung geltenden Altersgrenzen im Rahmen des steuerlichen Fremdvergleichs keine Maßgeblichkeit zukommt (Briese/Horlemann, Staatliche Förderung der Altersvorsorge und Vermögensbildung, Rz. 365). Darüber hinaus hält er die von der Finanzverwaltung vorgenommene Differenzierung zwischen Minderheits- und Mehrheits-GGf hinsichtlich der Altersgrenzen für ungerechtfertigt.

     

    Es lassen sich auch keine objektiven Gründe dafür finden, warum die Ausgestaltung einer Unternehmerzusage sich zwingend an den Vorschriften zu orientieren hätte, die der Gesetzgeber für abhängig Beschäftigte und als schutzbedürftig eingestufte Bürger geschaffen hat. Eine derartig simplifizierende Betrachtung kann u. E. die zum Fremdvergleich geltenden Grundsätze nicht erfüllen (vgl. Tz 3.).

     

    Auch ist zu bedenken, dass der BFH in seinen Entscheidungen zum Höchstzusagealter von 60 Jahren (23.7.03, I R 80/02, BStBl II 03,926; 11.9.13, I R 26/12) die Auffassung vertreten hat, dass ein GGf ab dem 60. Lebensjahr seine Leistungsfähigkeit derart deutlich einbüßen wird, dass die Erteilung einer Pensionszusage ab diesem Alter für die GmbH zu einem nicht mehr kalkulierbaren Versorgungsrisiko führen würde. Im Umkehrschluss ergibt sich zwangsläufig, dass die GmbH ein gesteigertes Interesse daran haben muss, dass der GGf bei einem deutlichen Verlust seiner Leistungsfähigkeit auch schon ab dem 60. Lebensjahr vorzeitig in den Ruhestand wechseln kann. Und dies unabhängig von etwaigen Bestimmungen in der gesetzlichen Rentenversicherung. Erschwerend kommt hinzu, dass der BFH für einen GGf auch einen fließenden Übergang in den Ruhestand dadurch erschwert, dass er die Auffassung vertritt, dass sich eine Reduzierung seiner Arbeitszeit bei gleichzeitiger Anpassung der Vergütung bzw. eine Teilzeittätigkeit mit dessen Aufgabenbild nur schwerlich vereinbaren lässt (BFH 23.10.13, I R 60/12, BStBl II 15, 413).

     

    Daher ist die im Streitfall zu beurteilende Bestimmung unter Berücksichtigung der zum Zeitpunkt der Zusageerteilung vorherrschenden Rahmenbedingungen und der vereinbarten Kürzungsregelung als angemessen und fremdüblich zu beurteilen. Bei Erteilung einer Neuzusage kann aufgrund der Entwicklung der statistischen Lebenserwartung eine Kombination einer Regelaltersgrenze von 67 Jahren und einer vorgezogenen Altersrente von 62 Jahren als fremdüblich angesehen werden. In Anbetracht der obigen Ausführungen zum Höchstzusagealter und zur Teilzeitbeschäftigung müsste eine vorgezogene Inanspruchnahme auch heute noch mit 60 Jahren möglich sein.

     

    4.3 Erfordernis einer Probezeit

    Anders als beim „Mindestpensionsalter“ hat der BFH das Erfordernis einer Probezeit zuletzt mit Urteil vom 28.4.10 (I R 78/08, BStBl II 13, 41) bestätigt und darüber hinaus entschieden, dass eine Pensionszusage auch nach Ablauf einer angemessenen Probezeit nicht in eine fremdvergleichsgerechte Pensionszusage hineinwächst. Daher fußt die Entscheidung des FG Düsseldorf in dieser Rechtsfrage auf den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung.

     

    Im Streitfall besteht die Besonderheit darin, dass die Finanzverwaltung für vor dem 30.7.10 erteilte Pensionszusagen Bestandsschutz gewährt hat (BMF 14.12.12). Der verwaltungsseitig eingeräumte Bestandsschutz geht jedoch infolge der fehlenden Bindungswirkung des BMF-Schreibens vor Gericht verloren. Dies erscheint aus Sicht der betroffenen GmbH als in hohem Maße unbillig.

     

    Darüber hinaus steht das Kriterium der Probezeit in der Fachliteratur stark in der Kritik (u. a. Dommermuth/Linden, Steueroptimierte Altersversorgung für GmbH-Geschäftsführer und Unternehmer, 2. Auflage, Rz. 779). Höfer beurteilt die Sichtweise der Rechtsprechung und Finanzverwaltung sogar als unüblich (Höfer in: Höfer/Veit/Verhuven, KStG, Band II; Rz. 164). Auch Gosch fordert, auf die zeitliche Komponente der Probezeit gänzlich zu verzichten (Gosch, KStG, § 8, Rz. 1098). Dem ist u. E. uneingeschränkt zuzustimmen.

     

    Des Weiteren lässt das FG völlig außer Acht, dass es bei Pensionszusagen zugunsten von GGf mittlerweile üblich ist, dass die Anwartschaften vertraglich einem zeitratierlichen Erdienungsverfahren unterworfen werden, das i. d. R. auf den Zeitpunkt der Zusageerteilung abstellt. Damit begrenzt sich das Risiko der GmbH auf den Teilbetrag der zugesagten Versorgungsleistungen, auf den der GGf während der abgeleisteten Dienstzeit eine unverfallbare Anwartschaft erworben hat. Der Risikobetrachtung kann also keinesfalls die Höhe der insgesamt zugesagten Versorgungsleistungen zugrunde gelegt werden, da diese Annahme eine sofortige Unverfallbarkeit in voller Höhe impliziert. Entsprechendes gilt bei einer Gestaltung der Pensionszusage in Form einer beitragsorientierten Leistungszusage. Hier begrenzt sich das Risiko der Gesellschaft i. d. R. auf die Erbringung des definierten Beitrags bis zum Zeitpunkt des Ausscheidens.

     

    Das Festhalten am Kriterium der Probezeit erscheint vor diesem Hintergrund nicht mehr zeitgemäß. Der BFH könnte den vorliegenden Streitfall daher dazu nutzen, um seine Rechtsprechung insoweit anzupassen.

    5. Zusammenfassung und Auswirkungen auf die Praxis

    Die Analyse der Entscheidung auf der zweiten Prüfungsstufe belegt eindrucksvoll, dass

    • 1. BMF-Schreiben in einem Verfahren vor einem Finanzgericht keine Bindungswirkung entfalten können und
    • 2. dies zum Verlust eines von der Finanzverwaltung eingeräumten Bestandsschutzes führen kann.

     

    Auch wird erneut deutlich, dass die steuerrechtliche Anerkennung einer Gf-Pensionszusage mit der sachgerechten Gestaltung der Vereinbarung zur Erteilung oder Änderung derselben „steht und fällt“.

     

    Es bleibt zu hoffen, dass der BFH die fehlerhafte Beurteilung des FG Düsseldorf zum „Mindestpensionsalter“ korrigiert und er darüber hinaus die Chance nutzt, seine Rechtsprechung zum Kriterium der Probezeit an die Anforderungen und Rahmenbedingungen der Gegenwart anzupassen. Sollte sich das FG Düsseldorf mit seiner Rechtsauffassung zum Mindestpensionsalter durchsetzen, so wäre das BMF gefordert, entweder einen Nichtanwendungserlass oder (zumindest) einen Bestandsschutz für Altfälle zu verfügen. Letzterer könnte dann aber vor Gericht wieder ausgehebelt werden.

     

    Während in Teil 1 erkennbar wurde, dass die Finanzgerichtsbarkeit hinsichtlich der Auslegung einer Pensionszusage nur zu gerne zugunsten der Finanzverwaltung entscheidet („In dubio pro fiskus“), bleibt am Ende des zweiten Teils die Feststellung, dass die Finanzgerichtsbarkeit auch darüber hinausgehend noch restriktiver als die Finanzverwaltung zu Ungunsten des Steuerpflichtigen entscheiden kann.

    Quelle: Ausgabe 05 / 2022 | Seite 183 | ID 48188452

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