04.01.2011
Landesarbeitsgericht Hamburg: Urteil vom 12.03.2010 – 6 Sa 59/09
Landesarbeitsgericht Hamburg
Urteil
Im Namen des Volkes
Geschäftszeichen:
(2 Ca 474/08 ArbG Hamburg)
Verkündet am: 12.03.2010
erkennt das Landesarbeitsgericht Hamburg, 6. Kammer,
aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. März 2010
durch die Vorsitzende Richterin am Landesarbeitsgericht Kusserow als Vorsitzende
den ehrenamtlichen Richter Hauser
den ehrenamtlichen Richter Kossik
für Recht:
Tenor:
Das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. August 2009 - 2 Ca 474/08 - wird auf die Berufung der Beklagten teilweise abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 1 für die Zeit ab 1. Januar 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 1 zu zahlen.
Hinsichtlich des weitergehenden Antrags zu 1 b wird die Klage des Klägers zu 1 abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 2 für die Zeit ab 1. Januar 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 2 zu zahlen.
Hinsichtlich des weitergehenden Antrags zu 2 b wird die Klage des Klägers zu 2 abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3 für die Zeit ab 1. Januar 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 3 zu zahlen.
Hinsichtlich des weitergehenden Antrags zu 3 b wird die Klage des Klägers zu 3 abgewiesen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin zu 4 für die Zeit vom 1. Juli 2008 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L zu vergüten und die Beklagte verpflichtet ist, die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an die Klägerin zu 4 zu zahlen.
Hinsichtlich des weitergehenden Antrags zu 4 b wird die Klage der Klägerin zu 4 abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 4 und die Kläger zu 1 bis 3 je zu 1/8, die Beklagte zu ½.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Berufungsverfahren über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin und der Kläger und die Verpflichtung der Beklagten, Vergütungsdifferenzbeträge aus der Vergangenheit nachzuzahlen.
Die Klägerin und die Kläger sind bei der Beklagten auf der Basis des Bundes-Angestelltentarifvertrages (BAT) und der diesen ersetzenden und ergänzenden Tarifverträge beschäftigt.
Der Kläger zu 1 war seit dem 17.Februar 2003, der Kläger zu 2 seit dem 6.Februar 2003, der Kläger zu 3 seit dem 1.Juni 2003 und die Klägerin zu 4 seit dem 1.Juni 2003 zunächst beim Zentralen städtischen Ordnungsdienst (SOD) der Beklagten tätig und in die Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 1 a der Anlage 1 a zum BAT eingruppiert.
Mit Wirkung vom 1. März 2006 wurden die Aufgaben des städtischen Ordnungsdienstes (SOD) auf die Bezirksämter der Beklagten übertragen und dort auf den bezirklichen Ordnungsdienst (BOD), für den auch die Klägerin und die Kläger fortan tätig war. Der Kläger zu 3 unterbrach diese Beschäftigung allerdings für die Zeit vom 1.Januar 2005 bis zum 31.August 2005 für eine zwischenzeitliche Tätigkeit beim Amt für Strom- und Hafenbau, ab 1.September 2005 kehrte er zum BOD zurück.
Mit gleichlautenden Schreiben vom 2.Juli 2003 beanspruchten die Klägerin und die Kläger die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c BAT.Wegen des Wortlauts im einzelnen wird auf die Anlage K1 (Bl. 11 d.A.) verwiesen.
Die Beklagte zahlte im späteren Verlauf rückwirkend ab 1.April 2006 an die Klägerin und die Kläger eine Vergütung auf der Basis der Vergütungsgruppe Vc, Fallgruppe 1b bzw Entgeltgruppe 8 TV-L .
Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.Juni 2008 gemäß der Anlage K8 (Bl. 59f d.A.) beanspruchte der Kläger zu 1 wegen Ablaufs der Bewährungszeit in der Vergütungsgruppe Vc, Fallgruppe 1a BAT die Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vb BAT bzw Entgeltgruppe 9 TV-L.
Entsprechende Schreiben unter dem 30.Juni 2008 erhielt die Beklagte auch für die Kläger zu 2 und 3, nicht aber für die Klägerin zu4.
Die Stellenbeschreibung der Tätigkeit der Klägerin und der Kläger als Mitarbeiter im Außendienst des SOD/BOD (Anlage K 4, Bl. 35 f. d. A.) lautet auszugsweise:
Grafik 1
Grafik 2
Mit ihrer am 19. Dezember 2008 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 2.Januar 2009 zugestellten Klage haben die Klägerin und die Kläger die Auffassung vertreten, sie seien zunächst in die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT und seit dem 1. November 2006 in die dieser Vergütungsgruppe entsprechende Entgeltgruppe 8 TV-L sowie nach dreijähriger Bewährungszeit in der bisherigen Vergütungsgruppe in die Entgeltgruppe 9 TV-L einzugruppieren gewesen.
Die Außendiensttätigkeit als Mitarbeiter des bezirklichen Ordnungsdienstes stelle einen einzigen Arbeitsvorgang dar, der mehr als die Hälfte der Arbeitszeit beanspruche. Dieser Arbeitsvorgang beinhalte Tätigkeiten, die neben gründlichen und vielseitigen Fachkenntnissen auch selbstständige Leistungen erforderten.
Der Kläger zu 1 hat in erster Instanz beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 1 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 1. März 2006 nach der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1a BAT zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 1 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 1 für die Zeit vom 1. März 2006 bis 31. Oktober 2006 nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu vergüten und, beginnend mit dem 1. November 2006, gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 1 zu zahlen.
Der Kläger zu 2 hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 2 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 1. März 2006 nach der Vergütungs-Gruppe Vc Fallgruppe 1a BAT zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 2 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 2 für die Zeit vom 1.März 2006 bis 31.Oktober 2006 nach der Vergütungsgruppe V b BAT zu vergüten und, beginnend mit dem 1.November 2006, gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 2 zu zahlen.
Der Kläger zu 3 hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3 für die Zeit vom 1. September 2005 bis 1. November 2006 nach der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1a BAT zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 3 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger zu 3 für die Zeit vom 1. November 2006 bis 1. Februar 2007 nach der Entgeltgruppe 8 TV-L zu vergüten und beginnend mit dem 1. Februar 2007 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an den Kläger zu 3 zu zahlen.
Die Klägerin zu 4 hat beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 4 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 1. Juni 2006 nach der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1a BAT zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an die Klägerin zu 4 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin zu 4 für die Zeit vom 1. Juni 2006 bis 31. Oktober 2006 nach der Vergütungsgruppe Vb BAT zu vergüten und, beginnend mit dem 1. November 2006 gemäß der Entgeltgruppe 9 des TV-L in der jeweils gültigen Fassung zu vergüten und die sich zur gezahlten Vergütung ergebenden Differenzbeträge an die Klägerin zu 4 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Voraussetzungen für eine Eingruppierung der Klägerin und der Kläger in die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT seien nicht gegeben, dementsprechend scheide die beanspruchte Höhergruppierung wegen der behaupteten Bewährung aus.
Die Aufgaben im BOD seien nicht zu mindestens 50 % selbstständiger Natur.
Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf die dort gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokollerklärungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht Hamburg hat mit Urteil vom 13. August 2009 - 2 Ca 474/09 - der Klage stattgegeben.
Wegen der Entscheidungsgründe wird auf Bl. 112 - 126 d. A. verwiesen.
Gegen das der Beklagten am 8.September 2009 zugestellte Urteil wendet sich diese mit ihrer am 7.Oktober 2009 bei Gericht eingegangenen und am Montag, den 9. November 2009 begründeten Berufung.
Die Beklagte macht geltend, das Arbeitsgericht habe fehlerhaft die Durchführung von Streifengängen, die 80 % der Arbeitszeit der Klägerin und der Kläger belegen, als einzigen Arbeitsvorgang bewertet. Auf die Entscheidung des BAG vom 7. Juli 2004 (4 AZR 507/03) sei nicht zurückzugreifen, da dort der Sachverhalt anders gelegen habe. Die Stellenbeschreibung des Mitarbeiters der Servicegruppe Innenstadt sei gänzlich anders.
Die Bewertung als ein Arbeitsvorgang führe zu ungleichen und nicht sachgerechten Beurteilungen der Tätigkeit von Innendienst und Außendienst. Die Tätigkeit des Außendienstmitarbeiters könne sehr wohl nach einzelnen Aufgaben mit entsprechender Wertung differenziert werden, genau wie die Tätigkeit eines Innendienstmitarbeiters.
Zur Dokumentation der einzelnen Tätigkeiten führten die Außendienstmitarbeiter des BOD stets ein Notizbuch bei sich. Insoweit sei eine Messung der einzelnen Tätigkeiten sehr wohl möglich, ohne die Gesamttätigkeit zu atomisieren.
Lediglich bei dem zweiten Punkt der Stellenbeschreibung sei ein selbstständiges Handeln des Mitarbeiters notwendig. Ansonsten werde keine Ermessensentscheidung oder gestalterische Tätigkeit vom Mitarbeiter erwartet. Das tariflich geforderte Ausmaß sei daher nicht erreicht.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. August 2009, zugestellt am 8. September 2009, Gz: 2 Ca 474/08, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin und die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie machen geltend, das Arbeitsgericht sei richtigerweise davon ausgegangen, dass eine Aufspaltung des Streifengangs in verschiedene Arbeitsvorgänge nicht in Betracht kommt. Es sei entscheidend, dass der Streifengang "Funktionscharakter" habe und am Beginn des Streifenganges nicht erkennbar sei, welche einzelnen Ereignisse und Vorfälle es im Verlaufe des Streifenganges geben wird. Das Ergebnis des Streifengangs sei die Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Normen und sei - bei natürlicher Betrachtung - nicht in viele einzelne Mini-Arbeitsvorgänge aufzuspalten.
Gestützt werde diese Auffassung durch die Definition der Aufgaben des bezirklichen Ordnungsdienstes, u. a. in der Drucksache 18/2498 aus Anlass der Übertragung der Aufgaben des städtischen Ordnungsdienstes auf die Bezirke.
Das Arbeitsgericht habe sich zu Recht auf die Entscheidung des BAG vom 7. Juli 204 (aaO.) bezogen. Die Beklagte gebe die Stellenbeschreibung im dortigen Fall zum einen unvollständig wider, zum anderen habe das BAG die Tätigkeitsbeschreibung für die Service-Gruppe Innenstadt, was die Aufteilung in einzelne Arbeitsvorgänge betrifft, gerade nicht übernommen.
Aus den Notizbüchern sei nicht ersichtlich, welche Tätigkeit mit welcher Wertung während eines Streifengangs verrichtet wird. Es werde lediglich festgehalten, was zur Fertigung einer Anzeige als Gedächtnisstütze benötigt wird. Der gesamte Rest der Tätigkeit sei nicht zwingend festzuhalten, es sei jedem einzelnen überlassen, was er für aufschreibungswürdig hält.
Wenn somit von einem einzigen Arbeitsvorgang "Streifengang" auszugehen sei, der seinerseits 80 % der Arbeitszeit der Klägerin und der Kläger umfasst und die Beklagte selbst eine Selbstständigkeit in Ziffer 2 der Arbeitsplatzbeschreibung, die 25 % der Arbeitszeit ausmacht, einräume, so sei insgesamt eine Belegung des Arbeitsvorgangs "Streifengang" mit selbstständigen Tätigkeiten in rechtserheblichem Umfang gegeben.
Wegen des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird ergänzend auf die Berufungsbegründung vom 3. September 2009 und die Berufungserwiderung vom 16.Dezember 2009 sowie die Protokollerklärungen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist statthaft (§ 64 Abs. 1, Abs. 2 ArbGG) und, weil sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden ist (§§ 64 Abs. 6 Satz 1, 66 Abs. 1 ArbGG, §§ 517, 519, 520 ZPO), auch im Übrigen zulässig.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13.August 2009- 2 Ca 474/08 - ist jedoch nur zum Teil begründet.
Die übliche Eingruppierungsfeststellungsklage ist auf der Basis der Rechtsprechung des BAG (vgl. Urteil vom 10.12.1997 - 4 AZR 221/96 -, AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAG 1975; Urteil vom 17.10.2007 - 4 AZR 1005/06, AP Nr. 40 zu § 1 TVG - gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.
Die Kammer hat das Feststellungsinteresse auch insoweit bejaht, als sich die Anträge zu a (bzw zu 1) der Klägerin und der Kläger auf Zeiträume beziehen, in denen die Beklagte rückwirkend Vergütung nach der Vergütungsgruppe Vc- basierend auf Fallgruppe 1b- BAT/Entgeltgruppe 8 TV-L gezahlt hat. Nach dem Vorbringen der Klägerseite in der Berufungsverhandlung hat sich die Beklagte diesbezüglich nicht mit der Zahlung rechtlich binden wollen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten.
Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.
Die Berufungskammer folgt dem Arbeitsgericht Hamburg zwar darin, dass die Tätigkeit der Klägerin und der Kläger im Bezirklichen Ordnungsdienst ab 1. Januar 2005 - bzw beim Kläger 3 wegen der zwischenzeitlichen Unterbrechung ab 1.September 2005 - nach der Vergütungsgruppe Vc, Fallgruppe 1a BAT zu vergüten war.
Hieraus resultierte ab 1.November 2006 ein Überleitungsanspruch in die Vergütungsgruppe 8 TV-L.
Das Arbeitsgericht ist auch vom Ansatz her zu Recht von einer Höhergruppierung wegen Bewährung in die Vergütungsgruppe Vb BAT/Entgeltgruppe 9 TV-L ausgegangen.
Jedoch ist die Klage bezüglich der Ansprüche aus der Entgeltgruppe 9 TV-L im Hinblick auf die tarifliche Ausschlussfrist gemäß § 37 Abs.1 TV-L teilweise unbegründet.
Die rechtliche Situation hinsichtlich der Eingruppierung stellt sich wie folgt dar:
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der BAT und diesen ersetzende und ergänzende Tarifverträge Anwendung. Die Eingruppierung der Klägerin und der Kläger richtete sich aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme bis zum 31. Oktober 2006 nach den Vergütungsgruppen der Allgemeinen Vergütungsordnung gemäß der Anlage 1 a zum BAT.
Gemäß § 2 Abs. 1 TVÜ ist der BAT für den Bereich der Tarifgemeinschaft deutscher Länder, also auch für die Beklagte, mit Wirkung vom 1. November 2006 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ersetzt worden. Da sich die Bezugnahme im Arbeitsvertrag der Parteien nicht nur auf den BAT, sondern auch auf diesen ersetzende und ergänzende Tarifverträge bezieht, gilt im Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem 1. November 2006 der TV-L.
Maßgeblich für die Durchführung der Eingruppierung des Klägers im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum sind die Vorschriften der §§ 22, 23 BAT einschließlich der Vergütungsordnung. Dies folgt aus § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-Länder.
Die Vorschrift des § 22 BAT regelt:
1. Die Eingruppierung der Angestellten richtet sich nach den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsordnung (Anlagen 1a und 1b). Der Angestellte erhält Vergütung nach der Vergütungsgruppe, in der er eingruppiert ist.
2. (1) Der Angestellte ist in der Vergütungsgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht.
(2)1 Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe, wenn zeitlich mindestens die Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen den Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Vergütungsgruppe erfüllen. 2. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z.B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen.
(3) Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Unterabsatz 2 Satz 1 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung.
(4) Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Unterabsatz 2 oder 3 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses.
(5) Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person des Angestellten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
Protokollnotiz zu Absatz 2:
1. (1) Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die bezogen auf den Aufgabenkreis des Angestellten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, Erstellung eines EKG, Fertigung einer Bauzeichnung, Eintragung in das Grundbuch, Konstruktion einer Brücke oder eines Brückenteils, Bearbeitung eines Antrags auf Wohngeld, Festsetzung einer Leistung nach Bundessozialhilfegesetz). (2) Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden..
2. Eine Anforderung im Sinne des Unterabsatzes 2 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Vergütungsgruppe.
Das Arbeitsgericht ist bei Anwendung dieser Regelung zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die unter Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung "Mitarbeiter im Außendienst" des BOD aufgeführten Tätigkeiten der Klägerin und der Kläger im Außendienst als ein Arbeitsvorgang anzusehen sind.
Dies entspricht der Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2008 - 23 Ca 24/08 - sowie der der Kammer 3 des LAG Hamburg vom 20. Januar 2010 - 3 Sa 61/09 - .
Der einheitliche Arbeitsvorgang "Streifengänge" füllt unstreitig 80 % der Arbeitszeit des Klägers aus und ist damit für die tarifliche Eingruppierung maßgeblich.
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt eine Aufspaltung der Streifengänge in zwei unterschiedliche Arbeitsvorgänge gemäß Ziffern 1 und 2 der Stellenbeschreibung bzw. eine weitere Atomisierung der Tätigkeit nicht in Betracht.
Die Entscheidung des BAG vom 7. Juli 2004 (4 AZR 507/03, BAGE 111, 216) zur Servicegruppe Innenstadt in Hannover bietet sehr wohl eine Grundlage für die Systematisierung der Aufgaben als Arbeitsvorgang, auch wenn im Detail Unterschiede in der jeweiligen Stellenbeschreibung festzustellen sind. In der zitierten Entscheidung verweist das BAG zudem auf vergleichbare Tätigkeiten einer Politesse (BAG vom 24.08.1983 - 4 AZR 32/81 - AP Nr. 78 zu §§ 22, 23 BAG 1975) und eines Sicherheitsmeisters der Verteidigungsverwaltung (BAG vom 16.10.1985 - 4 AZR 149/84 - BAGE 50,9), bei denen sich die Problematik des einheitlichen Arbeitsvorgangs in ähnlicher Weise stellte.
Das BAG betont in der Entscheidung vom 7. Juli 2004 (aaO.), die gesamte Streifentätigkeit diene einem einheitlichen Arbeitsergebnis, nämlich der Durchsetzung der ordnungsrechtlichen Normen im Innenstadtbereich bzw. der Kontrolle des Innenstadtbereichs und der Ahndung von Verstößen gegen die unterschiedlichsten Gebote und Verbote. Gleiches gilt auch im vorliegenden Fall.
Zugleich soll ein erhöhtes Sicherheitsgefühl bei der Bevölkerung geschaffen werden, wie aus der "Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft" hinsichtlich der Aufgaben des bezirklichen Ordnungsdienstes hervorgeht.
Mit diesem Arbeitsergebnis der Streifentätigkeit ist die Unmöglichkeit verbunden, am Beginn des Streifengangs die einzelnen Eingriffe nach ihrer tariflichen Wertigkeit unterscheiden zu können. Die unter Ziffer 1 der Stellenbeschreibung dargestellten Aufgaben sind von den unter Ziffer 2 zusammengefassten Tätigkeiten nicht zu trennen. Wenn der Mitarbeiter beispielsweise eine Ordnungswidrigkeit feststellt (Ziffer 1 der Stellenbeschreibung), dann muss er überlegen, wie er die sich aus Ziffer 2 der Stellenbeschreibung ergebende Aufgabe der Beendigung von Ordnungswidrigkeiten erledigen will. Gleiches gilt, wenn er bei der Annahme einer Anzeige (Ziffer 1 der Stellenbeschreibung) von einem Gefahrenzustand erfährt, im Hinblick auf die erforderlichen Maßnahmen der Gefahrenabwehr (Ziffer 2 der Stellenbeschreibung). Dass derartige Aufgaben nicht getrennt werden können, verdeutlicht die Stellenbeschreibung selbst, die sowohl unter Ziffer 1 als auch unter Ziffer 2 als eine der Tätigkeiten das Aussprechen bzw. Erteilen von Verwarnungen benennt. Das unterscheidet die Klägerin und die Kläger von Innendienstmitarbeitern, die entsprechende Fälle am Schreibtisch bearbeiten. Hier können die einzelnen aktenkundigen Vorgänge nach ihrer tariflichen Wertigkeit unterschieden werden, etwa dadurch, dass dem Angestellten entweder nur Akten einfacherer Art, oder aber nur Vorgänge mit höherem Schwierigkeitsgrad etc. zur Bearbeitung übergeben werden. Welche Tätigkeiten der Mitarbeiter konkret verrichtet und welche Maßnahmen er ergreift, hängt hingegen davon ab, was ihm auf seinem Streifengang begegnet.
Rechtliche Voraussetzung für die Aufteilung von Tätigkeiten in unterschiedliche Arbeitsvorgänge ist im Innen- wie im Außendienst, dass durch organisatorische Maßnahmen des Arbeitgebers voneinander abgrenzbare Arbeitsleistungen zugewiesen werden, die zu jeweils eigenständigen Arbeitsergebnissen führen. Bei den Streifengängen der Außendienstmitarbeiter sind solche voneinander abgrenzbaren Arbeitsleistungen mit jeweils eigenständigen Arbeitsergebnissen in der Organisation der Streifengänge nicht angelegt. Damit gehören alle Einzeltätigkeiten, die während der Streifengänge anfallen, zu einem Arbeitsvorgang (vgl. auch Arbeitsgericht Hamburg vom 07.05.2008 - 23 Ca 24/08 - und LAG Hamburg vom 20.01.2010 - 3 Sa 61/09).
Da der Arbeitsvorgang 80 % der Arbeitszeit der Außendienstmitarbeiter belegt, ist seine tarifliche Wertigkeit für die Eingruppierung der gesamten Tätigkeit als Außendienstmitarbeiter des BOD maßgeblich.
Der Arbeitsvorgang "Streifengänge" erfüllt die Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT.
Der BAT bestimmt in Anlage 1a, Teil I (Allgemeiner Teil) hinsichtlich der für die Klägerin und die Kläger ab 1.Januar 2005 in Betracht kommenden Vergütungsgruppen folgende Tätigkeitsmerkmale:
"Vergütungsgruppe V c
1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und selbständige Leistungen erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur bei Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
1 b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Drittel selbständige Leistungen erfordert.
(Die Klammerzusätze zu Fallgruppe 1 a gelten.)
Vergütungsgruppe VI b
1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse und mindestens zu einem Fünftel selbständige Leistungen erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann. Selbständige Leistungen erfordern ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen.)
Vergütungsgruppe VII
1 a. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erfordert.
(Die gründlichen und vielseitigen Fachkenntnisse brauchen sich nicht auf das gesamte Gebiet der Verwaltung (des Betriebes), bei der der Angestellte beschäftigt ist, zu beziehen. Der Aufgabenkreis des Angestellten muß aber so gestaltet sein, daß er nur beim Vorhandensein gründlicher und vielseitiger Fachkenntnisse ordnungsgemäß bearbeitet werden kann.)...
1 b. Angestellte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst, deren Tätigkeit gründliche Fachkenntnisse erfordert.
(Erforderlich sind nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen usw. des Aufgabenkreises.)...
Vergütungsgruppe VIII
1 a Angestellte im Büro-, Registratur-, Kassen-, Buchhalterei-, Sparkassen-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit schwierigerer Tätigkeit (z. B. Mitwirkung bei der Bearbeitung laufender oder gleichartiger Geschäfte nach Anleitung, Entwerfen von dabei zu erledigenden Schreiben nach skizzierten Angaben; Erledigung ständig wiederkehrender Arbeiten in Anlehnung an ähnliche Vorgänge, auch ohne Anleitung; Führung von Brieftagebüchern schwieriger Art; Führung von nach technischen oder wissenschaftlichen Merkmalen geordneten Karteien sowie von solchen Karteien, deren Führung die Kenntnis fremder Sprachen voraussetzt; buchhalterische Übertragungsarbeiten; Zinsstaffelberechnungen; Kontenführung.)
..."
Bezüglich des Arbeitsvorgangs "Streifengänge" sind zum einen gründliche und vielseitige Fachkenntnisse erforderlich in dem Maße, wie sie in der Vergütungsgruppe Vc Fallgruppe 1 a BAT gefordert werden.
"Gründliche Fachkenntnisse" liegen vor, wenn der Angestellte über nähere Kenntnisse von Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und Tarifbestimmungen etc. des Aufgabenkreises verfügen muss (Klammerdefinition zu Vergütungsgruppe VII Fallgruppe 1 b BAG). Dieses Tarifmerkmal hat nach ständiger Rechtsprechung des BAG sowohl ein quantitatives als auch ein qualitatives Element, wonach Fachkenntnisse von nicht ganz unerheblichem Ausmaß und nicht nur oberflächlicher Art nötig sind. Die "Vielseitigkeit" der Fachkenntnisse kann sich insbesondere aus der Menge der anzuwendenden Vorschriften und Bestimmungen ergeben (BAG vom 10.12.1997 - 4 AZR 221/96 - AP Nr. 237 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Aus der Stellenbeschreibung im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Klägerin und die Kläger gründliche und vielseitige Fachkenntnisse der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus dem Zuständigkeitsbereich des bezirklichen Ordnungsdienstes benötigen, insbesondere des Gefahrenabwehr- und Vollstreckungsrechts. Die Zuständigkeitsanordnung vom 15. April 2008 listet für den bezirklichen Ordnungsdienst 19 Gesetze bzw. Verordnungen als gesetzliche Grundlagen der Tätigkeit auf. Die Beklagte selbst bestreitet das Vorliegen dieser Voraussetzung letztlich nicht, insbesondere hat sie im Berufungsverfahren hierzu nicht mehr vorgetragen. Von daher ist lediglich eine pauschale Prüfung geboten (vgl. BAG vom 10.12.1997, aaO.). Im Übrigen gehört das Tätigkeitsmerkmal "gründliche und vielseitige Fachkenntnisse" nicht nur zu den Voraussetzungen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT. Vielmehr enthalten auch die Vergütungsgruppen VII, Fallgruppe 1 a BAG sowie die Vergütungsgruppe VI b, Fallgruppe 1 a BAT, also auch die Vergütungsgruppe, nach der die Klägerin und die Kläger in der Vergangenheit vergütet worden sind, dieses Tätigkeitsmerkmal.
Die Klägerin und die Kläger erbringen auch im erforderlichen Umfang selbstständige Leistungen im Sinne der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT.
Selbstständige Leistungen erfordern nach dem Klammerzusatz zur Vergütungsgruppe v c Fallgruppe 1 a BAT ein den vorausgesetzten Fachkenntnissen entsprechendes selbstständiges Erarbeiten eines Ergebnisses unter Entwicklung einer eigenen geistigen Initiative; eine leichte geistige Arbeit kann diese Anforderung nicht erfüllen. Das Merkmal "selbstständige Leistungen" darf nicht mit dem Begriff "selbstständig arbeiten" verwechselt werden, worunter man eine Tätigkeit ohne direkte Aufsicht oder Leitung versteht. Eine selbstständige Leistung im Tarifsinne ist dann anzunehmen, wenn eine Gedankenarbeit erbracht wird, die im Rahmen der für die Vergütungsgruppe vorausgesetzten Fachkenntnisse hinsichtlich des einzuschlagenden Weges, insbesondere hinsichtlich des zu findenden Ergebnisses, eine eigene Beurteilung und eine eigene Entschließung erfordert (BAG vom 18.05.1994 - 4 AZR 461/93 - AP Nr. 178 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Kennzeichnend für selbstständige Leistungen im tariflichen Sinne ist - ohne Bindung an verwaltungsrechtliche Fachbegriffe - ein wie auch immer gearteter Ermessens-, Entscheidungs-, Gestaltungs- oder Beurteilungsspielraum bei der Erarbeitung eines Arbeitsergebnisses (BAG vom 14.08.1985 - 4 AZR 21/84 - BAGE 49, 250). Vom Angestellten werden Abwägungsprozesse verlangt, in deren Rahmen Anforderungen an dessen Überlegungsvermögen gestellt werden. Der Angestellte muss dabei unterschiedliche Informationen verknüpfen, untereinander abwägen und zu einer Entscheidung kommen (BAG vom 14.04.2005 - 4 AZR 560/04 - juris; BAG vom 06.06.2007 - 4 AZR 456/06 - ZTR 2008, 156).
Die in der Stellenbeschreibung unter Ziffer 2 aufgelisteten Tätigkeiten zur Gefahrenabwehr und zur Beendigung von Ordnungswidrigkeiten verlangen, wie bereits das Arbeitsgericht im angefochtenen Urteil festgestellt hat, jeweils Entscheidungen des Mitarbeiters auf der Grundlage eigener Gedankenarbeit. Bei dieser Gedankenarbeit muss der Angestellte seine Kenntnisse über die anzuwendenden Normen einsetzen. Er muss zum Einen feststellen, ob tatsächlich ein Normenverstoß droht. Zum anderen ist er gehalten, sich unter den in Frage kommenden Maßnahmen für die aus seiner Sicht am besten geeignete zu entscheiden und die gewählte Maßnahme gegenüber den jeweiligen Störern durchzusetzen. Eine Ermessensreduzierung auf null bzw. nahezu null in der Praxis hat die Beklagte nicht bzw. nicht hinreichend dargelegt.
In der Berufungsbegründung räumt die Beklagte dementsprechend ein, der zweite Punkt der Stellenbeschreibung mache ein selbstständiges Handeln des Mitarbeiters notwendig, denn es müsse mit Ermessen entschieden werden.
Da jedenfalls die Aufgaben gemäß Ziffer 2 der Stellenbeschreibung während der Streifengänge das Tätigkeitsmerkmal der "selbstständigen Leistungen" erfüllen, ist bei dem gesamten Arbeitsvorgang "Streifengänge" das Tätigkeitsmerkmal gegeben.
Ein gesamter Arbeitsvorgang erfüllt nämlich schon dann die Anforderungen eines tariflichen Tätigkeitsmerkmals, wenn in ihm einzelne Tätigkeiten, die ein rechtserhebliches Ausmaß erreichen, den Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals genügen. Ein rechtserhebliches Ausmaß ist etwa schon dann erreicht, wenn 7 % der Einzeltätigkeiten des Arbeitsvorganges das tarifliche Merkmal erfüllen (BAG vom 07.07.2004 - 4 AZR 507/03 - aaO.).
Die Stellenbeschreibung sieht im vorliegenden Fall für die Ziffer 2 einen Anteil der Arbeitszeit von 25 % vor. Geht man von einem einzigen Arbeitsvorgang bezüglich der Streifengänge aus, der unstreitig 80 % der Arbeit ausmacht, wird deutlich, dass der Anteil der Tätigkeiten zu Ziffer 2 der Stellenbeschreibung rechtserheblich ist.
Auf der Basis der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 BAT war die Beklagte verpflichtet, ab 1. November 2006 eine Überleitung in die Entgeltgruppe 8 des TV-L vorzunehmen, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-L, Anlage 2 Teil A TVÜ-L.
Nach Ablauf der dreijährigen Bewährungszeit war die Beklagte verpflichtet, eine Vergütung nach der Vergütungsgrupe Vb, Fallgruppe 1c BAT zu zahlen bzw ab 1.November 2006 in die Entgeltgruppe 9 des TV-L überzuleiten, § 8 Abs. 1 S.1 TVÜ-L.
Zwar hat der Angestellte den Nachweis seiner Bewährung wie bei der Geltendmachung eines jeden Anspruchs zu erbringen (BAG vom 4.11.1969, AP Nr.27 zu § 23a BAT).Die Beklagte hat jedoch im vorliegenden Fall bereits in erster Instanz keine Anhaltspunkte für eine fehlende Bewährung der Klägerin und der Kläger geliefert. Im Berufungsverfahren hat sie insoweit gar keine Einwendungen mehr erhoben.
Im Hinblick auf die tarifliche Verfallfrist des § 37 Abs.1 S.1 TV-L können die Kläger zu 1 bis 3 die sich aus dem Bewährungsaufstieg ergebende Vergütung aus der Entgeltgruppe 9 TV-L jedoch erst ab dem 1. Januar 2008 beanspruchen, die Klägerin zu 4 ab dem 1.Juli 2008.
Hinsichtlich früherer Ansprüche aus dem Bewährungsaufstieg ist ein Verfall gegeben, weil die Klägerin und die Kläger sie nicht innerhalb der Ausschlussfrist von sechs Monaten nach Fälligkeit gegenüber der Beklagten schriftlich geltend gemacht haben (§ 37 Abs. 1 Satz 1 TV-L).
Die Klägerin und die Kläger haben zwar mit ihrem Schreiben vom 2. Juli 2003 die Ausschlussfrist gemäß § 70 BAT für die Vergütungsansprüche aufgrund der Eingruppierung in die Vergütungsgruppe Vc BAT gewahrt.
Hier wird hinreichend klar zur Erfüllung des Eingruppierungsanspruches aufgefordert (vgl. BAG vom 17.05.2001 - 8 AZR 366/00 - AP Nr. 23 zu § 70 BAT-O).
Die Verfallfrist bezüglich der Vergütung aus dem Bewährungsaufstieg nach Vergütungsgruppe Vb BAT bzw Entgeltgruppe 9 TV-L haben die Kläger zu 1 bis 3 gemäß § 37 Abs.1 S.1 TV-L erst durch das anwaltliche Schreiben vom 30.Juni 2008 gewahrt, die Klägerin zu 4 erst mit der Zustellung der Klage. In ihrem Fall hat es, wie die Nachfrage in der Berufungsverhandlung ergeben hat, ein entsprechendes Geltendmachungsschreiben bezüglich des Bewährungsaufstiegs nicht gegeben.
Mangels anderweitigen Vorbringens ist davon auszugehen, dass die Schreiben vom 30. Juni 2008 der Beklagten nicht vor dem 1. Juli 2008 zugingen, sodass bei den Klägern zu 1 bis 3 Höhergruppierungsansprüche wegen der Bewährung vor dem 1. Januar 2008 nicht mehr bestehen. Bei der Klägerin scheiden solche Ansprüche vor dem 1. Juli 2008 aus, da die Klage am 2. Januar 2009 zugestellt wurde.
Die Klägerin und die Kläger können sich auch nicht wegen ihres Schreibens vom 2. Juli 2003 auf § 37 Abs.1S.1 TV-L, entsprechend § 70 S.2 BAT, berufen, wonach die einmalige Geltendmachung auch für später fällig werdende Leistungen ausreicht. Dies gilt nach der Norm nämlich nur für denselben Sachverhalt, hieran fehlt es im vorliegenden Fall.
Sinn und Zweck der Regelung besteht darin, die Notwendigkeit einer wiederkehrenden Geltendmachung auszuschließen, wenn der zugrundeliegende Anspruch schon geltend gemacht worden ist und der Sachverhalt sich nicht geändert hat.
"Derselbe Sachverhalt" liegt vor, wenn bei unveränderter rechtlicher und tatsächlicher Lage aus einem bestimmten Tatbestand Ansprüche herzuleiten sind (Bepler- Böhle/Meerkamp/Stöhr, TV-L, § 37, Rdn 53, Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese, BAT, § 70, Erl.10, BAG vom 17.5. 2001 - 8 AZR 366/00 - AP Nr. 2 zu § 70 BAT-O ; BAG vom 20.7.1989 - 6 AZR 774/87 n.v.).
Im vorliegenden Fall hat sich der Sachverhalt jedoch insoweit verändert, als sich die Klägerin und die Kläger auf eine eingetretene Bewährung berufen, aus der sie eine Höhergruppierung, also auch einen höheren Vergütungsanspruch ableiten. Die vorhandene Bewährung stellt ein zusätzlich festzustellendes Tatbestandsmerkmal dar, ebenso ist die tarifliche Norm eine andere.
Es war mithin eine erneute, hierauf gestützte Geltendmachung nötig, wie sie bei den Klägern zu 1 bis 3 mit Schreiben vom 30. Juni 2008 erfolgt ist, bei der Klägerin zu 4 erst mit der Klagezustellung.
Dass das Berufen des Arbeitgebers auf die Verfallfrist im Fall des Bewährungsaufstiegs nicht treuwidrig ist, hat das LAG Sachsen-Anhalt bereits zutreffend mit Urteil vom 2. 3.2004 entschieden (11 Sa 456/03- über juris-).Hinweispflichten des Arbeitgebers bestehen insoweit nicht.
Die Klage war daher bezüglich der Anträge zu jeweils b (entspr. 2) teilweise abzuweisen.
Die Berufung der Beklagten war im Übrigen zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs.1, § 100 Abs.1 ZPO.
Die Revision war gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen.
Kusserow
Hauser
Kossik