08.01.2010
Finanzgericht Hamburg: Gerichtsbescheid vom 27.06.2000 – I 293/99
Neue Würdigung eines vom Grundlagenbescheid (Gewinnfeststellung) nicht mehr erfassten Sachverhalts (Versorgungsrente) bei der Veranlagung.
Die Vorschrift des § 174 AO wird nicht durch § 175 AO verdrängt.
Keine widerstreitende Steuerfestsetzung, wenn sich die in den verschiedenen Steuerbescheiden gezogenen Schlussfolgerungen nicht gegenseitig ausschließen.
Doppelte Nichtberücksichtigung ist keine Doppelberücksichtigung im Sinne des § 174 Abs. 1 AO.
Auch keine Änderung nach § 173 Abs. 1 AO wegen doppelter Nichtberücksichtigung, sondern nur unter den engeren Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO.
Tatbestand
I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob sowohl in den Gewinnfeststellungen als auch in den Einkommensteuer-Veranlagungen nicht abgezogene Versorgungszahlungen noch mittels Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide als Sonderausgaben bzw. dauernde Last berücksichtigt werden können (insbesondere unter dem Gesichtspunkt der widerstreitenden Steuerfestsetzung gemäß § 174 Abgabenordnung -AO-).
1. Die Kläger sind seit 1972 Gesellschafter einer KG. Ab 1978 handelt es sich um eine GmbH & Co KG. Seitdem sind die Kläger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und Kommanditisten. Bis 1977 war der Vater (V) des Klägers als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt.
2. In dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag war zugunsten der Witwen der Gesellschafter eine Gewinnbeteiligung bzw. eine Versorgungsrente vereinbart. In dem 1972 neu gefassten Gesellschaftsvertrag wurde der damaligen Ehefrau des V „mit Rücksicht auf dessen über fünfzigjährige Tätigkeit in dem Unternehmen wiederum eine lebenslängliche Versorgungszahlung in Höhe von jährlich 9.000 DM, höchstens 20 v. H. des Reingewinns”, zugesagt. Nach dem Ausscheiden des V 1977 bestätigte die Gesellschaft die folgende Versorgungszusage: V und seine Frau sollten zusammen eine lebenslängliche Versorgungsrente in Höhe von 2.200 DM monatlich ab November 1977 erhalten. Beim Ableben eines Ehegatten sollte sich die Versorgungsrente auf 1.500 DM monatlich verringern.
3. In den Streitjahren 1980 und 1981 erhielten der ausgeschiedene Gesellschafter V und seine Ehefrau zusammen Versorgungszahlungen in Höhe von jährlich 22.800 DM. Im Jahr 1981 verstarb V. Daraufhin wurden an die Witwe 18.400 DM im Streitjahr 1982 und 18.000 DM im Streitjahr 1983 sowie weitere Beträge in den Folgejahren gezahlt (vgl. Feststellungen im rechtskräftigen Urteil des Finanzgerichts -FG- Hamburg vom 14. Mai 1993 I 27/89, Finanzgerichts-Akte -FG-A- Bl. 40 ff, FG-A I 27/89).
II. 1. Die Gesellschaft berücksichtigte die Zahlungen an V und seine Frau in den Erklärungen für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte als betriebliche Versorgungsrente (Gewinnfeststellungs-Akte Bd. VI -Gf-A- Bl. 7, 31, 55, 77, 154). Der Beklagte (das Finanzamt -FA-) erließ zunächst erklärungsgemäße Feststellungsbescheide.
2. Die Feststellungsbescheide der jetzigen Streitjahre 1980-1983 wurden aufgrund einer in 1985-1986 durchgeführten Außenprüfung am 16. Mai 1986 mit der Begründung geändert, es liege eine außerbetriebliche bzw. private und keine betriebliche Versorgungsrente vor (Gf-A Bl. 90). Der Einspruch der Gesellschaft vom 7. Juli 1986 (Gf-A Bl. 154) wurde vom FA am 18. Januar 1989 zurückgewiesen (Gf-A Bl. 208, FG-A I 27/89 Bl. 22). Die Gesellschaft erhob am 8. Februar 1989 Klage beim FG. Im Erörterungstermin vom 22. Mai 1992 und mit Schriftsatz des FA vom 8. Dezember 1992 wurden zwischenzeitliche Rechtsprechungs-Entwicklungen und die Frage des Sonderausgabenabzugs - als private Versorgungsrente und dauernde Last - bei der Einkommensteuer-Veranlagung der Gesellschafter angesprochen (FG-A I 27/89 Bl. 52, 70). Mit Urteil vom 14. Mai 1993 I 27/89 wies das FG die Klage in der Gewinnfeststellungssache ab (Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1993, 774; FG-A Bl. 40 ff, FG-A I 27/89). Das Urteil, in dem keine Revision zugelassen worden war, wurde rechtskräftig.
3. Für die Folgejahre 1985-1987 wurde der Sachverhalt erneut und letztlich in der Revisionsinstanz anders beurteilt.
Die ursprünglich erklärungsgemäß ergangenen Feststellungsbescheide wurden am 3. Dezember 1990 dahin geändert, dass die Zahlungen - wie für die Streitjahre - nicht als betriebliche Rente anerkannt wurden. Die im Dezember 1990 eingelegten Einsprüche wies das FA im August 1993 zurück. Die danach erhobene Klage wurde mit Urteil vom 18. Juli 1996 I 185/93 abgewiesen (EFG 1997, 113; FG-A Bl. 52 ff; FG-A I 185/93).
Die zugelassene Revision der Gesellschaft führte zur Aufhebung der Vorentscheidung durch den BFH, der die Zahlungen mit Urteilen vom 7. Oktober 1997 VIII R 56/96 für 1985 und VIII R 64/97 für 1986 und 1987 als betriebliche Versorgungsrente qualifizierte (BFH/NV 1988, 820 und 825; FG-A Bl. 66 ff; FG-A I 185/93), und zwar unter dem Gesichtspunkt der Entlohnung für die von V in 50-jähriger Tätigkeit für das Unternehmen geleisteten Dienste. Während der BFH für 1985 durcherkannte und die Verwaltungsentscheidungen aufhob, verwies er die Sache für 1986-1987 an das FG zwecks Beiladung der Witwe zurück, nachdem deren Rentenbezüge gemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) i.d.F. ab 1986 zu den gewerblichen Einkünften gehörten und deren Zurechnung in die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung einzubeziehen war. Das Verfahren des zweiten Rechtsgangs wurde im August 1998 nach Zusage von Abhilfebescheiden erledigt (FG-A I 141/98).
III. In den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 1980 bis 1983 wirkten sich die zunächst als Betriebsausgaben behandelten Versorgungsrente-Zahlungen zunächst aufgrund der ursprünglichen Gewinnfeststellungsbescheide als Minderung der zugerechneten Gewinnanteile aus.
Nach der in 1985-1986 durchgeführten Betriebsprüfung wurden gemäß den am 16. Mai 1986 geänderten Gewinnfeststellungen 1980-1983 auch die Einkommensteuerbescheide geändert, und zwar für 1980-1981 am 6. Juni 1986, für 1982 am 18. Juni 1986 und für 1983 am 24. Juni 1986; auf den Bericht vom 14. Februar 1986 über die durchgeführte Betriebsprüfung wurde hingewiesen (vgl. Einkommensteuer-Akte -ESt-A- Bd. IV Bl. 19, 23, 28, 33). - In dem (z. Zt. nicht mehr bei den Steuerakten befindlichen) Betriebsprüfungsbericht war bereits die Auffassung vertreten und ausgeführt worden, dass die Rentenzahlungen nicht nur keine Betriebsausgaben bei der KG, sondern auch keine Sonderausgaben bei der Einkommensteuerveranlagung der Gesellschafter seien (Bezugnahme in der vorerwähnten Gewinnfeststellungs-Einspruchsentscheidung 1980-1983, Gf-A Bl. 208, FG-A I 27/89 Bl. 22).
Rechtsbehelfe wurden gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide 1980-1983 nicht eingelegt. Sie wurden bestandskräftig. Im übrigen wurde der Ausgang des - oben zu II 2 beschriebenen - Rechtsmittelverfahrens gegen die Gewinnfeststellungs-Grundlagenbescheide abgewartet (vgl. ESt-A Bd. IV Bl. 39).
IV. Am 8. Juli 1993 stellten die Kläger den hier interessierenden Antrag auf Änderung der bestandskräftigen Einkommensteuer-Veranlagungen 1980-1983 wegen widerstreitender Steuerfestsetzung gemäß § 174 AO (Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 8, 12). Sie bezogen sich auf das zwischenzeitlich ergangene FG-Urteil vom 14. Mai 1993 I 27/89, mit dem die Klage gegen die Gewinnfeststellungsbescheide 1980-1983 abgewiesen worden war (oben II 2). Wenn danach keine betriebliche Versorgungsrente vorliege, müsse es sich um eine private Versorgungsrente und dauernde Last handeln, die gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG als Sonderausgabe zu berücksichtigen sei. Die Voraussetzungen der Änderungsvorschrift des § 174 Abs. 1 AO seien gegeben. Die Rente sei in mehreren Bescheiden zuungunsten der Kläger (nicht)berücksichtigt worden.
Das FA lehnte die Änderung mit Bescheid vom 24. August 1993 ab. Eine widerstreitende Steuerfestsetzung i.S.v. § 174 AO hätte nur vorgelegen, wenn der Sonderausgabenabzug im Hinblick auf einen möglichen Betriebsausgabenabzug versagt worden wäre und letzterer dann gestrichen worden wäre. Tatsächlich sei der Sonderausgabenabzug aber bei gleichzeitiger Verneinung des Betriebsausgabenabzugs versagt worden, weil auch die Voraussetzungen für einen Sonderausgabenabzug nicht gegeben seien. Hierzu nahm das FA Bezug auf die Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht vom 14. Februar 1986 und in der Gewinnfeststellungs-Einspruchsentscheidung 1980-1983 vom 16. Januar 1989. Einkommensteuerlich handele es sich nicht um eine als Sonderausgabe abziehbare private Versorgungsrente oder dauernde Last, sondern um gemäß § 12 Nr. 2 EStG nicht abziehbare Unterhaltsleistungen. Die Abziehbarkeit hätte den Erhalt einer Gegenleistung in Höhe von mindestens 50 % des kapitalisierten Wertes der wiederkehrenden Zahlungen vorausgesetzt. Nach den getroffenen Feststellungen habe die Gegenleistung weniger betragen (Rechtsbehelfs-Akte -Rb-A- Bl. 18).
Die Kläger legten am 3. September 1993 Einspruch ein. Eine widerstreitende Steuerfestsetzung könne auch im Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid vorliegen (Rb-A Bl. 21, 42).
Diesen Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 1. April 1999 zurück. Der Sachverhalt der Versorgungszahlungen sei nicht im Sinne des § 174 Abs. 1 AO in mehreren Bescheiden zuungunsten der Kläger „berücksichtigt”, sondern nicht berücksichtigt worden. Der Nichtberücksichtigung komme nicht dieselbe rechtliche Bedeutung zu wie einer positiven Berücksichtigung (Rb-A Bl. 56, FG-A Bl. 28).
V. Die Kläger tragen zur Begründung ihrer am Montag, den 3. Mai 1999, erhobenen Klage vor (FG-A Bl. 16): Der gleiche Sachverhalt sei widerstreitend in mehreren Steuerbescheiden zuungunsten der Kläger behandelt worden, und zwar sowohl in den Gewinnfeststellungsbescheiden als auch in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre. Die Versorgungsrente sei weder als Betriebsausgabe noch als Sonderausgabe abgezogen worden. Bei einer Auslegung des § 174 Abs. 1 AO nach Sinn und Zweck falle auch die Nichtberücksichtigung steuermindernder Tatsachen unter die Vorschrift, so dass sich eine analoge Anwendung erübrige. Entgegen der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei das in der (doppelten) Nichtberücksichtigung liegende Unterlassen einem in der (doppelten) Berücksichtigung liegenden Tun gleichzustellen. Beim deliktischen Handlungsbegriff werde dem Unterlassen dieselbe rechtliche Bedeutung wie einem Tun beigemessen, wenn eine Rechtspflicht zum Handeln bestehe. Zudem seien die Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 AO erfüllt. Im Streitfall sei der Sachverhalt der Rentenzahlung in den Einkommensteuerbescheiden erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in den Gewinnfeststellungen zu berücksichtigen sei. Im Gewinnfeststellungs-Klageverfahren I 27/89 seien beide Alternativen erörtert und im Schriftsatz des FA vom 10. Dezember 1992 ausgeführt worden.
Die Kläger beantragen sinngemäß (FG-A Bl. 18), den Ablehnungsbescheid des beklagten FA vom 24. August 1993 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. April 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Einkommensteuerbescheide 1980 bis 1983 (vom 6., 18. und 24. Juni 1986) in der Weise zu ändern, dass die in diesen Kalenderjahren an den ausgeschiedenen Gesellschafter und dessen Ehefrau geleisteten Rentenzahlungen als Sonderausgaben in Form der dauernden Last abgezogen werden.
Das FA beantragt (FG-A Bl. 26), die Klage abzuweisen.
Das FA trägt im wesentlichen folgendes vor (FG-A Bl. 26): Die Voraussetzungen des § 174 Abs. 1 AO seien nicht erfüllt. Das FA habe in zwei Fällen einen begehrten Steuerabzug nicht berücksichtigt. Die „Nichtberücksichtigung” von Aufwendungen in verschiedenen Steuerbescheiden sei keine „Berücksichtigung” im Sinne des § 174 Abs. 1 AO. Auch § 174 Abs. 3 AO sei nicht anwendbar; das FA habe nicht deshalb im Einkommensteuerbescheid die Rentenzahlungen nicht berücksichtigt, weil sie im Feststellungsverfahren als Betriebsausgabe zu berücksichtigen seien. Im Gegenteil habe das FA den Betriebsausgabenabzug verneint.
VI. Der Berichterstatter hat die Streitsache mit den Beteiligten erörtert (FG-A Bl. 46). Die Beteiligten sind sich in tatsächlicher Hinsicht über den Sachverhalt gemäß den Feststellungen einig, wie sie in den Klageverfahren I 27/89 und I 185/93 sowie I 141/98 getroffen und auch im Tatbestand der BFH-Urteile VIII R 56/96 und VIII R 64/97 wiedergegeben wurden (FG-A Bl. 47, 40, 52, 72, 66).
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet (FG-A Bl. 47).
Der Senat nimmt ergänzend Bezug auf das Erörterungsprotokoll (FG-A Bl. 46) und auf die oben angeführten Vorgänge nebst den damit zusammenhängenden Unterlagen aus der jetzigen Gerichtsakte (FG-A) und aus den Vorprozess-Akten (FG-A I 27/89, I 185/93, I 141/98 und I 400/98) sowie aus den nachfolgend bezeichneten Steuerakten:
- Rechtsbehelfs-Akte Band I (Rb-A),
- Gewinnfeststellungs-Akte Band VI (Gf-A),
- Einkommensteuer-Akte Band III (ESt-A Bd. III),
- Einkommensteuer-Akte Band IV (ESt-A Bd. IV),
- Einheitswert-Akte (EW-A).
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Ablehnung der begehrten Änderungen ist nicht rechtswidrig (§ 101 S. 1 FGO), sondern verfahrensrechtlich rechtmäßig. Die Einkommensteuerbescheide 1980 bis 1983 können nicht mehr geändert werden, weil die Voraussetzungen der Änderungsvorschriften der AO nicht erfüllt sind, sei es nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (1) oder sei es nach § 174 AO (2) oder § 173 Abs. AO (3).
1. Zu Recht hat das FA die Einkommensteuerbescheide nicht gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO geändert.
a) Diese Vorschrift ist zwar anwendbar zur Änderung eines bestandskräftigen Steuerbescheides, soweit ein Grundlagenbescheid mit Bindungswirkung für den erstgenannten Steuerbescheid geändert oder aufgehoben wird. Wenn eine einheitliche Gewinnfeststellung als Grundlagenbescheid dahin geändert wird, dass ein bestimmter Sachverhalt von der einheitlichen Feststellung nicht mehr erfasst wird, hat das FA diesen im Rahmen der (Folgebescheid-) Einkommensteuerveranlagung neu und frei von bisherigen Regelungen aus dem Grundlagenbescheid-Verfahren zu würdigen (vgl. BFH-Urteil vom 11. April 1990 I R 82/86, BFH/NV 1991, 143 m.w.N.).
b) Jedoch war nach dem Antrag vom 8. August 1993 eine Änderung der Einkommensteuerbescheide 1980 bis 1983 wegen Verjährung nicht mehr möglich.
aa) Die Festsetzungsfrist für Änderungen nach § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO endete gemäß § 171 Abs. 10 AO i.d.F. vor dem 28. Dezember 1996 ein Jahr nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheides. Nachdem der zusammengefasste Gewinnfeststellungsbescheid 1980-1983 vom 16. Mai 1986 gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO am 19. Mai 1986 als zugegangen galt, lief die einjährige Frist für eine darauf gestützte Änderung der Einkommensteuerbescheide am 19. Mai 1987 ab. Nur ein vorher gestellter Änderungsantrag hätte den Fristablauf gemäß § 171 Abs. 3 AO hemmen können.
bb) Diese Befristung wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass seinerzeit der Gewinnfeststellungsbescheid 1980-1983 noch angefochten wurde und dass über die Anfechtung erst mit Urteil des Finanzgerichts vom 14. Mai 1993 I 27/89 entschieden wurde (EFG 1993, 774). Für den Ablauf der Frist des § 171 Abs. 10 AO zur Änderung der Folgebescheide nach Änderung eines Grundlagenbescheids kommt es nicht auf die Zeitpunkte seiner Anfechtung und seiner gerichtlichen Bestätigung an (Tipke/Kruse, AO/FGO, § 171 AO, Rd. 87 m.w.N.).
2. Zutreffend hat das FA auch eine Änderung der Einkommensteuerbescheide gemäß § 174 AO abgelehnt.
a) Zwar ist diese Änderungsvorschrift selbständig neben anderen Änderungsvorschriften anwendbar. Insbesondere wird sie bei einem geltend gemachten Widerstreit zwischen Grundlagen- und Folgebescheid nicht durch § 175 AO verdrängt (Schwarz/Frotscher, AO, § 174 Rd. 5, 8-9).
b) Richtig ist auch, dass nach § 174 AO eine Widerstreit-Fehlerhaftigkeit allenfalls bei den Einkommensteuerbescheiden, nicht jedoch bei dem zusammengefassten Gewinnfeststellungsbescheid 1980-1983 zu suchen ist, der durch rechtskräftiges Urteil des FG als rechtmäßig angesehen wurde.
Selbst wenn der BFH im Gegensatz zum FG die Feststellungsbescheide für die Folgejahre 1985-1987 mit Urteilen vom 7. Oktober 1997 VIII R 56/96 und VIII R 64/97 aufgehoben und eine betriebliche Versorgungsrente bejaht hat, bleibt es für die Streitjahre bei der Rechtskraft des FG-Urteils vom 14. Mai 1993 I 27/89 (EFG 1993, 774). Die Vorschrift des § 174 AO ermöglicht keine Durchbrechung der Rechtskraft (Schwarz/Frotscher, AO, § 174 Rd. 9 a; Tipke/Kruse, AO/FGO, § 174 AO Rd. 19).
c) Jedoch können die Einkommensteuerbescheide 1980-1983 weder nach § 174 Abs. 1 AO (aa) noch nach § 174 Abs. 3 AO (bb) geändert werden.
aa) Eine Änderung nach § 174 Abs. 1 AO wurde zwar rechtzeitig beantragt (aaa), scheitert jedoch mangels widerstreitender Steuerfestsetzung (bbb) und mangels doppelter Sachverhalts-Berücksichtigung (ccc-ddd) im Sinne dieser Vorschrift.
Ist ein bestimmter Sachverhalt in mehreren Bescheiden zuungunsten eines Steuerpflichtigen oder mehrerer Steuerpflichtiger berücksichtigt worden, obwohl der Sachverhalt nur einmal hätte berücksichtigt werden dürfen, so ist gemäß § 174 Abs. 1 AO der fehlerhafte Bescheid auf Antrag zu ändern (Satz 1). Ist die Festsetzungsfrist für diese Steuerfestsetzung bereits abgelaufen, so kann der Antrag gemäß noch bis zum Ablauf eines Jahres gestellt werden, nachdem der letzte der betroffenen Bescheide unanfechtbar geworden ist (Satz 2).
aaa) Nachdem von den die Versorgungszahlungen 1980-1993 betreffenden Bescheiden zuletzt der Gewinnfeststellungsbescheid aufgrund des Urteils vom 14. Mai 1993 unanfechtbar geworden war, ist der Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide am 8. Juli 1993 rechtzeitig gestellt worden.
bbb) Eine widerstreitende Steuerfestsetzung gemäß § 174 Abs. 1 AO liegt jedoch schon deswegen nicht vor, weil bei dem Sachverhalt der Versorgungszahlungen die praktizierte Würdigung als nicht abziehbar sowohl bei der Gewinnfeststellung als auch bei der Einkommensteuer-Veranlagung in Betracht kam und deshalb nicht „nur einmal” im Sinne dieser Vorschrift.
Um eine widerstreitende Steuerfestsetzung handelt es sich nur, wenn aus demselben Sachverhalt in verschiedenen Bescheiden Schlussfolgerungen gezogen werden, die sich nach den Vorschriften des materiellen Steuerrechts gegenseitig ausschließen (vgl. BFH-Urteil vom 2. August 1994 VIII R 65/93, BFHE 175, 500, BStBl II 1995, 264, 265; Koch/Scholtz, AO, 5. A., § 174 Rd. 3).
Wenn eine betriebliche Rente in der Gewinnfeststellung rechtskräftig verneint worden ist, müssen die Versorgungszahlungen nicht notwendig bei der Einkommensteuer-Veranlagung als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG abziehbar sein, sei es als dauernde Last ganz nach Satz 1 oder sei es als Leibrente mit dem Ertragsanteil nach Satz 2. Vielmehr ist es nicht ausgeschlossen, dass die Zahlungen bei der Einkommensteuerveranlagung insgesamt als private Unterhaltsleistungen i.S.v. § 12 Nr. 2 EStG unberücksichtigt bleiben (vgl. BFH-Entscheidungen vom 15. Juli 1992 X R 142/88, BFH/NV 1992, 816; Großer Senat vom 15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, 84 zu C II 4).
Ob es sich nun um eine vollständig abziehbare dauernde Last oder um eine mit dem Ertragsanteil abziehbare Leibrente oder um nicht abziehbare Unterhaltsleistungen handelt, ist dementsprechend zwar eine Frage der materiellen Richtigkeit der bestandskräftigen Einkommensteuerbescheide, aber keine Frage der widerstreitenden Steuerfestsetzung im Verhältnis zur betrieblichen Gewinnfeststellung. Denn bei Ablehnung einer betrieblichen (Versorgungs- oder Veräußerungs-) Rente ist es nicht ausgeschlossen, dass die Versorgungszahlungen auch bei der Einkommensteuerveranlagung als private Unterhaltsleistungen nicht abziehbar bleiben.
Mangels dieser in § 174 Abs. 1 AO vorausgesetzten wechselseitigen Ausschließlichkeit kann der Senat dahinstehen lassen, wie die Versorgungszahlungen letztlich zu qualifizieren sind und ob die Einkommensteuerbescheide insoweit fehlerhaft waren.
ccc) Weiter sind die Änderungsvoraussetzungen des § 174 Abs. 1 AO auch deswegen nicht erfüllt, weil der Sachverhalt (der Versorgungszahlungen) nicht doppelt „berücksichtigt”, sondern allenfalls doppelt „nicht berücksichtigt” wurde.
Entgegen den Klägern schließt sich der Senat der herrschenden Auffassung an, dass der in § 174 Abs. 1 AO geforderten mehrfachen „Berücksichtigung” auch im Wege der Auslegung oder Analogie nicht die doppelte „Nichtberücksichtigung” gleichgestellt werden kann. Wie sich aus dem Vergleich mit § 174 Abs. 3 AO ergibt, hat der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen der Berücksichtigung und der Nichtberücksichtigung unterschieden und nur für die in Abs. 3 geregelten Fälle der Nichtberücksichtigung eine Änderungsmöglichkeit eröffnet. Dementsprechend kann im Rahmen von § 174 AO dem Unterlassen in Form der Nichtberücksichtigung nicht dieselbe rechtliche Bedeutung wie einem Tun in Form der Berücksichtigung beigemessen werden (BFH-Urteil vom 27. August 1996 IX R 56/94, BFH/NV 1997, 273; Beermann/von Wedelstädt, Steuerliches Verfahrensrecht, § 174 AO, Rd. 27; Schwarz/Frotscher, AO § 174, Rd. 18; entgegen Hoch, Deutsche Steuer-Zeitung -DStZ- 1998, 745, 746 ff).
ddd) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob entsprechend der Auffassung eines Teils der Rechtsprechung und Literatur eine „Berücksichtigung” des Sachverhalts (der Versorgungszahlungen) insoweit zu bejahen ist, als er zum Regelungsbereich der (Einkommensteuer-)Veranlagungen gehörig betrachtet wurde, aber die Zahlungen nach dortiger Subsumtion als (gemäß § 12 Nr. 2 EStG) nicht abziehbar eingeordnet wurden (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 7. März 1984 VI 293/78, EFG 1984, 478; Schwarz/Frotscher, AO, § 174 Rd. 18).
Danach würde es hier immer noch an einer mehrfachen oder doppelten Berücksichtigung i.S.v. § 174 Abs. 1 AO fehlen.
bb) Auch nach § 174 Abs. 3 AO können die Einkommensteuerbescheide nicht mehr geändert werden.
§ 174 Abs. 3 AO setzt voraus, dass ein bestimmter Sachverhalt in einem Steuerbescheid erkennbar in der unrichtigen Annahme nicht berücksichtigt worden ist, dass er in einem anderen Steuerbescheid zu berücksichtigen sei (Satz 1). Die Änderung ist nur zulässig bis zum Ablauf der für die andere Steuerfestsetzung geltenden Festsetzungsfrist (Satz 2).
aaa) Die Festsetzungsfristen für die Einkommensteuer 1980-1983 sind nach Bestandskraft der Bescheide von 1986 bereits vor dem Änderungsantrag von 1993 abgelaufen.
bbb) Im übrigen fehlt es an der Nichtberücksichtigung des Sachverhalts (der Versorgungszahlungen) in einem Bescheid (bei den Einkommensteuer-Veranlagungen) in der erkennbaren Annahme, dass der Sachverhalt in einem anderen Bescheid (den Gewinnfeststellungen) zu berücksichtigen sei.
Im Streitfall lässt sich nicht feststellen, dass die Versorgungszahlungen in den Einkommensteuerbescheiden nur deshalb nicht abgezogen wurden, weil das FA fälschlicherweise davon ausging, sie seien in den Gewinnfeststellungen zu berücksichtigen. Vielmehr ist nach der festgestellten Aktenlage davon auszugehen, dass das FA gemäß dem später zitierten Betriebsprüfungsbericht einen Sonderausgabenabzug wegen Unterhaltscharakters nach § 12 Nr. 2 EStG versagte. Danach nahm es gerade keine betriebliche Rente der KG an, so wie es seinen Standpunkt auch anschließend stets gegenüber diesbezüglichen Rechtsmitteln der KG verteidigte.
3. Schließlich scheidet auch eine Änderung der Einkommensteuerbescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO aus.
Auch insoweit steht die Festsetzungsverjährung entgegen.
Im übrigen sind im Sinne dieser Vorschrift keine steuermindernden Tatsachen ohne grobes Verschulden nachträglich bekanntgeworden. Speziell bei doppelter Nichtberücksichtigung von Tatsachen ermöglicht die Änderung eines Bescheids als steuerliche Rechtsanwendung keine Änderung anderer Steuerbescheide nach § 173 Abs. 1 AO (entgegen Hoch, DStZ 1998, 745, 750 f).
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.
Die Entscheidung ergeht gemäß § 90a FGO durch Gerichtsbescheid.