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  • 08.01.2010

    Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 28.01.2000 – 8 K 5970/97

    -Bei neu gegründeten Gewerbebetrieben können Anlaufverluste dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebes eindeutig feststeht, daß er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben wird, von vornherein nicht dazu geeignet ist, nachhaltig Gewinne abzuwerfen.


    -Beim Erwerb eines Flugzeugs zum Zwecke der Vercharterung und des Einsatzes als Vorführmaschine im Rahmen eines Vermittlungsvertrages zum Verkauf von Flugzeugen dieses Typs, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, daß der Anlaufverluste verursachende Betrieb des Steuerpflichtigen in der Absicht aufgenommen wurde, Gewinne zu erzielen.


    -Wenn ein Steuerpflichtiger seinen Betrieb mit Gewinnerzielungsabsicht beggonnen hat, gehört auch die Abwicklung des Betriebes bis hin zur Veräußerung noch zum gewerblichen Bereich.


    -Die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Liebhaberei darf nicht davon abhängig gemacht werden, wie ein Steuerpflichtiger seine Verluste finanziert.


    Die angefochtenen ESt-Bescheide für 1989 und 1990 vom 24.2.1995 und für 1992 vom 10.2.1995 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27.10.1997 werden aufgehoben (§ 100 Abs. 2 Satz 2 Finanzgerichtsordnung).

    Dem Beklagten wird aufgegeben, die Kläger nach Maßgabe der Entscheidungsgründe und unter Anerkennung der Verluste aus dem streitbefangenen Betrieb neu zu bescheiden. Dabei sind die Besteuerungsgrundlagen laut Bp-Bericht vom 19.1.1995 zugrunde zu legen.

    Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

    Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig.

    Das Urteil ist hinsichtlich der erstattungsfähigen Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leisten.

    Tatbestand

    Die Kläger sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt. Sie streiten im Rahmen der ESt-Veranlagungen für 1989, 1990 und 1992 mit dem Beklagten (das Finanzamt, FA) darüber, ob der vom Kläger in den Jahren 1987 bis 1992 nebenberuflich ausgeübte Betrieb - im wesentlichen Vercharterung eines Flugzeuges - als gescheiterter Gewerbebetrieb (so der Kläger) oder als einkommensteuerlich irrelevante sog. Liebhaberei (so das FA) zu behandeln ist. Im einzelnen liegt dem Rechtsstreit der folgende Sachverhalt zugrunde:

    Der Kläger erlernte nach dem Besuch der Realschule zunächst den Beruf des Bauschlossers und erwarb dabei den Facharbeiterbrief. Später arbeitete er auf einer Werft und bestand dort die Eignungsprüfung für das Fachhochschulstudium zum Schiffsingenieur. Dieses Studium trat er jedoch aus konjunkturellen Gründen nicht an, zog von Hamburg nach Frankfurt am Main um und erhielt dort eine Anstellung bei der Fluggesellschaft P, wo er zum Flugzeugmechaniker zunächst für Propellermaschinen, später auch für Düsenflugzeuge ausgebildet wurde. Von der P wechselte er sodann über die L zur C und von dort Ende März 1968 für rund 11 Jahre in den Irak zur Air. Bedingt durch die irakische Revolution verlegte der Kläger sein berufliches Betätigungsfeld für etwa zwei Jahre nach S zur S Air, bevor er Mitte 1982 nach Deutschland zurückkehrte. Dort wurde er Ende 1982 bei der Firma eingestellt, einem Unternehmen, das sich vorwiegend im militärischen Bereich betätigte. Als nach der Wende und dem Ende des sog. Kalten Krieges die militärischen Aufträge immer weniger wurden, wechselte der Kläger erneut seinen Arbeitsplatz und ging 1991 zur Firma J, um dort den Vertrieb von Flugkarten in einem bestimmten Länderbereich zu betreuen. Infolge eines durch ein UN-Embargo gegen einen großen Teil der vom Kläger zu betreuenden Länder (Libyen, Jugoslawien usw) verursachten Umsatzeinbruch verlor dieser nach 6 Monaten seine Stellung bei der Firma J und war anschließend etwa ein dreiviertel Jahr arbeitslos. Mitte 1993 wurde er im Auftrag des Verkehrsministeriums und des Luftfahrtbundesamtes beim Club Leiter der Abteilung für die Zulassung und den Betrieb von Ultraleichtflugzeugen für den gesamten Bereich Deutschlands. Ende 1997 hörte er dort auf und ist seitdem bei der Firma M tätig, einem Unternehmen, das sich mit dem An- und Verkauf von Flugzeugersatzteilen und mit Reparaturservice hauptsächlich im Zusammenhang mit Verkehrsflugzeugen befaßt.

    Die Beziehung des Klägers zur aktiven Fliegerei entwickelte sich wie folgt:Während seiner Tätigkeit für die Fluggesellschaft C nahm der Kläger im Jahr 1966 die ihm dort gebotene Gelegenheit wahr und machte auf eigene Kosten (rund 16.000,- DM) die Berufsflugzeugführerlizenz, die pauschal für alle Flugzeuge bis zu 2 Tonnen galt. Für den zusätzlichen Erwerb der Instrumentenflugberechtigung fehlte ihm dann allerdings das Geld (weitere 16.000,- DM). Von der Berufsflugzeugführerlizenz machte der Kläger vorübergehend während seiner Zeit im Iran Gebrauch, als er dort Landwirtschaftsflüge, sog. Sprühflüge durchführte. Durch entsprechende Nachweise seiner Befähigung hielt der Kläger bis etwa 1992 seine Berufsflugzeugführerlizenz permanent aufrecht. Seitdem unterhält er nur noch die Privatpilotenlizenz.

    Die Hintergründe für die Eröffnung des zwischen den Beteiligten streitigen Charterbetriebes stellen sich wie folgt dar:

    Zu der Zeit, als er noch bei der Firma G beschäftigt war, besuchte der Kläger Ende 1987 eine Aero-Ausstellung in Friedrichshafen und lernte dort Vertreter der Firma Y Ingenieurgesellschaft mbH und das von dieser Firma vertriebene Flugzeug der Marke 01 kennen, eine Propellermaschine mit Heckantrieb. Mit Vertrag vom 05.11.1987 erwarb der Kläger dieses im Jahre 1985 erbaute Flugzeug zum Preis vom 131.000,-- DM (115.000,-- DM + 16.000,-- DM USt). Das Flugzeug war bis zu diesem Zeitpunkt von der Firma Y als Vorführflugzeug in Gebrauch gewesen und hatte bis zum Erwerb durch den Kläger 190 Flugstunden absolviert. Den Ankauf hatte der Kläger u.a. mit einem Kredit von 105.000,-- DM finanziert.

    Mit dem Erwerb des Flugzeugs meldete der Kläger zum 1.12.1987 zunächst einen Gewerbebetrieb „Vercharterung eines Luftfahrzeuges” an und verband damit die Hoffnung, bei einem Kalkulationsdurchschnitt von 450 Flugstunden zu einem Flugstundenpreis von brutto 170 DM jährliche Fixkosten von 27.796 DM und die Betriebskosten von 60 DM pro Flugstunde erwirtschaften zu können, wobei ab 350 Flugstunden jährlich Gewinne erzielbar gewesen wären (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte (Blatt 15) befindliche Ablichtung der Kalkulation Bezug genommen).

    Zusätzlich zu dem Kaufvertrag schloß der Kläger mit Datum vom 22.12.1987/14.1.1988 mit der Firma Y einen Vertrag, mit welchem die Vertragsparteien vereinbarten, gemeinsam das besagte Motorflugzeug 01 zu vermarkten. Dabei sollte der Kläger in einem bestimmten nach Postleitzahlen festgelegten Bereich Verkäufe des Flugzeugs vermitteln und für jeden getätigten Abschluß eine Provision des Verkaufspreises von zwei Prozent erhalten. Für Vorführungen gegenüber Kaufinteressenten sollte der Kläger das von der Y erworbene Flugzeug als Vorführmaschine zur Verfügung stellen. Die Betriebskosten bei Kundenvorführungen hatte der Kläger selbst zu tragen. Diesen zusätzlichen Geschäftzszweig seines Unternehmens meldete der Kläger zum 1.12.1988 als Gewerbe „Vercharterung und Handel von Luftfahrzeugen” an.

    Daneben hatten der Kläger und die Firma Y ins Auge gefasst, dass der Kläger im Raum um Nord auf einem regionalen Asphaltflugplatz ein Wartungszentrum einrichten und unterhalten sollte.

    Die Geschäftsbeziehungen zwischen dem Kläger und der Y entwickelten sich nicht wie vom Kläger erwartet. Vor dem Hintergrund der 1988 verschäften Lärmschutzbestimmungen geriet die Y in wirtschaftliche Schwierigkeiten. Das Flugzeug 01 war nämlich mit seinem Heckantrieb nach den neuen Bestimmungen zu laut und konnte ab 1988 nicht mehr neu zugelassen werden. Trotz Bemühungen gelang es der Y nicht, einen leiseren Antrieb zu entwickeln. Auf Grund der dadurch entstandenen Absatzprobleme zog die Y zunächst von B nach M um und meldete schließlich 1992/1993 Konkurs an. Dem Kläger gelang es seinerseits nicht, einen einzigen Verkauf des Flugzeugs zu vermitteln, obwohl Interessenten vorhanden waren, mit denen er etliche Vorführflüge durchführte. In 1990 scheiterte ein bereits weit gediehener Verkauf nur an der Zahlungsunfähigkeit des Kaufinteressenten.

    Auch aus der Vercharterung der Maschine konnte der Kläger keine ausreichenden Einnahmen zur Abdeckung der laufenden Betriebskosten erzielen. Seine Charterkunden warb er durch Aushänge auf etlichen deutschen Flugplätzen. Zur Abwicklung der Verwaltungsaufgaben stand ihm in seiner Eigentumswohnung ein separater Raum mit Telefon, Faxgerät usw. zur Verfügung. Die Charterkunden wandten sich in der Regel telefonisch an den Kläger und vereinbarten einen Termin, der meistens nach Feierabend, häufiger am Wochenende stattfand, weil auch die Charterkunden überwiegend Berufstätige waren. Während der Winterzeit waren Vercharterungen meist nur am Wochende möglich, weil an Werktagen nach Feierabend die Dunkelheit zu früh hereinbrach. Um sich weitere Einnahmequellen in seinem Betrieb zu schaffen, bot der Kläger später auch den Handel mit Flugzeugersatzteilen an. Es kam jedoch nicht zu nennenswerten Umsätzen. Zusätzlich erstellte der Kläger für seine Kunden technische Dokumentationen (siehe die Gewerbeanmeldung zum 1.11.1991), d.h. er übersetzte Flugzeughandbücher vom Englischen ins Deutsche.

    Nach seinen Gewinnermittlungen setzten sich die Einnahmen und Ausgaben aus der Vercharterung und den übrigen Geschäftszweigen wie folgt zusammen(in DM):

    Einnahmen (netto)198719881989199019911992
    Flugcharter/Verkauf73212.12616.91413.31216.23995.777
    Eigenverbrauch--8.806441
    Ausgaben (netto)Bankzinsen4.7716.0827.0086.3105.8755.332
    Versicherung6.3846.4175.9606.6176.234
    AfA3.83314.37514.37514.37514.3758.385
    Betriebskosten61612.45120.63310.1966.70086.620
    Sonstige96514


    Die Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1992 beinhalteten dabei die Veräußerung des Flugzeuges.

    Entgegen seiner Kalkulation aus dem Jahr 1988 konnte der Kläger während der gesamten Betriebsdauer lediglich eine Auslastung von insgesamt 679 Flugstunden erreichen, das sind pro Jahr im Durchschnitt 169 Flugstunden. Dabei schlug besonders zu Buche, dass die Maschine in 1989/1990 wegen verschiedener kostspieliger Reparaturarbeiten insgesamt an 212 Tagen nicht einsatzbereit war. Außerdem brachten ab 1988 verschärfte Lärmschutzbestimmungen eine Einschränkung des Flugverkehrs mit sich.

    In Anbetracht der ungünstigen Geschäftsentwicklung - der Betrieb warf nur Verluste ab - begann der Kläger bereits 1990 damit, das Flugzeug per Anzeigen zum Kauf anzubieten. Dies gelang ihm jedoch erst im Juli 1992, wobei er mit lediglich 42.000 DM einen Kaufpreis unter dem Buchwert von 45.000 DM erzielen konnte. Dem lag u.a. zugrunde, daß ein Zylinder des Motors defekt war, was der Käufer wußte und was einen Reparaturaufwand von rund 15.000,- DM erforderte.

    Für den oben beschriebenen Betrieb erklärte der Kläger in seinen ESt-Erklärungen folgende Verluste:

    1987:./. 31.111,- DM
    1988:./. 1.840,- DM
    1989:./. 31.079,- DM
    1990:./. 25.184,- DM
    1991:./. 20.347,- DM
    1992:./. 5.804,- DM


    Für die Jahre 1987 und 1988 erkannte das FA die erklärten Verluste unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) an, für die Jahre 1989 und 1990 ergingen die ESt-Bescheide hinsichtlich der berücksichtigten Verluste vorläufig nach § 165 Abs. 1 AO. Bei der ESt-Veranlagung für 1991 erkannte das FA den erklärten Verlust endgültig an, der ESt-Bescheid für 1992 erging wieder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

    1994 fand bei dem Kläger eine den Prüfungszeitraum 1990 bis 1992 umfassende Außenprüfung statt, bei der die Betriebsprüfund (BP) zu dem Ergebnis gelangte, bei dem Betrieb des Klägers handele es sich um eine einkommensteuerlich irrelevante sog. Liebhaberei. Dabei vertrat der Betriebsprüfer im wesentlichen die Auffassung, der Kläger habe die Möglichkeit, einen Totalgewinn erzielen zu können, nicht nachgewiesen. Er habe trotz Kenntnis des Missverhältnisses zwischen Einnahmen und Ausgaben nichts unternommen, um den Verlusten entgegen zu wirken. Weil ein Charterbetrieb wie der vom Kläger unterhaltene hinsichtlich seiner Ertragsaussichten verhältnismäßig leicht überschaubar sei, könne dem Kläger nur eine kurze Anlaufphase zugebilligt werden. Spätestens nach den ersten zwei Verlustjahren hätte er den Schluß ziehen müssen, dass seine Kalkulation nicht aufgehen würde. Weil er dies nicht rechtzeitig getan habe, könne die Veräußerung des Flugzeugs nicht als Eingeständnis einer unternehmerischen Fehlentscheidung angesehen werden. Wegen seiner langjährigen Erfahrungen in der Flugzeubranche und weil er eine Pilotenlizenz besessen habe, sei davon auszugehen, dass die Anschaffung des Flugzeuges in nicht unerheblichem Maße auf persönlichen Motiven beruht habe. Außerdem spreche gegen ihn, dass er aufgrund seiner erheblichen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in der Lage gewesen sei, die Verluste finanziell auszugleichen.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des BP-Berichts vom 19.1.1995 Bezug genommen (Blätter 5 ff des BP-Sonderbandes).

    Das FA folgte der BP, änderte die ESt-Bescheide für 1989 bis 1992 und ließ dabei die für den streitbefangenen Betrieb erklärten Verluste unberücksichtigt. Hiergegen legte der Kläger Einsprüche ein. Den Änderungsbescheid für 1991 hob das FA daraufhin auf, weil es insoweit an einer Änderungsbefugnis gefehlt habe. Im übrigen wurden die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen. Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren auf Anerkennung des Gewerbebetriebes weiter.

    Der Kläger trägt hierzu u.a.vor, das FA habe verkannt, daß die Anschaffung des Flugzeuges nicht in erster Linie der Vercharterung, sondern der Vermittlung von Kaufabschlüssen für die Firma Y gedient habe. Auch der Handel mit Ersatzteilen und die technischen Dokumentationen hätten später dazugehört. Wie sehr der Vertretervertrag mit der Firma Y dabei im Vordergrund gestanden habe, ergebe sich schon daraus, dass der Kläger Anfang 1988 beim Regierungspräsidium in Darmstadt die Berechtigung zur Einweisung von Piloten mittels einer schriftlichen und praktischen Prüfung (auf seiner Maschine) erworben habe. Nur so habe er die Kaufinteressenten überhaupt auf die Maschine einweisen dürfen. Auch sei er gerade durch seine Pilotenlizenz erst in der Lage gewesen, Vorführflüge selbst vorzunehmen.Das Ergebnis des ersten vollen Betriebsjahres 1988 mit einem Verlust von nur 1.840 DM habe ihn berechtigt anzunehmen, dass in den Folgejahren ein Gewinn zu erzielen sei. Er habe entgegen der Behauptung des FA auf die Verluste mit verstärkter Werbung und mit der Ausweitung des Geschäftsbetriebes auf Handel mit Ersatzteilen und technische Dokumentationen reagiert. Mit dem Beginn der Verkaufsbemühungen ab 1990 (nur gut zwei Jahre nach Beginn des Betriebes) und dem tatsächlichen Verkauf in 1992 (vier Jahre und acht Monate nach Betriebsbeginn) habe er auch rechtzeitig genug im Hinblick auf das Scheitern des Unternehmens gehandelt. Im übrigen sei der Hinweis des FA auf angebliche persönliche Motive eine Unterstellung. Der Kläger sei seit 1966 Mitglied im Fliegerclub und könne dort für private Flüge unter zahlreichen zur Verfügung stehenden Maschinen wählen und für einen Charterpreis von nur 90 DM wesentlich billiger fliegen als mit seinem betrieblichen Flugzeug. Außerdem sei die während der Außenprüfung festgestellte und zwischen den Beteiligten unstreitige Selbstnutzung äußerst gering gewesen (laut BP-Bericht in 1990 3,41 %, 1991 4 % und 1992 4,53 %). Wegen des weiteren Vorbringens der Kläger wird auf die im Rechtsbehelfs- und Klageverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

    Die Kläger beantragen,

    die angefochtenen ESt-Bescheide für 1989 und 1990 vom 24.2.1995 und den ESt-Bescheid für 1992 vom 10.2.1995 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 27.10.1997 mit der Maßgabe abzuändern, dass die Verluste aus dem Flugcharterbetriebstreit erklärungsgemäß zum Ansatz kommen und die ESt jeweils entsprechend herabgesetzt wird.

    Der Beklagte beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Das FA hält seine im Rechtsbehelfsverfahren vertretene Auffassung aufrecht.

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Steuerakten (1 Bd. ESt-Akten, 1 Bd. Ust-Akten, 1 Sonderband BP-Akten, 1 Fallheft, 1 Halbhefter mit Rechtsbehelfsakten, 1 Halbhefter mit Gewinnermittlungen) Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist begründet. Zu Unrecht hat das FA dem streitbefangenen Unternehmen und den daraus erwachsenen Verlusten die steuerliche Anerkennung versagt. Der Kläger unterhielt einen - wenn auch gescheiterten - Gewerbebetrieb mit Gewinnerzielungsabsicht.

    1. Der Einkommensteuer unterliegen nur solche positiven oder negativen Ein-künfte, die unter eine der in § 2 Abs. 3 Nrn. 1 bis 7 des Einkommensteuerge-setzes (EStG) aufgeführten Einkunftsarten fallen. Wird - wie im Streitfall - die Anerkennung von Gewinnen oder Verlusten aus gewerblicher Tätigkeit bean-tragt, so setzt dies voraus, daß der Steuerpflichtige einen Gewerbebetrieb i.S. des § 15 EStG unterhalten hat. Ein Gewerbebetrieb im Sinne dieser Vorschrift ist nur gegeben, wenn die gewerbliche Betätigung in der Absicht unternommen wird, Gewinn zu erzielen (Legaldefinition in § 15 Abs. 2 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1984 vom 22.12.1983 (BGBl. I 1983, 1583, BStBl. I 1984, 14).

    Gewinnerzielungsabsicht als Merkmal des gewerblichen Unternehmens ist das Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns (vgl. BFH-Beschluß vom 25.6.1984 GrS 4/82 in BFHE 141,405,427,434; BStBl II 1984, 751, 756).a.a.O.). Dabei ist unter dem Begriff „Totalgewinn” das positive Gesamtergebnis des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation zu verstehen.

    Weil die Gewinnerzielungsabsicht eine innere Tatsache ist, deren Vorhanden-sein nicht nach den Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen, sondern nur an-hand äußerer Merkmale festgestellt werden kann, muß aus objektiven Um-ständen auf das Vorliegen oder Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände eine tatsächliche Vermutung liefern können, die vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann.

    Beweisanzeichen für das Vorliegen einer Gewinnerzielungsabsicht kann eine Betriebsführung sein, bei der der Betrieb nach seiner Wesensart und der Art seiner Bewirtschaftung auf Dauer gesehen dazu geeignet und bestimmt ist, mit Gewinn zu arbeiten (BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 4/83, BStBl. II 1986, 289). Dies erfordert eine in die Zukunft gerichtete und langfristige Beurteilung, wofür die Verhältnisse eines bereits abgelaufenen Zeitraums wichtige Anhalts-punkte bieten können. Wenn dauernde Verluste auf das Fehlen einer Gewinnab-sicht hindeuten, kann dies allein nicht ausschlaggebend sein. Bei längeren Verlustperioden muß aus weiteren Anzeichen die Feststellung möglich sein, daß der Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (BFH-Beschluß in BFHE 141,405, BStBl II 1984, 751, unter C.IV.3.c bb (1).

    Bei neu gegründeten Gewerbebetrieben spricht der Beweis des ersten Anscheins grundsätzlich für eine Gewinnerzielungsabsicht (Urteile in BFH/NV 1995, 866 betr. Tennishalle mit Gaststätte; 1993, 475 betr. Automatenaufsteller; vom 7.12. 1989 IV R 79/88, BFH/NV 1991, 364, nur Leitsatz, betr. Druckerei; BFHE 163, 524, 528 = BStBl II 91, 561; BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 291 betr. Getränkegroßhandel, dazu Anm. u.a. in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1986, 236, und Nichtannahmebeschluß des Bundesverfassungsgerichts - BverfG - vom 18.11. 1986 1 BvR 330/86, HFR 1988, 34, 35; ferner ohne Einschränkungen bei von Privaten betriebenen Gewerbebetrieben der Bundesgerichtshof - BGH - im Urteil vom 18.1.1968 VII ZR 101/65, BGHZ 49, 258, 260). Dagegen können Anlaufverluste dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn aufgrund der bekannten Entwicklung des Betriebs eindeutig feststeht, daß er, so wie er vom Steuerpflichtigen betrieben worden ist, von vornherein nicht dazu geeignet ist, nachhaltige Gewinne abzuwerfen (BFH-Urteil vom 11.4.1990 I R 22/88, BFH/NV 1990, 768,769 mit vielen weiteren Nachweisen aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).

    Die Anlaufzeit eines neu aufgebauten Betriebs, während der die allgemeinen Grundsätze für die Annahme steuerlicher Liebhaberei in der Regel nicht gelten, ist je nach der Eigenart des Betriebs betriebsspezifisch festzulegen (BFHE 142, 464, BStBI II 1985, 205, 207 - fünf Jahre und dort zu der Ausnahme, daß von vornherein die Erzielung eines Totalgewinns ausgeschlossen war - ; BFH/NV 1990, 768, 769; BFHE 151, 42, BStBl II 1988, 10, 12).

    2. Im Streitfall spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass der streitbefangene, Anlaufverluste verursachende Betrieb des Klägers in der Absicht unternommen wurde, Gewinne zu erzielen. Das FA hat insoweit zu Unrecht allein die Vercharterung des Flugzeuges in den Vordergrund gestellt, dies gedanklich in eine Verbindung mit der Selbstnutzung durch den Kläger gebracht, der als Inhaber einer Fluglizenz das Fluzeug selbst fliegen durfte, und dadurch eine Nähe der Betätigung des Klägers zum Bereich der persönlichen Lebensführung konstruiert. Indes war nach der Überzeugung des Gerichts in erster Linie darauf abzustellen, dass sich der Kläger in dem Vertrag vom 22.12.1987/14.1.1988 dazu verpflichtet hatte, den erworbenen Fluzeugtyp in einem festgelegten Gebiet für die Firma Y gegen Vermittlungsprovision zu vermarkten. Dieser Vertrag entsprach nach seinem rechtlichen Inhalt und nach seinem wirtschaftlichen Charakter einem Handelsvertretervertrag, aus dem typischerweise Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt werden (ebenso wie bei einem Getränkegroßhandelsunternehmen - BFH-Urteil vom 19.11.1985 VIII R 4/83, BStBl II 1986, 289; - oder wie bei einer Anwaltskanzlei - BFH-Urteil vom 22.4.1998 XI R 28/97, BStBl II 1998, 665; - wie bei einem Einzelhandel mit Kunstblumen BFH-Urteil vom 22.6.1999 X R I 49/95, DStRE 21/99, 824; - oder wie bei einem ererbten Bauhandwerkerbetrieb Hess. FG., Urteil vom 17.3.1999, 8 K 6110/91 rkr., DStRE 2000, 66).

    Das FA hat diesen Anscheinsbeweis nicht widerlegt oder erschüttert und insbesondere keine für die Rechtsposition des Klägers schädlichen Tatsachenfeststellungen getroffen.

    So hält das Gericht eine Verknüpfung des Betriebs mit persönlichen Neigungen nicht für gegeben. Der Kläger hat unter Einsatz seiner gesamten beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen vielmehr den Versuch unternommen, sich eine berufliche Zukunft zunächst nebenberuflich, jedoch auch mit der Option eines Ausbaus zum Hauptberuf (Wartungszentrum) zu schaffen. Die Befriedigung einer persönlichen Flugleidenschaft stand bei Abschluß der Verträge mit der Firma Y sowie bei den späteren geschäftlichen Aktivitäten des Klägers völlig im Hintergrund. Dies zeigt sich bereits an der von der BP festgestellten und zwischen den Beteiligten unstreitigen geringen Selbstnutzung von weit unter 5 %. Darüber hinaus konnte der Kläger bereits aus betrieblichen Anläßen - Vorführflüge, Überführungsflüge, Rundflüge usw. - in genügendem Maße fliegen. Für rein persönliche Flüge standen ihm wesentlich kostengünstiger die Maschinen des Fliegerclubs zur Verfügung.

    Entgegen der Auffassung des FA hat der Kläger die Anfangsverluste auch nicht untätig hingenommen. Dies zeigt seine zunächst verstärkte Werbung sowie die Ausweitung des Geschäftsbetriebes auf den Handel mit Ersatzteilen, zu denen er hauptberuflich Zugang besaß und auf die technischen Dokumentationen.

    Selbst wenn sich der Kläger bei der Kalkulation des Charterbetriebes verschätzt haben sollte, so hat er doch schnell genug darauf reagiert und bereits ab 1990, also zwei Jahre nach Betriebsbeginn, damit begonnen, das Flugzeug zum Verkauf anzubieten. Die von FA zugebilligte Anlaufphase hält das Gericht dagegen für zu gering. Bis zum tatsächlichen Verkauf mußte der Kläger notgedrungen mit der Vercharterung fortfahren, um die Verluste wenigstens zu mindern. Weil der Kläger seinen Betrieb nach der Überzeugung des Gerichts mit Gewinnerzielungsabsicht begonnen hatte, gehörte auch die Abwicklung des Betriebs bis hin zur Veräußerung des Flugzeuges noch zum gewerblichen Bereich (vgl. BFHE 178, 160 = BStBl II 95, 722; Groh DB 84, 2424/8).

    Schließlich sind auch keinerlei Indizien dafür ersichtlich, dass von Anfang an die Erzielung eines Totalgewinns objektiv unmöglich war. Die Auswirkungen der Verschärfung der Lärmschutzbestimmungen auf die Absatzchancen des Flugzeuges, die Unfähigkeit der Herstellerfirma Y, ein leiseres Antriebsaggregat zu entwickeln und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Y bis hin zum Konkurs waren vom Kläger weder vorhersehbar noch konnte er auf diese Umstände Einfluß nehmen.

    Auf die rechtliche Würdigung im Streitfall hat es auch keinen Einfluss, dass der Kläger aus seinem Hauptberuf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat. Diese waren nicht so hoch, dass die - offenbar vom FA angestellte - Vermutung gerechtfertigt erscheint, der Kläger habe den streitbefangenen Betrieb als privates Steuersparmodell eröffnet. Die Abgrenzung zwischen Gewerbebetrieb und Liebhaberei darf auch nicht davon abhängig gemacht werden, wie ein Steuerpflichtiger die Verluste finanziert - ob z.B. durch eingelegte Eigenmittel oder durch Bankkredite.

    Nach allem ist im Streitfall nicht von Liebhaberei, sondern vom Scheitern eines neu gegründeten gewerblichen Unternehmens auszugehen. Der Kläger darf die erklärten Verluste einkommensteuermindernd ansetzen.

    3. Der Beklagte wird die Kläger für die Streitjahre unter Aufhebung der angefochtenen Änderungsbescheide neu bescheiden müssen, § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO. Dabei sind die Besteuerungsgrundlagen laut BP-Bericht vom 19.1.1995 zugrunde zu legen, die zwischen den Beteiligten unstreitig sind.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

    5. Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ergibt sich aus § 139 Abs. 3 FGO.

    6. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der dem FA auferlegten Kosten beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozeßordnung (vgl. den BFH-Beschluß vom 15.4.1981 IV S 3/81, BStBl II 1981, 402).

    VorschriftenEStG § 15 Abs. 2