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  • 08.01.2010

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 07.12.1999 – 1 K 129/96

    1. Der Unternehmer i.S.d. § 2 Abs. 1 UStG ist ein Typusbegriff, dessen Anwendung durch einen Vergleich des zu entscheidenden Falles mit den Merkmalen, die eine entsprechende unternehmerische Tätigkeit normalerweise prägen, erfolgt

    2. Zur Beurteilung der umsatzsteuerlichen Unternehmereigenschaft sind normalerweise die Tatbestände zugrunde zu legen, die nach außen hin verwirklicht worden sind. Hiernach kann auch eine dritte Person, die ein Ausbeiner gegenüber dem Auftraggeber als Leistungserbringer angibt, Unternehmer sein.


    IM NAMEN DES VOLKES hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes unter Mitwirkung des Vizepräsidenten des Finanzgerichts ... als Vorsitzender, der Richter am Finanzgericht ... und ... und der ehrenamtlichen Richter ... und ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 1999

    für Recht erkannt:

    1. Unter Änderung der Bescheide vom 17. November 1995, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 1996, wird die Umsatzsteuer 1989 bis 1991 unter Anerkennung der gemäß Tz. 27a des Prüfungsberichts streitigen Vorsteuer neu festgesetzt, und zwar

    für 1989 auf 694.262,00 DM

    für 1990 auf 857.616,00 DM und

    für 1991 auf 1.360.632,00 DM.

    2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.

    3. Des Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden, sofern nicht die Klägerin Sicherheit leistet.

    4. Die Revision wird zugelassen.

    Tatbestand

    Die Klägerin, eine GmbH, ist ein Dienstleistungsbetrieb für Ausbein- und Zerlegearbeiten im Fleischerhandwerk und als Unternehmer umsatzsteuerpflichtig. Ihre Aufträge erhält die Klägerin von Fleischwarenfabriken, Zerlegebetrieben, privaten und kommunalen Schlachthöfen, sowie von Ausbeinern bzw. Ausbeinerkolonnen.

    1993/94 wurde bei der Klägerin eine Außenprüfung für 1989 bis 1991 durchgeführt. Zu den Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und den Ausbeinern wurden hierbei folgendes festgestellt:

    Die Klägerin arbeitete im Prüfungszeitraum mit einer Vielzahl von Ausbeinern und Zerlegern zusammen. Diese wurden von der Klägerin als selbständige Unternehmer behandelt, wenn sie eine

    • Gewerbeanmeldung bzw. eines Gewerbescheins der jeweils örtlich zuständigen Kommune und eine

    • Bescheinigung des örtlich zuständigen Finanzamtes hinsichtlich der steuerlichen Erfassung vorlegten.

    Ausnahmsweise wurden auch Arbeitskräfte als Arbeitnehmer beschäftigt. Die einzelnen Ausbeiner und Zerleger wurden hauptsächlich an den gleichen Orten eingesetzt. Die Arbeiten wurden in Kolonnen ausgeführt, denen jeweils ein Kolonnenführer vorstand. Der Kolonnenführer war als der sog. „Mann vor Ort” verantwortlich für die

    • Einteilung der Kolonne

    • wöchentliche Massen- und Mengenermittlung in Abstimmung mit dem jeweiligen Auftraggeber

    • Verteilung der wöchentlichen Gesamtleistung auf die einzelnen Kolonnenmitglieder

    • Vertretung der Klägerin vor Ort

    • Übermittlung der Wochenberichte an die Klägerin.

    Die Vergütung der Ausbeiner und Zerleger erfolgte leistungsbezogen nach Gewicht bzw. Stückzahl. Der Kolonnenführer erhielt i.d.R. zudem eine umsatzbezogene Vergütung (1 v. H. – 5 v. H. des Umsatzes der Klägerin).

    Die Abrechnung wurde gegenüber den Ausbeinern und Zerlegern durch die Klägerin im Gutschriftsverfahren wöchentlich vorgenommen, d. h. es erfolgte keine Rechnungsstellung durch die Ausbeiner und Zerleger selbst. Im Prüfungszeitraum erfolgten die Zahlungen an die Ausbeiner und Zerleger teilweise an Drittpersonen (ausschließlich weibliche Personen wie Ehefrauen, Freundinnen, Bekannte), weil die Ausbeiner und Zerleger selbst aus unterschiedlichen Gründen abrechnungstechnisch nicht in Erscheinung treten wollten. In diesen Fällen versagte der Prüfer den Vorsteuerabzug, weil er diese Drittpersonen nicht als Unternehmer ansah.

    Der Beklagte hatte sich der Auffassung des Prüfers angeschlossen und am 17. November 1995 geänderte Umsatzsteuerbescheide für 1989 bis 1991 zur Post gegeben. Nach der erfolglosen Durchführung eines Einspruchsverfahrens hatte die Klägerin am 12. Juli 1996 Klage erhoben.

    Sie beantragt (Bl. 1, 2),

    unter Änderung der Bescheide vom 17. November 1995, alle in Form der Einspruchsentscheidung vom 28.06.1996, die Umsatzsteuer 1989 bis 1991 unter Anerkennung der gemäß Tz. 27a des Prüfungsberichts streitigen Vorsteuer festzusetzen

    und zwar mit weiteren

    9.370,00 DM für 1989

    20.748,00 DM für 1990 und

    65.598,00 DM für 1991.

    Zur Begründung trägt die Klägerin vor, die Sachverhaltsschilderung des Beklagten sei unvollständig. Der Nachweis der Unternehmereigenschaft für die einzelnen Ausbeiner und Drittpersonen durch Vorlage einer Gewerbeanmeldung und einer Bescheinigung des örtlich zuständigen Finanzamtes gehe auf die vorausgegangenen Betriebsprüfungen der Jahre 1978 bis 1988 zurück, die entsprechende Anforderungen gestellt hätten (Bl. 2f.). Auch in diesen Prüfungen sei die Anerkennung der Unternehmereigenschaft von Drittpersonen stets geprüft worden. Es müsse deshalb ein entsprechender Vertrauensschutz gewährt werden (Bl. 9f., 12f.). Die Klägerin erbringe insofern umfangreichere Nachweise als ihre Konkurrenzfirmen (Bl. 13). Die exakten Gründe für die Einschaltung der Drittpersonen seien der Klägerin nicht bekannt. Zwischen Ehegatten und Lebensgefährten würden andere Gepflogenheiten gelten als unter Dritten (Bl. 86f.). Andere Finanzämter würden die Vorsteuern aus Gutschriften an Drittpersonen anerkennen (Bl. 88).

    Seit Firmengründung rechne die Klägerin u. a. über Drittpersonen (entweder die Ehefrau oder Lebensgefährtin) ab. Die Personen, welche die handwerkliche Leistung tatsächlich erbracht hätten, seien immer namentlich auf den Abrechnungen angegeben und außerdem aus den sonstigen Buchhaltungsunterlagen (Karteikarten, Lieferscheine usw.) leicht zu identifizieren gewesen. Ausschließlich bei Ehegatten habe teilweise der gesonderte Hinweis in den Abrechnungen auf den Ehemann gefehlt, weil dieser wohl kaum zum Identitätsnachweis erforderlich gewesen sei.

    Alle von der Klägerin abgerechneten Drittpersonen seien von den tatsächlich handwerklich arbeitenden Ausbeinern beauftragt gewesen, für sie die Abrechnungen durchzuführen. Die Auszahlung im Gutschriftsverfahren durch die Klägerin sei dennoch erst dann erfolgt, nachdem sie sich bei den einzelnen Ausbeinern von dieser Beauftragung überzeugt hätte (Bl. 3f.). Dies alles ergebe sich auch aus den von der Klägerin geführten Karteikarten, die jederzeit vorgelegt werden könnten (Bl. 4). In dem Rechtsstreit der Klägerin mit der Drittperson G W vor dem Amtsgericht ... sei rechtskräftig entschieden worden, dass diese Unternehmerin sei, der die Arbeitsleistung ihres Ehegatten im Gutschriftsverfahren zuzüglich Mehrwertsteuer zu vergüten sei (Bl. 4, 22ff.).

    Der Beklagte habe den Sachverhalt im Fall der Drittperson O der Lebensgefährtin des Ausbeiners ... nur unvollkommen dargestellt und entsprechend auch falsch gewürdigt. Der Prüfer hätte auf der Karteikarte ”... K” erkennen müssen, dass hierauf der Vermerk „über O abrechnen” gestanden habe. Er hätte weiterhin erkennen müssen, dass der Ausbeiner ... selbst eine Gewerbeerlaubnis und eine Unternehmerbescheinigung des Finanzamtes S für seine Ausbeinertätigkeit besessen habe. Auf die Auskünfte des Finanzamtes und des Gewerbeamtes habe sich die Klägerin verlassen können. Absolut identisch seien die Sachverhalte bei den auf Seite 7 des Einspruchbescheides angeführten Drittpersonen M H und P K (Bl. 5ff.).

    Auf den Gutschriften an die Drittperson M H stehe als deren Subunternehmer unübersehbar der Ausbeiner F H dessen Identität der Betriebsprüfer an Hand der zugehörigen Karteikarten und Gewerbescheine problemlos hätte feststellen können. Die Unternehmerbescheinigung für Frau M H sei ebenfalls nach mehreren telefonischen Rückfragen der Klägerin von dem zuständigen Finanzamt B unmittelbar zugesandt worden (Bl. 6). Ähnlich verhalte es sich bei der Drittperson P K (Bl. 7ff.).

    Die Klägerin habe es nicht zu vertreten, wenn einzelne Finanzämter unterschiedliche Auffassungen bezüglich der Anerkennung der Unternehmereigenschaft von Drittpersonen vertreten würden. Die Klägerin habe alle nur erdenklichen Möglichkeiten ausgeschöpft, um sich über deren Unternehmereigenschaft zu informieren. Ebenso habe es die Klägerin nicht zu vertreten, wenn die Drittpersonen keine Umsatzsteuererklärung abgeben oder ihre Umsatzsteuer nicht abführen würden (Bl. 8). Der Beklagte habe zudem den Vorsteuerabzug bei absolut gleichgelagerten Sachverhalten anerkannt (Bl. 10ff.).

    Der Beklagte beantragt (Bl. 70),

    die Klage als unbegründet zurückzuweisen,

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im übrigen trägt er vor, die Unternehmereigenschaft werde nicht allein durch die Vorlage einer Unternehmerbescheinigung oder einer Gewerbeanmeldung begründet. Für die Umsatzsteuerliche Beurteilung seien regelmäßig die zivilrechtlichen Leistungsbeziehungen maßgeblich. Dies gelte jedoch nicht, wenn derjenige, der nach außen auftrete, keine eigene unternehmerische Leistung erbringe und nur formal zur Abschirmung des tatsächlich leistenden Unternehmers in die Geschäftsbeziehungen eingeschaltet werde, weil die tatsächlich leistenden Personen abrechnungstechnisch nicht in Erscheinung treten wollten (Bl. 69f.).

    Die Aufstellungen der Kolonnenführer würden lediglich die Namen der eingesetzten Ausbeiner enthalten und gegebenenfalls den Zusatz, wonach die Abrechnung über eine bestimmte Drittperson erfolgen solle. Die Überprüfung bei den Drittpersonen O HB und K habe jedoch ergeben, dass diese keine oder nur geringe Aufwendungen für Subunternehmer geltend gemacht hätten (Bl. 76f.).

    Der Senat hat am 27. September 1999 einen Gerichtsbescheid erlassen. Der Beklagte hat am 29. Oktober 1999 fristgerecht Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.

    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die beigezogenen Steuerakten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

    Gründe

    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig und auch begründet.

    1. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 UStG kann ein Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen in Rechnung gestellt worden sind, als Vorsteuer abziehen. „Rechnung” im Sinne dieser Vorschrift ist auch eine Gutschrift, mit der ein Unternehmer über eine steuerpflichtige Leistung abrechnet, die an ihn ausgeführt wird (§ 14 Abs. 5 UStG). Sowohl für den Vorsteuerausweis in einer Rechnung als auch den in einer Gutschrift ist Voraussetzung, dass die die Leistung erbringende Person – der Rechnungsteller oder Gutschriftsempfänger – Unternehmer ist.

    2. Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne ist nach § 2 Abs. 1 S. 1 UStG, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 S. 3 UStG).

    Nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z. B. Urteile vom 12. Januar 1993 1 K 310/92, EFG 1993, 614; vom 19. Januar 1999 1 K 63/98, EFG 1999, 403 jeweils m.w.N.) sind die in § 2 Abs. 1 UStG enthaltenen Merkmale weitgehend unbestimmt und auch nicht durch Interpretation im Sinne einer abstrakten, für alle Anwendungsfälle des Unternehmerbegriffs geltenden Definition bestimmbar. Es handelt sich vielmehr um eine erläuternde Beschreibung der die Unternehmereigenschaft prägenden Merkmale.

    Dies bedeutet, dass die Anwendung des Begriffs nicht durch eine Subsumtion im strengen Sinne, also unter Prüfung einer bestimmten Anzahl von Untermerkmalen, sondern durch die Zuordnung im Wege eines Ähnlichkeitsvergleichs des konkreten zur Entscheidung anstehenden Lebenssachverhalts mit dem dem Gesetzesbegriff innewohnenden Typus des Unternehmens zu erfolgen hat. § 2 Abs. 1 UStG stellt im Falle natürlicher Personen drei Bereiche gegenüber

    • Die unternehmerische Tätigkeit (Anwendungsbereich der Vorschrift),

    • die unselbständige Tätigkeit (ausgegrenzt durch das Merkmal „selbständig”) und

    • die Privatsphäre des Steuerpflichtigen (ausgegrenzt durch das Merkmal „gewerblich oder beruflich”).

    Der zu entscheidende Lebenssachverhalt ist durch einen Ähnlichkeitsvergleich in allen seinen Merkmalen (sog. „Gesamtbildbetrachtung”) mit den Merkmalen zu messen, die eine entsprechende unternehmerische Tätigkeit kennzeichnen. Der Sachverhalt muss – soll eine unternehmerische Tätigkeit vorliegen – nicht unbedingt mit allen Merkmalen der entsprechenden Unternehmertätigkeit in Art und Ausprägungsstärke übereinstimmen. Der zu beurteilende Sachverhalt muss also nicht selbst eine typisch unternehmerische Tätigkeit beinhalten. Auch der atypisch tätige Unternehmer ist noch unternehmerisch i. S. des § 2 Abs. 1 USTG tätig. Es reicht aus, wenn die Tätigkeit eher dem einen als dem anderen (unternehmerischen oder privaten) Bereich zuzuordnen ist.

    3. Nach der Rechtsprechung des BFH trägt der Leistungsempfänger die Feststellungslast bezüglich der Unternehmereigenschaft des Leistenden. Der gute Glaube des Leistungsempfängers an die Unternehmereigenschaft des Leistenden wird auch dann nicht geschützt, wenn der Leistende nach § 14 Abs. 3 UStG in Anspruch genommen werden kann (BFH-Urteil vom 24. April 1986 V R 110/76, UR 1988, 188). Dies gilt in entsprechender Weise für die Frage, ob der Leistende gem. § 19 Abs. 1 UStG am Umsatzsteuerausweis gehindert ist Denn die vom Gesetz geforderten Tatbestandsvoraussetzungen des Vorsteuerabzugs können nur deren tatsächliche Verwirklichung, nicht dagegen durch den guten Glauben des Stpfl. an diese Voraussetzungen erfüllt werden.

    4. Es gibt zwar keinen allgemeinen Satz des Inhalts, dass derjenige, der nach außen im eigenen Namen unternehmerisch auftritt, auch stets tatsächlich Unternehmer ist (BFH vom 14. Januar 1954 V 55/51 U,BStBl. III 1954, 120). Dem Grundsatz nach ist jedoch davon auszugehen, dass die Merkmale der Unternehmereigenschaft an der Person dessen festzustellen sind, der nach außen hin als leistender Unternehmer in Erscheinung tritt (BFH v. 19. März 1998 V B 153/97, BFH/NV 1998, 1380). Ausnahmen hiervon (z. B. Strohmann- oder Scheingeschäfte) sind unter Zugrundelegung entsprechender Kriterien festzustellen (s. dazu FG Saarland v. 18. Februar 1997 1 V 221/96, EFG 1997, 646; FG Hamburg vom 4. August 1998 II 39/97, EFG 1999, 157; dagegen sogar für die Unternehmereigenschaft von Strohmännern: FG Baden-Württemberg vom 19. Februar 1997, 12 K 160/96, EFG 1997, 1060; FG Münster vom 20. Oktober 1998, 5 K 4368/97 U,EFG 1999, 316).

    5. Im Entscheidungsfall haben die Ausbeiner und Zerleger, die jeweils in den Schlachthöfen und sonstigen Produktionsstätten in eigener Person tätig geworden sind, ihre Leistungen über sog. Drittpersonen – und zwar ihre Ehefrauen oder Lebensgefährtinnen – abrechnen lassen.

    Der Senat hat keine Zweifel, dass es zivilrechtlich möglich ist, die vertraglichen Verhältnisse so zu gestalten, dass Vertragspartner der Klägerin die jeweilige Drittperson ist, die die geschuldete Ausbeiner- und Zerlegungsleistung durch ihren Lebensgefährten – sei es als Subunternehmer, sei es als Arbeitnehmer – erbringt. Davon geht auch das Amtsgericht S mit Urteil vom 17.8.1994 aus, auf das sich die Klägerin zu Recht beruft (Bl. 22ff.). Dies bedeutet, das das von der Klägerin jeweils geschuldete Entgelt den Drittpersonen zusteht und dass sie beispielsweise auch für eine mögliche Schlechterfüllung einzustehen haben.

    Von daher gesehen ist auch wenig zweifelhaft, dass diese Drittpersonen Umsatzsteuerliche Unternehmer sind. Sie haben ein Gewerbe angemeldet und sind bei den zuständigen Finanzämtern als Unternehmer erfaßt. Selbst wenn sie jeweils nur mit einer Person (nämlich ihrem Lebensgefährten) zusammenarbeiten und sie damit nur in relativ geringem Umfang in dieser Hinsicht tätig sind, so hat ihre Tätigkeit allein wegen ihres Inhalts eindeutig eher unternehmerischen als privaten Charakter. Privatleute treten üblicherweise nicht als Leistungserbringer im Fleischerhandwerk in Erscheinung – auch nicht in geringerem Umfang. Die unternehmerisch tätige Drittperson ist der Gutschrift einwandfrei zu entnehmen.

    6. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Drittpersonen Arbeitnehmer der jeweiligen Ausbeiner und Zerleger wären. Ein solches Verhältnis scheitert bereits daran, dass ihnen hierfür offenbar kein festes oder nach feststehenden Kriterien berechnetes Entgelt gezahlt worden ist. Die Drittpersonen haben – wie die Klägerin durch Vorlage der Gewerbeanmeldungen und der steuerlichen Erfassung jeweils nachgewiesen hat – als Selbständige, die auf eigene Rechnung und Gefahr handeln, am Rechtsverkehr teilgenommen. Diese Selbständigkeit kann nicht allein durch den – möglicherweise zutreffenden – Hinweis des Beklagten in Zweifel gezogen werden, die Drittpersonen seien wirtschaftlich von den jeweiligen Ausbeinern abhängig, weil sie ohne diese die fraglichen Leistungen nicht erbringen könnten. Dies ist eine Situation wie sie in zahlreichen kleineren Betrieben – auch unter fremden Dritten – besteht und die für sich gesehen noch nicht dazu führt, die Selbständigkeit des Betriebsinhabers in Zweifel zu ziehen. Exaktere Ermittlungen, die in Fällen wie den vorliegenden – vom Beklagten vorzulegen wären (s. dazu FG Saarland vom 4. April 1990 1 K 331/88, EFG 1990, 495; BFH vom 27. Juni 1996 V R 51/93, BStBl. II 1996, 620), existieren jedoch nicht. Es ist des weiteren auch nicht zu beanstanden, wenn die Ausbeiner und Zerleger, deren eigene Tätigkeit durchaus als selbständig und damit unternehmerisch beurteilt werden kann (s. dazu FG Münster vom 26. Oktober 1993 15 K 5433/89 U,EFG 1994, 545; BFH vom 30. Januar 1997 V B 70/96, BFH/NV 1997, 718), im Verhältnis zur Klägerin durch die Einschaltung einer Drittperson klarstellen wollen, dass auf jeden Fall zu dieser kein Arbeitsverhältnis besteht.

    7. Des Weiteren ist nicht erkennbar, dass es sich bei den streitigen Drittpersonen um sog. „Strohmänner/-frauen” handeln würde. Die Rechtsprechung hat derartige Verhältnisse bisher nur angenommen, wenn erkennbar war, dass durch die Einschaltung dieser Personen in massiver und aggressiver Weise die Besteuerung der fraglichen Vorgänge umgangen werden sollte (vgl. dazu BFH vom 30. Januar 1997 V B 70/96, BFH/NV 1997, 718, FG Saarland v. 18. Februar 1997 1 V 221/96, EFG 1997, 646; FG Hamburg vom 4. August 1998 II 39/97, EFG 1999, 157; FG Münster vom 14. Dezember 1993, 15 K 1597/92 U,EFG 1994, 543). Im Falle der Entscheidung des BFH vom 15. September 1994 XI R 56/93, BStBl. II 1995, 275, auf die sich der Beklagte beruft, hat der „Strohmann” von seiner Einschaltung in das Leistungsverhältnis nichts gewusst.

    Diese und ähnliche Vorgänge, für die der Beklagte die Feststellungslast trägt (BFH v. 28. Mai 1998, V R 17/97, BFH/NV 1999, 220), sind vorliegend auch nicht annähernd erkennbar; dass möglicherweise die Ermittlungen und Kontrollen der Finanzverwaltung durch die Einschaltung der Drittperson erschwert werden, reicht hierzu noch nicht aus. Aber auch Letzteres hat der Beklagte nicht schlüssig dargelegt. Denn die Feststellungen des Beklagten haben sich bisher darauf beschränkt, dass einzelne Drittpersonen keine Ausgaben in entsprechender Höhe geltend gemacht haben. Inwiefern hierdurch gravierende Steuerverkürzungen eintreten sollen, ist nicht deutlich geworden. Aus umsatzsteuerlicher Sicht der Klägerin ist es unerheblich, ob die Drittperson oder der Ausbeiner/Zerleger als Unternehmer und Gutschriftsadressat anzusehen ist. Im übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass entsprechende Feststellungen in einzelnen dieser Fälle nicht ohne weiteres den Rückschluss erlauben, die Verhältnisse seien in allen Fällen dieser Art gleich gelagert (FG Saarland vom 4. April 1990 1 K 331/88, EFG 1990, 495).

    Die Leistungsverhältnisse steilen sich demnach für den Senat wie folgt dar:

    Die Klägerin erbringt als Unternehmer die Ausbein- und Zerlegearbeiten gegenüber ihren Auftraggebern, indem sie die Drittpersonen als Subunternehmer einschalten, die ihrerseits die fraglichen Leistungen durch den jeweiligen Ausbeiner (ggf. als Subunternehmer oder Arbeitnehmer) erbringen (s. zur Beurteilung komplexer Leistungsverhältnisse auch: BFH v. 21. Februar 1991, V R 11/91, BFH/NV 1991, 844).

    8. Der Klage war nach alledem stattzugeben.

    Die geänderte Steuerfestsetzung berechnet sich wie folgt:

    1989:

    Festgesetzte Umsatzsteuer gemäß Bescheid vom 17.11.1995:703.632,00 DM
    abzüglich weitere Vorsteuer i.H.v.9.370,00 DM
    Umsatzsteuer 1989694.262,00 DM


    1990:

    Festgesetzte Umsatzsteuer gemäß Bescheid vom 17.11.1995:878.364,00 DM
    abzüglich weitere Vorsteuer i. H. v.20.748,00 DM
    Umsatzsteuer 1990857.616,00 DM


    1991:

    Festgesetzte Umsatzsteuer gem. Bescheid vom 17.11.1995:1.426.230,00 DM
    abzüglich weitere Vorsteuer i. H. v.65.598,00 DM
    Umsatzsteuer 19911.360.632,00 DM


    9. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten gemäß § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO – auferlegt.

    Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

    Die Zulassung der Revision erfolgte gemäß § 115 Abs. 2, Nr. 1 FGO zur Klärung der grundsätzlichen Frage, wie die Einschaltung von Drittpersonen in das Leistungsverhältnis zu beurteilen ist.

    VorschriftenUStG § 2, UStG § 3