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  • 08.01.2010

    Finanzgericht München: Urteil vom 27.09.2000 – 3 K 1585/97

    Dem Reimporteur von Waren, die zunächst von einem nicht identischen Exporteur aus der aktiven Veredlung ausgeführt worden sind, obliegt die Pflicht zum Nachweis der Voraussetzungen für die Abgabenberechnung nach den Regeln der aktiven Veredlung. Der den aktiven Veredlungsverkehr überwachenden Zollstelle ist es nach Art. 15 ZK verwehrt, die Bemessungsgrundlage im aktiven Veredlungsverkehr der für den Reimport zuständigen Einfuhrzollstelle mitzuteilen.


    Im Namen des Volkes hat der 3. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung

    des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …

    des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht

    sowie der ehrenamtlichen Richter … und

    auf Grund mündlicher Verhandlung vom 27. September 2000

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

    Gründe

    I.

    1. Streitig ist die Bemessungsgrundlage von reimportierten Personenkraftwagen.

    Die Klägerin meldete im Zeitraum vom 13. Dezember 1994 bis 17. März 1995 20 Sendungen mit insgesamt 158 „Pkw Audi 80 Avant TDI, 1955 ccm, mit Dieselmotor, mit einem Hubraum von mehr als 1 500 ccm bis 2 500 ccm, neu” unter der Codenr. 8703 3219 0000 aus der Tschechischen Republik mit Ursprung Deutschland als Rückwaren zur Überführung in den freien Verkehr an. Sie legte jeweils eine Rückwarenerklärung (Vordruck 0328) sowie eine mit dem Ausfuhrvermerk der deutschen Zollstelle versehene Warenrechnung vor. Das Zollamt Waidhaus fertigte die Fahrzeuge antragsgemäß als Rückwaren zollfrei ab und erklärte die letzten 5 Zollbescheide wegen noch vorzulegender Unterlagen für vorläufig. Nachdem die fehlenden Unterlagen nicht nachgereicht wurden, forderte das Zollamt für die vorläufigen Zollbescheide die Herstellererklärung an. Daraufhin legte die Klägerin fünf Präferenznachweise EUR 1 für 40 Pkw's vor und erklärte, dass sie von der Volkswagen AG keine Herstellererklärungen erhalte. Das den aktiven Veredelungsverkehr der Zweckgemeinschaft VW AG/Audi AG überwachende Hauptzollamt – HZA – Braunschweig teilte am 9. Oktober 1995 mit, dass die str. Pkw's aus dem aktiven Veredelungsverkehr abgemeldet und nach Prag ausgeliefert worden seien.

    Daraufhin forderte das HZA mit Steueränderungsbescheid für die str. Fahrzeuge von der Klägerin 461.216,23 DM Zoll nach. Nach erfolglosem Einspruch erhob die Klägerin gegen die Einspruchsentscheidung (EE) vom 3. April 1997 Klage, mit der sie im wesentlichen folgendes geltend macht:

    Die Voraussetzungen für die Anerkennung als Rückwaren lägen vor; die Identität der ausgeführten und unverändert wieder eingeführten Fahrzeuge stehe aufgrund der vorgelegten Warenverkehrsbescheinigungen und den Ermittlungen des Zollfahndungsamts … fest. Die volle Verzollung der Veredelungswaren einschließlich der darin enthaltenen gemeinschaftlichen Wertelemente sei nicht gerechtfertigt, weil nach der insoweit klaren Regelung in Art. 187 Zollkodex – ZK – der Einfuhrabgabenbetrag nach den im Rahmen der aktiven Veredelung geltenden Regeln berechnet werde wobei der Zeitpunkt der Wiedereinfuhr als Zeitpunkt der Überführung aus dem aktiven Veredelungsverkehr in den zollrechtlich freien Verkehr gelte. Der Anmelder sei lediglich nachweispflichtig, dass es sich bei den zu verzollenden Waren überhaupt um „Veredelungsrückwaren” handele; er müsse den Nachweis der in Art. 185 und 186 ZK genannten Voraussetzungen erbringen. Die Nachweispflicht erstrecke sich aber nicht auf die anwendbare Bemessungsgrundlage für die Erhebung des ursprünglichen Zolls. Diese Bemessungsgrundlage sei einem Anmelder, der mit dem Inhaber des aktiven Veredelungsverkehrs nicht identisch sei, regelmäßig nicht bekannt, sondern könne nur von der für diesen Veredelungsverkehr zuständigen Überwachungszollstelle bestätigt werden. Diese Zollstelle werde wiederum nur auf Antrag der für die Wiedereinfuhr zuständigen Zollstelle tätig (Art. 613 und 856 ZK-Durchführungsverordnung – DVO). Im vorliegenden Fall sei die Beweisführung nur dem HZA möglich und auch zumutbar. Die Beweisnähe liege insofern bei der Zollbehörde, weil hier entsprechende Zollwerte aus den Abfertigungen der übrigen im aktiven Veredelungsverkehr hergestellten und in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführten Fahrzeuge vorlägen. Die Abgabenberechnung nach Art. 187 ZK sei nach Art. 217 Abs. 1 ZK ausschließlich Aufgabe der Zollbehörde, und zwar nach den Regeln für die aktive Veredelung. Die Einfuhrzollstelle müsse den zu erhebenden Zoll wie zusätzlich den zu erhebenden Ausgleichszinsbetrag bei der den Veredelungsverkehr überwachenden Zollstelle erfragen. Die Klägerin habe das HZA ersucht, ein Auskunftsblatt INF 1 in sinngemäßer Anwendung der Art. 611 Abs. 2 Buchst. b und 613 ZK-DVO von der überwachenden Zollstelle bestätigen zu lassen. Die Dienstanweisung, die Bestätigung von der Zustimmung des Inhabers des Veredelungsverkehrs abhängig zu machen, sei gemeinschaftswidrig. Ein derartiges „Vetorecht” des Veredelers sei nach Art. 613 Abs. 4 ZK-DVO nicht vorgesehen.

    Im übrigen könne nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK der str. Zoll nicht nacherhoben werden. Das Zollamt Waidhaus habe der Klägerin irrtümlich die Auskunft erteilt, dass für die Anerkennung der str. Fahrzeuge als Rückwaren die Vorlage der von der Ausfuhrzollsstelle abgestempelten Warenbegleitrechnung genüge. Entsprechend sei die Klägerin verfahren. Obwohl dem Zollamt aufgrund des BMF-Erlasses vom 29. Juni 1992 (VSF N 3792) bekannt gewesen sei, dass die im Drittland ausgelieferten Fahrzeuge regelmäßig im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs hergestellt würden, habe es von der Klägerin bis zum 16. März 1995 keine entsprechende Nachweise gefordert. Die Klägerin sei gutgläubig gewesen. Es habe für sie vernünftigerweise kein Grund bestanden, die Richtigkeit des behördlichen Verhaltens zu bezweifeln; im Gegenteil, die Klägerin habe wegen des vorangegangenen nachhaltigen Verhaltens der Abfertigungsbeamten darauf vertrauen dürfen, dass die vom Zollamt bereits vor dem Kauf der Fahrzeuge erteilten Auskünfte richtig seien.

    Die Klägerin beantragt die Aufhebung des Steueränderungsbescheids vom 19. Oktober 1995 und der EE.

    Das Hauptzollamt beantragt Klageabweisung

    und bezieht sich im wesentlichen auf die Ausführungen in den EE.

    Die Klägerin habe die Voraussetzungen für eine Abfertigung als Rückwaren in vollem Umfang nachzuweisen. Art. 613 ZK-DVO sei nicht einschlägig, weil nicht die Nachweisvorschriften, sondern nur die Berechnungsregeln der aktiven Veredelung auf Rückwaren Anwendung fänden. Die Nacherhebung sei nicht ausgeschlossen, weil das Zollamt die Erklärung der Klägerin, die Fahrzeuge stammten aus dem freien Verkehr und nicht aus einer aktiven Veredelung ungeprüft übernommen habe.

    Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Hauptzollamtsakten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 27. September 2000 hingewiesen.

    II.

    Die Klage hat keinen Erfolg.

    Das HZA hat zu Recht von der Klägerin mit Steueränderungsbescheid vom 19. Oktober 1995 461.216,23 DM Zoll nachgefordert.

    Die Abgabenschuld ist gem. Art. 201 Abs. 1 ZK aufgrund der Anmeldung der str. Fahrzeuge zur Überführung in den freien Verkehr entstanden. Die Abgabenfreiheit als Rückwaren scheidet aus, weil es sich um Waren handelt, die aus dem aktiven Veredelungsverkehr der Gemeinschaft in die Tschechische Republik ausgeführt worden waren.

    Aber auch eine Abgabenberechnung nach den Regeln der aktiven Veredelung gem. Art. 187 Unterabs. 2 ZK kommt nicht in Betracht, weil die für eine derartige Berechnung erforderlichen Feststellungen über den Anteil von Drittlandswaren nicht vorliegen. Die Klägerin trägt die Nachweispflicht hinsichtlich der Voraussetzungen für die Abgabenberechnung nach den Regeln der aktiven Veredelung. Sind Inhaber des aktiven Veredelungsverkehrs und Einführer nicht identisch, so können die Rückwarenvoraussetzungen und erst recht die der aktiven Veredelung nur unter Mitwirkung des Bewilligungsinhabers nachgewiesen werden. Den Zollbehörden ist es verwehrt, diese Angaben, die der Geheimhaltungspflicht gem. Art. 15 ZK unterliegen, einem Dritten zu offenbaren; dies wäre der Fall, wenn die überwachende Zollstelle den Abrechnungsschlüssel der Einfuhrzollstelle mitteilen würde. Eine derartige verwaltungsinterne Mitteilung nach Art. 613 ZK-DVO wäre nur zulässig, um einen angemeldeten Abrechnungsschlüssel zu bestätigen, nicht aber um einen Abrechnungsschlüssel zu ersetzen oder gar erstmalig festzustellen.

    Von einer Nacherhebung konnte das HZA nicht nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK absehen. Soweit die Zollstelle einen endgültigen Abgabenbescheid erlassen hatte – nur diese Bescheide könnten von einer Nacherhebung ausgenommen werden –, hat sie die Anmeldung der Klägerin, insbesondere hinsichtlich der Rückwareneigenschaft der str. Pkw's, erkennbar ohne Prüfung übernommen. Insoweit liegt kein relevanter Irrtum i. S. von Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZK vor.

    Im übrigen beruht die ursprüngliche Anerkennung der Rückwareneigenschaft auf den unzutreffenden Erklärungen der Klägerin in den zur Zollanmeldung gehörenden Rückwarenerklärungen. Die Klägerin hat damit die weitere Voraussetzung für ein Absehen von der Nacherhebung nach Art. 220 Abs. 2 Buchst. b ZG nicht erfüllt, weil sie die Vorschriften über die Zollanmeldung nicht eingehalten hat. Die Klägerin hatte nämlich in den Zollanmeldungen bezüglich der Rückwareneigenschaft der Fahrzeuge unzutreffenderweise angegeben, dass die Waren aus dem freien Verkehr des Zollgebiets anstatt aus der aktiven Veredelung ausgeführt worden seien. Die Gutgläubigkeit der Klägerin hinsichtlich der Richtigkeit ihrer Zollanmeldung befreit sie nicht von der Verantwortlichkeit für ihre Steuererklärungen. Dies gilt auch dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – die Klägerin vor der Wiedereinfuhr beim abfertigenden Zollamt Erkundigungen über die Anerkennung als Rückwaren eingeholt hat; denn hierbei ging es darum, die Ausfuhr der Waren zollamtlich für die Wiedereinfuhr bescheinigen zu lassen. Die Frage der Abrechnung nach aktiver Veredelung war und konnte – wegen der Unkenntnis der Klägerin – nicht Gegenstand der Auskunft sein. Es bestand auch keine Veranlassung und schon gar nicht die Pflicht der Zollstelle, von sich aus auf die etwa mögliche Ausfuhr aus dem aktiven Veredelungsverkehr oder gar auf die Schwierigkeiten bei Beschaffung des Abrechnungsschlüssels im aktiven Veredelungsverkehr hinzuweisen.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung.

    VorschriftenEWGV 29, EWGV 24