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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 25.05.2000 – 3 K 102/97

    1. Stellt das Finanzamt zunächst die Grundstücksart „gemischt genutztes Grundstück” fest, obwohl vermutlich ein Einfamilienhaus vorgelegen hat, ist die Artfortschreibung des Einheitswerts (auf Einfamilienhaus) im Anschluss an Ausbaumaßnahmen nach § 22 Abs. 2 BewG unzulässig, wenn die für die Grundstücksart „gemischt genutztes Grundstück” geltenden Grenzen (Verhältnis der Jahresrohmiete) weiterhin eingehalten werden. Die Berichtigung der ursprünglich unzutreffenden Artfeststellung könnte allenfalls durch eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung nach § 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 BewG erfolgen.

    2. Wird ein Grundstück unzutreffend im Ertragswertverfahren bewertet, so ist im Anschluss an Baumaßnahmen, bei denen sich die sachlichen Verhältnisse, die für die Anwendung des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung des Einheitswerts maßgebend sind, nicht geändert haben, eine Wertfortschreibung nach § 22 Abs. 1 BewG unter Anwendung des Sachwertverfahrens unzulässig.


    Tatbestand

    Streitig ist die Grundstücksart eines Wohnhauses mit Praxisräumen nach dem Ausbau des Dachgeschosses zu Wohnräumen und das Bewertungsverfahren (§ 75 Abs. 5, 6, § 76 Abs. 3 Nr. 1 Bewertungsgesetz -BewG-).

    Der Kläger errichtete aufgrund der Baugenehmigung vom 24. Oktober 1967 auf dem Grundstück Flurstück-Nr … der Gemarkung … mit damals 2.872 qm Fläche ein Wohnhaus mit Praxisteil. Der Neubau befindet sich an der zur Straße hin gelegenen Schmalseite des etwa rechteckigen Grundstücks. Das Hauptgebäude hat einen rechteckigen Grundriss mit über 14 m Länge und 11 m Tiefe und ist etwa in südwestlich-nordöstlicher Richtung angeordnet Dieser voll unterkellerte Gebäudeteil hat zwei Vollgeschosse und ein Dachgeschoss (DG) unter einem Satteldach mit etwa 30° Dachneigung. An der südwestlichen Schmalseite ist zur Straße hin versetzt ein Garagengebäude mit zwei Stellplätzen angebaut. In dem mit dem Hauptgebäude gebildeten Winkel sind sowohl im Erdgeschoss (EG) als auch im Obergeschoss (OG) je ein überdachter Sitzplatz untergebracht. An der nordöstlichen Schmalseite ist ein ebenfalls etwas versetzter und nicht unterkellerter eingeschossiger Gebäudeteil mit Flachdach angefügt, in dem neben einem Flur und einem WC insgesamt sechs Räume für die ärztliche Praxis des Klägers untergebracht wurden.

    Der Zugang zum Hauptgebäudes befindet sich etwa in der Mitte der Straßenseite des EG, wo ein Windfang auf eine Mitteldiele führt. Nördlich davon führt eine einmal gewendelte Treppe ins OG. Südlich sind ein WC, ein sog. Bügelraum und die Küche angeordnet. Östlich dieser Räume befinden sich ein größerer Wohnraum und daneben nach Süden hin ein Essbereich und nach Norden hin ein Arbeitszimmer, die jeweils durch breitere Durchgänge mit dem Wohnbereich verbunden sind. Am nördlichen Ende der Diele führt eine Tür in den Flur des Praxisteils. Zwischen dem Treppenaufgang und der Wand zum Praxisflur ist ein Abstellraum eingefügt.

    Im OG mündet die Treppe in eine größere Diele, von der Türen nach Osten hin in drei gleich große Zimmer, nach Süden hin eine Tür in ein Schlafzimmer mit daneben liegendem Kleiderraum und einem Bad, nach Westen hin weitere Türen in ein zweites Bad und ein separates WC führen. Am nördlichen Ende der Diele, wo die Treppe weiter ins DG führt, befindet sich eine Abschlusstür, die zu weiteren Wohnräumen führt, nämlich an einem separaten Flur ein Wohnraum, ein Bad, ein separates WC, eine Küche und ein Abstellraum. Dem Schlafzimmer und den drei kleineren Zimmern nach Süden vorgelagert ist ein überdachter Balkon. Das DG enthielt neben dem Treppenauftritt einen Flur sowie einen Abstellraum, einen Speicher und einen mit „Bildersammlung” bezeichneten Raum.

    In der Flächenberechnung des Architekten sind Wohnräume im EG mit zus. 95,67 qm und im OG mit zus. 74,89 qm, insgesamt 170,56 qm Netto-Wohnfläche ausgewiesen. Nicht darin enthalten sind im EG ein Teil der Diele mit 4,14 qm, das Arbeitszimmer mit 13,72 qm und der Abstellraum mit 7,28 qm, zus. 25,16 qm (jeweils brutto), die den Praxisräumen zugerechnet wurden, sowie im OG eines der drei kleineren Zimmer mit 10,08 qm und der vor dem Treppenaufgang liegende Teil der Diele mit 5,50 qm (zus. 15,58 qm brutto), die zusammen mit den hinter der Abschlusstür liegenden Räumen als zweite Wohnung mit 56,04 qm Netto-Wohnfläche dargestellt wurden. Beide Gesamtwohnflächen wurden um jeweils 10 % gekürzt und damit auf 153,51 qm und 50,44 qm berechnet. Für die Praxisräume ergab sich eine Netto-Nutzfläche von 131,33 qm.

    In der am 28. März 1969 beim Beklagten (dem Finanzamt -FA-) eingegangenen Erklärung des Klägers zur Feststellung des Einheitswerts sind im EG zwei Wohn- und Schlafräume und eine Küche mit zusammen 95,67 qm Wohnfläche und im OG vier Wohn- und Schlafräume und zwei Bäder mit zusammen 74,89 qm Wohnfläche angegeben, die eigengenutzt seien. Weitere zwei Wohn- und Schlafräume, eine Küche und ein Bad mit 50.44 qm Wohnfläche befänden sich im „DG” und wurden als „leer” bezeichnet. Für das Erdgeschoss sind außerdem sieben Räume für die Arztpraxis mit zusammen 131,33 qm Nutzfläche angegeben.

    Durch Bescheid vom 20. Oktober 1975 wurde auf den 1.1.1974 die Grundstücksart gemischt genutztes Grundstück und der Einheitswert auf 181.900 DM festgestellt. Dem wurden Wohn- und Nutzflächen für Wohnräume im Erd- und Obergeschoss von 170 qm bei „sehr guter” Ausstattung je 37,50 DM = 6.375 DM Jahresrohmiete, für Wohnräume im „DG” von 50 qm bei „guter” Ausstattung je 30,00 DM = 1.500 DM und für eine Garage 360 DM, insgesamt für Wohnnutzung 8.235 DM Jahresrohmiete sowie für Praxisräume von 131 qm je 60 DM = 7.860 DM Jahresrohmiete und für eine weitere Garage 360 DM, insgesamt für berufliche Nutzung 8.220 DM Jahresrohmiete zugrunde gelegt.

    Am 10. September 1990 wurde dem Kläger der Ausbau des Dachgeschosses zu einer Wohnung genehmigt. Anstelle von drei Speicherräumen und einer „Bildersammlung” mit zusammen 85,31 qm Bruttofläche wurde das Dachgeschoss zu Wohnräumen (einschließlich Bad. WC. Küche, Terrasse in einer sog. Negativgaupe und mit einem Wohnungsabschluss an der Geschosstreppe) mit zusammen 93,87 qm Nettowohnfläche ausgebaut. Die weitere Wohn- und Nutzflächenberechnung des bauplanenden Architekten vom 1. August 1990 weist für das EG 123,36 qm Bruttowohnfläche und 110,25 qm Brutto-Nutzfläche der Praxisräume aus, wobei das Arbeitszimmer (13,72 qm), der Abstellraum (7,28 qm) und die gesamte Wohndiele (jetzt zus. 20,86 qm) dem Wohnbereich zugerechnet wurden. Für das OG sind sämtliche Wohnräume mit einer Gesamt-Bruttofläche von 135,23 qm aufgeführt.

    In einer am 11. März 1993 beim FA eingegangenen – vom Kläger nicht unterschriebenen – Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1.1.1992 sind für das DG drei Wohn- und Schlafräume, eine Küche und ein Bad mit zus. 93 qm Wohnfläche angegeben, die 1991 bezugsfertig geworden seien. Dem war Kopie der Flächenberechnung vom 1. August 1990 beigefügt.

    Auf die Anfrage des FA nach einem Besichtigungstermin zur Bewertung nach dem Sachwertverfahren übersandte die jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers am 26. Juni 1996 eine Wohnflächenberechnung des Architekten vom 23. Juni 1996, die für das Erdgeschoss 95,67 qm und für das Obergeschoss 74,89 qm, zusammen 170,56 qm Nettowohnfläche sowie für eine weitere Wohnung im OG 41,64 qm Nettowohnfläche enthält. Darin sind für das EG das Arbeitszimmer, der Abstellraum und ein Teil der Diele nicht ausgewiesen, für das OG ist der Dielenbereich vor der Treppe der zweiten Wohnung zugerechnet, das dritte kleinere Zimmer (10,08 qm) ist nicht berücksichtigt. Dem lagen Kopien der Baupläne vom August 1967 für das Erd- und das Obergeschoss sowie vom 26. Juli 1990 für das Dachgeschoss bei.

    Bei einer Besichtigung des Gebäudes am 18. Juli 1996 stellte die Sachbearbeiterin der Einheitswertstelle des FA fest, der Eingang des Wohngebäudes befinde sich im Erdgeschoss. An der Diele lägen Türen zu Wohn-Esszimmer, Bügelzimmer-Küche, WC und Abstellraum. Von dort führe eine offene Treppe ins Obergeschoss sowie ins Dachgeschoss. Die Diele im Obergeschoss sei offen, Türen führten zu Schlafzimmern, Bad und WC. Im Obergeschoss befinde sich außerdem eine in sich abgeschlossene Wohneinheit sowie im Dachgeschoss ebenfalls eine in sich abgeschlossene Wohneinheit, jedoch beide nur mit Zugang durch einen anderen Wohnbereich.

    Die Sachbearbeiterin vertrat die Ansicht, aufgrund der nach, dem 31.12.1985 beantragten Baugenehmigung seien die Grundsätze der neueren Rechtsprechung anzuwenden, wonach der Zugang zu einer abgeschlossenen Wohnung nicht durch einen anderen Wohnbereich führen dürfe. Der Praxisteil gebe nach seinem Baucharakter dem Grundstück nicht das Gepräge, sodass es dadurch in seiner Eigenart als Einfamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt werde. Die Grundstücksart sei somit Einfamilienhaus.

    Aufgrund dessen wurde durch Bescheid vom 9. August 1996 auf den 1.1.1992 die Grundstücksart auf Einfamilienhaus und der Einheitswert nach dem Sachwertverfahren auf 363.300 DM fortgeschrieben. Dem wurde ein Bodenwert für 852 qm von 12 DM/qm und für 2.020 qm von 6 DM/qm, für das Wohn- und Praxisgebäude mit einem Rauminhalt von 2.078 cbm, der aus den Bauakten entnommen wurde, ein Normalherstellungswert von 200 DM/cbm und für die Garage mit 153 cbm ein Herstellungswert von 80 DM/cbm sowie ein Wert der Außenanlage von 8 % des Gesamtgebäudewerts zugrunde gelegt.

    Den dagegen am 4. September 1996 erhobenen Einspruch wies das FA mit Entscheidung vom 23. Mai 1997 zurück. Dagegen richtet sich die am 22. Juni 1997 bei Gericht eingegangene Klage.

    Der Kläger macht geltend, bei der Dachgeschosswohnung handele es sich um eine in sich geschlossene Wohneinheit, da ein dauerhafter baulicher Abschluss durch eine verschließbare Wohnungseingangstür vorhanden sei, der es den übrigen Mitbewohnern verwehre, in den Wohnbereich der Dachgeschoss-Wohnung einzudringen. Die Wohnung habe auch einen eigenen Zugang über eine gemeinsame Verkehrsfläche. Die vorhandene Diele könne man auch als Treppenhaus betrachten. Von ihr aus gelange man über ein weiteres Stockwerk zur Dachgeschoss-Wohnung, die nur durch eine separate Tür betreten werden könne. Auch die Erdgeschoss-Wohnung habe einen separaten Zugang, so dass andererseits die Bewohner des Dachgeschosses nicht ungehindert in den Wohnbereich der Erdgeschoss-Wohnung gelangen könnten. Diese Trennung werde durch eine dauernde selbständige Vermietung der Dachgeschosswohnung in der Vergangenheit dokumentiert.

    Der Kläger beantragt,

    den Einheitswert-Bescheid auf den 1.1.1992 vom 9. August 1996 in Form der Einspruchsentscheidung vom 23. Mai 1997 sowohl bezüglich der Art- als auch bezüglich der Wertfortschreibung aufzuheben.

    Das FA beantragt.

    die Klage abzuweisen.

    Es ist wie in der Einspruchsentscheidung der Ansicht, die Wohneinheit im Dachgeschoss könne schon deshalb nicht als selbständige Wohnung anerkannt werden, weil sie nur über die sich über die beiden Stockwerke der EG- und OG-Wohnung erstreckende gemeinschaftliche Diele betreten werden könne. Die vorhandenen gemeinschaftlichen Verkehrsflächen seien entgegen den Anforderungen der Rechtsprechung nicht vollständig von allen Wohnbereichen getrennt. Wegen der offenen Bauweise der Diele bzw. des Treppenhauses könnten alle Räume der Wohneinheit im EG und OG von dort aus ungehindert betreten werden. Die Diele diene somit ganz wesentlich sowohl der Herstellung der räumlichen Verbindung zwischen den einzelnen Zimmern wie auch der ganzen Wohneinheit über das EG und OG hinweg als auch dem Zugang zur Wohneinheit im Dachgeschoss. Da die Diele somit selbst Teil des Wohnbereichs im EG/OG sei, könne nur von einer „gewissen baulichen Trennung”, nicht aber von einer baulichen Abgeschlossenheit der einzelnen Wohnbereiche ausgegangen werden. Da der Zugang zum Dachgeschoss durch einen anderen Wohnbereich führe, lägen zwei selbständige Wohnungen nicht vor. Auf eine etwaige dauernde Vermietung des Dachgeschosses als Wohnung komme es demnach nicht an.

    Die Anwendung des Sachwertverfahrens ergebe sich aus der vorhandenen Wohnfläche, die 220 qm übersteige.

    Die beim FA für das streitige Grundstück geführte Einheitswertakte hat vorgelegen. Beigezogen wurden die Bauakten der zuständigen Baurechtsbehörde für das Grundstück des Klägers.

    Durch Senats-Beschluss vom 17. April 2000 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.

    Am 25. Mai 2000 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden. Auf die Niederschrift wird verwiesen.

    Gründe

    Die zulässige Klage ist bezüglich der Artfortschreibung begründet, bezüglich der Wertfortschreibung teilweise begründet.

    Der angefochtene Artfortschreibungsbescheid auf den 1.1.1992 ist rechtswidrig, weil sich vor diesem Feststellungszeitpunkt die tatsächlichen Verhältnisse des klägerischen Grundstücks nicht derart geändert haben, dass eine Fortschreibung der bisherigen Grundstücksart gemischt genutztes Grundstück auf Einfamilienhaus gerechtfertigt wäre (§ 75 Abs. 4, 5, § 22 Abs. 2 BewG). Durch die 1991 fertiggestellten Ausbaumaßnahmen haben sich außerdem keine Veränderungen ergeben, die eine Anwendung des Sachwert-Verfahrens im Wege der Fortschreibung auf den 1.1.1992 begründen (§ 76 Abs. 3, § 22 Abs. 1 BewG). Der Einheitswert erhöht sich lediglich nach dem Ertragswert-Verfahren aufgrund des durch die vermehrte Wohnfläche erhöhten Mietwerts. Andere Gründe für eine Fortschreibung oder eine Änderung der vorherigen Feststellungen zum streitigen Feststellungszeitpunkt liegen nicht vor (§ 22 Abs. 3 BewG, §§ 172 ff Abgabenordnung -AO-).

    1. In dem Bescheid vom 20. Oktober 1975 war die Grundstücksart gemischt genutztes Grundstück festgestellt worden, weil die zugrunde gelegte Jahresrohmiete für die beruflich genutzten Räume mit zus. 8.220 DM fast so hoch war wie die für die Wohnräume angenommene Jahresrohmiete von zus. 8.250 DM (vgl. § 75 Abs. 4 i. V. m. Abs. 2, 3 BewG). Unberücksichtigt blieb dabei, inwieweit ein Einfamilienhaus oder ein Zweifamilienhaus vorgelegen haben könnte, weil nur eine oder zwei Wohnungen vorhanden gewesen und durch die Mitbenutzung zu beruflichen Zwecken die Eigenart des Grundstücks als Ein- oder Zweifamilienhaus nicht beeinträchtigt worden sein könnte (§ 75 Abs. 5 Satz 3, Abs. 6 Satz 2 BewG).

    Durch die 1991 fertiggestellten Baumaßnahmen wurde das Verhältnis der Jahresrohmieten zwar zu Gunsten der wohnlichen Nutzung verschoben, die für die Grundstücksart gemischt genutztes Grundstück geltenden Grenzen wurden jedoch weiterhin eingehalten, wie sich aus der folgenden Berechnung ergibt:

    „1.” Einheit„2.” EinheitDGPraxis
    Fläche bisher170 qm50 qm0 qm131 qm
    Ausstattung bisher„sehr gut”„gut”
    Jahresrohmiete37,50 DM/qm30 DM/qm60 DM/qm
    JRM bisher6.375 DM1.500 DM0 DM7.860 DM
    + Garage360 DM0 DM360 DM
    zusammen6.735 DM1.500 DM0 DM8.220 DM
    insges. bisherWohnraum:8.235 DMPraxis:8.220 DM
    Fläche richtig209 qm40 qmneu 93 qm106 qm
    Ausstattung richtig„sehr gut”„sehr gut”„sehr gut”
    Jahresrohmiete37,50 DM/qm37,50 DM/qm37,50 DM/qm60 DM/qm
    JRM neu7.837 DM1.500 DM3.487 DM6.360 DM
    + Garage360 DM0 DM0 DM360 DM
    zusammen8.197 DM1.500 DM3.487 DM6.720 DM
    insges. 19.904 DMWohnraum:13.184 DMPraxis:6.720 DM
    neu= 66.2 %= 33.8 %


    Deshalb bildete die Erweiterung der Wohnräume durch den Ausbau des DG keine sachliche Veränderung, die sich auf die Grundstücksart auswirken konnte. Insofern liegt der Fortschreibungsgrund veränderter sachlicher Verhältnisse für den streitigen Feststellungszeitpunkt 1.1.1992 nicht vor (§ 22 Abs. 2 BewG). Dabei braucht hier nicht darauf eingegangen zu werden, welche rechtliche Bedeutung die Korrekturen haben, die bei den Wohn- und Nutzflächen und den einzelnen Jahresrohmieten anzubringen sind.

    2. Die vorherige Artfeststellung könnte allerdings fehlerhaft gewesen sein, weil es sich bei dem Grundstück des Klägers bereits von Anfang an um ein Einfamilienhaus gehandelt haben dürfte, da sich darin nur eine Wohnung befand (§ 75 Abs. 5 BewG). Da das Gebäude ausweislich der vorliegenden Unterlagen 1968 bezugsfertig wurde, ist die Grundstücksart anhand des sogenannten alten Wohnungsbegriffs zu beurteilen, der in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis vor dem Bundesfinanzhof-(BFH)-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83 (Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 142, 505, Bundessteuerblatt -BStBl-1985, 151) zugrundegelegt wurde. Die Grundsätze der neueren Rechtsprechung sind nämlich nur für Stichtage ab dem 1.1.1974 anzuwenden, also auf Gebäude, die frühestens 1973 fertiggestellt worden sind.

    Die Räume im OG, die seitens des Klägers stets als „zweite Wohnung” bezeichnet wurden, bildeten jedoch auch nach diesen im Ergebnis weniger strengen Grundsätzen keine eigenständige Wohnung, weil sie nur über das Treppenhaus erreichbar sind, das sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss mit den Wohnräumen der Hauptwohnung über die jeweils dort vorhandenen Dielenräume verbunden ist und zugleich die Verbindung zwischen verschiedenen Teilen der Hauptwohnung bildet. Auf diese Weise wäre ein unbeeinträchtigtes Wohnen und eine ungestörte eigenständige Haushaltsführung der Familie des Klägers bei einer Nutzung der weiteren Raumeinheit im OG für den Haushalt einer fremden Person nicht möglich gewesen, weil der Zugang zu den mit einer besonderen Eingangstür versehenen Räumen im OG durch den eigenen Wohnbereich führte und insbesondere sogar mit den zum Schlafbereich der Familie zu zählenden, in der Diele im OG über Türen frei zugänglichen Räumen verbunden war. Verstärkt wird diese Verbindung noch durch die bei der Besichtigung durch die Sachbearbeiterin des FA bestätigte Feststellung, dass eine zeitweise in den Bauplänen des Architekten eingezeichnete dünne Abschlusswand zwischen Treppenhaus und Diele im OG tatsächlich nicht hergestellt worden ist. Unter solchen Umständen liegt auch nach dem sog. alten Wohnungsbegriff keine ausreichende Trennung zwischen den Wohnbereichen vor (vgl. BFH-Urteil vom 3. März 1993 II R 34/91, Sammlung von Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1994, 9 m.w.N.).

    Trotz der im streitigen Gebäude weiter vorhandenen Praxisräume dürfte es sich um ein Einfamilienhaus gehandelt haben, weil die Wohnflächen der Wohnräume die Nutzflächen der Praxisräume überwogen und die Eigenart als Einfamilienhaus durch die Praxisräume nicht beeinträchtigt wurde (§ 75 Abs. 5 Satz 3 BewG). Die Gestaltung des Gebäudes entspricht weitgehend den bereits in der Rechtsprechung jeweils als Einfamilienhaus gewürdigten Fällen (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1986 II R 245/82 BFHE 146, 170, BStBl. II 1986, 446 m.w.N.).

    3. Ob bei der Beurteilung der Grundstücksart auf den nunmehr streitigen Stichtag 1.1.1992 von dem sogenannten neuen Wohnungsbegriff (seit der o.a. BFH-Rechtsprechung) auszugehen wäre, kann offen bleiben. Selbst wenn es sich bei den 1991 abgeschlossenen Baumaßnahmen um solche handeln würde, die sich möglicherweise auf die Grundstücksart auswirken könnten, könnten die Wohnräume im Dachgeschoss, die in sich abgeschlossen sind, ebensowenig eine eigenständige Wohnung bilden wie die sog. zweite Wohnung im OG, weil sie in derselben Weise nur durch den Wohnbereich der Hauptwohnung zugänglich sind.

    Da die Baumaßnahmen von 1991 somit auch die tatsächlichen Grundlagen der zuvor eigentlich zutreffenden Grundstücksart im Ergebnis nicht geändert haben, könnte insoweit möglicherweise allenfalls die Fehlerhaftigkeit der vorherigen Artfeststellung auf gemischt genutztes Grundstück verstärkt worden sein. Dies rechtfertigt eine Fortschreibung jedoch nicht.

    4. Diese Umstände machen den angefochtenen Artfortschreibungs-Bescheid auf den 1.1.1992 auch unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten nicht rechtswidrig.

    Eine Änderung des Nachfeststellungs-Bescheids vom 20. Oktober 1975 wegen nachträglich bekannt gewordener Tatsachen (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO) könnte zwar denkbar sein, weil möglicherweise die genauen Nutzungsverhältnisse, die nach den in den Akten vorhandenen Anhaltspunkten vom Kläger zumindest widersprüchlich dargestellt worden sind, und die Gestaltung des Gebäudes, aufgrund derer eine Beeinträchtigung des Einfamilienhaus durch die Praxisräume hätte beurteilt werden können, dem FA erst nach Erlass dieses Bescheids bekannt geworden sind. Der angefochtene Fortschreibungs-Bescheid kann aber deshalb nicht als Änderungs-Bescheid ausgelegt werden, weil hierfür ein völlig anderer Feststellungszeitpunkt zutreffen würde.

    Als Fortschreibung zur Beseitigung eines in der vorherigen Artfeststellung etwa liegenden Fehlers ist der angefochtene Bescheid ebenfalls nicht gerechtfertigt, weil er auf einen früheren Feststellungszeitpunkt ergangen ist, als er für eine fehlerbeseitigende Fortschreibung in Betracht kommt (§ 22 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 BewG). Die tatsächlichen Nutzungsverhältnisse und die Gestaltung bezüglich der Praxisräume sind dem FA nicht bereits im Lauf des Jahres 1992 bekannt geworden, sondern erst mit der am 11. März 1993 eingegangenen Einheitswert-Erklärung mit beigefügter Flächenberechnung, möglicherweise auch erst mit den 1996 durchgeführten Ermittlungen. Eine fehlerbeseitigende Artfortschreibung wäre daher frühestens auf den 1.1.1993 zulässig gewesen.

    Das Gericht kann den Feststellungszeitpunkt des angefochtenen Artfortschreibungs-Bescheids nicht ändern. Der in einem Einheitswert-Bescheid festgelegte Feststellungszeitpunkt unterliegt nicht der ändernden Entscheidung des Gerichts (§ 100 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der Feststellungszeitpunkt gehört nämlich (ebenso wie die Angabe des bewerteten Grundstücks) nur zur Umschreibung des von dem Bescheid betroffenen Regelungs-Gegenstands und ist nicht selbst Teil der in dem Bescheid getroffenen Regelung. Jeder Feststellungszeitpunkt ist demnach für sich zu betrachten. Ein auf einen bestimmten Stichtag ergangener Bescheid kann nur darauf überprüft werden, inwieweit die darin enthaltenen Feststellungen für eben diesen Stichtag rechtmäßig sind (vgl. Gürsching/Stenger, Kommentar zum BewG und Vermögensteuergesetz, § 22 BewG. Rdnr. 138).

    5. Die sachlichen Verhältnisse, die für die Anwendung des Bewertungsverfahrens zur Ermittlung des Einheitswerts maßgebend sind, haben sich durch die 1991 abgeschlossenen Baumaßnahmen ebensowenig geändert wie bezüglich der Grundstücksart. Dabei kann offen bleiben, inwieweit die für die Anwendung des Sachwertverfahrens auf Ein- oder Zweifamilienhäuser nach § 76 Abs. 3 Nr. 1 BewG durch die Rechtsprechung entwickelten Grundsätze direkt oder mittelbar auf gemischt genutzte Grundstücke angewendet werden können, weil es sich bei Vorliegen der dortigen Kriterien um „Einzelfälle” handeln könnte, für die eine „übliche Miete … nicht geschätzt werden kann” (§ 76 Abs. 3 Nr. 2 BewG).

    Die Wohnfläche wurde zwar erhöht, sie erreichte aber schon bei Fertigstellung des Gebäudes die Grenze von 220 qm selbst nach der damaligen Erklärung des Klägers, wenn die Flächen der vermeintlichen beiden Wohnungen zutreffenderweise zusammengerechnet werden. Wie in der obigen Berechnung dargestellt, war die vorhandene Wohnfläche tatsächlich höher, weil einige Flächen unzutreffend den Praxisräumen zugerechnet wurden. Außer einigen kleineren Korrekturen in den verschiedenen Berechnungen des Architekten wären der Wohnfläche zumindest noch Anteile des überdachten Balkons vor den Schlafräumen im OG und der beiden jeweils überdachten Sitzplätze im EG und OG hinzuzurechnen (vgl. rechtskräftiges Urteil des Senats vom 8. September 1994 3 K 229/89, EFG 1995, 191). Jedenfalls bei zutreffender Artfeststellung lagen demnach bereits im Zeitpunkt der Nachfeststellung auf den 1.1.1974 die Voraussetzungen für die Bewertung nach dem Sachwertverfahren vor. Daran hat sich zu dem hier streitigen Feststellungszeitpunkt nichts geändert. Deshalb fehlt es insoweit an einem Fortschreibungsgrund.

    Aus den bezüglich der Artfeststellung oben ausgeführten Gründen kann auch die Wertfortschreibung nach dem Sachwertverfahren auf den streitigen Stichtag nicht als Änderung oder Fortschreibung zur Fehlerbeseitigung angesehen und gerechtfertigt werden.

    6. Der somit zum streitigen Feststellungszeitpunkt 1.1.1992 nach wie vor nach dem Ertragswertverfahren zu ermittelnde Einheitswert war jedoch zu erhöhen, weil sich die Fläche der Wohnräume 1991 durch den Ausbau des DG um 93 qm vermehrt hat. Nach den für die Schätzung der Jahresrohmiete maßgebenden Wertverhältnissen vom 1.1.1964 (§§ 27, 79 Abs. 2, 5 BewG) ist die Ausstattung der nach jetzigem Standard ausgebauten Räume als „sehr gut” einzustufen. Deshalb ist die vom FA schon bisher für die EG-/OG-Wohnung angesetzte Mietspiegel-Miete in Höhe von 37,50 DM/qm hier als Jahresrohmiete zu übernehmen.

    Die Jahresrohmiete für die neu ausgebauten Wohnräume von somit 3.487 DM erhöht die bisherige Summe von 16.455 DM. Die neue Summe von 19.942 DM ist der Wertfortschreibung zugrunde zu legen, obwohl sie höher ist, als die Gesamt-Jahresrohmiete, die sich bei zutreffendem Ansatz der verschieden genutzten Flächen ergeben würde (vgl. die Berechnung oben unter 1.). Da es sich dabei um Fehler in der Bewertung handelt, könnten diese allenfalls zu einem späteren Stichtag im Wege der fehlerbeseitigenden Fortschreibung berücksichtigt werden, während zum hier streitigen Feststellungszeitpunkt lediglich die Erhöhung der Jahresrohmiete durch Vermehrung der nutzbaren Flächen anzusetzen ist (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1998 II R 5/96, BFH/NV 1998, 1070).

    Bei Anwendung des für das Grundstück des Klägers geltenden (unveränderten) Vervielfältigers von 9,6 auf die neue Jahresrohmiete von 19.942 DM ergibt sich ein Ertragswert von 191.443 DM, der (wie bisher) um 23.955 DM Zuschlag wegen übergroßer Grundstücksfläche zu erhöhen ist. Der Einheitswert war demnach auf (abgerundet) 215.300 DM festzustellen.

    7. Da die Klage somit nur teilweise Erfolg haben konnte, waren die Kosten des Verfahrens zwischen den Beteiligten zu verteilen (§ 136 Abs. 1 FGO).

    Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 Zivilprozessordnung.

    Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der gesetzlichen Gründe dafür vorliegt (§ 115 Abs. 2 FGO).

    VorschriftenBewG § 75 Abs. 4, BewG § 75 Abs. 5, BewG § 76, BewG § 22 Abs. 1, BewG § 22 Abs. 2, BewG § 22 Abs. 3, BewG § 22 Abs. 4 Nr. 2