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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 06.09.2000 – 2 K 9/99

    Aufwendungen für die Errichtung eines neuen Treppenhauses, das teilweise aus dem bestehenden Gebäude ausgelagert und in einem neu errichteten Erweiterungsbau untergebracht ist, sind nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes.


    Tatbestand

    Streitig ist im Veranlagungszeitraum 1997, ob es sich bei den Kosten für die Errichtung eines Treppenhauses um Herstellungs- oder Erhaltungsaufwand handelt.

    Die Kläger sind Eigentümer eines Zweifamilienhauses in …. Mit Abgabe ihrer Einkommensteuererklärung für 1997 machten sie bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung Aufwendungen für einen Treppenhausanbau in Höhe von 56.818,51 DM als Werbungskosten geltend.

    Aufgrund einer abgekürzten Außenprüfung gelangte der Prüfer des beklagten Finanzamts (FA) zu der Auffassung, dass es sich hierbei um nachträgliche Herstellungskosten des Gebäudes gehandelt hat, da das neue Treppenhaus teilweise aus dem bestehenden Gebäude ausgelagert und in einem neu errichteten Erweiterungsbau untergebracht war.

    Im Einkommensteuerbescheid für 1997 vom 15. Juli 1998 wurden daher die Bauaufwendungen für das Treppenhaus nur in Höhe der Abschreibung von 2,5 % aus 56.819 DM als Werbungskosten steuermindernd berücksichtigt.

    Hiergegen wenden sich die Kläger nach vorangegangenem erfolglosem Rechtsbehelfsverfahren mit ihrer Klage, in deren Verlauf sie im wesentlichen folgendes vortragen lassen: Die neue Treppe habe die bereits vorhandene alte Treppe ersetzt, die im Laufe der Jahre ausgetreten und unansehnlich geworden sei. Da das vorhandene Treppenhaus für den Einbau einer neuen Treppe nach heutigen DIN-Normen zu klein gewesen sei, habe das Treppenhaus erweitert bzw. nach außen verlegt werden müssen.

    Zu den Erhaltungskosten gehörten Aufwendungen für die laufende Instandhaltung und Instandsetzung eines Gebäudes. Dagegen lägen nur dann Herstellungskosten vor, wenn durch Baumaßnahmen das Gebäude wesentlich in seiner Substanz vermehrt, in seinem Wesen verändert oder über seinen bisherigen Zustand hinaus deutlich verbessert worden sei. Diese Voraussetzungen seien im Streitfalle nicht gegeben.

    Insbesondere fehle es auch an einer Vergrößerung der nutzbaren Fläche. Die Nutzfläche sei in sinngemäßer Anwendung der 2. Berechnungsverordnung zu ermitteln. Da die Flächen eines Treppenhauses bei einem Zweifamilienhaus nicht als Nutzfläche im Sinne der 2. Berechnungsverordnung anzusehen seien, sei eine Vergrößerung der Nutzfläche somit nicht gegeben.

    Auch von einer Substanzmehrung könne nicht ausgegangen werden, da der neue Gebäudebestandteil die Funktion des bisherigen Gebäudebestandteils für das Gebäude in vergleichbarer Weise erfülle. Da lediglich die bisherigen Abmessungen des Treppenhauses den Einbau einer neuen, den DIN-Vorschriften entsprechenden Treppe nicht gestattet habe, habe das Treppenhaus vergrößert werden müssen. Damit sei zwar mit dem Einbau der neuen Treppe und der damit verbundenen Erweiterung des Treppenhauses ein technischer Fortschritt verbunden gewesen. Für die Beurteilung der Baumaßnahmen als Erhaltungsaufwand sei dies jedoch unerheblich.

    Eine über den ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung läge ebenfalls nicht vor. Dies könne nur dann angenommen werden, wenn der Gebrauchswert des Gebäudes durch die Baumaßnahme insgesamt deutlich erhöht werde und damit für die Zukunft eine erweiterte Nutzungsmöglichkeit geschaffen werde. Dies sei hier nicht der Fall. Der Wohnstandard des Gebäudes sei durch den Bau des Treppenhauses und der neuen Treppe nicht maßgeblich gesteigert worden. Auch sei weder die tatsächliche Nutzungsdauer des Hauses durch die Baumaßnahmen verlängert worden, noch könne im Falle der Vermietung ein höherer Mietpreis durch den Einbau der neuen Treppe erzielt werden.

    Auf die dem Gericht vorgelegten Baupläne wird wegen aller Einzelheiten verwiesen.

    Die Kläger stellen den Antrag,

    den Einkommensteuerbescheid 1997 vom 15. Juli 1998 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung zu ändern, die Bauaufwendungen für das Treppenhaus in Höhe von 56.818,51 DM als Erhaltungsaufwand zu berücksichtigen und die Einkommensteuerschuld entsprechend herabzusetzen.

    Das FA beantragt,

    die Klage abzuweisen.

    Aufwendungen, die – wie im Streitfall – für die Erweiterung eines bestehenden Gebäudes anfielen, müssten nach ständiger Rechtsprechung den Herstellungskosten zugerechnet werden. Im übrigen sei für den Anbau des Treppenhauses eine Baugenehmigung erforderlich gewesen, die von den Klägern im März 1997 beantragt worden sei.

    Ausweislich der Pläne und Berechnungen des Architekten sei die nutzbare Fläche des Gebäudes auf 4 Stockwerken um jeweils 5,57 m² erweitert, insgesamt also um mehr als 20 m² vergrößert worden. Unbeachtlich sei dagegen, dass diese Erweiterung der Grundfläche bei der Berechnung der „Wohnfläche” gem. der 2. Berechnungsverordnung außer Ansatz bleibe.

    Eine Vermehrung der Substanz sei in jedem Falle eingetreten. Der Anbau habe ein Außenmaß von 2,88 × 1,93 m, der umbaute Raum sei über 4 Stockwerke um 72,968 m³ erweitert worden.

    Mit Gerichtsbescheid des Berichterstatters v. 19. Juli 2000 wurde die Klage als unbegründet zurückgewiesen. Die hiergegen rechtzeitig beantragte mündliche Verhandlung hat am 6. September 2000 stattgefunden.

    Gründe

    Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Kosten für den Treppenanbau zu Recht als Herstellungskosten qualifiziert.

    Der Senat hält an den Ausführungen im Gerichtsbescheid v. 19. Juli 2000 fest, auf den wegen aller Einzelheiten verwiesen wird. Auch in der mündlichen Verhandlung wurden keine Gesichtspunkte vorgetragen, die dem Senat hätten Veranlassung geben können, von dieser Auffassung abzuweichen.

    Herstellungskosten sind nach § 255 Abs. 2 Satz 1 Handelsgesetzbuch (HGB) die Aufwendungen, die durch Verbrauch von Gutem und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Diese handelsrechtliche Begriffsbestimmung gilt ebenso für das Steuerrecht, und zwar auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs vom 4. Juli 1990 GrS 1/89, BStBl II 1990, 830). Hiernach führen Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen u. a. dann zu – nachträglichen – Herstellungskosten, wenn sie für eine Erweiterung des Gebäudes i.S.d. § 255 Abs. 2 S. 1 HGB entstehen. Eine solche Erweiterung liegt vor, wenn ein Gebäude aufgestockt oder daran ein Anbau errichtet wird (§ 17 Abs. 2 Zweites Wohnbaugesetz), die nach den §§ 43, 44 der 2. Berechnungsverordnung zu ermittelnde nutzbare Fläche vergrößert oder es in seiner Substanz vermehrt wird. Die letztgenannte Voraussetzung ist immer dann gegeben, wenn nachträglich zusätzliche Bestandteile eingebaut oder angefügt werden, die bislang nicht vorhanden waren. Erhaltungsaufwendungen sind dagegen dann anzunehmen, wenn der neue Gebäudebestandteil die Funktion des bisherigen Gebäudebestandteils für das Gebäude in vergleichbarer Weise erfüllt (BFH-Urteile vom 19. Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24; vom 19. Juni 1991 IX R 1/87, BStBl 1992, 73; vom 1. Dezember 1992 IX R 333/87, BStBl 1994, 12; vom 27. Januar 1993 IX R 97/88, BStBl 1993, 601; vom 9. Mai 1995 IX R 88/90, BStBl 1996, 628).

    Die streitige Baumaßnahme hat zu einer Substanzvermehrung geführt. Aus den dem Gericht vorliegenden Bauplänen ergibt sich zweifelsfrei, dass der ursprüngliche Baukörper durch den sich bis in das Dachgeschoss hinauf erstreckenden Treppenhausanbau in markanter Weise eine nicht unerhebliche Erweiterung erfahren hat. Zwar ist hierdurch die sich nach den §§ 43, 44 der 2. Berechnungsverordnung zu ermittelnde nutzbare Fläche des Gebäudes nicht verändert worden, da die neu hinzugekommenen Flächen der Treppenhauspodeste hierin nicht einzubeziehen sind. Entgegen der Auffassung der Kläger liefern die Vorschriften über die Wohnflächenberechnung nach der 2. Berechnungsverordnung jedoch keine Beurteilungskriterien für die Entscheidung der Frage, ob die Gebäudesubstanz im Sinne der einkommensteuerrechtlichen Abgrenzung zwischen Erhaltungsaufwand und Herstellungsaufwand wesentlich vermehrt worden ist oder nicht (BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 170/80, BFH/NV 1986, 24).

    Es ist zwar richtig, wenn die Kläger vortragen lassen, die neue Treppe habe keinem anderen Zweck gedient als die bisher vorhandene alte Treppe, nämlich die Erreichbarkeit der anderen Stockwerke zu gewährleisten. Ausschlaggebend ist im Streitfall aber der Umstand, dass das Treppenhaus durch die Baumaßnahmen aus dem bisherigen Gebäude ausgelagert und in einen neuen Treppenhausanbau verlegt worden ist. Bei der steuerrechtlichen Beurteilung dieser Baumaßnahme ist daher nicht isoliert die Tatsache zu würdigen, dass lediglich die Treppe erneuert worden ist, sondern vielmehr der Umstand, dass etwas Neues, bisher nicht Vorhandenes entstanden ist, nämlich ein Treppenhausanbau, der diese neue Treppe aufnimmt.

    Hiernach war die Klage mit der Kostenfolge aus den §§ 135 Abs. 1, 143 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen.

    Die Revision konnte nicht zugelassen werden, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht gegeben sind.

    VorschriftenHGB § 255 Abs 2 Satz 1, EStG § 9 Abs 1, EStG § 7 Abs 4