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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 16.02.2000 – 12 K 233/96

    1. Hat eine GmbH & Co. KG als Organträgerin den Erlass von Umsatzsteuer beantragt, ist bei der Beurteilung ihrer Erlasswürdigkeit nur die Existenzgefährdung ihres Betriebs bzw. der Betriebe ihrer Organgesellschaften zu berücksichtigen, nicht aber die mögliche Existenzgefährdung Dritter wie z.B. ihres Komplementärs (Anschluss an BVerwG-Beschluss vom 19.2.1982 - 8 B 209/81).

    2. Ein Erlass von Umsatzsteuer wegen persönlicher Billigkeitsgründe setzt voraus, dass die Erhebung der Umsatzsteuer die wirtschaftliche oder persönliche (rechtliche) Existenz des Unternehmens vernichten oder ernstlich gefährden würde, dass sich die Billigkeitsmaßnahme noch auf die wirtschaftliche Existenz des Unetrnehmens auswirken kann, dass die wirtschaftliche Notlage durch die Umsatzsteuerfestsetzung selbst verursacht worden ist und der Erlass eine betriebserhaltende Wirkung hat (im Streitfall kein Erlass, weil der Betrieb der Organmutter nach dem vorgesehenen Konzept eingestellt werden sollte und die anderweitigen Verbindlichkeiten die Steuerschulden um ein Zigfaches überstiegen).


    Im Namen des Volkes hat der 12. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg – aufgrund der mündlichen Verhandlung – in der Sitzung vom 16. Februar 2000 durch

    Vorsitzenden Richter am Finanzgericht …

    Richter am Finanzgericht …

    Ehrenamtliche Richter …

    für Recht erkannt:

    1. Die Klage wird abgewiesen.

    2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

    3. Die Revision wird nicht zugelassen.

    Tatbestand

    Streitig ist, ob Umsatzsteuer (USt)-Beträge, die aus Gebäudeherstellungsverträgen des Veranlagungszeitraums (VZ) 1993 herrühren, nach § 227 der Abgabenordnung (AO) zu erlassen sind.

    Die Klägerin (Klin) ist eine GmbH & Co KG, die zumindest bis in den Herbst 1996 eine Bauunternehmung im Hoch- und Tiefbau betrieb. Ihr Komplementär war im Jahr 1996 und den Folgejahren … (B), der seit 13. März 1995 als persönlich haftender Gesellschafter im Handelsregister eingetragen war. Kommanditistin der Klin war die … GmbH, deren Alleingeschäftsführer und Alleingesellschafter ebenfalls B war. Daneben war B Alleingeschäftsführer und Alleingesellschafter der … … GmbH … (im folgenden: W-GmbH), und der … … (im folgenden: V-GmbH). Darüber hinaus betätigte B sich im Rahmen eines Einzelunternehmens im Bereich des gewerblichen Grundstückshandels.

    Zwischen der Klin und der W-GmbH sowie der V-GmbH waren am 24. November 1988 Unternehmensverträge über die Gewinnabführung bzw. Verlustübernahme dieser Gesellschaften an die Klin abgeschlossen worden, so daß zwischen der Klin und diesen Gesellschaften ein Organschaftsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestand.

    Im Sommer 1996 geriet B, die Klin und deren Organgesellschaften in Liquiditätsschwierigkeiten.

    Per Fax stellte die Klin beim Beklagten (Bekl) am 27. August 1996 den Antrag, ihr zum Zwecke eines außergerichtlichen Liquidationsvergleichs von USt-Rückständen in Höhe von insgesamt DM 503.686 im Rahmen eines Teilerlasses von 60%, also DM 302.211 zu erlassen. Unter Beifügung einer „Aktennotiz/… Ermittlung des Kapitalbedarfs zum Zweck eines Liquidationsvergleichs, Stand ….1996”, in der ein „Fehlbetrag” in Höhe von DM 454.783 ausgewiesen war, begründete sie ihr Begehren damit, fehlende Verkäufe im Bereich des Wohnungsunternehmens, ein drastischer Verfall der Immobilien-Werte als Sicherheiten für Bankkredite und die fehlenden Aufträge im Bereich des Bauunternehmens hätten eine Situation herbeigeführt, die die alleinige Haus-Bank, die … (im folgenden: KSK) veranlaßt hätten, keine Zahlungen mehr auszuführen. Damit sei die Firma zahlungsunfähig. Andererseits wolle die KSK einen Konkurs wegen einer evtl. Domino-Wirkung im Immoblienbereich vermeiden und habe deshalb ihre Bereitschaft erklärt, einen 40%igen Liquidationsvergleich zu finanzieren. Weil alle Sicherheiten bei der KSK seien, müßte ein Konkurs mangels Masse abgelehnt werden. Da der Betriebsrat und die Gewerkschaft „noch heute” ihre Zustimmung zur Betriebseinstellung und zum Interessenausgleich erteilen würden, müsse der Bekl seine Entscheidung bis Freitag, den 30. August 1996 treffen, weil die Gewerkschaft nur bis zu diesem Zeitpunkt ihre Zusage im Hinblick auf die Rechtslage beim Konkursausfallgeld aufrecht erhalten könne. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift vom 27. August 1996 und ihre Anlage hingewiesen.

    Der Antrag auf Teilerlaß von USt wurde vom Bekl mit schriftlichem Verwaltungsakt vom 30. August 1996 abgelehnt. Unter Hinweis darauf, daß nach seinen Unterlagen USt-Rückstände aus dem Voranmeldungszeitraum April 1996 in Höhe von DM 517.562,90 bestünden und USt-Schulden aus den Jahren 1990 bis 1993 in Höhe von rund DM 430.748 offen seien, vertrat der Bekl die Auffassung, ein Teilerlaß der USt-Schuld in Höhe von DM 302.211 wegen sachlicher Unbilligkeit scheide aus, weil die Abführung der treuhänderisch vereinnahmten USt der Kunden unabhängig von der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens zu erfolgen habe. Ein Erlaß wegen persönlicher Billigkeitsgründe käme nicht in Betracht, weil die Erlaßbedürftigkeit der Klin nicht vorläge. Es fehle daran, daß die Erhebung der Steuer eine wesentliche Ursache für die Existenzgefährdung darstelle, weil der Betrieb der Klin ohnehin nicht mehr sanierungsfähig sei oder so hohe außersteuerliche Verbindlichkeiten bestünden, daß ein Steuerverzicht nicht ihr, sondern anderen Gläubigem zugute käme. So weise die Bilanz 1995 außersteuerliche Bankverbindlichkeiten in Höhe von DM 7.124.381 aus. Ein Billigkeitserlaß komme aber dann nicht in Betracht, wenn er im wirtschaftlichen Ergebnis lediglich dritten Gläubigem des Steuerpflichtigen zugute kommen würde, wovon bei einem drohenden Konkursverfahren oder – wie im Fall der Klin – in der Situation eines Liquidationsvergleichs auszugehen sei. Auch dürfe die Tatsache nicht verkannt werden, daß B 1995 seine Kommanditistenstellung aufgegeben und damit als persönlich haftender Gesellschafter nach § 191 Abs. 1 AO in Haftung genommen werden könne, so daß im Hinblick auf die Regelung des § 191 Abs. 5 Nr. 2 AO ein Erlaß rückständiger Steuern gegenüber dem Steuerschuldner regelmäßig nicht in Betracht käme. Schließlich sei bei einer Gesamtbetrachtung im Hinblick auf die USt auch kein unerwarteter und von der betroffenen Klin nicht zu vertretender Vermögensverfall eingetreten.

    Gegen den Ablehnungsbescheid, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, legte die Klin am 2. September 1996 per Fax Einspruch ein. Dieser wurde vom Prozeßbevollmächtigten der Klin mit Schriftsatz vom 9. September 1996 am 10. September 1996 weiter damit begründet, die Zahlungsunfähigkeit wegen des Ausbleibens weiterer Kreditmittel von der Hausbank sei Anlaß für den Antrag auf Teilerlaß gewesen. Den Konkursantrag könne die Klin nur abwenden, wenn sie das Angebot der KSK, einen einmaligen Kredit zum Zwecke eines außergerichtlichen Vergleichs unter gleichzeitiger Beendigung der Geschäftstätigkeit des Bauunternehmens zu erhalten, annehme. Dies setze die Einigung mit allen Gläubigem über den Teilerlaß von Forderungen voraus. Sowohl objektive wie subjektive Gründe sprächen für einen Teilerlaß der vom Steuerberater der Klin errechneten USt-Schuld in Höhe von DM 503.686, bei der die Abtretung des USt-Erstattungsbetrags in Höhe von DM 484.350 bereits berücksichtigt sei.

    Hinsichtlich eines Teilbetrags beruhe diese USt-Schuld aus den Feststellungen der Betriebsprüfung (Bp) unter Ziff. 7.01 des Bp-Berichts vom 23. November 1995 bei der W-GmbH als Organgesellschaft. Diese habe am 6. November 1991 bzw. am … 1992 von den Eigentümern … und … in … … Miteigentumsanteile an deren Baugrundstücken erworben und gemeinsam mit den Eigentümern der beiden Restgrundstücke am 22. Mai 1992 das Gesamtgrundstück in Wohnungseigentum aufgeteilt. Gegenüber den Veräußerern … und … habe die W-GmbH notariell die Bauverpflichtung zur Herstellung von Wohnungseigentum übernommen, wobei sie den Bauherren Zahlungsraten nach Baufortschritt nach den Bestimmungen der Makler- und Bauträgerverordnung (MBVO) in Rechnung gestellt habe, in denen keine Mehrwertsteuer (MWSt) enthalten gewesen sei. Der Geschäftsführer (GF) B sei im Zeitpunkt der Rechnungsstellung davon ausgegangen, daß das Teileigentum der Bauherren, das mit dem übrigen Bauvorhaben in unlöslichem Zusammenhang gestanden habe, bei einem Verkehrsvorgang allenfalls der Grunderwerbsteuer (GrESt), nicht aber der MWSt unterliege. Aus diesem Grunde sei die MWSt auch nicht abgewälzt worden. Da die Ratenzahlungen bis auf eine Schlußzahlung in Höhe von 3,5% bereits im Jahr 1993 fällig gewesen und ausgeglichen worden seien, sei eine Nachforderung wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Verjährung nicht mehr möglich. Dieser Sachverhalt rechtfertige jedenfalls einen Erlaß dieses Teilbetrags in Höhe von DM 180.024.

    Hinsichtlich eines Erlaßbetrags in Höhe von insgesamt DM 302.000 (60% der offenen USt-Schuld), läge die Erlaßbedürftigkeit der Klin und ihres persönlich haftenden Gesellschafters B vor. Dies ergebe sich aus der Vermögens- und Ertragslage der Klin, ihres persönlich haftenden Gesellschafters und der Kommanditistin sowie der V-GmbH und der W-GmbH. So hafte B als Einzelunternehmer, Komplementär der Klin und aufgrund der Organschaftsverträge mit der W-GmbH und der V-GmbH persönlich. Dies gelte darüber hinaus auch für alle Bankkredite der KSK als Hausbank der Klin sowie aller verbundenen Unternehmen aufgrund banküblicher Zweckerklärungen und persönlicher Bürgschaft oder Mithaft für die Kredite an die haftungsbeschränkten Gesellschaften. Aus den Jahresabschlüssen auf den 31. Dezember 1995 beigefügten Inventaren für die Klin und die verbundenen Gesellschaften und Personen ergebe sich ein Bilanzansatz für das Immobilienvermögen aller Rechtsträger ohne zwei im Privateigentum des B stehenden Gebäude in Höhe von DM 33.295.000. Beim Privatvermögen des B handele es sich um ein … haus in …, von dessen vier Wohnungen eine zum Preis von DM 520.000 verkauft worden sei, sowie um ein Ferienhaus, das zum Preis von DM 160.000 ebenfalls verkauft worden sei. Die Kaufpreise seien der KSK als Grundschuldgläubigerin zugeflossen. Die KSK habe von einer Steuerberatungsgesellschaft auf den 30. Juni 1996 eine Wertermittlung des Immobilienvermögens vornehmen lassen. Die Wertannahmen bei den Grundstücken der Klin mit DM 6.166.000 und bei der W-GmbH mit DM 12.003.000 lägen beträchtlich unter den von der KSK dort abgesicherten Bankverbindlichkeiten mit DM 7.095.000 bzw. DM 17.146.000. Die Grundstücke des Einzelunternehmens und des Privatvermögens seien zwar von der Steuerberaterungsgesellschaft höher als die dort abgesicherten Bankverbindlichkeiten bewertet worden, jedoch vermöge der Unterschiedsbetrag nicht die Unterdeckung der KSK bei der V-GmbH auszugleichen. Die in deren Eigentum stehenden … Hotels seien von der KSK mit DM 10.251.000 neben anderen Kreditgeber mit DM 1.445.000 beliehen worden. Der Verkauf dieser Hotels habe jedoch lediglich DM 6.100.000 zuzüglich MWSt erbracht. Das Gutachten der Steuerberatungsgesellschaft habe für die Grundstücke eine Wertannahme in Höhe von nur DM 26.101.000 erbracht, deren Verkehrswert von der KSK bis dahin mit DM 34.437.000 angenommen worden sei. Diese Differenz und der nach Verkauf de… Hotels verbliebene ungesicherte Kredit von mehr als DM 4 Mio. sei Anlaß für die KSK gewesen, jede weitere Zahlung an die Klin auszusetzen. Neben dem Immobiliarvermögen seien nur Vermögensgegenstände vorhanden, die im Falle einer Liquidation nur zu geringen Veräußerungserlösen führen dürften, wobei von den Fahrzeugen ein LKW bereits sicherungsübereignet sei. Das Privatvermögen des B halte sich in bescheidenen Grenzen. Das … haus diene in Höhe seines voraussichtlichen Restverkehrswerts als Grundschuldsicherheit der Hausbank. Darüber hinaus habe B drei Lebensversicherungen mit Rückkaufswerten von DM 230.000, DM 575.000 und DM 29.000 an die KSK abgetreten. Der Hausrat, der überwiegend im Eigentum der Ehefrau des B stehe, dürfte bei einer zwangsweisen Verwertung kaum nennenswerte Erlöse bringen. Die Ertragslage der Klin sei in den beiden vergangenen Jahren ebenso wie im laufenden Jahr negativ. Angesichts der derzeit möglichen Erlöse für Bauleistungen sei eine Änderung hierzu nicht in Sicht. Sie habe daher im Einvernehmen mit der KSK die Einstellung des Bauunternehmens zur Vermeidung weiterer Verluste in die Wege geleitet und sämtlichen Mitarbeitern mit Zustimmung des Betriebsrates gekündigt. Nach den gesetzlichen Kündigungsfristen liefen die letzten Arbeitsverhältnisse zum 31. März 1997 aus. Bis dahin sei eine volle Deckung des Betriebsaufwandes nicht mehr zu erwarten. Vielmehr sei mit weiteren Verlusten zu rechnen. Die Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung (VuV) seien insgesamt an die KSK abgetreten, so daß hieraus keine zur Verfügung der Klin stehenden Mittel mehr zuflössen. Die W-GmbH werde in kleinem Umfang, nämlich bei einem jährlichen Bruttoertrag von ca. DM 110.000 Gebühren auch als Verwalter nach dem WEG tätig. Diesem Ertrag stünden Personal- und Sachkosten von ca. DM 80.000 gegenüber, die bei eigener Verwaltertätigkeit des B diesem ein Einkommen wenigstens auf Zeit sichern könnten. Die KSK habe für den Fall einer Stillegung des Betriebs und der stillen Liquidation des Unternehmens ausweislich des Schreibens vom 4. September 1996 an den Prozeßbevollmächtigten der Klin trotz der erwarteten Unterdeckung in Höhe von bis zu DM 500.000 eine einmalige Kreditierung in Aussicht gestellt. Diese außergerichtliche Erledigung stelle die einzige Alternative zu einem Konkursantrag wegen Iliquidität dar. Mit dem Betriebsrat sei im Wege des Interessenausgleichs ein Sozialplan vereinbart worden, der im Fall einer vergleichsweisen Erledigung zu einem Aufwand in Höhe von DM 180.000, bei Abwicklung in einem Konkursverfahren oder bei Nichteröffnung desselben zur Zahlung in Höhe von DM 399.000 führen würde. Allen Mitarbeitern – ausgenommen ein schwerbeschädigter Mitarbeiter, für welchen die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle noch ausstehe – sei mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt worden. Die Durchführung des Vergleichs sei nur möglich, wenn sowohl die ungesicherten Gläubiger (Lieferanten), wie die Finanzverwaltung hinsichtlich der USt verzichteten. Unter Berücksichtigung der bisherigen Absprachen ergebe sich der durch die Finanzierungszusage der KSK abgesicherte Vorschlag eines außergerichtlichen Vergleichs mit einem Zuschußbedarf in Höhe von DM 489.005. Die Nichtdurchführung des vorgesehenen Vergleichs zwinge B als persönlich haftenden Gesellschafter zur Vermeidung strafbaren Verhaltens innerhalb der Konkursantragsfrist Konkursantrag für die Klin zu stellen. Dessen Ablehnung sei zu erwarten, da die bei Durchführung des Verfahrens entstehenden Kosten aus den vorhandenen flüssigen Mitteln nicht gedeckt werden könnten und die Verwertung anderen Vermögens jedenfalls gegenwärtig und auch kurz- oder mittelfristig nicht zur Verfügung stünden. Aufgrund der Absonderungsrechte der Bank und der gesicherten Warenlieferanten sowie des Vorrangs der Ansprüche aus dem Sozialplan böten Vollstreckungsmaßnahmen des Fiskus wenig Aussicht auf Erfolg, da auch die persönliche Haftung des Komplementärs die Vermögensbasis für eine Vollstreckung von Forderungen nicht nennenswert erweitere. Mit dem Konkurs der Klin werde zwangsläufig über die persönliche Haftung des B und die alsbaldige Verwertung seiner Gesellschafterrechte und weiterer Immobilien in die Wege geleitet. Damit werde B der Möglichkeit einer weiteren beruflichen Tätigkeit und der Deckung seines Lebensunterhalts beraubt. Dieser vollende im September 1996 das … Lebensjahr, sei verheiratet und habe keine Sozialversicherungsansprüche, da er sein Alter über Lebensversicherungen und sein Vermögen abgesichert gesehen habe. Bereits seit Jahresbeginn 1996 decke der Komplementär seinen Lebensunterhalt aus Kredit, den er durch Beleihung einer Lebensversicherung über DM 500.000, fällig in 1998, aufgenommen habe. Die drohende Insolvenz sei weder von der Klin noch ihrem Komplementär zu vertreten, da sie weitgehend die Folge einerseits der konjunkturellen und strukturellen Krise am Immobilienmarkt und andererseits der Dumpingkonkurrenz bei Bauleistungen durch Billiglohnkräfte sei. Die Klin gehe davon aus, daß der Antrag auf Erlaß durch die allseitige Zustimmung zum außergerichtlichen Vergleich und die Zahlung des nicht zum Erlaß beantragten Teils der Steuer bedingt sei. Damit einher gehe die Bitte, über den Einspruch innerhalb der für die anderen Gläubiger aufgegebenen Erklärungsfrist bis 25. September 1996 zu entscheiden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Begründungsschrift vom 9. September 1996 und ihre Anlagen (Zusammenstellung der noch offenen USt-Rückstände vom 4. September 1996, Schreiben der KSK an den Prozeßbevollmächtigten der Klin vom 4. September 1996, Ermittlung des Finanzbedarfs einen Liquidationsvergleichs/Stand: Ende August 1996 und Schreiben an die Gläubiger der Klin vom 6. September 1999 mit vorbereiteter Zustimmungserklärung) Bezug genommen.

    Der Einspruch wurde vom Bekl mit Entscheidung vom 26. September 1996 als unbegründet zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, vertrat er die Auffassung, im Fall der Klin könne ein Billigkeitserlaß ohnehin nur für einen Teilbetrag der USt 1993 in Höhe von DM 180.024 in Betracht kommen, da nur für diesen Betrag eine Abwälzung der USt auf die Abnehmer nicht mehr möglich sei. Sachliche Billigkeitsgründe seien weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich. Persönliche Gründe lägen nicht vor, weil die Klin nicht erlaßbedürftig sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) setze die Erlaßbedürftigkeit voraus, daß im Falle der Versagung des Billigkeitserlasses die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen gefährdet oder vernichtet würde. Dabei müsse die Existenzgefährdung gerade durch die Erhebung der Steuer verursacht oder zumindest entscheidend mitverursacht sein. Erforderlich sei auch eine Kausalität zwischen dem Erlaß aus persönlichen Gründen und der Weiterführung des Betriebes in dem Sinne, daß der Steuererlaß betriebserhaltende Wirkung haben müsse. Demnach setze ein Steuererlaß aus persönlichen Gründen voraus, daß er dazu dienen könne, die Verhältnisse des Betriebes in absehbarer Zeit zu normalisieren. Die Erlaßbedürftigkeit sei regelmäßig nicht gegeben, wenn die Ursache der behaupteten Existenzgefährdung in den sonstigen hohen Verbindlichkeiten liege, die die zu erlassenden Steuern um ein Vielfaches überstiegen. Nach diesen Grundsätzen sei der beantragte Teilerlaß in Höhe von DM 302.211 nicht möglich, weil die Klin nach ihrem eigenen Vortrag ihren Betrieb unabhängig von dem beantragten Teilerlaß stillegen werde und im Hinblick auf diese Maßnahme bereits der gesamten Belegschaft gekündigt habe. Der beantragte Erlaß könne daher auf die Existenz und eine eventuelle Sanierung des Unternehmens keinerlei Auswirkung mehr haben. Bei der Frage der Existenzgefährdung sei in erster Linie auf die Verhältnisse der Klin und nicht auf die des B oder seiner weiteren Unternehmen abzustellen. Doch auch bei Einbeziehung der wirtschaftlichen Verhältnisse des B und der Organgesellschaften der Klin ergebe sich kein anderes Ergebnis, da kaum anzunehmen sei, daß der Erlaß von USt in Höhe von ca. DM 300.000 wirtschaftliche Auswirkung z. B. auf die W-GmbH hätten, wenn allein bei diesem Unternehmen nach den Angaben im Schriftsatz vom 9. September 1996 einem Vermögen von DM 12.033.000 Bankschulden in Höhe von DM 17.146.000 gegenüberstünden. Im Hinblick auf die hohen außersteuerlichen Verbindlichkeiten der Klin könne nicht davon ausgegangen werden, daß ein kausaler Zusammenhang zwischen der Einziehung der Steuer und der existenziellen Krise der Klin bestünden. Da ein Erlaß wegen der fehlenden Erlaßbedürftigkeit nicht in Betracht komme, könne dahingestellt bleiben, ob die Klin erlaßwürdig sei. Aus diesem Grunde erübrige sich auch eine genaue Berechnung der USt-Rückstände, obwohl interne Berechnungen geringfügiger Abweichungen gegenüber den Zahlen im Schriftsatz vom 9. September 1996 ergeben hätten.

    Hiergegen erhob die Klin vertreten durch ihren Komplementär sowie ihren Prozeßbevollmächtigten, form- und fristgerecht Klage. Mit ihr verfolgt die Klin ihr Begehren auf Teilerlaß der USt 1993 fort, allerdings nunmehr beschränkt auf die USt aus den Umsätzen im Rahmen der Herstellungsverträge mit den Grundstückseigentümern … …, wiederum beschränkt auf die Umsätze, für welche die zugrundeliegenden Forderungen bereits im Jahr 1993 entstanden und damit im Zeitpunkt der Feststellung durch die Bp verjährt gewesen seien.

    Sie bringt vor, aufgrund der limitierten Kreditierung durch die Hausbank, des Abschlusses eines Interessenausgleichs mit Sozialplan und der Beschränkung der Kündigungsabfindungen auf … des gesetzlich vorgesehenen Höchstmaßes, des außergerichtlichen Vergleichs mit den nicht bevorrechtigten Gläubigem, bei denen diese auf … ihrer Forderungen, soweit ein Einsatzsatzbetrag von DM … überschritten worden sei, verzichtet hätten, sowie im Hinblick auf die Einräumung einer Kreditlinie zur Abwicklung des Bauunternehmens zur Fertigstellung von Bauvorhaben des Wohnungsunternehmens in Höhe von DM 600.000 ohne zusätzliche Sicherheiten habe der außergerichtliche Vergleich zur Abwendung eines Konkurses oder Vergleichsverfahrens abgewickelt werden können. Dabei habe der persönlich haftende Gesellschafter B auch die von ihm abgeschlossenen Lebensversicherungen zum Rückkaufswert zur Verminderung von Verbindlichkeiten bei der Hausbank und zum Ausgleich rückständiger Steuern eingebracht. Die Liquidität des Unternehmens sei nur durch das weitere Absinken der Zinssätze und die Bereitschaft der Hausbank zu einer entsprechenden Umfinanzierung ohne Ansatz von Vorfälligkeitszinsen gegeben gewesen. Zur Vermeidung neuer Liquiditätsschwierigkeiten seien weitere Maßnahmen zwingend erforderlich, insbesondere die Verwertung des noch vorhandenen Firmenvermögens. Inzwischen habe das Bauunternehmen im Zuge des Vergleichs zum Monatsende März 1997 seine Tätigkeit endgültig eingestellt, so daß der Firmengruppe und damit der Klin lediglich noch die Mieten aus dem Immobilienvermögen von jährlich DM 1.750.800 als Erträge verblieben seien. Dieser Betrag reiche nur dank der Zinssenkungen der finanzierenden Hausbank aus, um die dort bestehenden Verbindlichkeiten zu bedienen, die laufenden Lasten des Grundvermögens zu decken und die noch notwendige restliche Verwaltung des Grundbesitzes aufrecht zu erhalten. Zur teilweisen Abdeckung seiner Tilgungsverpflichtung stünden dem persönlich haftenden Gesellschafter der Klin jährlich noch Nettoerträge in Höhe von DM 30.000 aus der Verwaltung nach dem WEG und von ca. DM 40.000 bis DM 50.000 aus dem Betrieb eines … zur Verfügung. Damit seien seine Einnahmen zur Deckung des Lebensunterhalts für sich und seine Ehefrau noch nicht abgedeckt. Aus den dargestellten Umständen ergebe sich, daß die zu befürchtende Insolvenz der Unternehmensgruppe und ihres persönlichen haftenden Gesellschafters nach wie vor von der Kreditierung wenigstens im Rahmen der Tilgungsleistung durch die Hausbank abhänge. Die Zahlungsansprüche der Klin aus den nach der MBVO den Bauherren … in Rechnung gestellten Raten seien mit Ablauf des Jahres 1995 nach § 197 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) verjährt gewesen, so daß die hieraus auf das Jahr 1993 entfallenden USt-Beträge in Höhe von DM 156.542,60 wegen der Einrede der Verjährung nicht mehr auf die Bauherren … … abgewälzt werden könnten. Die Nichtberücksichtigung der MWSt durch die Klin sei im Hinblick auf die Umstände ihres sonstigen Geschäftsbetriebs kein vorwertbarer Fehler, da das im Organkreis tätige Wohnungsunternehmen bei seiner Geschäftstätigkeit grundsätzlich grunderwerbsteuer- und nicht mehrwertsteuerpflichtig sei. Es sei üblich gewesen, daß das Wohnungsunternehmen den Kunden keine MWSt berechnet habe.

    Zu berücksichtigen sei auch, daß von der Insolvenzgefahr der Klin und ihrer Organgesellschaften auch ihr persönlich haftender Gesellschafter B unmittelbar betroffen sei. Dieser habe aufgrund seiner persönlichen Haftung, die sowohl gesellschaftsrechtlich wie aufgrund der Mitschuld oder Mithaftung für die Bankverbindlichkeiten bestehe, in erheblichem Umfang auch eigene oder eigengenutzte Vermögensgegenstände eingebracht, um die Verbindlichkeiten der Klin zu mindern. Betroffen sei der Wegfall seiner Alterssicherung, zumal er trotz fortgeschrittenen Alters nicht rentenversichert gewesen sei. Auch wenn er noch in geringem Umfang Erträge erwirtschaften könne, hänge seine Zukunftssicherung ausschließlich vom Ausgang der Vermögensverwertung ab, bei der es erforderlich sei, die vorhandenen Immobilienwerte zwecks Minderung der Bankverbindlichkeiten sowie Verbesserung der Rentierlichkeit beim verbleibenden Bestand zu verwerten. Die Nichtabwälzung der USt aus den Herstellungsverträgen mit den Bauherren … beruhe nicht auf vorwefbarer Unkenntnis steuerrechtlicher Vorschriften. Nur die allseitige Minderung der Forderungen an die Klin, die von Gläubigerseite im Rahmen des Liquiditätsvergleichs geübt worden sei, lasse eine insolvenzfreie Abwicklung der Geschäfte der Klin, ihrer Organgesellschaften und ihres persönlich haftenden Gesellschafters zu.

    Die Klin sei auch erlaßwürdig, da die Erlaßbedürftigkeit nicht auf einem verschuldeten Vermögensverfall, sondern im Zuge der Konjunkturschwankungen, der Marktsättigung bei Wohnimmobilien und hinsichtlich des zu erlassenden Betrags aufgrund einer unverschuldeten Nichtabwälzung der USt beruhe.

    Der Bekl übersehe im übrigen, daß außerhalb des Steuerrechts Haftungsverbünde bestünden, die selbstverständlich auch auf die einzelnen Steuersubjekte zurückschlügen. Dies gelte insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – der persönlich haftende Gesellschafter der Klin aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Haftung wie auch seiner schuldrechtlichen Mithaftung im Verhältnis zum Hauptkreditgeber, der finanzierenden Hausbank, voll hafte. Umgekehrt sei ein Vermögensverfall des persönlich haftenden Gesellschafters auch verbunden mit dem wirtschaftlichen Schicksal der Klin. Dem Bekl sei nicht zu folgen, daß bei dem beantragten Teilerlaß im Verwaltungsverfahren von 60% diesen Anteil auf einzelne Steuertatbestände, und nicht, wie es im seinerzeitigen Erlaßantrag geschehen sei, auf die Gesamtsteuerschuld bezogen habe. Der Erlaßantrag habe sich, wie auch der Einspruch letztendlich auf einen Geldbetrag bezogen, wobei die Quotierung nur aus der Gesamtsumme, nicht aber auf einzelne Steuertatbestände bezogen gewesen sei. Soweit der Erlaßantrag im Rechtsmittelverfahren weiterverfolgt werde, liege er jedenfalls innerhalb der von Anfang an im Verwaltungsverfahren durchgängig begehrten Erlaßquote. Es werde im Klageverfahren kein anderer, sondern nur ein geringerer Erlaßbetrag angestrebt. Dabei beurteile sich die neuerliche Summe nicht mehr nach einer Quote, sondern beziehe sich auf einen innerhalb dieser Quote liegenden Betrag, wie er durch die Nachversteuerung von zwei Geschäftsvorfällen veranlaßt sei. Diese seien Gegenstand der Anfechtung und der Ablehnung eines Teilerlasses im Verwaltungsverfahren gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageschrift vom 11. Oktober 1996 sowie die Schriftsätze vom 29. November 1996, 10. Januar 1997, 21. März 1997 und 26. Mai 1997 Bezug genommen.

    Die Klin beantragt,

    unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 30. August 1996 und der Einspruchsentscheidung vom 26. September 1996 den Bekl zu verpflichten, einen Teilbetrag der USt 1993 in Höhe von DM 156.542,60 zu erlassen.

    Der Bekl beantragt.

    die Klage abzuweisen.

    Er verweist auf seine Einspruchsentscheidung und trägt vor, daß nach der Rechtsprechung ein Erlaß wegen persönlicher Unbilligkeit nur aus solchen Gründen gewährt werden könne, die in der Person des Steuerschuldners lägen. Bei betriebsbezogenen Steuern bedeutet dies, daß auf die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Betriebs abzustellen sei und nicht auf die Gefährdung anderer Personen. Demzufolge sei im Streitfall auf die Existenzgefährdung der Klin und nicht auf die ihres persönlich haftenden Gesellschafters abzustellen. Darüber hinaus sei anzumerken, daß im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren ein Teilerlaß von 60% der rückständigen USt-Beträge und somit auch von 60% der USt des mit der Klage verfolgten Betrags in Höhe von DM 156.542,60 aus den: Rechtsgeschäften mit den Bauherren … … begehrt worden sei. Wenn die Klin mit der Klage nunmehr begehre, daß diese USt in vollem Umfang zu erlassen sei, beanspruche sie ein unter Berücksichtigung der Grundsätze des § 44 FGO mit der Klage einen „anderen Erlaß”, als den, mit dem sie im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren erfolglos geblieben sei. Eine solche Erweiterung des Erlaßbegehrens im Klageverfahren von 60% auf 100% sei daher nicht zulässig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Klageerwiderungsschrift vom 16. April 1997 Bezug genommen.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig.

    Soweit der Bekl in der Klageerwiderungsschrift die Auffassung vertreten hat, der Zulässigkeit der Klage stünde die Bestimmung des § 44 FGO entgegen, weil die Klin mit der Klage einen Erlaß erstmals einen Teilbetrag der USt 1993 in Höhe von DM 156.542,60 und damit 100% der USt aus den Rechtsgeschäften mit den Bauherren … begehre, während sie im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren lediglich einen Teilerlaß von 60% der rückständigen USt-Beträge beansprucht habe, folgt der Senat ihm nicht. Insofern liegt weder ein Nachschieben von Gründen noch eine Erweiterung des Erlaßbegehrens im gerichtlichen Verfahren dahingehend vor, daß von der Klin ein „anderer Erlaß” begehrt würde (vgl. von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler. AO und FGO-Kommentar, § 227 AO Rn. 118 und 397).

    Aus der Antragsschrift der Klin vom 27. August 1996 und der Einspruchsbegründungsschrift vom 9. September 1996 ergibt sich nämlich eindeutig, daß die Klin zur Durchführung des von ihr angestrebten Liquidationsvergleichs zwar einen Teilerlaß in Höhe von 60% aus DM 503.685, also in Höhe von DM 302.011 aus dem gesamten USt-Rückstand erstrebt hat. Insbesondere aus den Ausführungen in Ziff. 3 der Einspruchserwiderungsschrift vom 9. September 1996 geht aber ausreichend klar hervor, daß von der Klin das Ziel verfolgt wurde, den Erlaß des Teilbetrags der USt 1993, der aus den gegenüber den Bauherren … erbrachten Umsätzen herrührte, in vollem Umfang („jedenfalls dieses Teilbetrags … von DM 180.024”) unter Anrechnung auf die Quote zu erreichen.

    Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil die Ablehnung des von der Klin begehrten Teilerlasses durch den Bekl ermessensgerecht erfolgt ist.

    Gemäß § 227 Abs. 1 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Die Entscheidung über einen Erlaßantrag ist eine Ermessensentscheidung, die im finanzgerichtlichen Verfahren vom Gericht nur dahin überprüft werden kann. ob die Finanzbehörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechender Weise Gebrauch gemacht hat (§ 102 FGO); Prüfungsgegenstand für die finanzgerichtliche Kontrolle der Entscheidungen über die Ablehnung des Erlaß auf Ermessensfehler können nur diejenigen tatsächlichen Verhältnisse sein, die der Finanzbehörde im Zeitpunkt der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf bekannt waren oder hätten bekannt sein müssen (ständige Rechtsprechung vgl. BFH-Beschluß vom 5. November 1992 V B 204/91, BFH/NV 1994, 70; BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509 sowie BFH-Urteil vom 6. März 1996 II R 102/93. BFHE 180, 178. BStBl II 1996, 396). Hieraus folgt, daß der Streitgegenstand im außergerichtlichen Rechtsbehelfs- und im Klageverfahren derselbe sein muß (Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, AO/FGO/Nebengesetze-Kommentar, § 227 Rn. 145) und daß der Kläger deshalb sein Erlaßbegehren im Klageverfahren nicht mehr erweitern oder auf neue Gründe stützen kann (BFH-Urteil vom 4. Mai 1995 V R 83/93. BFH/NV 1996, 190).

    Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die Entscheidung des Bekl über die Ablehnung des begehrten Erlasses in Gestalt der Einspruchsentscheidung keinen rechtlichen Einwendungen; denn die Ablehnung des allein auf persönliche Gründe gestützten Erlaßbegehrens ist nach den dem Bekl im maßgeblichen Zeitpunkt bekannten und erkennbaren Umständen, nämlich bei Erlaß der Einspruchsentscheidung, ermessensfehlerfrei, zumal der Bekl seine Ermessensentscheidung aufgrund einer ausreichenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts getroffen und alle für die Ermessensentscheidung wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art damit spätestens im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt hat (vgl. insofern BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87. BFH/NV 1991, 509).

    Der Bekl hat übereinstimmend mit der Rechtsprechung des BFH in der Einspruchsentscheidung die Auffassung vertreten, daß das Erlaßbegehren auf sachliche Unbilligkeit nicht deshalb gestützt werden kann, weil die Klin die USt aus den Entgelten für die Bauleistung gegenüber den Bauherren … aufgrund der Verjährungseinrede gegen die Werklohnforderung nicht mehr abwälzen konnte. Härten, die dem Besteuerungszweck entsprechen und die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung eines Tatbestandes bewußt in Kauf genommen hat, rechtfertigen einen Erlaß wegen sachlicher Unbilligkeit nicht und sind allenfalls durch eine Gesetzeskorrektur zu beheben (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1996 IV R 91/94, BFHE 180, 61. BStBl II 1996, 289 und BFH-Urteil vom 20. Januar 1997 V R 28/95, BFH/NV 1997, 720). Ein solcher, den Wertungen des Gesetzgebers zuwiderlaufender Gesetzesüberhang ist im Fall der Klin gerade nicht gegeben; denn mit dem Zweck des umsatzsteuerlichen Lieferungs- und Leistungstatbestandes ist es nach der Rechtsprechung des BFH durchaus vereinbar, eine entstandene USt unabhängig von der Durchsetzung zivilrechtlicher Nachforderungsansprüche des Leistenden gegen den Leistungsempfänger zu erheben (BFH-Urteil vom 24. November 1988 V R 186/83, BFH/NV 1989, 419; vgl. Beermann, a.a.O., § 227 AO Rn. 155 Stichwort: „Umsatzsteuer”).

    Auch das Vorliegen persönlicher Billigkeitsgründe ist vom Bekl in dem umstrittenen Ablehnungsbescheid und der Einspruchsentscheidung zu Recht verneint worden. Angesichts der für die Ermessensausübung maßgebenden und von der Klin im Verwaltungsverfahren dargelegten und vom Bekl festgestellten wirtschaftlichen Verhältnisse der Klin ist nicht ersichtlich, daß gerade der Erlaß der aus den Entgeltleistungen der Bauherren … herrührenden USt-Beträge in Höhe von DM 156.542,60 geeignet gewesen wäre, die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz der Klin zu beseitigen.

    Der Bekl ist im Verwaltungsverfahren zutreffend davon ausgegangen, daß eine persönliche Unbilligkeit im Streitfall nur gegeben gewesen wäre, wenn die Erhebung der vorgenannten USt-Beträge die wirtschaftliche oder persönliche (rechtliche) Existenz der Klin vernichten oder ernstlich gefährden würde (BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 23/78, BFHE 133, 489. BStBl II 1981, 226; BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1988 X B 54/88, BFH/NV 1989, 295; BFH-Beschluß vom 12. Juli 1989 X B 111/88. BFH/NV 1990, 213; BFH-Beschluß vom 1. April 1993 X B 197/92. BFH/NV 1993, 640; BFH-Beschluß vom 23. Dezember 1993 X B 91/93. BFH/NV 1994, 757; BFH-Beschluß vom 2. April 1996 III B 171/95, BFH/NV 1996, 728; BFH-Beschluß vom 19. November 1996 VII B 187/96, BFH/NV 1997, 323 und BFH-Beschluß vom 20. März 1998 V B 141/97, BFH/NV 1998, 1191). Hiervon ist nach der vorstehend aufgezeigten Rechtsprechung des BFH aber nur auszugehen, wenn sich die Billigkeitsmaßnahme auf die wirtschaftliche Existenz des Steuerpflichtigen noch konkret auswirken kann (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 1988 X B 54/88 und vom 2. April 1996 III B 171/95, a.a.O.). Darüber hinaus hat sich der Bekl in seiner Einspruchsentscheidung zu Recht davon leiten lassen, daß die wirtschaftliche Notlage eines Steuerpflichtigen, auch wenn sie – wie die Klin meint – unverschuldet ist, einen Erlaß von Steuern aus persönlichen Billigkeitsgründen nur dann rechtfertigen kann, wenn sie durch die Steuerfestsetzung selbst verursacht worden ist (BFH-Urteil vom 24. November 1988 V R 186/83, BFH/NV 1989, 419). Der Bekl hat in diesem Zusammenhang auch rechtsfehlerfrei darauf hingewiesen, daß der erstrebte Steuererlaß eine betriebserhaltende Wirkung haben muß (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts –BVerwG– vom 29. September 1992 8 C 48.82, BStBl II 1984, 236, 243 und Beschluß des BVerwG vom 19. Februar 1982 8 B 209/81, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung –HFR– 1993, 596).

    An diesen Grundsätzen gemessen, ist dem Bekl bei der Ablehnung des begehrten Teilerlasses kein Ermessensfehler unterlaufen, soweit er im Verwaltungsverfahren den begehrten Teilerlaß in Höhe von DM 302.211 bzw. einen solchen in Höhe des im Klageverfahren eingeschränkten in Höhe von DM 156.542,60 im Hinblick auf die fehlende Erlaßwürdigkeit mit der Begründung abgelehnt hat, eine Existenzgefährdung des Betriebs im Sinne der für einen Erlaß nach § 227 AO erforderlichen Erlaßbedürftigkeit sei nicht gegeben, weil die Klin nach eigenem Vortrag im Verwaltungsverfahren ja zum einen ihren Betrieb unabhängig von dem beantragten Teilerlaß habe stillegen wollen und deswegen auch bereits der gesamten Belegschaft gekündigt hätte und zum anderen der Erlaß von ca. DM 300.000 (darin enthalten DM 156.542,60) keine wirtschaftlichen Auswirkungen mehr auf die wirtschaftliche Existenz der Klin und ihrer Organgesellschaften hätten haben können.

    Sowohl aus der Antragsschrift vom 27. August 1996 wie der Einspruchsbegründungsschrift vom 9. September 1996 geht hervor, daß die Klin bei Antragstellung den Betrieb ihres Bauunternehmens im Einvernehmen mit ihrer Hauptgläubigerin, der Hausbank, eingestellt bzw. einzustellen beabsichtigt hatte und sämtlichen Mitarbeitern zu diesem Zeitpunkt mit Zustimmung des Betriebsrats gekündigt hatte sowie noch mit weiteren Verlusten rechnete. Lediglich die V-GmbH sollte nach den eigenen Ausführungen in kleinerem Umfang als Verwalterin nach dem WEG tätig bleiben …- …. Darüber hinaus ist dem Antrag vom 27. August 1996 und der Einspruchsbegründungsschrift vom 9. September 1996 sowie den mit ihr vorgelegten Anlagen … … … zu entnehmen, daß auch im Fall des begehrten Teilerlasses noch ein jeweiliger „Fehlbetrag in Höhe von DM 454.783” bzw. „Zuschußbedarf DM 489.005” bestehen bleiben würde. Nachdem zudem die Darstellung der Oberschuldung der Gesellschaften des Organkreises durch die Klin in Ziff. 4.1 der Einspruchsbegründungsschrift vom 9. September 1996 in Höhe von 8 bis 10 Mio. DM deutlich erkennen läßt, daß die im Erlaßverfahren streitigen Steuerbeträge (ca. 300 000 DM) die wirtschaftliche Existenzgefährdung der Klin nicht verursacht haben und daß der begehrte Teilerlaß sich auf die wirtschaftliche Existenz der um ein mehrfaches überschuldeten Klin konkret nicht mehr auswirken konnte, weil ihr wirtschaftliches Überleben vor allem von dem Vorgehen ihrer Hausbank, der KSK, abhing und damit der Teilerlaß nur anderen – etwa der Hausbank oder ihrem persönlich haftenden Gesellschafter – und nicht der Klin als Steuerschuldnerin in erster Linie zugute gekommen wäre, läßt die Entscheidung des Bekl keinen Ermessensfehler erkennen.

    Soweit der Kl schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung auf die weiteren Umstände des durchgeführten Liquidationsvergleichs und die Behandlung der Verhältnisse der Klin und ihres persönlich haftenden Gesellschafters nach Ergehen der Einspruchsentscheidung abgestellt hat, vermochten diese Ausführungen das Klagebegehren schon deswegen nicht zu stützen, weil – wie oben ausgeführt – vom Gericht allein zu überprüfen war, ob vom Bekl alle für die Ermessensentscheidung wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art spätestens im Zeitpunkt dieser abschließenden Verwaltungsentscheidung berücksichtigt worden sind.

    Darüber hinaus begegnet der Ablehnungsbescheid vom 30. August 1996 und die Einspruchsentscheidung vom 26. September 1996 auch keinen rechtlichen Einwänden, soweit der Bekl bei der Prüfung der Erlaßbedürftigkeit der Klin allein auf deren Existenzgefährdung sowie derjenigen der Organgesellschaften abgestellt und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ihres Komplementärs unbeachtet gelassen hat. Denn bei der Erlaßbedürftigkeit ist auf die Existenzgefährdung des Steuerschuldners und nicht etwa diejenige Dritter abzustellen; bei betriebsbezogenen Steuern wie im Streitfall der USt ist deswegen allein auf eine Existenzgefährdung des Betriebs des jeweiligen Steuerschuldners abzustellen (BVerwG-Beschluß vom 19. Februar 1982 8 B 209/81, a.a.O.; Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 227 AO Rn. 296 Fußnote 59 und Rn. 302 Fußnote 75).

    Steuerschuldnerin des zwischen ihr und der V-GmbH und der W-GmbH bestehenden Organkreises war nach den §§ 2 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 13 Abs. 2 Nr. 1 UStG allein die Klin als Kommanditgesellschaft und Organträgerin. Der Bekl bei der Prüfung der Erlaßbedürftigkeit deshalb mit Recht den persönlichen Verhältnissen ihres Komplementärs (Vermögensverhältnisse und Lebensalter) im Rahmen seiner ablehnenden Ermessensentscheidung keine Bedeutung beigemessen. Denn ebenso wie für die Frage der Erlaßbedürftigkeit einer GmbH sind die persönlichen Verhältnisse des Komplementärs einer Kommanditgesellschaft (KG) für die Beantwortung der Frage unerheblich, ob die wirtschaftliche Existenz der KG als Schuldnerin von USt-Beträgen im Sinne des § 227 AO gefährdet ist. Soweit die Klin daher ihr Begehren auf den persönlichen Vermögensverfall und das fortgeschrittene Alter ihres persönlich haftenden Gesellschafters gestützt hat, war dieses Vorbringen nicht geeignet, den Erlaß wegen persönlicher Unbilligkeit bezüglich ihrer USt-Schulden zu rechtfertigen (vgl. auch Beermann, a.a.O., § 227 Rn. 65).

    Der im Streitfall umstrittenen Ermessensentscheidung des Bekl steht auch nicht der Einwand unzureichender Feststellung der für die Prüfung der Erlaßfrage bedeutsamen Tatsachen durch den Bekl entgegen. Zwar setzt eine fehlerfreie Ermessensausübung voraus, daß das Finanzamt (FA) seine Ermessensentscheidung aufgrund einer einwandfreien und erschöpfenden Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts trifft und alle für die Ermessensausübung wesentlichen Gesichtspunkte tatsächlicher und rechtlicher Art spätestens im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung berücksichtigt (BFH-Urteil vom 30. Oktober 1990 VII R 106/87, BFH/NV 1991, 509 und BFH-Urteil vom 13. Juni 1991 V R 68/87, BFH/NV 1992, 208). Die Untersuchungsverpflichtung des FA wird jedoch begrenzt durch die dem Steuerpflichtigen gemäß § 90 AO auferlegten Mitwirkungspflichten. Der Umfang des aufzuklärenden Sachverhalts ergibt sich deshalb zunächst vor allem aus der vom Steuerpflichtigen gegebenen Schilderung (BFH-Urteile vom 4. Oktober 1989 V R 106/84. BFHE 158, 306. BStBl II 1990, 179 und vom 13. Juni 1991 V R 68/87. BFH/NV 1992, 208). Im Hinblick darauf, daß die Klin mit ihrem Antrag vom 27. August 1996 eine Entscheidung über den begehrten Teilerlaß bis zum 30. August 1996 und im Einspruchsverfahren bis zum 25. September 1996 erstrebt hat, war es sach- und ermessensgerecht, daß der Bekl seiner Einspruchsentscheidung im wesentlichen den von der Klin geschilderten Sachvortrag zugrunde gelegt und von weiteren Ermittlungshandlungen abgesehen hat, zumal die vom Bekl mit Schreiben vom 12. September 1996 an den Prozeßbevollmächtigten der Klin übersandten Vordrucke bezüglich der „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftliche Verhältnisse bei Erlaß”, soweit sie am 16. September 1996 dem Bekl vorgelegt wurden, nicht die Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klin und ihrer Organgesellschaften, sondern offensichtlich diejenige ihres persönlich haftenden Gesellschafters enthält.

    Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 135 Abs. 1 FGO als unbegründet abzuweisen.

    Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

    VorschriftenAO 1977 § 227, AO 1977 § 5, FGO § 102, UStG 1993 § 2 Abs. 1, UStG 1993 § 2 Abs. 2 Nr. 2, UStG 1993 § 13 Abs. 2 Nr. 1