08.01.2010
Hessisches Finanzgericht: Urteil vom 24.02.2000 – 13 K 6517/98
Aufwendungen eines Steuerpflichtigen, die die Lebensführung berühren, dürfen den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Frage der Angemessenheit von Aufwendungen für Kraftfahrzeuge im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG und deren Auswirkungen auf die Einkommen- und Umsatzsteuer.
Die Kläger werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann erzielt als Steuerberater hauptsächlich Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die Ehefrau hauptsächlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb.
Im März 1998 fand bei den Klägern eine Betriebsprüfung statt. Im Rahmen dieser Prüfung wurde festgestellt, daß der Kläger seinem Betriebsvermögen insgesamt 6 Kraftfahrzeuge zugeordnet hatte und die entsprechenden Aufwendungen hierfür als Betriebsausgaben behandelte.
Im einzelnen handelt es sich um folgende Fahrzeuge:
Nr. | Fahrzeug | Zugang | AK netto | Erstzulassung | Neupreis |
DM | |||||
1 | Ferrari Coupé 348 TB | 05/90 | 143.000,-- | 01/90 | 143.000,-- |
2 | Porsche 911 Turbo Coupe | 11/91 | 63.157,-- | 12/85 | 100.000,-- |
3 | Bentley Turbo R | 10/92 | Leasing | 01/88 | 340.000,-- |
4 | Jaguar XJ 12 S III | 05/92 | 101.249,-- | 05/92 | 101.249,-- |
5 | Range Rover 4.0 SE | 07/92 | Leasing | 07/92 | 92.000,-- |
6 | Mini Thirty | 03/90 | 13.723,-- | 03/90 | 13.723,-- |
Die Fahrleistungen der einzelnen Fahrzeuge wurde wie folgt ermittelt:
1993 | 1994 | 1995 | ||||
km | in % | km | in % | km | in % | |
Ferrari | 1.420 | 3,99 | 1.899 | 5,82 | 2.378 | 6,80 |
Porsche | 2.530 | 7,09 | 1.839 | 5.64 | 596 | 1,70 |
Bentley | 3.000 | 8,41 | 2.917 | 9,94 | 5.786 | 16,55 |
Jaguar | 11.363 | 31,87 | 8.616 | 26,42 | 8.565 | 25,35 |
Range Rover | 15.397 | 43,18 | 15.397 | 47,21 | 15.397 | 44,03 |
Mini | 1.948 | 5,46 | 1.948 | 5,97 | 1.948 | 5,57 |
Summe | 35.658 | 100,00 | 31.616 | 100,00 | 34.970 | 100,00 |
Der Prüfer stellte fest, daß eine private Nutzung sämtlicher Fahrzeuge mit Ausnahme des Range Rover (hier private Nutzung 1993 und 1994: 30 %, 1995: 35 %) nicht vorhanden war.
Sodann wurden anhand der gefahrenen Kilometer die Gesamtkosten der Fahrzeuge sowie die Kosten pro Kilometer ermittelt. Wegen Einzelheiten der Berechnung wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom ... hingewiesen. Diese Werte sind zwischen den Beteiligten unstreitig. Unstreitig ist auch, daß die Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley in den Streitjahren lediglich nur zu insgesamt 35 Fahrten eingesetzt wurden, wobei ein Großteil der Fahrten an Wochenenden zum Einwurf von Briefen bei verschiedenen Finanzämtern sowie zum Abholen von freien Mitarbeitern am Flughafen dienten.
Der Betriebsprüfer hat neben den Fahrzeugen Mini und Range Rover auch das Fahrzeug Jaguar als betrieblich veranlaßt und nicht als unangemessen angesehen und die Aufwendungen (bei dem Fahrzeug Range Rover abzüglich eines Privatanteils) als Betriebsausgaben anerkannt. Sodann wurden die Aufwendungen für die Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley den Aufwendungen für das Fahrzeug Jaguar gegenübergestellt und die Aufwendungen, die die Kosten des Jaguar überstiegen, auf „Jaguar-Niveau” gekürzt. Auf diese Weise wurden nichtangemessene Aufwendungen für die Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley im Jahre 1993 in Höhe von 80.942,-- DM, im Jahre 1994 in Höhe von 69.277,-- DM und im Jahre 1995 in Höhe von 60.007,-- DM errechnet und bei der Ermittlung des Gesamtgewinns außerbilanziell hinzugerechnet. Hinsichtlich der Umsatzsteuer wurden diese Beträge gemäß § 1 Nr. 2 c Umsatzsteuergesetz (UStG) als Eigenverbrauch umsatzerhöhend berücksichtigt.
Das Finanzamt übernahm sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach diese Berechnung und erließ am 3. 6. 1998 geänderte Einkommensteuer- und Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre.
Hiergegen haben die Kläger fristgemäß Einsprüche eingelegt, die mit Einspruchsentscheidung vom 15. 9. 1998 (abgesandt am 22. 10. 1998) als unbegründet zurückgewiesen wurden. Mit fristgerecht erhobener Klage verfolgen die Kläger ihr Ziel der vollen Anerkennung sämtlicher Aufwendungen für die Kraftfahrzeuge weiter. Gerichtlich, wie bereits außergerichtlich, vertreten die Kläger folgende Auffassung:
Zur „Unternehmensphilosophie” des Klägers gehöre es, durch ein exklusives und repräsentatives Auftreten nach außen hin auf sich als erfolgreichen Steuerberater aufmerksam zu machen. Neben entsprechend aufwendig ausgestatteten Büroräumen gehöre hierzu auch ein entsprechend zusammengestellter exklusiver Fuhrpark. Die Umsatz- und Gewinnentwicklung in den Jahren 1990 bis 1995 zeige, daß diese Unternehmensstrategie erfolgreich gewesen sei. Die streitgegenständlichen Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley seien auch ausschließlich betrieblich genutzt worden, was sich aus den geführten Fahrtenbüchern ergebe und auch von der Betriebsprüfung anerkannt worden sei. Es liege auch keine Unangemessenheit im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG vor. Da es Steuerberatern untersagt sei, auf andere Art und Weise Werbung zu machen, habe sich der Kläger für ein besonders exklusives Auftreten entschieden. Teilkomplex sei in dieser Gesamtstrategie der streitgegenständliche Fuhrpark gewesen. Bei der Höhe der Kosten der einzelnen Fahrzeuge sei zu berücksichtigen, daß auch Fahrzeuge deutscher Fabrikate wie etwa Mercedes oder BMW sich in einem oberen Preisniveau (ab 100.000,-- DM aufwärts) bewegen würden. Die ungewöhnliche Zusammenstellung der Modellpalette dürfe daher dem Kläger nicht zum Nachteil gereichen. Im Rahmen der vom Kläger langfristig verfolgten Gesamtkonzeption sei es im übrigen fehlerhaft, bei einzelnen Fahrten die Fahrtaufwendungen den erzielten Erlösen gegenüber zu stellen. Dies werde der Bedeutung, die der Kläger den Fahrzeugen zumesse, nämlich „fahrende Werbeartikel”, nicht gerecht.
Letztendlich sei auch die Art und Weise der Berechnung des unangemessenen Teils - wenn ein solcher überhaupt angenommen werden sollte - fehlerhaft: Anknüpfungspunkt könnten nämlich die Kosten pro gefahrenen Kilometer sein, denn dies würde zu willkürlichen Ergebnissen führen. Anzuknüpfen sei - wenn überhaupt - an fahrleistungsunabhängige Kriterien.
Soweit die Umsatzsteuer betroffen sei, seien in jedem Fall die nicht mit Vorsteuer belasteten Pkw-Aufwendungen aus der Umsatzsteuerbemessungsgrundlage auszuscheiden. Der nicht mit Vorsteuer belastete Teil der Aufwendungen betrage in den Jahren
1993: | 23.694,-- DM |
1994: | 19.715,-- DM |
1995: | 16.222,-- DM. |
Um diese Beträge sei die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage jeweils zu kürzen.
Wegen Einzelheiten des klägerischen Vorbringens wird auf den Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten vom 28. 1. 1999 und das Sitzungsprotokoll vom 24. 2. 2000 verwiesen.
Die Kläger stellen den Antrag,
die geänderten Einkommensteuerbescheide 1993 - 1995 vom 3. 6. 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. 10. 1998 und die geänderten Umsatzsteuerbescheide 1993 - 1995 vom 3. 6. 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. 10. 1998 dahingehend zu ändern, daß die außerbilanzielle Zurechnung von Pkw-Aufwendungen zum Gewinn und die Erhöhung des steuerpflichtigen Umsatzes in Höhe von
DM 80.942 | in 1993, |
DM 69.277 | in 1994 und |
DM 60.007 | in 1995 |
wieder rückgängig gemacht wird,
hilfsweise beantragen sie,
die Bemessungsgrundlage für die Ermittlung des umsatzsteuerpflichtigen Eigenverbrauchs um die nicht mit Vorsteuer belastender Teile der Aufwendungen zu kürzen.
Das Finanzamt beantragt,
die Klage im Hauptantrag abzuweisen.
Das Finanzamt hält auch im gerichtlichen Verfahren den Teil der Pkw-Aufwendungen für unangemessen, die die Kosten für den Pkw Jaguar übersteigen. Das Finanzamt nimmt insoweit Bezug auf die Einspruchsentscheidung, die der Auffassung der Betriebsprüfung folgt.
Die einschlägigen Steuerakten haben dem Senat vorgelegen.
Gründe
Die Klage hat nur im Hilfsantrag Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet.
Soweit die Umsatzsteuer betroffen ist, ist die Rechtsauffassung der Kläger zutreffend, daß nur die mit Vorsteuern belasteten Aufwendungen in die Bemessungsgrundlage einfließen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die neue Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes (Urteil vom 6. 8. 1998 V R 74/95, Bundessteuerblatt - BStBl - II 1999, 104), die den Beteiligten bekannt ist und der sich der Senat anschließt, verwiesen. Auch das Finanzamt hält insoweit an seiner ursprünglichen Rechtsansicht, die sich auf die ältere BFH-Rechtsprechung (Urteil vom 16. 2. 1994 BStBl II 1994, 468) stützte, nicht mehr fest. Aus der Kürzung der Bemessungsgrundlage um die nicht mit Vorsteuern belasteten Aufwendungen, nämlich 23.694,-- DM für 1993, 19.715,-- DM für 1994 und 16.222,-- DM für 1995 ergibt sich die aus dem Tenor ersichtliche Umsatzsteuer.
Im übrigen kann die Klage keinen Erfolg haben.
Das Finanzamt hat im Ergebnis zutreffend die Aufwendungen für die Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley, soweit diese die Aufwendungen für den Pkw Jaguar übersteigen, als unangemessen i. S. des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG angesehen.
Nach dieser Vorschrift dürfen Aufwendungen, die die Lebensführung des Steuerpflichtigen oder anderer Personen berühren, den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach allgemeiner Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind.
Für den Senat bestehen zunächst keine Zweifel, daß die Anschaffung und Nutzung der streitgegenständlichen Fahrzeuge die Lebensführung des Steuerpflichtigen berührt. Wie bereits der Betriebsprüfer festgestellt hat, hat der Kläger offenbar ein Faible für luxuriöse Autos. Dies wird auch vom Kläger selbst nicht in Abrede gestellt. Daß die Auswahl der Fahrzeuge allein auf betrieblichen Gesichtspunkten beruhte und persönliche Neigungen des Klägers hier völlig ausgeschlossen waren, kann nicht ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Das Finanzamt stellt zutreffend in der Einspruchsentscheidung fest, daß solche Repräsentationsaufwendungen in aller Regel die persönliche Lebensführung berühren (so auch Bundesfinanzhof, Urteil vom 20. 8. 1986 I R 80/83, BStBl II 1986, 904; Urteil vom 27. 2. 1985 I R 20/82, BStBl II 1985, 458; Finanzgericht Hamburg Urteil vom 15. 6. 1987 II 90/85 EFG 1987, 543 jeweils mit weiteren Nachweisen).
In einem vergleichbar gelagerten Sachverhalt hat auch der erkennende Senat insoweit eine Berührung zur Lebensführung bejaht (Urteil vom 1. 10. 1998 13 K 452/95, EFG 1999, 276).
Entgegen der klägerischen Rechtsansicht bedeutet „Berührung der Lebensführung” im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 7 EStG jedoch nicht private Veranlassung im Sinne des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG. So hat auch der Beklagte ausdrücklich die betriebliche Veranlassung nicht in Abrede gestellt.
Bei der Prüfung der Angemessenheit ist darauf abzustellen, ob ein ordentlicher und gewissenhafter Unternehmer angesichts der erwarteten Vorteile und Kosten die Aufwendungen ebenfalls nicht auf sich genommen hätte (Bundesfinanzhof Urteil vom 27. 2. 1985 I R 20/82, BStBl II 1985, 458; vom 20. 8. 1986 I R 29/85, BStBl II 1987, 108; vom 23. 5. 1991 V R 108/86, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 1992, 207). Ob und in welcher Höhe betrieblich veranlaßte Aufwendungen unangemessen sind, kann nur nach den Verhältnissen des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden. Die dabei zu berücksichtigenden Einzelkriterien sind jeweils nicht für sich alleine entscheidend, sondern nebeneinander zu berücksichtigen, wobei die Gewichtung der verschiedenen Merkmale sich je nach Art der Aufwendungen unterscheidet (Kirchhof / Söhn, EStG, § 4 Rd. M 62 ff.).
Der erkennende Senat hat bereits mit Urteil vom 1. 10. 1998 (EFG 1999, 276) entschieden, daß im Rahmen der Angemessenheitsprüfung die Anschaffung eines Ferrari mit Anschaffungskosten nur bis zu 125.000,-- DM - neben einem weiteren Fahrzeug - für einen Steuerberater in einer dem Kläger vergleichbaren wirtschaftlichen Situation als angemessen angesehen werden könne. Auf dieses Urteil, das auch dem Kläger, der in dem damaligen Rechtsstreit als Prozeßbevollmächtigter aufgetreten ist, und auch dem Beklagten bekannt ist, wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Der Senat sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsprechung abzuweichen und nunmehr 6 Fahrzeuge, z. T. der Oberklasse, als für einen Steuerberater betrieblich angemessene Repräsentationsaufwendungen anzuerkennen. Entgegen der klägerischen Ansicht unterscheiden sich die einzelnen Sachverhalte nicht so voneinander, daß eine grundlegende Änderung der Senatsrechtsprechung veranlaßt ist. In beiden Fällen wurde vorgetragen, daß zur „Unternehmensphilosophie” ein repräsentatives Auftreten nach außen gehöre, um Mandanten auf sich aufmerksam zu machen und zu akquirieren. Ein Zusammenhang zwischen der Benutzung luxuriöser Fahrzeuge für relativ wenige Fahrten (insbesondere auch an Wochenenden zu Fahrten zu Finanzämtern, um dort Post einzuwerfen und zum Flughaften) und der vom Kläger dargelegten Geschäftsentwicklung ist nicht erkennbar. Die Anschaffung und Unterhaltung der Fahrzeuge Ferrari, Porsche und Bentley ist daher unangemessen und nur aus einer entsprechenden Neigung des Klägers heraus zu erklären.
Eine Herabsetzung der Anschaffungskosten dieser Fahrzeuge auf 0,-- DM wäre daher durchaus möglich und zulässig gewesen. Die Tatsache, daß der Beklagte alle sechs Fahrzeuge betrieblich anerkannte und lediglich die über die Kosten des Pkw Jaguar hinausgehenden Beträge kürzte, stellt eine für die Kläger günstige Berechnungsmethode dar, die aus vorstehenden Erwägungen heraus jedoch nicht veranlaßt gewesen wäre. Da eine Verböserung im gerichtlichen Verfahren insoweit nicht in Betracht kommt, kann dahingestellt bleiben, ob die vom Beklagten angewandte Berechnungsmethode, nämlich Anknüpfung an die Nutzung der Fahrzeuge, ein sachgerechtes Kriterium zur Angemessenheitsprüfung ist. Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich jedoch, daß die Kläger auch bei dieser Berechnungsmethode nicht in ihren Rechten verletzt werden.
Die Klage war daher insoweit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i. V. m. § 708 Nr. 10 und § 711 ZPO.