08.01.2010
Finanzgericht Münster: Urteil vom 27.08.2003 – 7 K 736/02 StB
1) Die Bestellung zum Steuerberater gem. § 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG in der bis zum 30.4.2002 geltenden Fassung ist zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Folge eines körperlichen Gebrechens, wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte oder wegen einer Sucht nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Diese Fälle werden von dem Gesetzesbegriff „gesundheitliche Gründe” umfasst.
2) Entscheidend ist, dass die gesundheitlichen Mängel geistiger (seelischer) oder körperlicher Art so erheblich sind, dass der Steuerberater zur ordnungsgemäßen Berufsausübung, insbesondere zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung der Interessen der Mandanten dauernd außer Stande ist.
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 7. Senat des Finanzgerichts Münster in der Sitzung vom 27.08.2003, an der teilgenommen haben:
Richter am Finanzgericht … als Vorsitzender
Richterin am Finanzgericht …
Richter am Finanzgericht …
Ehrenamtliche Richterin …
Ehrenamtlicher Richter …
auf Grund mündlicher Verhandlung für Recht erkannt:
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Widerrufs der Bestellung des Klägers (Kl.) zum Steuerberater.
Der am …1960 geborene Kl. wurde nach bestandener Prüfung am …1992 zum Steuerberater bestellt. Die berufliche Niederlassung befand sich bis Anfang Juli 2003 in der I-straße … in T. Diese Kanzlei betreibt der Kl. seit dem …1995 selbständig. Bis 1998 war er auch als freier Mitarbeiter bei dem Steuerberater G in O tätig. Der Kl. strebte die Übernahme der Praxis an, was aber nicht verwirklicht werden konnte. Der Umsatz des Kl. betrug im Jahr 2000 ca. 84.000 DM.
Die Ablehnung der Praxisübernahme und persönliche Probleme mit der Ehefrau führten im August 1998 zu einem körperlichen und seelischen Zusammenbruch. Der Kl. begab sich deshalb vom 21.08. bis 27.08.1998 in stationär-psychiatrische Behandlung in das Kreiskrankenhaus U, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, wo eine Anpassungsstörung mit depressiver Reaktion sowie eines Zustandes nach Suizidversuch und der Verdacht auf einen Diabetes mellitus Typ II B geäußert wurde.
In der Zeit vom 27.08. bis 01.12.1998 befand sich der Kl. in stationärer Behandlung in der Klinik J in P. Diagnostiziert wurde eine depressive Reaktion auf schwere eheliche und berufliche Konflikte, Zustand nach Suizidversuch, Selbstwertproblematik und der Verdacht auf ein Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom ohne Hyperaktivität und ein Diabetes mellitus Typ II B. Nachdem sich der Zustand des Kl. gut stabilisiert hatte, wurde auf Grund der „massiven Antriebsstörungen” festgestellt, dass der Kl. zur Einarbeitung bis zur völligen Arbeitsfähigkeit Zeit benötige. Es wurde vorgeschlagen, ab dem 09.12.1998 eine 4-wöchige Phase mit 4 Arbeitsstunden täglich zu beginnen.
In der Zeit vom 08.02. bis 30.04.1999 befand sich der Kl. in teilstationärer psychotherapeutischer Behandlung in der Tagesklinik Q. Dort wurde eine Persönlichkeitsstörung mit dysphorisch-depressiven Verstimmungen sowie ein Zustand nach Suizid bei Ehekrise und ein Diabetes mellitus festgestellt.
Am 17.10.2000 erlitt der Kl. einen (unverschuldeten) Autounfall. Nach Angaben des Kl. hat er Prellungen erlitten, Taubheitsgefühle in den Extremitäten gehabt sowie Lähmungen. Der Kl. war 2 Wochen krankgeschrieben. Nach Angaben des Kl. traten weitere Beschwerden auf, so dass sich in der Zeit von April 2001 bis zum 31.12.2001 erneut eine Arbeitsunfähigkeit ergeben habe. Von Januar 2002 bis zum 02.03.2002 ist stufenweise eine Wiedereingliederung vorgenommen worden. Ausweislich des ärztlichen Attestes des Dr. F, Facharzt für Orthopädie, vom 25.03.2002 befand sich der Kl. in der Zeit vom 25.10.2001 bis zum 04.03.2002 in fachorthopädischer Behandlung und war auf Grund einer unfallbedingten Erkrankung der Stütz- und Bewegungsorgane längerfristig krankgeschrieben (Bl. 67 Akte 7 V 1658/02).
Wegen der psychischen Beschwerden befand sich der Kl. seit 1998 laufend in Behandlung bei Dr. K, Facharzt für Neurologie in T.
Wegen der Erkrankung und teilweisen Ortsabwesenheit des Kl. wurde ab dem 01.10.1998 bis Ende 1999 der Steuerberater X in T gemäß § 69 StBerG seitens der Steuerberaterkammer als Praxisvertreter bestellt. Zuvor waren für den Kl. ca. 1 Monat die Steuerberater L und N, T, für diesen vertretungsweise tätig. Ab dem Jahr 2000 fand keine Praxisvertretung mehr statt.
Bei der Beklagten (Bekl.) gingen bereits ab 1997 Beschwerden über den Kl. ein, wonach dieser trotz wiederholter Mahnungen und Versprechungen die geschuldeten Leistungen, insbesondere die Erstellung und Abgabe der Steuererklärungen, nicht erbracht habe. Auf den Auszug aus dem Kurzprotokoll der Sitzung des Berufsüberwachungsausschusses (BÜA) der Bekl. vom 23.04.1998 wird Bezug genommen. Der BÜA befasste sich dann in den Sitzungen vom 24.09.1998, 11.11.1999, 28.02.2000, 15.08.2000, 13.03.2001, 21.05.2001 sowie vom 23.08.2001 mit Mandantenbeschwerden. Auf diese Protokolle wird Bezug genommen.
Am 15.12.1999 führte die stellvertretende Geschäftsführerin der Bekl., Frau Rechtsanwältin E, sowie das Vorstandsmitglied Steuerberater M mit dem behandelnden Arzt Dr. K in dessen Praxis ein Gespräch, über dessen Ergebnis die Rechtsanwältin E einen Aktenvermerk angefertigt hat, auf den Bezug genommen wird.
Mit Urteil vom 24.04.2001 der Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen des Landgerichts (LG) … wurde der Kl. wegen Verletzung von Berufspflichten ein Verweis erteilt und zu einer Geldbuße von 500 DM verurteilt. Gegenstand der Verurteilung waren Pflichtverletzungen des Kl. gegenüber seinen Mandanten A, B und C, die den Kl. mit der Erstellung von Steuererklärungen beauftragt hatten, die der Kl. nicht bzw. nicht vor Schätzung durch das Finanzamt eingereicht hat. Dabei ging das LG davon aus, dass der Kl. auf Grund seiner psychischen Erkrankung in seiner Arbeitsunfähigkeit eingeschränkt war; sie sei jedoch nicht aufgehoben gewesen. Am 30. Januar 2003 erließ das Amtsgericht T gegen den Kl. wegen Unterschlagung von Mandantenunterlagen in 3 Fällen einen Strafbefehl und setzte eine Geldstrafe von 80 Tagessätzen à 5 Euro fest (Bl. 360, Ermittlungsverfahren …).
Im August 2001 leitete die Bekl. das Widerrufsverfahren gegen den Kl. ein. Auf Grund der Beschlussfassung des Vorstands der Bekl. vom 06.09.2001 wurde der Kl. mit Schreiben vom 10.09.2001 aufgefordert, innerhalb einer Frist von 6 Wochen gemäß § 46 Abs. 3, § 40 Abs. 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) das Gutachten eines vom Gesundheitsamt in T bestimmten Amtsarztes über den Gesundheitszustand vorzulegen.
Da vom Kl. kein entsprechendes Gutachten vorgelegt wurde, widerrief die Bekl. mit Bescheid vom 03.01.2002 die Bestellung des Kl. wegen der bei ihm bestehenden neurotischen Arbeitsstörung. Wegen der fortlaufend eingegangenen zahlreichen Mandantenbeschwerden könne nicht davon ausgegangen werden, dass das seelische Leiden sich gebessert habe, so dass der Kl. in der Lage sei, den Beruf als Steuerberater ordnungsgemäß und unter Beachtung der berufsrechtlichen Pflichten auszuüben. Die Beschwerdevorgänge begründeten nachhaltig den Eindruck, dass der Kl. auf Grund der Erkrankung nicht nur vorübergehend unfähig sei, die Interessen der Mandanten zu vertreten. Die eingegangenen Mandanten-beschwerden seien dem Kl. jeweils mit der Bitte um Stellungnahme zugeleitet worden, Reaktionen seien hierauf in der Sache selbst nicht erfolgt. Die Unregelmäßigkeiten in der Berufsausübung seien per E-mail oder SMS lediglich mit anderen Erkrankungen und der Teilnahme an Rehamaßnahmen entschuldigt worden. In den letzten Monaten habe eine Kontaktaufnahme überhaupt nicht mehr stattgefunden. Neben den Mandantenbeschwerden, die Gegenstand des berufsgerichtlichen Verfahrens beim LG gewesen seien, seien folgende Beschwerdevorgänge eingegangen:
Datum der Beschwerde | Name des Mandanten |
16.11.2000 | |
29.11.2000 | |
10.02.2001 | |
05.03.2001 | |
07.03.2001 | |
19.03.2001 | |
08.05.2001 | |
29.05.2001 | |
02.07.2001 | |
13.07.2001 | |
24.10.2001 | |
30.11.2001 | |
05.12.2001 |
Die Mandaten beklagten die Untätigkeit sowie bei Kündigung der Mandatsbeziehungen die Verweigerung der Herausgabe der Unterlagen. Die Mandanten hätten mehrfach die Herausgabe der Mandantenunterlagen durch den Gerichtsvollzieher zwangsweise durchsetzen müssen. Die Informationen der Mandanten aus den Vollstreckungsversuchen wiesen darauf hin, dass sich die Büroräume in einem desolaten, chaotischen Zustand befänden.
Das innerhalb einer Frist von 6 Wochen angeforderte amtsärztliche Gutachten sei nicht vorgelegt worden, auch nachdem mit Schreiben vom 31.10.2001 darauf hingewiesen worden sei, dass mit der Nichtvorlage der Widerrufstatbestand gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7, Abs. 3 StBerG vermutet werde. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Widerrufsbescheid vom 03.01.2002 Bezug genommen.
Mit der dagegen erhobenen Klage trägt der Kl. auch unter Bezugnahme auf die Begründung im Verfahren 7 V 1658/02 StB wegen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung vor, der Kl. sei seit Anfang März 2002 auf jeden Fall nicht mehr arbeitsunfähig, wie sich aus der Bescheinigung des Dr. K vom 25.03.2002 und des Dr. F vom 26.03.2002 ergebe. Es liege weder ein körperliches Gebrechen noch eine Schwäche der geistigen Kräfte im Sinne von § 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG vor. Die Mandantenbeschwerden resultierten daraus, dass der Kl. wegen seiner orthopädischen Erkrankung zeitweise nicht jeder einzelnen Anfrage von Mandaten umgehend habe nachkommen können. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass für einen gewissen Zeitraum der Antragsteller gegenüber einzelnen Mandanten seine Pflichten verletzt habe.
Soweit sich die Bekl. darauf stütze, dass der Kl. keine amtsärztliche Bescheinigung vorgelegt habe, beruft sich der Kl. darauf, dass diese nach Auskunft des Gesundheitsamtes T nicht erstellt werde. Der Kl. sei bereit, sich jederzeit einer entsprechenden Untersuchung zu unterziehen. Mit einer Untersuchung im Klageverfahren erklärte sich der Kl. einverstanden.
Der Kl. beantragt,
den Widerrufsbescheid vom 03.01.2002 aufzuheben.
Die Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bekl. verweist darauf, dass der Widerrufsgrund gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG im Streit vorliege. Seit vielen Jahren beschwerten sich Mandanten über die Untätigkeit und Unzuverlässigkeit des Kl. Auf Grund der Krankheit des Kl. sei eine Praxisvertretung bestellt worden und bis zum 03.03.2002 sei der Kl. nach seinem eigenen Vortrag krank gewesen. Auch gegenüber der Bekl. bzw. Mandanten habe der Kl. bei Mandantenbeschwerde auf seinen schlechten Gesundheitszustand verwiesen, wie sich aus den dem Schriftsatz vom 16.05.2002 beigefügten Schriftstücken ergebe. Auch die Staatsanwaltschaft T gehe in ihrer Einstellungsverfügung vom 09.04.2002 davon aus, dass der Kl. für Straftaten gegenüber seinen Mandanten aus Krankheitsgründen nicht verantwortlich sei. Auf die Einstellungsverfügung der StA T wird Bezug genommen.
Ferner hätten sich laufend weitere Beschwerden ergeben, aus denen ersichtlich sei, dass der Kl. gesundheitsbedingt nicht in der Lage sei, seinen Berufspflichten gegenüber der Mandantschaft zu genügen. Der Kl. öffne nach wie vor keine Post und verweigere die Annahme förmlicher Zustellungen. Termine und Fristen könnten nicht beachtet und eingehalten werden. Den Mandanten gebe der Kl. so nicht einmal die Möglichkeit, seine Berufshaftpflichtversicherung einzuschalten. Der Umgang des Kl. mit seinen Auftraggebern sei verantwortungslos. Hierzu verweist die Bekl. auf die Schreiben der Rechtsanwälte Y und Z vom 20.11.2002 für den Mandanten D (Bl. 215), das Schreiben des Finanzamtes T an die OFD vom 07.01.2002 (Bl. 217 Anlagen Bl. 90 ff. Akte 7 V 1658/02) und die Beschwerde der Firma R vom 29.11.2002 (Bl. 219 f.). Ferner auf die Beschwerde des S vom 11.09.2002 mit Rechtsanwaltsschreiben vom 09.07.2003 (Bl. 345 und 347) sowie die Beschwerde des F vom 27.06.2003 (Bl. 348 f.).
Zu dem vom Senat mit Beschluss vom 21.06.2002 eingeholten psychiatrischen Gutachten des Sachverständigen Dr. med. H vom 06.08.2002 und dem psychologischen Zusatzgutachten der Dipl.-Psychologin V vom 25.09.2002 sowie der Ergänzung des psychiatrisch-neurologischen Gutachtens am 30.12.2002 äußert sich die Bekl. wie folgt:
Die gutachterlichen Äußerungen bestätigten insgesamt das Vorliegen einer gesundheitlichen Störung. Die in den Gutachten festgestellten Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit des Kl. und dessen Persönlichkeitsstörungen führten dazu, dass der Kl. auf Dauer nicht in der Lage sei, seinen Aufgaben als Steuerberater nachzukommen. Es sei erwiesen, dass der Kl. auch nach der von ihm selbst angegebenen Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht in der Lage sei, seine Arbeit so zu organsieren, dass es zu einer ordnungsgemäßen Berufsausübung komme. Die fortlaufenden Beschwerden zeigten auch, dass der Kl. nicht in der Lage sei, nur in dem Umfang Mandanten anzunehmen, wie er ordnungsgemäß betreuen könne. Aber auch darüber hinaus, müsse der Steuerberater belastbar sein, die Steuerberaterpraxis selbständig zu führen, Termine und Fristen einzuhalten und einem gewissen, mit der Berufsausübung verbundenen Druck stand zu halten. Dies sei beim Kl. gerade nicht der Fall.
Auch habe er, entgegen seiner beruflichen Verpflichtung, trotz erneut auftretender Erkrankung ab dem Jahr 2000 keinen Praxisvertreter mehr eingesetzt. Dadurch sei es zu einer Vielzahl von Mandantenbeschwerden gekommen.
Im Übrigen liege auch die weitere Widerrufsvoraussetzung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG vor, die im Klageverfahren aber nicht weiter verfolgt werde.
Der Senat hat am 27.08.2003 mündlich verhandelt. Hinsichtlich des Verlaufs und des Ergebnisses wird auf das Protokoll vom selben Tage Bezug genommen.
Gründe:
Die Klage ist unbegründet.
Der Widerrufsbescheid der Bekl. vom 03.01.2002 verletzt den Kl. nicht in seinen Rechten. Der Kl. ist aus gesundheitlichen Gründen bzw. geistiger Schwäche nicht nur vorübergehend unfähig, seine Beruf ordnungsgemäß auszuüben.
I. Gem. § 46 Abs. 2 Nr. 7 StBerG in der bis zum 30.04.2002 geltenden Fassung war die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Folge eines körperlichen Gebrechens, wegen Schwäche seiner geistigen Kräfte oder wegen einer Sucht nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Nach der durch das Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze vom 27.04.2002 (BGBl I 2002,1467) ab dem 01.05.2002 (Art. 56 Abs. 1) geltenden Fassung dieser Vorschrift liegt der Widerrufsgrund vor, wenn der Berufsangehörige aus gesundheitlichen Gründen nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Gem. § 40 Abs. 2 Nr. 3 StBerG ist die Bestellung zum Steuerberater bei gleichen gesundheitlichen Voraussetzungen zu versagen. Damit ist nach Auffassung des Senats jedenfalls im Ergebnis keine wesentliche Änderung der Rechtslage eingetreten, denn der Begriff „gesundheitliche Gründe” kann nur als Oberbegriff für „körperliche Gebrechen”, „geistige Schwäche” und „Drogensucht” verstanden werden (anders anscheinend Späth in Kommentar zum StBerG, Anm. B 511 zu § 40 StBerG). Dass eine gewisse Schwere der Erkrankung nach wie vor von Bedeutung ist, ergibt sich aus dem erforderlichen Kausalzusammenhang mit der nicht nur vorübergehenden Unfähigkeit, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. Gesundheitliche Beeinträchtigungen, die durch Hilfsmittel oder den Einsatz von Mitarbeitern ausgeglichen werden können oder die eine Einschränkung der beruflichen Betätigung dem Umfang nach erforderlich machen, stehen der Bestellung und dem Verbleiben im Beruf grundsätzlich nicht entgegen, soweit der Steuerberater sich dieser Hilfen bedient und die Beschränkungen beachtet.
a) Bereits nach der älteren Fassung des Gesetzes war es nicht Voraussetzung für die Annahme einer geistigen Schwäche, dass der Berufsangehörige geisteskrank oder geistesschwach im Sinne des früheren § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), geistig oder seelisch behindert im Sinne von § 1896 Abs. 1 BGB oder schuldunfähig im Sinne des § 20 des Strafgesetzbuchs (StGB) war. Entscheidend war und ist vielmehr, dass die gesundheitlichen Mängel, seien sie geistiger (seelischer) oder körperlicher Art so erheblich sind, dass der Steuerberater deswegen zur ordnungsgemäßen Berufsausübung, insbesondere zur ordnungsgemäßen und sorgfältigen Wahrnehmung der Interessen der Mandanten dauernd außer Stande ist. Der Senat folgt insoweit der Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs (– BGH – vgl. Beschlüsse vom 12.03.2001 AnwZ (B) 21/00 Juris DOK-Nr. KORE600422001, BRAK-Mitt. 2001, 231 und vom 14.02.2000 AnwZ (B) 17/98 Juris DOK-Nr. KORE600172000) zu den wortgleichen Vorschriften der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO, § 7 Nr. 7 betreffend die Bestellung, § 14 Abs. 2 Nr. 3 betreffend den Widerruf). Wie sich bereits aus der Formulierung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften ergibt, ist Maßstab auch nicht, ob der Berufsangehörige im sozialversicherungsrechtlichen Sinne arbeitsunfähig krank ist, sondern abzustellen ist darauf, ob die Anforderungen, die an einen Steuerberater im Verhältnis zu seinen Auftraggebern zu stellen sind, dem Gesundheitszustand nach dauerhaft erfüllt werden können. Soweit Pflichtverstöße nicht krankheitsbedingt sind, sind diese nicht im Widerrufsverfahren, sondern gemäß § 89 ff StBerG berufsgerichtlich zu verfolgen.
Bei Zweifeln an der gesundheitlichen Eignung kann die Steuerberaterkammer gem. § 40 Abs. 4 Satz 1 StBerG dem Bewerber schriftlich aufgeben, innerhalb einer von der Kammer zu bestimmenden Frist das Gutachten eines von ihr zu bestimmenden Arztes über den Gesundheitszustand vorzulegen. Diese Vorschrift ist gemäß § 46 Abs. 3 Satz 1 StBerG im Verfahren wegen des Widerrufs nach Abs. 2 Nr. 7 entsprechend anzuwenden. Wird das Gutachten ohne zureichenden Grund nicht innerhalb der von der Steuerberaterkammer gesetzten Frist vorgelegt, so wird vermutet, dass der Steuerberater aus einem Grund des Absatzes 2 Nr. 7, der durch das Gutachten geklärt werden soll, nicht nur vorübergehend unfähig ist, seinen Beruf ordnungsgemäß auszuüben. Liegt der Vermutungstatbestand nicht vor, kann der Widerruf nur erfolgen, wenn der volle Nachweis dieser Widerrufsvoraussetzung erbracht wird (vgl. BGH-Beschluss vom 14.02.2000).
2. Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze ist der Kl. aus gesundheitlichen Gründen bzw. infolge geistiger Schwäche dauerhaft nicht in der Lage, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben.
a) Der Vermutungstatbestand des § 46 Abs. 3 StBerG ist im Streitfall allerdings nicht erfüllt. Zwar hat der Kl. nicht das von ihm verlangte amtsärztliche Gutachten vorgelegt, die Erfüllung dieser Auflage war ihm jedoch nicht möglich, da das Gesundheitsamt T überhaupt nicht bereit war, die Untersuchung durchzuführen. Nach Lage der Akten steht fest, dass sich das Gesundheitsamt geweigert hatte, die Untersuchung durchzuführen. Es wäre Sache der Bekl. gewesen, einen geeigneten und bereiten Gutachter zu benennen oder vor Erteilung der Auflage dafür zu sorgen, dass das Gesundheitsamt die Untersuchung auch durchführt. Dem Kl. kann daher nicht angelastet werden, dass er nicht von sich aus ein Gutachten über seinen Gesundheitszustand vorgelegt hat.
b) Der Senat ist aber auf Grund der Gesamtheit der Ausführungen des Sachverständigen Dr. H, insbesondere der Präzisierung und Erläuterung des schriftlichen Gutachtens in der mündlichen Verhandlung überzeugt, dass der Kl. seelisch erkrankt ist und er deshalb nicht nur vorübergehend zur ordnungsgemäßen Berufsausübung nicht in der Lage ist. Die Diabetes und die orthopädischen Probleme nach dem Unfall des Kl. sind nicht die wesentlichen Ursache für nicht ordnungsgemäße Berufsausübung. Der Sachverständige diagnostiziert beim Kl. eine fortbestehende Persönlichkeitsstörung mit sensitiv paranoider Struktur, die Krankheitswert hat und auf die die Mängel in der Berufsausübung zurückzuführen sind (Seite 66, 67 des Gutachtens, Blatt 154, 155). Mit der Persönlichkeitsstruktur des Kl. werden daher auch die in der Vergangenheit und in einer Krisensituation wiederholt auftretenden Arbeitsstörungen und depressiv-dysphorischen Zustände erklärt (Seite 68 des Gutachtens, Blatt 156). Der Sachverständige hat hierzu festgestellt, dass beim Kl. ein Widerspruch besteht zwischen erlebten starken Gefühlen, der insgesamt starken Bedeutung von Gefühlswechseln und dem sich beim Kl. ergebenden Bild eines zurückhaltenden, fast misstrauisch wirkenden, in emotionalen Ausdrücken wenig auffälligen Mannes. Die Diskrepanz zwischen einer subjektiv starken Emotionalität und wenig beobachtbarem Gefühlsausdruck lässt sich nach Auffassung des Gutachters über eine fehlende Integration und einen defizitären Umgang mit Gefühlen erklären, was dann zeitweise zu unkontrollierten Überschussreaktionen führen könnte (Seite 67 des Gutachtens, Blatt 155).
Diese psychischen Probleme sind nach Auffassung des Gutachters und zur Überzeugung des Gerichts der Grund dafür, dass der Kl., der über eine hohe Intelligenz verfügt, in unverständlicher Weise seine Mandanten deren Schicksal überlassen hat, obwohl diese sich auf die Hilfe des Kl. bei der Erstellung und Abgabe von Steuererklärungen verlassen haben. Dieses Verhalten hat der Sachverständige überzeugend damit begründet, dass der Kl. auf Grund der Persönlichkeitsstörung nicht in der Lage sei, die Realität angemessen wahrzunehmen und darauf zu reagieren, denn er suche dann die Schuld bei den Mandanten. Tatsächlich hat der Kl. in zahlreichen Fällen die ihm übergebenen Unterlagen nicht einmal nach Erhebung der Herausgabeklage den Mandanten herausgegeben, obwohl sie diese zur Erstellung der Steuererklärungen, die der Kl. versäumt hatte anzufertigen, dringend benötigten. Bei den mehrfachen Zwangsvollstreckungen konnten die Unterlagen auch nur teilweise gefunden werden. Diese Tatsachen werden vom Kl. grundsätzlich auch nicht bestritten. Zwar mögen nicht alle Beschwerden in jedem Punkt zutreffend sein, wie z. B. im Fall F, insgesamt ergibt sich aber das Bild eines Steuerberaters, der seine Arbeit und sein Büro nicht organisieren kann und auf Beschwerden und Kritik nicht sachlich durch Abhilfe oder soweit diese ungerechtfertigt sind, durch angemessene Rechtfertigung gegenüber den Mandanten und der Berufskammer reagieren kann.
c) Der Senat vermag dem Vorbringen des Kl., seine gesundheitlichen Probleme seien im Wesentlichen behoben, nicht zu folgen. Der Senat ist vielmehr davon überzeugt, dass der Kl. wegen der Persönlichkeitsstörung nach wie vor nicht in der Lage ist, die ihm übertragenen Aufgaben entsprechend seiner vom Sachverständigen festgestellten eingeschränkten Leistungsfähigkeit zu organisieren. Die seit ca. 5 Jahren die ordnungsgemäße Berufsausübung beeinträchtigende Krankheit ist daher auch nicht nur vorübergehend. Dem steht nicht entgegen, dass die Krankheit des Kl. behandelbar ist, jedenfalls soweit, dass er in reduziertem Umfang und bei Inanspruchnahme von ärztlicher Hilfe in Krisensituationen Mandanten betreuen kann. So weit der Sachverständige in seinem Erstgutachten zu dem Ergebnis gelangt war, der Kl. sei nicht dauerhaft an der ordnungsgemäßen Berufsausübung gehindert, ist diese Aussage in der Ergänzung vom 30.12.2002 erheblich eingeschränkt worden. Während an der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung mit sensitiv paranoider Struktur festgehalten wird, kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die Einschränkungen der Leistungsfähigkeit der allgemeinen Pflichterfüllung eines Steuerberaters entgegenstehen können. Ferner äußert der Sachverständige Zweifel, dass der Kl. derzeit in der Lage ist, seine Berufstätigkeit so zu gestalten, dass er diese tatsächlich entsprechend einschränkt, um Überlastungssituationen von vornherein zu vermeiden. Der Kl. ist zu dieser Einschränkung auch jetzt nicht in der Lage. Für eine erfolgreiche Therapie ist es nicht ausreichend, dass der Kl. Selbsthilfegruppen besucht und monatliche Termine bei seinem Therapeuten wahrnimmt. Insoweit versteht der Kl. die Äußerung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung und im Erörterungstermin falsch. Danach setzt eine erfolgreiche Therapie die volle Einsicht in die Krankheit und die Motivation voraus, den Kernkonflikt behandeln zu lassen. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung deutlich zu verstehen gegeben, dass der Kl. sich der Krankheit noch nicht voll gestellt hat und deshalb die Beeinträchtigung weder fortgefallen ist noch dies demnächst erwartet werden kann. Der Sachverständige hat insofern die Äußerung im Erörterungstermin relativiert, es liege beim Kl. keine dauernde Gesundheitsstörung vor, weil diese behandelbar ist. Die nunmehr vom Sachverständigen und dem Senat festgestellte fortbestehende fehlende Einsicht des Kl., die einer erfolgreichen Behandlung entgegensteht, zeigt sich z. B. auch daran, dass er nach der Erklärung in der mündlichen Verhandlung die Unterlagen zu den Beschwerdevorgängen noch nicht vollständig habe zurückgeben können, weil es sich einschließlich seiner Handakten noch um ca. 50 Umzugskartons handele, die er in das Büro des Steuerberaters Ä nach Ü gebracht habe. Er könne sich nicht in noch stärkerem Umfang der Herausgabe widmen, weil er auch an seine Einnahmen aus laufender Tätigkeit denken müsse. Dem Kl. fehlt daher offensichtlich nach wie vor die Einsicht, nicht in vollem Umfang steuerberatend tätig sein zu können, wenn er einerseits die laufenden Aufträge und die sog. Altlasten nicht erledigt, andererseits bemüht ist, weitere Aufträge zu aquirieren. Der Kl. setzt damit sein seit Jahren geübtes Verhalten fort und erweist sich auch deshalb weiterhin aus gesundheitlichen Gründen als unfähig, den Beruf des Steuerberaters ordnungsgemäß auszuüben. Nach Auffassung des Senats bedarf es keiner näheren Erörterung, dass ein Steuerberater, der laufend Aufträge annimmt, ohne diese in dem erwarteten Zeitrahmen erledigen zu können, wie es der Kl. vielfach getan hat, gegen die allgemeine Berufspflicht zur gewissenhaften Ausübung des Berufs (§ 57 Abs. 1 StBerG) verstößt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 13, 25 Gerichtskostengesetz.