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  • 08.01.2010

    Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 10.10.2002 – VI 86/02

    Keine USt-Freiheit von Verkäufen in Duty-free-Shops ohne Abnehmernachweis


    Tatbestand

    Streitig ist die umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Verkäufen an Reisende in Duty-free-Shops.

    Die Klägerin betreibt im Transitbereich deutscher Flughäfen Duty-free-Shops, in denen Reisende vor Flugantritt Gegenstände für den persönlichen Bedarf und Geschenke einkaufen können. Den Transitbereich erreichen die Reisenden nur mit gültigem Flugschein, nachdem sie sowohl die Kontrolle durch den Zoll als auch durch den Bundesgrenzschutz passiert haben. Die Verkaufsläden sind in zwei Bereiche unterteilt. In einem Bereich werden die sog. Duty-free-Waren, wie etwa Tabak, alkoholische Getränke, Kekse, Süßigkeiten oder Kosmetika angeboten, in einem anderen Teil höherwertige Waren, z.B. Uhren, Handtaschen oder Bekleidung.

    Im Rahmen einer Betriebsprüfung für die Jahre 1991 bis 1996 wurde festgestellt, dass die Klägerin aufgrund einer von dem damals zuständigen Finanzamt Hamburg-... ausgesprochenen Genehmigung seit dem 17.01.1972 Erleichterungen für den Nachweis der Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen in Anspruch genommen hatte. Demnach sollte es ausreichen, dass die Klägerin auf den Kassenbons den Namen, die Stadt und das Land des Käufers vermerkt, um sicherzustellen, dass es sich um einen ausländischen Abnehmer im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG handelt. Nur in den Verkaufsläden mit höherwertigem Warenangebot sollte darüber hinaus der Pass eingesehen werden, um neben dem Wohnort auch die Passnummer vermerken zu können. In allen Fällen wurde in die online geschaltete Registrierkasse anhand der Bordkarte oder des Flugtickets die Flugnummer eingegeben. Handelte es sich um einen innergemeinschaftlichen Flug, sperrte die Kasse die Ware umgehend für den steuerbefreiten Verkauf. Nachträglich verglich das zuständige Hauptzollamt die Verkaufsdaten mit den Flugplänen. Auf diese Weise erbrachte die Klägerin den vom Zoll geforderten Nachweis der Ausfuhr.

    Die Abschaffung der Tax-Free-Regelung innerhalb der EG zum 01.07.1999 und die damit in Deutschland verbundene eingeschränkte Steuerfreiheit der Duty-free-Waren nur noch für Abnehmer mit Wohnort und Reiseziel im Drittausland (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG bzw. Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL) führte zu einem vom Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den Ländern herausgegebenen Merkblatt zur Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr (v. 11.10.2000, BStBl. 2000 I, S. 1462). Dieses behandelt nicht speziell sog. Duty-free-Shops, sondern den „Export über den Ladentisch” durch Einzelhandelsunternehmen jeder Art im Inland. Unter 3.2 wird ausgeführt, dass der Einzelhandelsunternehmer sich durch Vorlage des Passes oder eines sonstigen Grenzübertrittspapiers des Käufers von dessen Eigenschaft als Drittlandskunde überzeugen soll.

    Zum Ausfuhr- und Abnehmernachweis bei Verkäufen im Transitbereich von Flughäfen erging ein bundesweit abgestimmter Erlass (FinBeh Hamburg v. 14.9.2001, 53-S-7133-02/97, Bl. 56 USt-SA). Dieser sieht vor, dass Duty-free-Shop-Betreiber sowohl hinsichtlich der Duty-free-Waren als auch hinsichtlich der übrigen Waren durch Einsichtnahme in das Grenzübertrittspapier des drittländischen Abnehmers dessen ausländische Abnehmereigenschaft nachzuweisen haben. Auf dem Kassenzettel müssen danach die Nummer des Grenzübertrittspapiers, Name, Anschrift und Wohnort des Abnehmers (sog. Abnehmernachweis) sowie der Zielort der Reise und die Flugnummer (sog. Ausfuhrnachweis) vermerkt werden.

    Diesen Erlass übersandte der Beklagte der Klägerin am 22.10.2001 und verschärfte entsprechend das Nachweisverfahren für die Klägerin. Die am 10.01.2002 beim Beklagten eingegangene Umsatzsteuervoranmeldung für November 2001 wies die Duty-free-Umsätze weiterhin sämtlich als steuerbefreite Umsätze aus. Im einzelnen handelte es sich dabei um Umsätze mit einem Steuersatz von 16 % in Höhe von ... Mio. und um Umsätze mit einem Steuersatz von 7 % in Höhe von ... Mio. Der Steuerberater der Klägerin teilte dem Beklagten mit, dass die Klägerin nicht bereit sei, die nach dem Erlass erforderlichen Nachweise zu erbringen, die Verschärfung des Nachweises der ausländischen Abnehmereigenschaft sei rechtswidrig und praktisch undurchführbar.

    Der Beklagte stellte daraufhin die vorgenannten Umsätze mit Vorauszahlungsbescheid für November 2001 vom 25.01.2002 sämtlich steuerpflichtig. Mit nach § 164 Abs. 2 AO geändertem Bescheid vom 11.02.2002 korrigierte er die steuerpflichtig gestellten Umsätze dahingehend, dass er die darin enthaltene Umsatzsteuer von 16 % bzw. 7 % aus der Bemessungsgrundlage herausrechnete. Gegen diese Bescheide richten sich die Einsprüche der Klägerin vom 01.02.2002 und vom 05.03.2002, die sie mit Schreiben vom 26.03.2002 begründete. Gegen die am 15.04.2002 ergangene zurückweisende Einspruchsentscheidung richtet sich die am 25.04.2002 beim Gericht eingegangene Klage.

    Die Klägerin meint, die Verschärfung des Nachweises für die ausländische Abnehmereigenschaft sei rechtswidrig.

    Rechtsgrundlage für den Verkauf umsatzsteuerbefreiter Waren in Duty-free-Shops sei nicht § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG, sondern § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG bzw. der gleichlautende Art. 15 Nr. 1 der 6. MwSt-RiL, der einen Abnehmernachweis nicht verlange. Der Duty-free-Shop befinde sich gemäß dem Schengener Durchführungsübereinkommen nicht im Inland, sondern „hinter den Außengrenzen der Europäischen Gemeinschaft”, so dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG schon dem Wortlaut nach nicht anwendbar sei.

    Dies entspreche auch der Handhabung im besonderen Verbrauchsteuerrecht. Nach § 27 Abs. 9 ZollV entstehe mit der Aufnahme der unversteuerten Tabak- und Branntweinerzeugnisse in das Steuerlager der Duty-free-Shops eine durch die Ausfuhr bedingte Verbrauchsteuer. Diese erlösche mit der endgültigen Abgabe der Waren an einen Reisenden in ein Drittland. Die Ausfuhr sei mit der Übergabe an den Reisenden vollzogen, so dass nicht etwa der Reisende, sondern der Duty-free-Shop-Betreiber die Ware steuerrechtlich ausgeführt habe. Damit sei aber § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG anwendbar.

    Weiter sei § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG auf die Fälle der sog. „Ausfuhr über den Ladentisch”, also auf Verkäufe im Inland zugeschnitten, bei denen generell weder sichergestellt sei, dass der Käufer Drittausländer sei noch ob bzw. wann er das Inland mit der Ware wieder verlasse. Allein aus dieser Unsicherheit heraus sei neben dem Ausfuhrnachweis auch der aufwändige Abnehmernachweis zu führen. Der Wohnort des Käufers im Drittausland diene nämlich als erster und gewichtiger Anhaltspunkt dafür, dass der Käufer alsbald tatsächlich mit der Ware ausreisen und sie also ausführen werde. Bei Kunden eines Duty-free-Shops sei dagegen durch die Kontrolle der Flugnummer mit dem Kassensystem der Klägerin sichergestellt, dass eine Reise in das Drittausland unmittelbar angetreten werde, so dass eine diesbezügliche Unsicherheit gar nicht entstehen könne. Der Abnehmernachweis sei daher sinnlos.

    Auf Duty-free-Shops sei § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG auch deshalb nicht anwendbar, weil die in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG vorgesehene 3-Monats-Frist zur Ausreise bei Duty-free-Shop-Kunden leer liefe. Die Auslegung der 6. MwSt-RiL führe zu dem Ergebnis, dass diese von dem Abnehmernachweis absehen wolle, wenn sichergestellt sei, dass der Käufer die Ware ausführen werde. Entsprechend subsumierten elf der 15 EU-Mitgliedsstaaten die Verkäufe in Duty-free-Shops unter Art. 15 Nr. 1 der 6. MwSt-RiL.

    Der in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG geforderte Abnehmernachweis sei jedenfalls im Hinblick auf das Verhältnismäßigkeitsprinzip rechtswidrig. Er sei für Duty-free-Shops überflüssig und damit weder geeignet noch erforderlich. Er sei zudem unangemessen, weil der an der Kasse entstehende Aufwand in keinem Verhältnis zu seinem Zweck stehe. Den Kassiererinnen sei es nicht zuzumuten, Drittausländer jeder Herkunft, wie z.B. Russen oder Chinesen, nach den erforderlichen Papieren zu befragen und die in verschiedenen fremden Sprachen und Schriftzeichen dargestellten Daten aufzunehmen. Diese Schwierigkeiten und die Suche nach den Papieren verursachten lange Schlangen und Wartezeiten an der Kasse und würden den Betrieb der Duty-free-Shops letztlich lahm legen. Schließlich sei es auch kaum denkbar, dass die Daten z.B. eines chinesischen Reisenden im Rahmen einer Jahre später folgenden Betriebsprüfung noch überprüft werden könnten.

    Die Klägerin beantragt, die Einspruchsentscheidung vom 15.04.2002 aufzuheben und den Bescheid über die Umsatzsteuervorauszahlung für November 2001 vom 25.01.2001 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.02.2002 entsprechend der Umsatzsteuervoranmeldung der Klägerin für den Monat November 2001 vom 09.01.2002 zu ändern.

    Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

    Er meint, die streitigen Umsätze seien steuerbar, weil sie im Inland ausgeführt wurden. Der Begriff des Inlandes sei nach § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG zu definieren. Da die Transitbereiche der Flughäfen dort als Ausnahme nicht genannt seien, gehörten sie umsatzsteuerrechtlich zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsgrundlage für die umsatzsteuerliche Behandlung der Verkäufe in Duty-free-Shops sei § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3a UStG bzw. Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL. Der Abnehmernachweis sei Tatbestandsmerkmal dieser Vorschriften, so dass eine Steuerbefreiung ohne Nachweis nicht gewährt werden könne. Der in einigen anderen Mitgliedsstaaten praktizierte Verzicht auf den Abnehmernachweis beruhe auf der in Art. 16 Abs. 1 der 6. EG-Richtlinie eingeräumten Befreiungsmöglichkeit für sog. Tax-free-Verkaufsstellen, von der die Bundesrepublik keinen Gebrauch gemacht habe. Der Abnehmernachweis sei auch technisch durchführbar, z.B. durch einscannen der Pässe.

    Hinsichtlich weiterer Einzelheiten zum Klägervortrag wird auf das Gutachten von Dr. A (Anlagenband S. 1 ff.) verwiesen. Dem Gericht haben ein Band Umsatzsteuernebenakten und ein Band Umsatzsteuer-Sonderakten vorgelegen.

    Gründe

    Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, denn die von der Klägerin im Transitbereich bewirkten Lieferungen sind nicht steuerfrei, soweit der Abnehmernachweis fehlt.

    1. Die Verkäufe von Duty-free-Waren - Alkohol und Tabakwaren usw. - sind gem. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Denn die Klägerin ist Unternehmerin (§ 2 UStG) und hat die Lieferungen im Inland vorgenommen. Zum Inland gehört nach der in § 1 Abs. 2 UStG enthaltenen Definition das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland mit Ausnahme des Gebietes von Büsingen, der Insel Helgoland, der Freihäfen, der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören. Da die Transitbereiche von Flughäfen einschließlich der Duty-free-Shops zum deutschen Hoheitsgebiet gehören und die Aufzählung der Ausnahmen in § 1 Abs. 2 UStG abschließend ist, zählen sie zum Inland. Der Inlandsbegriff des § 1 Abs. 2 UStG steht auch im Einklang mit Art. 3 Abs. 2 der 6. MwSt-RiL i. V. m. Art. 227 EWG.

    Unerheblich ist dabei, ob das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik gemäß Art. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens an den Grenzübergangsstellen der Flughäfen endet, soweit ein Flug ins Drittausland angetreten wird und der Flughafen nicht Binnengrenze ist. Denn das Schengener Übereinkommen sieht die Aufhebung aller Personenkontrollen und der Kontrollen des mit dem Personenverkehr verbundenen Warenverkehrs an den Binnengrenzen der Vertragsstaaten sowie einen Ausgleich durch verschiedene Sicherheitsmaßnahmen vor. Die im Übereinkommen definierten Begriffe „Binnengrenze” oder „Außengrenze” gelten für den Vertragstext, der sich vornehmlich mit Grenzkontrollen befasst. Für das Umsatzsteuergesetz entfalten sie keine Bindungswirkung.

    Ebenso verhält es sich mit den Begriffsbestimmungen im besonderen Verbrauchsteuerrecht. Eine Befreiung von Branntwein- oder Tabaksteuer erfolgt unabhängig von der Umsatzsteuerbefreiung.

    2. Die Verkäufe sind nicht als Ausfuhrlieferungen gem. § 4 Nr. 1 Buchstabe a i.V.m. § 6 UStG steuerfrei.

    a) Eine steuerfreie Ausfuhrlieferung liegt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. a UStG, der Art. 15 Nr. 1 der 6. MwSt-RiL entspricht, vor, wenn der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in das Drittlandsgebiet befördert oder versendet; eines Abnehmernachweises bedarf es in diesem Falle nicht.

    Das Verbringen der Waren in den im Transitbereich belegenen Verkaufsraum der Klägerin kann jedoch nicht als Ausfuhr gewertet werden. Da unter Ausfuhr das Verbringen eines Gegenstandes ins Drittlandsgebiet zu verstehen ist, muss die Ware das Inland im Sinne von § 1 Abs. 2 UStG verlassen. Die Duty-free-Shops befinden sich jedoch - wie oben dargelegt - im Inland; anderenfalls wäre die Lieferung an die Reisenden (schon) nicht steuerbar.

    Die Klägerin hat die Waren auch nicht durch Übergabe an die Reisenden ins Drittlandsgebiet befördert. Denn nicht sie, sondern die Reisenden haben die Waren aus dem Gemeinschaftsgebiet heraus fortbewegt (vgl. § 3 Abs. 6 S. 2 UStG).

    Auch eine Versendung der duty-free-Waren durch die Klägerin hat nicht stattgefunden. Unter Versendung wird die Beförderung eines Gegenstandes durch einen selbständigen Beauftragten verstanden (vgl. § 3 Abs. 6 S. 4 UStG). Die Reisenden als Käufer der zollfreien Ware sind jedoch nicht Beauftragte der Klägerin, sondern erwerben und handeln für sich selbst.

    b) Die in den Duty-free-Shops gelieferten Waren sind mithin gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG durch die Abnehmer - die Reisenden - ins Drittlandsgebiet befördert worden. Da die Reisenden die Gegenstände nicht für unternehmerische Zwecke erwarben und die Ausfuhr nur im nicht aufgegebenen Handgepäck, d.h. im persönlichen Reisegepäck erfolgen konnte, ist gem. § 6 Abs. 3a Nr. 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG weitere Voraussetzung für eine steuerfreie Ausfuhrlieferung, dass der Abnehmer seinen Wohnort im Drittlandsgebiet hat und dies vom Unternehmer - der Klägerin - nachgewiesen wird (§ 6 Abs. 4 UStG).

    c) Die von der Klägerin gegen die Erforderlichkeit des Abnehmernachweises vorgetragenen Gründe überzeugen nicht.

    aa) Zutreffend ist allerdings, dass die verbrauchsteuerrechtliche und umsatzsteuerliche Behandlung des Verkaufes von duty-free-Waren nicht übereinstimmt: Erwirbt ein ins Drittlandsgebiet Reisender z.B. Zigaretten, so fällt keine Tabaksteuer an. Der Vorgang unterliegt jedoch der Umsatzsteuer, wenn der Abnehmernachweis nicht erbracht wird. Dies beruht aber auf der vom Gesetzgeber getroffenen Entscheidung, Ausfuhren im Reiseverkehr nur dann umsatzsteuerfrei zu stellen, wenn der Abnehmer im Drittlandsgebiet ansässig ist. Dabei ist zu beachten, dass diese Regelung nicht nur für die sog. duty-free-Waren gilt, sondern für alle Gegenstände. Auch die Klägerin erbringt dementsprechend - soweit möglich - Abnehmernachweise bei der Veräußerung höherwertiger Waren wie Uhren, Schmuck und Mode. Ohne Abnehmernachweis wäre das deutsche Umsatzsteueraufkommen gefährdet, weil in Deutschland wohnende Personen anderenfalls anlässlich von Reisen ins Drittlandsgebiet im Transitbereich z.B. teure Armbanduhren, Lederwaren oder Textilien umsatzsteuerfrei erwerben und nach der (Wieder-)Einreise im Inland nutzen könnten, ohne dass die Erhebung der (Einfuhr-)Umsatzsteuer sichergestellt wäre.

    Das Umsatzsteuergesetz verlangt bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr gem. § 6 Abs. 3a UStG die Drittlandsansässigkeit des Abnehmers ohne Rücksicht auf den Wert des Gegenstandes. Ebenso wenig kommt es nach § 6 Abs. 3a UStG darauf an, ob der gelieferte Gegenstand einer besonderen Verbrauchsteuer wie der Branntwein-, Schaumwein-, Kaffee- oder Tabaksteuer unterliegt. Das Umsatzsteuergesetz unterscheidet mithin bei den Voraussetzungen einer steuerfreien Ausfuhrlieferung im Reiseverkehr nicht nach Art und Wert der Gegenstände, so dass der Verkauf der sog. höherwertigen Waren im Transitbereich und der Verkauf von Zigaretten oder Cognac gleich behandelt werden. Für die von der Klägerin begehrte Differenzierung bietet das Umsatzsteuergesetz keine Handhabe; Erleichterungen für niedrigpreisige oder verbrauchsteuerpflichtige Artikel hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen, obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre, wie z.B. durch die Sonderregelungen für Kleinbetragsrechnungen oder Fahrscheine (§§ 33, 34 UStDV) belegt wird. Die einheitliche Auslegung des Umsatzsteuergesetzes ist auch höher zu bewerten als die Vermeidung von Widersprüchen zwischen dem Umsatz- und dem Verbrauchsteuerrecht.

    bb) Das Erfordernis des Abnehmernachweises bei der Ausfuhr von zu nichtunternehmerischen Zwecken erworbenen Gegenständen im persönlichen Reisegepäck (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3a Nr. 1 und Abs. 4 UStG) steht - wie der Beklagte zutreffend ausgeführt hat - im Einklang mit der 6. EG-Richtlinie. Denn Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL wurde mit Wirkung ab 1.1.1996 dahin geändert, dass die Lieferung von Gegenständen zur Mitführung im persönlichen Reisegepäck nur dann steuerbefreit ist, wenn der Reisende nicht in der Gemeinschaft ansässig ist. Als nicht in der Gemeinschaft ansässig gilt ein Reisender, dessen Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt sich nicht in der Gemeinschaft befindet, wobei die Eintragung im Pass oder Personalausweis maßgeblich ist. Die vom 1.1.1993 bis 31.12.21995 geltende Fassung des Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL gewährte die Befreiung hingegen bei Lieferungen an Abnehmer, die nicht im Inland ansässig waren, die Mitgliedsstaaten konnten jedoch u.a. Lieferungen an Reisende, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinschaft hatten, von der Steuerbefreiung ausnehmen oder die Steuerbefreiung auf die Gebietsansässigen ausdehnen. Diese Möglichkeiten sind durch die ab 1996 geltende Richtlinienfassung beseitigt worden.

    cc) Der Senat vermag auch der Ansicht der Klägerin nicht zu folgen, Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL sei nicht anwendbar, weil die Ausfuhrbestätigung aus praktischen Gründen nicht erbracht werden könne, da der Reisende die dafür zuständige Grenzzollstelle bereits passiert habe und ihm der Rückweg versperrt sei, so dass sich die Steuerfreiheit nur aus Art. 15 Nr. 1 der 6. MwSt-RiL ergeben könne. Denn bei dem Verzicht auf den Ausfuhrnachweis handelt es sich nicht - wie die Klägerin meint - um ein rechtswidriges angebliches Entgegenkommen, das die „Unmöglichkeit der Anwendung des Art. 15 Nr. 2 der 6. MwSt-RiL” belegt, sondern um den sachlich gebotenen Verzicht auf den Nachweis einer feststehenden Tatsache: Befindet sich die Ware beim Verkauf bereits „hinter der Zollkontrolle” und ist nachgewiesen, dass sie von einem Reisenden mit einem Flugschein in ein Drittlandsgebiet erworben wurde, steht die Ausfuhr außer Zweifel. Die Voraussetzungen des Art. 15 Nr. 1 der 6. MwSt-RiL sind demgegenüber - wie oben dargelegt nicht erfüllt.

    dd) Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf Art. 28k der 6. MwSt-RiL berufen, denn diese Vorschrift beruht auf der den Mitgliedsstaaten in Art. 16 Abs. 1 Buchst. B. Unterbuchst. e) der 6. EG-RiL eingeräumten Möglichkeit, Umsätze in Tax-Free-Verkaufsstellen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen von der Steuer zu befreien, wenn sie an Reisende bewirkt werden, welche sich per Flugzeug oder Schiff in einen Drittstaat begeben. Angesichts des klaren Wortlautes („können die Mitgliedsstaaten ... Sondermaßnahmen treffen”) besteht keine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland, entsprechende Steuerbefreiungen gesetzlich vorzusehen.

    ee) Der gesetzlich vorgesehene Abnehmernachweis ist auch nicht unverhältnismäßig. Deshalb kann dahinstehen, ob und unter welchem Gesichtspunkt der Senat zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der sich aus §§ 4 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3a Nr. 1 und Abs. 4 UStG ergebenden Regelung berechtigt ist.

    Der Abnehmernachweis soll sicherstellen, dass nur Drittlandsansässige, nicht aber Gebietsansässige anlässlich von Reisen ins Drittlandsgebiet umsatzsteuerfrei Waren erwerben können. Diese sich aus §§ 4 Nr. 1, 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG ergebende Entscheidung des Gesetzgebers ist im Rahmen der Mittel-Zweck-Relation hinzunehmen; die Frage, ob es rechtspolitisch wünschenswert gewesen wäre, wenn der Gesetzgeber im Rahmen der ihm durch die 6. MwSt-RiL eingeräumten Grenzen weitere Befreiungen vorgesehen hätte, ist hierbei ohne Belang. Da ein milderes Mittel zur Erreichung des gesetzgeberischen Zieles nicht ersichtlich ist, ist der Abnehmernachweis erforderlich. Die von der Klägerin praktizierte Erfassung des Flugscheins genügt insoweit nicht, weil auch Gebietsansässige ins Drittlandsgebiet reisen und ohne zusätzlichen Abnehmernachweis bei Flügen ins Drittlandsgebiet umsatzsteuerfrei einkaufen könnten.

    Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Erfassung der im Pass oder sonstigen Reisedokument enthaltenen Angaben praktisch unverhältnismäßig schwierig und deshalb der Klägerin nicht zumutbar ist. Denn Reisende werden regelmäßig nicht nur den Flugschein, der beim Zugang zum Abflugbereich vorgezeigt werden muss, sondern wegen der vorangegangenen Ausreisekontrolle auch den Pass zur Hand haben. Die Frage nach dem „Passport” dürfte auch dem sprachlich nicht versierten Verkaufspersonal der Klägerin möglich sein, und sie dürfte von Ausländern, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, fast ausnahmslos verstanden werden. Zudem könnte durch eine mehrsprachige Hinweistafel mit zusätzlichem Symbol über der Kasse darauf hingewiesen werden.

    Die von der Klägerin vorgetragenen Bedenken gegen die Möglichkeit einer genaueren Überprüfung der Daten von z.B. chinesischen Reisenden im Rahmen einer Jahre später folgenden Betriebsprüfung rechtfertigen keinen Verzicht auf den gesetzlich vorgeschriebenen Empfängernachweis.

    ff) Eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist nicht geboten, weil keine Zweifel an der Auslegung der Art. 15, 28k der 6. MwSt-RiL bestehen. Der Wortlaut der 6. MwSt-RiL ist insoweit eindeutig und bedarf hinsichtlich der Duty-free-Shops keiner Einschränkungen. Sollte es in anderen EU-Ländern über die von der 6. MwSt-RiL eingeräumten Möglichkeiten hinaus eine europarechtswidrige Begünstigung von Duty-free-Shops geben, so wäre dies nicht durch die finanzgerichtliche Rechtsprechung, sondern z.B. durch ein Vertragsverletzungsverfahren zu ändern.

    3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

    VorschriftenUStG § 4, UStG § 6