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  • 03.02.2022 · IWW-Abrufnummer 227291

    Finanzgericht Münster: Beschluss vom 27.12.2021 – 5 V 2705/21 U

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

     
    Tenor:

    Der Bescheid über Umsatzsteuervorauszahlung für August 2021 vom 06.10.2021 wird ab Fälligkeit bis einen Monat nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung von der Vollziehung ausgesetzt und, soweit der Bescheid bereits vollzogen ist, die Vollziehung aufgehoben.

    Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.

    Die Beschwerde wird zugelassen.

    Gründe:

    1
    I.

    2
    Streitig ist die Besteuerung des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen.

    3
    Die Antragstellerin betreibt Spielhallen, in denen Glücksspiel mit Geldspielautomaten betrieben wird. Bei der Abgabe ihrer Umsatzsteuervoranmeldung für August 2021 vertrat sie in einem beigefügten Schreiben vom 17.09.2021, auf das wegen des Inhalts verwiesen wird (USt-Akte Bl. 36), die Auffassung, ihre Glücksspielumsätze seien gemäß Art. 135 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) steuerfrei. Der Antragsgegner setzte mit Bescheid vom 06.10.2021 über Umsatzsteuervorauszahlung für August 2021 die Umsatzsteuer auf … € fest, was zu einem Nachzahlungsbetrag von … € führte. Dagegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV). Über den Einspruch ist noch nicht entschieden. Den AdV-Antrag lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28.10.2021 ab.

    4
    Mit Schriftsatz vom 02.11.2021 beantragte die Antragstellerin AdV bei Gericht, den sie wie folgt begründet:

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    Die Antragstellerin werde seit dem Inkrafttreten des Staatsvertrags zur Neuregulierung des Glücksspielwesens in Deutschland vom 29.10.2020 (Glücksspielstaatsvertrag 2021 ‒ GlüStV‒) zum 01.07.2021 gegenüber den seit diesem Zeitpunkt gemäß § 22a GlüStV erlaubten virtuellen Automatenspielen im Internet hinsichtlich der Mehrwertsteuer und damit hinsichtlich gleichartiger und deshalb mit der Antragstellerin im Wettbewerb stehender Dienstleistungen benachteiligt. Die virtuellen Automatenspiele seien in den §§ 36 ff des Rennwett- und Lotteriegesetzes vom 25.06.2021 (RennwLottG) geregelt. Gemäß § 4 Nr. 9 Buchstabe b Umsatzsteuergesetz (UStG) seien die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fielen, von der Umsatzsteuer befreit. In dieser Befreiung des virtuellen Automatenspiels liege eine Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes zu Lasten der Antragstellerin. Bei den virtuellen Automatenspielen handele es sich um die gleichen Spiele, wie diejenigen, die in den Spielhallen der Antragstellerin angeboten würden. Geldspielautomaten gehörten sämtlich derselben Kategorie von Glücksspielen an (EuGH, Urteil vom 10.11.2011 ‒ C-259/10, C-260/10, juris, Rn. 55). Auch die Europäische Kommission sei der Auffassung, dass es sich bei virtuellen Automatenspielen gegenüber den terrestrischen Angeboten um die gleiche Glücksspielform handele. Im Beschluss der Kommission vom 20.09.2011, Az. C (2011) 6499, Amtsblatt der Europäischen Union L 86/3 (Gerichtsakte Bl. 51ff), stelle diese fest:

    6
    „(87) Trotz einer Reihe von objektiven Unterschieden zwischen Online- und herkömmlichen Glücksspielanbietern (wie die physische Anwesenheit gegenüber der Online-Präsenz) ist die Kommission der Auffassung, dass die vorgenannten Unterschiede zwischen Online- und herkömmlichen Glücksspielkasinos nicht hinreichend sind, um eine wesentliche und ausschlaggebende rechtliche und tatsächliche Unterscheidung zwischen den beiden Arten von Unternehmen zu erkennen. (88) Dazu stellt die Kommission fest, dass die von herkömmlichen und Online-Glücksspielanbietern angebotenen Spiele gleichzustellen sind. Die von beiden, nämlich Online- und herkömmlichen Anbietern angebotenen Spiele, das heißt u. a. Roulette, Bakkarat, Punto Banco, Blackjack, Poker und Spiele an Spielautomaten, gehören unabhängig von ihrer Online- oder herkömmlichen Verortung derselben Glücksspielaktivität an. Deshalb erscheinen aus technischer Sicht online angebotene und an herkömmlichen Stätten angebotene Kasinospiele hinsichtlich der technologischen Plattformen, Beschreibungen, Formate und Parameter vergleichbar.“

    7
    Deshalb könne es in Bezug auf die steuerliche Behandlung keinen Unterschied machen, ob das Spiel an den terrestrisch betriebenen Geldspielautomaten in Spielhallen, wie sie die Antragstellerin betreibe oder an virtuellen Geldspielautomaten über das Internet angeboten werde. Insbesondere seien die auch schon von der Kommission erkannten erheblichen Bemühungen seitens der Online-Casinos zu nennen, den Online-Spielern durch Stimulierung des herkömmlichen Kasinoerlebnisses das Gefühl zu vermitteln, sie spielten in einer herkömmlichen Kasino-Stätte und nicht in virtueller Umgebung. Derartige Versuche der Online-Casinos seien im Internet allgegenwärtig. Bei kumulierter Eingabe der Suchbegriffe „Spielhalle“ und „Online“ oder „Spielautomat“ und „Online“ in Suchmaschinen wie „…“ werde man fündig. Die Antragstellerin könne sich aufgrund der dargelegten Verletzung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der MwStSystRL berufen.

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    Die Antragstellerin ist des Weiteren der Auffassung, dass sie sich unmittelbar auf Artikel 135 Abs. 1 Buchstabe i der MwStSystRL berufen könne, weil es sich bei der Steuer, die von den Betreibern der öffentlichen Spielbanken aufgrund der Änderung des § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG seit dem 06.05.2006 erhoben werde, trotz der Bezeichnung der Steuer als „Umsatzsteuer“ in Wirklichkeit nicht um eine Umsatzsteuer handele. Sei dies der Fall, könnten sich die Betreiber gewerblicher Geldspielgeräte wie vor der zum 06.05.2006 in Kraft getretenen Gesetzesänderung noch immer aufgrund des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes unmittelbar auf die Steuerbefreiungsvorschrift des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der MwStSystRL berufen. Tatsächlich gingen alle Landesgesetzgeber davon aus, dass die „Umsatzsteuer“ die Spielbankunternehmen wirtschaftlich belaste. Aus diesem Grunde sei in allen Spielbankgesetzen der Länder die offensichtliche Notwendigkeit gesehen worden, im Zusammenhang mit der Einführung der „Umsatzsteuer“ für Spielbanken, die Spielbankenabgabe genau um den Betrag der Umsatzsteuer zu senken. Das Ziel, die mit der „Umsatzsteuer“ einhergehende Belastung für die Spielbanken abzumildern, sei ein weiterer sicherer Beleg dafür, dass die „Umsatzsteuer“, wie sie von den Spielbanken erhoben werde, nicht auf Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt sei. Es handele sich also in Wahrheit nicht um eine Umsatzsteuer, sondern um einen Etikettenschwindel des deutschen Gesetzgebers. Eine direkte Ertragssteuer werde lediglich als „Umsatzsteuer“ verkauft, und zwar nur zu dem Zweck, mit der Steuer nach dem EuGH-Urteil vom 17.02.2005 angeblich den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz wieder hergestellt zu haben. Die Umsätze der öffentlichen Spielbanken seien nach alledem noch immer von der Umsatzsteuer befreit. An der Rechtslage, wie sie zur Zeit des EuGH-Urteils vom 17.02.2005 (Linneweber und Akritidis) gegolten habe, habe sich aus unionsrechtlicher Sicht, insbesondere in Bezug auf den steuerlichen Neutralitätsgrundsatz, bis heute nichts geändert. Damit könne sich die Antragstellerin noch immer auf die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i der MwStSyStRL berufen, weil die Umsätze der mit ihr im Wettbewerb stehenden öffentlichen Spielbanken zwar seit dem 06.05.2006 einer Steuer unterworfen würden, die als „Umsatzsteuer“ bezeichnet werde, die aber jedenfalls nicht sämtliche charakteristische Merkmale einer Mehrwertsteuer erfülle und die damit keine Mehrwertsteuer im Sinne der Richtlinie sei. Keinesfalls sei durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt, dass es sich bei der seit dem 06.05.2006 auf Spielbankenumsätze erhobenen Steuer um eine Steuer handele, welche die Anforderungen an eine Mehrwertsteuer nach dem harmonisierten Mehrwertsteuersystem erfülle. Vielmehr lasse die bisherige Rechtsprechung des EuGH Zweifel aufkommen, dass es sich bei der als „Umsatzsteuer“ bezeichneten Steuer auf Umsätze der öffentlichen Spielbanken tatsächlich um eine Steuer handele, die die charakteristischen Merkmale einer Mehrwertsteuer habe und ob es sich damit um eine Mehrwertsteuer im Sinne der Richtlinie handele. Insbesondere sei auch nicht etwa durch das EuGH-Urteil vom 24.10.2013, Rs. C-440/12 (Metropol Spielstätten) geklärt, dass die öffentlichen Spielbanken seit dem 06.05.2006 nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit wären. In dieser Rechtssache habe der EuGH sich nicht mit der Frage auseinanderzusetzen gehabt, ob die von den Spielbanken seit dem 06.05.2006 zu entrichtende Steuer tatsächlich eine Mehrwertsteuer im Sinne der Richtlinie ist. Ihm sei dies vom vorlegenden FG Hamburg als Tatsache vorgegeben worden. Das Urteil vom 24.10.2013 bestätige sogar noch die Zweifel daran, dass die Spielbanken einer Umsatzbesteuerung unterliegen würden. Nach der Rechtsprechung des EuGH im Verfahren C-440/12 könne die Kasseneinnahme nur dann als Bemessungsgrundlage für die Steuer herangezogen werden, wenn die Umsätze der Geldspielgeräte durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt seien. In Randnummer 42 seines Urteils vom 24.10.2013 führe der EuGH hierzu aus:

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    „Unter diesen Umständen wird die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch „zwingende gesetzliche Vorschriften“ festgelegt und besteht daher nur „in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann“ (vgl. Urteile Glawe, Randnr. 9, und vom 19. Juli 2012, International Bingo Technology, C 377/11, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 26), d. h. in den Kasseneinnahmen nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums.“

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    Da der EuGH die Annahme, die Kasseneinnahme sei das Entgelt, zwingend daran knüpfe, dass die Umsätze der betreffenden Automaten durch zwingende gesetzliche Vorschriften begrenzt seien, bleibe die Frage offen, wie eine Steuer im Sinne des harmonisierten Steuersystems unionsrechtlich zu würdigen sei, die von einem Mitgliedstaat, obwohl sie die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen nicht erfülle, gleichwohl auf die Kasseneinnahme erhoben werde und bei der sich bereits der Gesetzesbegründung des betreffenden Mitgliedsstaates entnehmen lasse, dass die Steuer nicht auf Abwälzung auf den Verbraucher angelegt sei. Die Umsätze der Spielbanken seien nicht technisch und gegenständlich von den Einsätzen getrennt, über die der Betreiber effektiv selbst verfügen könne. In derartigen Fällen wäre nach der Rechtsprechung des EuGH eigentlich der gesamte Spieleinsatz als Entgelt bzw. Bemessungsgrundlage heranzuziehen, da die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung seiner Automaten tatsächlich erhalte, mangels zwingender gesetzlicher Vorschriften, der gesamte Spieleinsatz sei. Dazu verweist die Antragstellerin auf das EuGH-Urteil vom 19.07.2012, C-377/11 - International Bingo Technology - Rn 31 und das BFH-Urteil vom 01.09.2010, V R 32/09, BStBl II 2011, 300. Allerdings ergebe sich bei konsequenter Anwendung dieser vom EuGH angewandten und vom BFH übernommenen Grundsätze eine tatsächliche Unmöglichkeit der Besteuerung der Umsätze der öffentlichen Spielbanken. Denn würde man konform mit der Rechtsprechung des EuGH und des BFH für diese Umsätze tatsächlich sämtliche Spieleinsätze als Entgelt und damit als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer ansetzen, könnten die Betreiber der öffentlichen Spielbanken die Umsatzsteuer nicht abwälzen und daher nicht mehr bezahlen, da mindestens 95% der geleisteten Spieleinsätze wieder als Gewinne an die Spielgäste ausgezahlt würden. Aus den maximal 5% der Spieleinsätze bei den Betreibern verbleibenden Spieleinsätzen müssten die Betreiber also 19% der Spieleinsätze an Umsatzsteuer abführen, was sich als tatsächlich unmöglich darstelle. Dies sei offenbar der Grund dafür, dass der Gesetzgeber zum 06.05.2006 als Folge des Linneweber-Urteils des EuGH vom 17.02.2005 zur angeblichen Herstellung des Neutralitätsgrundsatzes die Umsätze der öffentlichen Spielbanken aus § 4 Nr. 9 Buchstabe b UStG einer Steuer unterworfen habe, die außer dem Namen „Umsatzsteuer“ nichts mit der Mehrwertsteuer im harmonisierten Mehrwertsteuersystem gemeinsam habe. Da sich eine unionsrechtskonforme Besteuerung der nach der Rechtsprechung des EuGH aus der Sicht der Verbraucher mit den Umsätzen der Antragstellerin gleichartigen Umsätze der öffentlichen Spielbanken nicht durchführen lasse, seien diese weiterhin von der Umsatzsteuer befreit. Der steuerliche Neutralitätsgrundsatz führe daher dazu, dass sich die Antragstellerin unmittelbar auf die Steuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchst. i der MwStSystRL berufen könne. Wenn also die Umsätze der öffentlichen Spielbanken von der Mehrwertsteuer befreit seien, habe dies zur Folge, dass zur Wahrung des steuerlichen Neutralitätsgrundsatzes auch die Antragstellerin sich auf die Mehrwertsteuerbefreiung des Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL berufen könne.

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    Es bestehe auch der Aussetzungsgrund der unbilligen Härte (§ 69 Abs. 2 Satz 2 2. Alt. Finanzgerichtsordnung ‒FGO‒). Der Antragstellerin entstünden im Falle des Vollzugs der Steuerforderung schwer wieder gutzumachende Nachteile, da sie nicht im Stande sei, diesen Betrag auf einmal zu entrichten. Die Vollziehung hätte für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. In Anbetracht der Folgen der durch den Coronavirus bis Mitte 2021 bedingten Spielhallenschließungen befinde die Antragstellerin sich wie sämtliche Spielhallenbetreiber aufgrund der damit zwangsläufig einhergehenden Umsatzverluste unverschuldet in einer äußerst angespannten wirtschaftlichen Lage, welche ihr Zahlungen zur Zeit nur schwer möglich machten.

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    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Antragstellerin wird auf ihre Schriftsätze vom 02.11.2021 und 16.11.2021 verwiesen.

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    Die Antragstellerin beantragt,

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    die Vollziehung der durch den Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid des Antragsgegners vom 06.10.2021 erfolgten Steuerfestsetzung für den Monat August 2021 in Höhe eines Betrages von insgesamt … € auszusetzen,

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    die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zur gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben, ebenso bereits verwirkte Säumniszuschläge aufzuheben,

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    hilfsweise, gegen die Entscheidung des Finanzgerichts die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

    17
    Der Antragsgegner beantragt,

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    den Antrag abzuweisen.

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    Er meint, die Antragstellerin trage im Wesentlichen die in ihren bisherigen Verfahren vertretene Auffassung vor. Im Kern wiederhole sie ihre Ausführungen zur Besteuerung von Spielbanken. Der BFH habe in seinen Urteilen vom 11.12.2019 (XI R 13/18, XI R 23/18) ausgeführt, dass sich die Aufsteller von Geldspielgeräten nicht auf die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchstabe i MwStSystRL berufen könnten und die Verfahren über das mögliche unionsrechtliche Beihilfeverbot der Anrechnung der Umsatzsteuer auf die Spielbankenabgabe für die Steuerbarkeit der Umsätze der Geldspielgeräteaufsteller keine Bedeutung hätten. In dem Urteil vom 10.11.2011 (C-295/10, C-260/10) mache der EuGH unter Rz. 55 ff Ausführungen zur steuerlichen Neutralität. Danach habe die Prüfung der Gleichartigkeit von Glücksspielen aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu erfolgen, wobei die maßgeblichen oder wichtigen Umstände zu berücksichtigen seien, die dessen Entscheidung, das eine oder das andere Glücksspiel zu spielen, erheblich beeinflussen könnten. Insoweit könnten Unterschiede bei den Mindest- und Höchsteinsätzen und -gewinnen, den Gewinnchancen, den verfügbaren Formaten und der Möglichkeit von Interaktionen zwischen dem Spieler und dem Geldspielautomaten erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers haben, da die Anziehungskraft von Glücksspielen mit Geldeinsatz in erster Linie auf der Möglichkeit eines Gewinns beruhe. Der Gesetzgeber habe sich bei der Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 19/28400) ausführlich mit dieser Thematik beschäftigt und komme zu der Auffassung, dass wesentliche Unterschiede im Sinne der EuGH-Rechtsprechung zwischen den Online-Angeboten und den terrestrischen Angeboten bestünden, und dass es entsprechend sachlich und rechtlich möglich sei, die Online-Spiele dem Rennwett- und Lotteriesteuergesetz unterzuordnen.

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    Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Antragsgegners wird auf seinen Schriftsatz vom 09.11.2021 verwiesen.

    21
    Der Antragsgegner hat die USt-VA-Akte für August 2021 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

    22
    II.

    23
    A. Der Senat legt den Antrag der Antragstellerin dahingehend aus, dass nicht nur die Aussetzung der Vollziehung, sondern die Aufhebung der Vollziehung begehrt wird. Ist ein Aussetzungsantrag auch auf die Beseitigung der Säumnisfolgen gerichtet, kann er insoweit als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO auszulegen sein. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufheben, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen. Die Antragstellerin wendet sich ausdrücklich auch gegen die Säumniszuschläge. Inhaltlich ist eine Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt gerechtfertigt, weil aufgrund der Neufassung des RennwLottG vom 25.06.2021 von Anfang an Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung bestanden (s. dazu unten B. 2. b).

    24
    B. Der Antrag ist begründet.

    25
    1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung i. S. v. § 69 Abs. 2 S. 2 i. V. m. Abs. 3 S.1 FGO.

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    Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache auf Antrag den Verwaltungsakt aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel im Sinne des § 69 Abs. 2 FGO liegen vor, wenn bei Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Bei der notwendigen Abwägung im Einzelfall sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung, siehe z. B. BFH, Beschluss vom 23.08.2007, VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799). Die Aussetzung der Vollziehung setzt jedoch nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Vielmehr genügt es, dass der Erfolg des Rechtsbehelfs ebenso nicht auszuschließen ist wie der Misserfolg (BFH, Beschluss vom 23.08.2007, VI B 42/07, BStBl. II 2007, 799). Dagegen begründet eine vage Erfolgsaussicht noch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes (BFH, Beschluss vom 11.06.1968, VI B 94/67, BStBl. II 1968, 657).

    27
    2. Nach diesen Grundsätzen bestehen im Streitfall ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheides für den Monat August 2021. Bei summarischer Prüfung besteht ein Verstoß gegen den umsatzsteuerlichen Grundsatz der Neutralität, indem virtuelle Geldspielumsätze von der Umsatzsteuer befreit sind, während die sogenannten terrestrischen Geldspielumsätze, also solche, bei denen die Spieler in den Spielhallen körperlich anwesend sind, umsatzsteuerpflichtig sind. Die Antragstellerin kann sich unmittelbar auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. i MwStSystRL berufen.

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    a) Aus Art. 135 Abs. 1 Buchst. i. MwStSystRL (davor: Art. 13 Teil B Buchstabe f der Sechsten Richtlinie) ergibt sich, dass die Veranstaltung oder der Betrieb von Glücksspielen und Glücksspielgeräten grundsätzlich von der Mehrwertsteuer zu befreien ist, wobei die Mitgliedstaaten aber dafür zuständig bleiben, die Bedingungen und Grenzen dieser Befreiung festzulegen. Bei der Ausübung dieser Zuständigkeit müssen die Mitgliedstaaten jedoch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität beachten. Wie aus der Rechtsprechung des EuGH hervorgeht, verbietet es dieser Grundsatz insbesondere, gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Waren oder Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln. Auf solche Waren oder Dienstleistungen ist daher ein einheitlicher Steuersatz anzuwenden. Für die Prüfung der Gleichartigkeit der Waren oder Dienstleistungen sind die Identität des Herstellers oder des Dienstleistungserbringers und die Rechtsform, in der diese ihre Tätigkeiten ausüben, grundsätzlich nicht von Bedeutung. Maßgeblich ist die Frage der Gleichartigkeit der Tätigkeiten (s. dazu EuGH, Urteile vom 17.02.2005, Linneweber und Akritidis, C-453/02 und C-462/02, juris; vom 10.06.2010, Leo-Libera, C-58/09, juris). Bei der Beantwortung der Frage, ob Gegenstände oder Dienstleistungen gleichartig sind, ist in erster Linie auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Gegenstände oder Dienstleistungen sind gleichartig, wenn sie ähnliche Eigenschaften haben und beim Verbraucher nach einem Kriterium der Vergleichbarkeit in der Verwendung denselben Bedürfnissen dienen und wenn die bestehenden Unterschiede die Entscheidung des Durchschnittsverbrauchers zwischen diesen Gegenständen oder Dienstleistungen nicht erheblich beeinflussen. Es ist zu prüfen, ob die fraglichen Gegenstände oder Dienstleistungen aus der Sicht eines Durchschnittsverbrauchers austauschbar sind. In diesem Fall könnte nämlich die Anwendung unterschiedlicher Mehrwertsteuersätze oder die Befreiung einer der Leistungen die Wahl des Verbrauchers beeinflussen, was somit auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität hindeuten würde (EuGH, Urteil vom 09.09.2021, Phantasialand, C-406/20, juris, m. w. Nachw.). Unterschiedliche rechtliche Regelungen hinsichtlich der Aufsicht und Regulierung der zu vergleichenden Umsätze sind hingegen unerheblich (EuGH, Urteil vom 10.11.2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, juris).

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    b) Unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze bestehen bei summarischer Prüfung Zweifel an der Einhaltung des Prinzips der umsatzsteuerlichen Neutralität für die Zeiträume ab 01.07.2021. Mit Wirkung ab 01.07.2021 sind gemäß § 22a GlüStV virtuelle Automatenspiele unter bestimmten Voraussetzungen im Internet erlaubt. Diese unterliegen gemäß §§ 36 ff des RennwLottG vom 25.06.2021 der virtuellen Automatensteuer. Gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG sind Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, umsatzsteuerfrei, wenn sie nicht von der Rennwett- und Lotteriesteuer befreit sind oder die Steuer (gemeint: Rennwett- und Lotteriesteuer) von diesen Umsätzen allgemein nicht erhoben wird. Nach dieser Regelung unterfallen daher terrestrische Geldspielumsätze der Umsatzsteuer, während virtuelle Geldspielumsätze ab 01.07.2021 umsatzsteuerfrei sind, weil sie dem RennwLottG unterfallen (s. zum Ganzen: Diadkowski, UR 2021, 501).

    30
    Bei summarischer Prüfung bestehen Zweifel daran, dass der Gesetzgeber virtuelle Geldspielumsätze umsatzsteuerlich anders behandeln durfte als die sogenannten terrestrischen Geldspielumsätze. Die Antragstellerin hat unwidersprochen vorgetragen, dass eine Wettbewerbssituation bestehe und dass bei den virtuellen Geldspielumsätzen dem Spieler durch Stimulierung des herkömmlichen Kasinoerlebnisses das Gefühl vermittelt werde, er spiele in einer herkömmlichen Kasino-Stätte und nicht in virtueller Umgebung. Für den sogenannten Durchschnittsverbraucher, dem es auf das Spielerlebnis und den erzielbaren Gewinn ankommt, dürfte es - jedenfalls bei summarischer Prüfung - keine Rolle spielen, ob er virtuell oder terrestrisch spielt. Nach dem EuGH-Urteil vom 10.11.2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, gehören Geldspielautomaten außerdem sämtlich zu derselben Kategorie von Glücksspielen. Nach dem von der Antragstellerin herangezogenen Beschluss der Kommission vom 20.09.2011 über die von Dänemark geplante Maßnahme C 35/10 (ex N 302/10) in Form von Steuern auf Online-Glücksspiele nach dem dänischen Glücksspielsteuergesetz, Amtsblatt der Europäischen Union, L 68/3 (Gerichtsakte Bl. 51ff), kommt die Kommission zu dem Ergebnis, dass von Online- und herkömmlichen Anbietern angebotenen Spiele, das heißt u. a. Spiele an Spielautomaten, unabhängig von ihrer Online- oder herkömmlichen Verortung derselben Glücksspielaktivität angehören und aus technischer Sicht online angebotene und an herkömmlichen Stätten angebotene Kasinospiele hinsichtlich der technologischen Plattformen, Beschreibungen, Formate und Parameter vergleichbar sind (Ziff. 88 des vorgenannten Beschlusses). Weiterhin ist die Kommission der Auffassung, dass Online-Glücksspiel, soweit die Besteuerung von Glücksspielaktivitäten betroffen ist, ein weiterer Vertriebskanal einer ähnlichen Art von Glücksspielaktivitäten ist. Zur Stützung dieser Position verweist die Kommission auf die erheblichen Bemühungen seitens der Online-Kasinos, den Online-Spielern durch Simulierung des herkömmlichen Kasinoerlebnisses das Gefühl zu vermitteln, sie spielten in einer herkömmlichen Kasino-Stätte und nicht in virtueller Umgebung (Ziff. 89 des vorgenannten Beschlusses). Der erkennende Senat verkennt nicht, dass der vorgenannte Beschluss der Kommission nicht zur harmonisierten Umsatzsteuer, sondern zur Frage des Vorliegens einer staatlichen Beihilfe gemäß Art. 107 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ergangen ist und diese Beihilfe des dänischen Staates letztlich als mit Art. 107, Art. 3 Buchstabe c AEUV mit dem Binnenmarkt vereinbar angesehen worden ist. Der Beschluss ist - jedenfalls bei summarischer Prüfung - jedoch ein weiteres Indiz für eine Vergleichbarkeit der Umsätze von virtuellen und terrestrischen Geldspielautomatenunternehmern.

    31
    Die vom Antragsgegner u. a. unter Bezugnahme auf die Gesetzgebungsmaterialien vorgetragenen Umstände können - jedenfalls im summarischen Verfahren - die Zweifel des Senats an der Rechtmäßigkeit der streitbefangenen Umsatzsteuervorauszahlungsfestsetzung nicht beseitigen. Zwar ist im Gesetzgebungsverfahren die umsatzsteuerliche Problematik zur Vergleichbarkeit der verschiedenen Spielweisen (online oder terrestrisch) problematisiert worden. So lautet Seite 42f der BT-Drucks. 19/28400 v. 13.04.2021 auszugsweise wie folgt:

    32
    "Schon durch die im Glücksspielstaatsvertrag festgelegten ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen unterscheiden sich virtuelles Automatenspiel und Online-Poker von Angeboten im terrestrischen Bereich u. a. in Gaststätten, Spielhallen und Spielbanken, z. B. hinsichtlich der Ausschüttungsquoten oder gewerberechtlicher Bestimmungen. Darüber hinaus unterscheiden sich diese Online-Angebote von terrestrischen Angeboten ihrer Natur nach bereits grundlegend, trotz u. a. einer oberflächlichen Ähnlichkeit in der Optik. Online-Angebote sind regelmäßig günstiger zu betreiben und ermöglichen wirtschaftlich effizientere Kalkulationen, weil u. a. das Vorhalten physischer Geräte oder von Lokalitäten entfällt. Weiterhin bietet die ständige und ortsungebundene Verfügbarkeit von Online-Angeboten, insbesondere durch mobile Endgeräte, für die Spieler ein permanent verfügbares Erlebnis, dem sich terrestrische Angebote durch ihre Ortsgebundenheit entziehen. Hieraus ergibt sich zugleich ein potenziell erheblich größerer Kundenkreis. Aus diesen Gründen sind diese Online-Angebote auch hinsichtlich ihrer Spielsucht erzeugenden Aspekte anders einzustufen als die terrestrischen Angebote, z. B. in Spielhallen…. Dass das virtuelle Spiel durch die Schaffung von Tatbeständen im Rennwett- und Lotteriegesetz im Falle einer Steuerbarkeit ‒ anders als das terrestrische Angebot ‒ nach § 4 Nummer 9 Buchstabe b des Umsatzsteuergesetzes von der Umsatzsteuer befreit wird, ist mit der unionalen Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie vereinbar: Es erfolgt keine unterschiedliche Besteuerung eines vergleichbaren Spiels abhängig vom Veranstalter (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17.02.2005, C-453/02 und C-462/02). Bei terrestrischen und virtuellen Glücksspielangeboten besteht nur hinsichtlich der äußeren Optik und des Ablaufs eine Ähnlichkeit, weshalb eine unterschiedliche Umsatzbesteuerung aufgrund des den Mitgliedstaaten eingeräumten weiten Wertungsspielraums des Artikel 135 Absatz 1 Buchstabe i der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie zulässig ist (vgl. Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 10.06.2010, C-58/09): Neben den oben bereits beschriebenen tatsächlichen Unterschieden dieser beiden Glücksspielangebote unterscheiden sich auch die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen, unter denen sie angeboten werden dürfen, stark und es wird jeweils ein anderer Spielerkreis angesprochen. Das terrestrische und das virtuelle Spiel sind somit nicht vergleichbar und stehen nicht miteinander im Wettbewerb, so dass auch der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, wonach gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Leistungen hinsichtlich der Umsatzsteuer nicht unterschiedlich behandelt werden dürfen, die vorgesehene Besteuerung nicht hindert…"

    33
    Die im Gesetzgebungsverfahren erörterten Unterschiede im Hinblick auf die ordnungsrechtlichen Rahmenbedingungen der verschiedenen Geldspielangebote sind unerheblich, denn nach der EuGH-Rechtsprechung (EuGH, Urteil vom 10.11.2011, The Rank Group, C-259/10 und C-260/10, HFR 2012, 98, Rn. 37-51) können unterschiedliche rechtliche Regelungen hinsichtlich der Aufsicht und Regulierung der zu vergleichenden Umsätze keine umsatzsteuerlichen Unterschiede rechtfertigen. Ob die weiteren in der BT-Drucksache 19/28400 dargestellten Unterschiede zwischen Online-Geldspielautomatenumsätzen und terrestrischen Geldspielautomatenumsätzen unterschiedliche Behandlungen in umsatzsteuerlicher Hinsicht rechtfertigen, ist im Hauptsacheverfahren zu klären.

    34
    3) Der Senat teilt hingegen nicht die Auffassung der Antragstellerin, dass auch deshalb ein Verstoß gegen das umsatzsteuerliche Neutralitätsprinzip vorliegt, weil - wie die Antragstellerin meint - die von Spielbanken geschuldete Umsatzsteuer gar keine Umsatzsteuer im Sinne der MwStSystRL sei, die Spielbanken daher eigentlich von der Umsatzsteuer befreit seien und die Antragstellerin deshalb ebenfalls einen Anspruch auf Freistellung habe.

    35
    Die Spielbanken sind seit Inkrafttreten des § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG n. F. nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit. Zwar mag im Hinblick auf Spielbanken die Ermittlung der zutreffenden Bemessungsgrundlage schwierig sein, worauf die Antragstellerin zutreffend hinweist. Solche Schwierigkeiten bestehen aber auch bei Geldspielautomatenumsätzen. Diesem Problem trägt die EuGH-Rechtsprechung dadurch Rechnung, dass nur die "Nettokasse" als umsatzsteuerliche Bemessungsgrundlage berücksichtigt wird (s. dazu EuGH, Urteile vom 24.10.2013, Metropol Spielstätten, C-440/12, juris; vom 05.05.1994, Glawe, C-38/93, juris). Aber selbst wenn die Umsatzsteuer bei Spielbanken zu Unrecht erhoben würde, was der Senat aber ausdrücklich dahinstehen lässt, käme dieser Umstand nicht der Antragstellerin zu Gute. Der deutsche Gesetzgeber behandelt die (terrestrischen) Geldspielautomatenaufsteller und die Spielbanken umsatzsteuerlich bislang gleich. Dem Senat ist keine gerichtliche Entscheidung bekannt, in denen die von der Branche der Geldspielautomatenaufsteller vertretene Auffassung hinsichtlich der "Umsatzsteuer" bei Spielbankenumsätze geteilt wird. Da im Hinblick auf die Umsatzsteuerpflicht eine rechtliche Gleichbehandlung zwischen Spielbankenumsätzen und terrestrischen Geldspielautomatenumsätzen vorliegt, liegt gerade kein Verstoß gegen das umsatzsteuerliche Neutralitätsprinzip vor.

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    4) Die Aussetzung/Aufhebung der Vollziehung ist nicht von einer Sicherheitsleitung abhängig zu machen. Die Entscheidung über die Anordnung einer Sicherheitsleistung ergeht bei der im Aussetzungsverfahren gebotenen summarischer Prüfung aufgrund des Sachverhalts, der sich aus dem Vortrag der Beteiligten und der Aktenlage ergibt. Dem Finanzamt obliegt es, die für die Gefährdung des Steueranspruchs sprechenden Gesichtspunkte vorzutragen und dem Steuerpflichtigen obliegt es, gegebenenfalls die Umstände vorzutragen, die ein (dargelegtes) Sicherungsbedürfnis der Behörde entfallen oder unangemessen erscheinen lassen (BFH, Beschluss vom 20.03.2002, IX S 27/00, BFH/NV 2002, 809).

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    Der Antragsgegner hat in diesem Verfahren keine Ausführungen zum Sicherungsbedürfnis gemacht. Zwar befinden sich in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen für Umsatzsteuervoranmeldung August 2021 u.a. Ablichtungen eines zivilrechtlichen Urteils des Landgerichts B vom yy.xx.2021, Az: xyz, auf das wegen des Inhalts verwiesen wird (USt VA-Akte Aug.2021, Bl. 11 ff). Aus diesem zivilrechtlichen Rechtsstreit ergibt sich aber nicht ohne Weiteres ein Sicherungsbedürfnis für den Antragsgegner. Beteiligte des vorgenannten Verfahrens waren der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Q GmbH, in L, als Kläger und als Beklagter Herr ST, der im gewerblichen Umfeld unter dem Namen "ST" auftritt und der als faktischer Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und/oder Überschuldung Mietzahlungen für Geldspielgeräte und Aufstellflächen an die Antragstellerin geleistet haben soll. Auch wenn im dem zivilrechtlichen Urteil auf S. 20 der Eindruck der entscheidenden Richter niedergelegt ist, "dass die Nichtzahlung von Steuerverbindlichkeiten bis zur Insolvenz Teil der Unternehmensstrategie war" und Herr ST mit diesem Urteil zur Zahlung von ca. … Euro nebst Zinsen verurteilt worden ist, kann daraus nicht ohne weitere Erläuterungen durch den Antragsgegner auf ein Sicherungsbedürfnis im Hinblick auf die Steuerschulden der Antragstellerin geschlossen werden. Ausweislich des zivilrechtlichen Urteils sind die dem Insolvenzrecht widersprechenden Zahlungen an die Antragstellerin erfolgt, diese ist somit bereichert worden. Im vorgenannten Urteil sind außerdem lang zurückliegende Vorgänge aus den Jahren 2012 bis 2013 streitgegenständlich. Herr ST ist außerdem nicht (mehr) Geschäftsführer der Antragstellerin.

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    Zwar trägt die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 02.11.2021 (Gerichtsakte Bl. 23) selbst vor, sie sei nicht imstande, den Steuerbetrag auf einmal zu leisten und ihre finanzielle Lage sei wegen der Coronakrise äußerst angespannt. Dieser Vortrag ist aber zu unbestimmt. Konkrete Umstände, aus denen sich ein Sicherungsbedürfnis für den Antragsgegner ergeben könnte, sind daraus nicht ersichtlich.

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    C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Beschwerde erfolgt gemäß § 128 Abs. 3 i. V. m. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung.

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