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  • 17.11.2015 · IWW-Abrufnummer 145794

    Finanzgericht Münster: Urteil vom 23.07.2015 – 6 K 93/13 E

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Münster

    6 K 93/13 E

    Tenor:

    Die Klage wird abgewiesen.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Die Revision wird zugelassen.

    T a t b e s t a n d

    2

    Streitig ist, ob Aufwendungen einer in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frau für eine künstliche Befruchtung unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu berücksichtigen sind.

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    Die Klägerin lebte im Streitjahr mit einer Frau in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft in Deutschland. Eine eingetragene Partnerschaft bestand im Streitjahr noch nicht. Die Klägerin konnte aufgrund einer primären Sterilität (Unfruchtbarkeit) ohne medizinischen Eingriff nicht schwanger werden. Aus diesem Grund ließ sie sich ab 2010 durch verschiedene medizinische Maßnahmen behandeln, um eine Schwangerschaft herbeizuführen. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

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    Im Jahr 2011 ließ die Klägerin in der Klinik „Klinik“ in R in Dänemark eine In-vitro-Fertilisation (IVF) unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders durchführen. Die dänische Klinik unterlag der Kontrolle dänischer Gesundheitsbehörden. Vor und nach der Behandlung nahm die Klägerin Medikamente ein. Durch die Behandlungen entstanden der Klägerin Kosten in Höhe von insgesamt 8.498,85 €. Die Höhe der Aufwendungen ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Die Aufwendungen setzen sich aus Kosten für von den behandelnden Ärzten rezeptierte Medikamente (1.583,56 €), die Durchführung der IVF in der Klinik (5.800,00 €) sowie für Fahrtkosten (954,00 €) und Übernachtungskosten in Dänemark (161,29 €) zusammen. Diese Kosten erklärte die Klägerin in ihrer Einkommensteuererklärung 2011 als außergewöhnliche Belastung.

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    Am 30.05.2012 erließ der Beklagte einen Einkommensteuerbescheid 2011, in dem er die streitrelevanten Aufwendungen in Höhe von 8.498,85 € nicht als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigte. Der hiergegen eingelegte Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.12.2012 wies der Beklagte den Einspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus: Die Berücksichtigung der Aufwendungen für die künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung komme nicht in Betracht, weil die Maßnahme nicht in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnungen vorgenommen worden sei. Denn die Richtlinien erlaubten es den Ärzten nicht, eine künstliche Befruchtung bei einer unverheirateten in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frau durchzuführen. Die Gründe für die künstliche Befruchtung seien dabei nicht erheblich.

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    Mit ihrer am 09.01.2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie verweist darauf, dass die jeweiligen Richtlinien der Landesärztekammern nicht einheitlich seien. Die Musterrichtlinie der Bundesärztekammer sei nicht verbindlich und nicht von allen Landesärztekammern übernommen worden. Es sei bezogen auf Deutschland nicht einheitlich und klar geregelt, dass die Durchführung einer künstlichen Befruchtung bei einer in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frau unzulässig sei. Weiter liege eine Ungleichbehandlung zwischen Frauen, die in gleichgeschlechtlicher Partnerschaft lebten, und Frauen, die in verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft lebten, vor. Hierin sei ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu sehen. Darüber hinaus sei die Klägerin durch die Entscheidung des Beklagten in ihrem Recht auf Dienstleistungsfreiheit verletzt. Es entspreche der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), dass der freie Dienstleistungsverkehr die Freiheit des Leistungsempfängers einschließe, sich zur Inanspruchnahme der Dienstleistungen in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu begeben. Soweit der Beklagte sich auf die Regelung des § 64 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) berufe, sei anzumerken, dass die Vorschrift für den hier maßgeblichen Zeitraum noch nicht gelte. Ferner trägt die Klägerin vor, dass die in Dänemark durchgeführte Behandlung aus medizinischer Sicht den deutschen Regelungen zur Durchführung künstlicher Befruchtungen im Hinblick auf das Verfahren und auf die Qualität der Behandlung entsprochen habe.

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    Die Klägerin beantragt,

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    den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2011 vom 30.05.2012 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 07.12.2012 dahingehend zu ändern, dass zusätzliche Krankheitskosten in Höhe von 8.498,85 € als außergewöhnliche Belastung vor Ansatz der zumutbaren Belastung gemäß § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt werden,

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    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    10

    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen,

    12

    hilfsweise, die Revision zuzulassen.

    13

    Er bleibt bei seiner Auffassung, dass die Kosten nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar seien. Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Die Klägerin habe die Zwangsläufigkeit der Aufwendungen nicht nachgewiesen. Die erst im Jahr 2012 ausgestellte ärztliche Bescheinigung reiche für eine Berücksichtigung der Aufwendungen nicht aus. Nach § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV sei der Nachweis der Zwangsläufigkeit durch eine vor Beginn der Heilmaßnahme ausgestellte ärztliche Bescheinigung zu erbringen. Die Vorschrift sei in allen Fällen anzuwenden, in denen die Einkommensteuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt worden sei. Ferner habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass das befruchtete Ei von ihr selbst stamme.

    14

    Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte verwiesen.

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    Der Senat hat die Sache am 23.07.2015 mit den Beteiligten mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

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    E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

    17

    I. Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.

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    1. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2011 vom 30.05.2012 und die Einspruchsentscheidung vom 07.12.2012 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

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    Der Beklagte hat zu Recht die Aufwendungen der Klägerin in Höhe von insgesamt 8.498,85 € nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG berücksichtigt.

    20

    2. Nach § 33 Abs. 1 EStG wird die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt, wenn einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen. Aufwendungen entstehen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihnen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann, soweit die Aufwendungen den Umständen nach notwendig sind und einen angemessenen Betrag nicht übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist das Tatbestandsmerkmal der Zwangsläufigkeit erfüllt, wenn die in § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG aufgeführten Gründe der Zwangsläufigkeit von außen, d.h. vom Willen des Steuerpflichtigen unabhängig, auf seine Entschließung in einer Weise einwirken, dass er ihnen nicht auszuweichen vermag (BFH-Urteil vom 13.03.1987 III R 301/84, BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495). Die Aufwendungen müssen einen Bereich der Lebensführung betreffen, welcher der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist (BFH-Urteil vom 10.03.2015 VI R 60/11, BFH/NV 2015, 1172). Eine Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen liegt nicht vor, wenn die Aufwendungen nicht durch ein unausweichliches Ereignis wie Katastrophen, Krankheit oder andere Gesundheits- und Lebensbedrohungen ausgelöst wurden (BFH in BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495).

    21

    a) In ständiger Rechtsprechung geht der BFH davon aus, dass Krankheitskosten – ohne Rücksicht auf die Art und die Ursache der Erkrankung – dem Steuerpflichtigen aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig erwachsen. Allerdings werden nur solche Aufwendungen als Krankheitskosten berücksichtigt, die zum Zwecke der Heilung einer Krankheit oder mit dem Ziel erbracht werden, die Krankheit erträglich zu machen (BFH-Urteil vom 16.12.2010 VI R 43/10, BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 m.w.N.). Im Hinblick auf die für den Abzug nach § 33 EStG erforderliche Zwangsläufigkeit wird nicht danach unterschieden, ob ärztliche Behandlungsmaßnahmen oder medizinisch indizierte Hilfsmittel der Heilung dienen oder lediglich einen körperlichen Mangel ausgleichen sollen. So werden auch dann Aufwendungen regelmäßig als außergewöhnliche Belastung berücksichtigt, wenn durch sie der körperliche Mangel nicht behoben, sondern „umgangen“ oder kompensiert wird (BFH in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 m.w.N.).

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    b) Auch Aufwendungen eines verschiedengeschlechtlichen Paares für eine medizinisch angezeigte homologe künstliche Befruchtung, d.h. unter Verwendung der Eizelle der empfängnisunfähigen Frau und der Samenzellen des männlichen Partners (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.2007 III R 47/05, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871), oder für eine heterologe künstliche Befruchtung, d.h. unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders (BFH in BFH/NV 2015, 1172; und BFH in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414), können als Krankheitskosten zu beurteilen und damit als steuermindernde außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG zu berücksichtigen sein. Der BFH ordnet insoweit die organisch bedingte Sterilität eines Partners als Krankheit ein. Denn die Fortpflanzungsfähigkeit ist für verschiedengeschlechtliche Paare, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion (vgl. BFH in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 m.w.N.). Kinder zu haben und aufzuziehen bedeutet nach Auffassung des BFH unabhängig vom Familienstand für viele Menschen eine zentrale Sinngebung ihres Lebens (vgl. BFH in BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871). Da die heterologe Insemination die gestörte Fertilität der Spermien durch einen ärztlichen Eingriff ersetzt und damit in ihrer Gesamtheit dazu dient, eine durch Krankheit behinderte Körperfunktion zu ersetzen, stellt sie eine medizinische Maßnahme zur Beseitigung der unmittelbaren Krankheitsfolge der Kinderlosigkeit eines verschiedengeschlechtlichen Paares dar (vgl. BFH in BFH/NV 2015, 1172 und in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414). Gleiches gilt bezüglich der homologen/heterologen IVF. Diese stellt ebenfalls einen ärztlichen Eingriff dar, durch den der normale Befruchtungsvorgang durch Befruchtung der Eizelle außerhalb des Körpers ersetzt wird (vgl. BFH in BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871).

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    c) Demgegenüber kommt der Kinderlosigkeit eines Paares nach der Rechtsprechung des BFH nicht selbst Krankheitswert zu (vgl. BFH in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414 Tz. 20 m.w.N.). Dementsprechend stellen Aufwendungen, die einem – verschiedengeschlechtlichen – Paar aufgrund der Adoption eines Kindes im Falle organisch bedingter Sterilität eines Partners entstehen, keine Krankheitskosten im Sinne dieser Rechtsprechungsgrundsätze dar. Denn zum einen liegt weder eine medizinische Leistung vor noch kann der Vorgang einer Adoption einer solchen gleichgestellt werden. Zum anderen betreffen die Aufwendungen nicht einen Bereich der Lebensführung, der der individuellen Gestaltung des Steuerpflichtigen entzogen ist (vgl. BFH in BFH/NV 2015, 1172 und BFH in BFHE 149, 245, BStBl II 1987, 495).

    24

    3. Überträgt man die oben dargestellten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall, sind die Kosten, welche der Klägerin für die Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft entstanden sind, nicht als Aufwendungen im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG anzusehen.

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    a) Zwar war die Klägerin im Streitjahr wegen einer primären Sterilität empfängnisunfähig. Diese Empfängnisunfähigkeit hat auch grundsätzlich einen Krankheitswert. Weiter war nach Überzeugung des erkennenden Senats die durchgeführte IVF aus medizinischer Sicht erforderlich, um eine Schwangerschaft bei der Klägerin herbeizuführen. Die IVF stellt eine Heilbehandlung dar. Anhaltspunkte dafür, dass die medizinischen Maßnahmen im Streitfall gegen deutsche Gesetze, insbesondere gegen das Embryonenschutzgesetz verstoßen haben, sind nicht ersichtlich und wurden von dem Beklagten auch nicht substantiiert behauptet. Die Klinik in Dänemark, in der sich die Klägerin medizinisch behandeln ließ, unterlag ferner der Kontrolle dänischer Gesundheitsbehörden. Die IVF wurde auch unstreitig von qualifizierten Ärzten durchgeführt.

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    Jedoch fehlt es im Streitfall an der für die Anerkennung der Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung erforderlichen Zwangsläufigkeit zwischen der Krankheit der Klägerin und den geltend gemachten Kosten. Denn die Kinderlosigkeit der Klägerin war nicht unmittelbare und ausschließliche Folge ihrer krankheitsbedingten Unfruchtbarkeit. Vielmehr war die Kinderlosigkeit der Klägerin zugleich maßgeblich darin begründet, dass sie in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, in der die Zeugung eines Kindes auf natürlichem Wege ausgeschlossen ist. Der Kinderwunsch des Paares im Streitfall hätte sich ohne Verwendung von Samenzellen eines Spenders selbst dann nicht erfüllt, wenn die Klägerin empfängnisfähig gewesen wäre und auf natürlichem Wege hätte schwanger werden können. Aus dieser Tatsache und aus dem Umstand, dass nach der Rechtsprechung des BFH Kinderlosigkeit allein keine Krankheit darstellt, folgt nach Auffassung des erkennenden Senats, dass die IVF das Ziel im Sinne der Rechtsprechung, die ausschließlich krankheitsbedinge Kinderlosigkeit des Paares zu beseitigen, im Streitfall nicht erreichen konnte und nicht als zwangsläufig im Sinne des § 33 Abs. 1 EStG angesehen werden kann. Vielmehr diente sie in erster Linie der Realisierung des Kinderwunsches. Dass die IVF gleichwohl zu einer erfolgreichen Schwangerschaft bei der Klägerin hätte führen können, ist für die steuerliche Beurteilung der Abzugsfähigkeit der Aufwendungen unbeachtlich.

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    b) Die geltend gemachten Aufwendungen sind der Klägerin auch nicht aus anderen Gründen zwangsläufig erwachsen. Sie sind weder aus rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig. Es besteht kein rechtliches oder sittliches Gebot, ein Kind aufzuziehen. Die Aufwendungen der Klägerin sind auch nicht aus anderen tatsächlichen Gründen zwangsläufig. Der Entschluss, den Kinderwunsch durch eine IVF unter Verwendung von Samenzellen eines Spenders zu verwirklichen, beruht im Streitfall auf einer freiwilligen Entscheidung und ist mithin dem Bereich der individuell gestaltbaren Lebensführung zuzurechnen.

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    4. Aus den oben genannten Gründen kann dahingestellt bleiben, ob bezüglich der durchgeführten Heilbehandlung – insbesondere bezüglich der IVF – für die Anerkennung der Kosten als außergewöhnliche Belastung weitere Voraussetzung ist, dass die Heilbehandlung von einer zur Ausübung der Heilkunde zugelassenen Person entsprechend den Richtlinien der Berufsordnung der zuständigen Ärztekammer durchgeführt wurde (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.2007 III R 47/05, BFHE 218, 141, BStBl II 2007, 871 und BFH in BFHE 232, 179, BStBl II 2011, 414). Der Senat brauchte daher nicht zu entscheiden, ob die im Streitfall relevante, von der zuständigen Landesärztekammer erlassene Berufsordnung für Ärzte gegen höherrangiges Recht verstößt, soweit sie Methoden der assistierten Reproduktion bei einer unverheirateten Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft lebt, ausschließt.

    29

    5. Die Nichtberücksichtigung der Aufwendungen in Höhe von 8.498,85 € verstößt nach Auffassung des Senats auch nicht gegen Verfassungsrecht. Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor, weil die Ungleichbehandlung der Klägerin gegenüber in verschiedengeschlechtlicher Partnerschaft lebenden Frauen wegen der unterschiedlichen biologischen Ausgangslage und den sich daraus ergebenden Folgen (Vorrang der Krankheitsbehandlung einerseits, Vorrang der Realisierung des Kinderwunsches andererseits) gerechtfertigt ist. Dem steht auch die jüngere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Gleichstellung von Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern sowie zur Gleichstellung von leiblichen Eltern und eingetragenen Lebenspartnern nicht entgegen. Denn das BVerfG hat sich insoweit nicht mit Fragen betreffend die Begründung einer familienrechtlichen Beziehung befasst. Vielmehr hat es in mehreren Entscheidungen zu Fallkonstellationen entschieden, in denen eheähnliche oder familienähnliche Strukturen bereits bestanden, und zu der Frage, inwieweit die ehe- und familienbegünstigenden Regelungen auf diese Strukturen Anwendung finden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 07.05.2013 2 BvR 909/06, 2 BvR 1981/06, 2 BvR 288/07, BVerGE 133, 377: zum Ehegattensplitting und zum gesetzlichen Ausschluss der Begünstigung für eingetragene Lebenspartner, Orientierungssatz Nr. 4b. cc. und C.II.3.b)bb)(2); BVerfG-Beschluss vom 19.06.2012 2 BvR 1397/09, BVerfGE 131, 239: zum Familienzuschlag der Stufe 1, Orientierungssatz Nr. 4b. bb.; BVerfG-Urteil vom 19.02.2013 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, BVerfGE 133, 59: zur Sukzessivadoption (Stiefkindadoption) durch eingetragene Lebenspartner).

    30

    Es liegt ferner kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG vor. Denn nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der Staat nicht verpflichtet, das Entstehen von Familien durch Förderung von Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu unterstützen (vgl. BVerfG-Urteil vom 25.02.2007 1 BvL 5/03, BVerfGE 117, 316: zur Beschränkung der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung für künstliche Befruchtung auf Ehepaare).

    31

    6. Weiter kann dahingestellt bleiben, ob – wie der Beklagte meint – der Anerkennung der streitrelevanten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung entgegen steht, dass die Klägerin eine ärztliche Bescheinigung, die vor Beginn der Maßnahme (IVF) ausgestellt wurde, nicht vorgelegt hat. Insoweit kann offen bleiben, ob die IVF als Heilbehandlung überhaupt unter die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV in der Fassung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 vom 01.11.2011 (Bundesgesetzblatt I 2011, 2131) fällt. Ebenso kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit die Vorschrift des § 64 Abs. 1 Satz 2 EStDV für die Zeit nach dem Ergehen der BFH-Urteile vom 11.11.2010 VI R 16/09 (BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966) und VI R 17/09 (BFHE 232, 40, BStBl II 2011, 969) bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss vom 01.11.2011 bzw. der Verkündung des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 am 04.11.2011 oder jedenfalls bis zu entsprechenden Gesetzesinitiative (Prüfbitte des Bundesrates vom 18.03.2011) gilt (vgl. BFH-Urteil vom 19.04.2012 VI R 74/10, BFHE 237, 156, BStBl II 2012, 577).

    32

    II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

    33

    III. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

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