07.11.2001 · IWW-Abrufnummer 011291
Finanzgericht Baden-Württemberg: Entscheidung vom 11.07.2001 – 2 K 187/99
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
FINANZGERICHT BADEN-WÜRTTEMBERG
Im Namen des Volkes
Urteil
Az.: 2 K 187/99
In dem Finanzrechtsstreit
wegen Gewerbesteuer-Messbetrag 1991 ? 1995
hat der 2. Senat des Finanzgerichts Baden-Württemberg in der Sitzung vom 11. Juli 2001 durch
für Recht erkannt:
1. Die Gewerbesteuer-Messbescheide für 1991 bis 1994, jeweils vom 9. September 1997, und der Gewerbesteuer-Messbescheid für 1995 vom 28. September 1997 sowie die dazu ergangene Einspruchsentscheidung werden aufgehoben.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist wegen der dem Kläger zu erstattenden Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Rechtsmittelbelehrung zu 1. - 4.
Gegen das Urteil ist die Revision an den Bundesfinanzhof nur statthaft, wenn das Finanzgericht sie zugelassen hat.
Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollst ändigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof schriftlich einzulegen. Die Revisionsschrift muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Revision ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Revisionsbegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss die Erklärung enthalten, inwieweit das Urteil angefochten und dessen Aufhebung beantragt wird (Revisionsanträge). Außerdem muss sie die Revisionsgründe angeben, indem die Umstände bestimmt bezeichnet werden, aus denen sich eine Rechtsverletzung durch das Urteil ergibt; soweit Verfahrensmängel gerügt werden, muss sie auch die Tatsachen angeben, aus denen sich der Mangel ergibt.
Die Nichtzulassung der Revision kann durch Beschwerde angefochten werden.
Die Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Bundesfinanzhof einzulegen. Sie muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Ihr soll eine Abschrift oder Ausfertigung des angefochtenen Urteils beigefügt werden.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Auch die Beschwerdebegründung ist bei dem Bundesfinanzhof einzureichen. Sie muss darlegen, weshalb die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, weshalb die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs erfordert oder weshalb ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem das Urteil beruhen kann.
Bei der Einlegung und Begründung der Revision oder Beschwerde sowie in dem weiteren Verfahren vor dem Bundesfinanzhof muss sich jeder Beteiligte durch einen Steuerberater, einen Steuerbevollmächtigten, einen Rechtsanwalt, einen niedergelassenen europäischen Rechtsanwalt, einen Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind auch Steuerberatungsgesellschaften, Rechtsanwaltsgesellschaften, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften sowie Partnerschaftsgesellschaften, die durch einen der zuvor aufgeführten Berufsangehörigen tätig werden. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie durch Diplomjuristen im höheren Dienst vertreten lassen.
Rechtsmittelbelehrung zu 5.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde nicht gegeben.
Postanschrift des Bundesfinanzhofs: Postfach 86 02 40, 81629 München
Hausanschrift: Ismaninger Str. 109, 81675 München
Telefax-Anschluss: (0 89) 92 31-2 01
Tatbestand
Streitig ist in den Veranlagungszeiträumen 1991 bis 1995, ob der Kläger freiberuflich tätig gewesen ist oder gewerbesteuerpflichtige Einkünfte erzielt hat.
Der Kläger ist Diplom-Informatiker. In den Streitjahren arbeitete der Kläger ausschließlich an einem Projekt der Firma ... zur Steuerung von Briefsortieranlagen, die bei den Postverwaltungen verschiedener Länder eingesetzt werden sollten (Briefsortierprojekt ...) Detailspezifikation der Komponente Adresskorrelation und Realisierung derselben mit Unterstützung durch mehrere freie Mitarbeiter; Weiterentwicklung und Anpassung der Komponente an die Anforderungen verschiedener Länder wie Neuseeland, Niederlande, Irland; Erarbeitung und Realisierung eines Einsatzkonzeptes für ... Formularleser und Polyform-Korrektursoftware unter ... für die ... AG für die Erfassung der Fragebögen im Rahmen des Reisenden-Erfassungssystems der Bahn; Portierung des Polyformsystems auf OS2 und Windows NT; Erstellung der Korrektursoftware für das ... Projekt der ... erstmaliger Einsatz von C++).
Im gleichen Zeitraum wie der Kläger arbeitete das Ingenieurbüro ... GbR aus ... an diesem Projekt, was durch die ... mit Schreiben vom 15. Oktober 1999 u. a. wie folgt bestätigt wurde:
?1. In den Jahren 1990 bis 1994 war unser Ingenieurbüro fast ausschließlich für die Firma ... tätig;
2. Wir arbeiteten gemeinsam mit Ihnen am Projekt ... im Bereich der Postautomatisierung; im Rahmen dieses Projektes wurde eine neue Generation der Steuerungssoftware für Briefsortieranlagen entwickelt.
3. Zusammen mit Ihnen und ihren Mitarbeitern erarbeiteten wir die Gesamtkonzeption .... In der Realisierungsphase des Projekts konzipierten und entwickelten wir Softwaremodule im Bereich AA90 und AC 90 (Teilbereiche von ...), später waren wir über längere Zeit mit der Planung und Durchführung von Tuning-Maßnahmen betraut.
4. Unsere Tätigkeiten waren somit mit den Ihren im Charakter identisch, oftmals arbeiteten wir als Team an den selben Software-Bausteinen.
Nach einer Betriebsprüfung durch das FA... wurde die Einstufung unserer Tätigkeiten in den Prüfungsjahren 1990-1992 mit dem Bericht vom 1.12.1994 als freiberufliche Tätigkeiten bestätigt, dies wurde auch bei einer weiteren Betriebsprüfung für die Jahre 1993 und 1994 nicht in Frage gestellt.?
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn in den Streitjahren durch Einnahmenüberschussrechnung. Das beklagte Finanzamt (FA) behandelte die Einkünfte zunächst als solche aus selbständiger freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG).
Im Jahre 1996 wurden die steuerlichen Verhältnisse des Klägers durch eine Betriebsprüfung überprüft. Da der Prüfer nicht in der Lage gewesen ist, die Tätigkeit des Klägers rechtlich zu würdigen, bat er das Automationsreferat der Oberfinanzdirektion (OFD) ... hierzu um Stellungnahme. Mit Aktenvermerk vom 14. Februar 1997 gelangte der zuständige Sachbearbeiter des ?Leistungszentrums Dezentrale Systeme? der OFD ... zu dem Ergebnis, dass die vom Kläger erstellten Programme zur Anwendungssoftware gehörten und der Kläger damit eine gewerbliche Tätigkeit ausübe. Hierin wurde u. a. folgendes ausgeführt:
?Im vorliegenden Fall lassen sowohl der vorgelegte Software-Erstellungsvertrag wie auch die vom Steuerpflichtigen (StPfl) selbst vorgenommene Beurteilung seiner Tätigkeit erkennen, dass die vom StPfl erstellten Programme in der Gruppe Anwendungssoftware zutreffend erfasst sind.
... dabei ist nicht entscheidend, dass das erstellte Programm von keinem (menschlichen) End-Anwender benutzt wird. Das Programm ist Teil des Gesamtsystems ?Briefverteilanlage? und leistet dort einen Beitrag zur Erfüllung der Forderung des Auftraggebers nach einem einsatzfähigen Gerät.
Dieser Einordnung steht nicht entgegen, dass der StPfl neben der reinen Programmierung auch selbst das Pflichtenheft erstellt, die vorausgehenden Analysen durchgeführt hat und außerdem für die Durchführung der Arbeit ein fundiertes Informatikwissen erforderlich war.
Das Bedauern des StPfl, dass die Grundannahme für die Rechtfertigung einer steuerlichen Trennung im Bereich der EDV, nämlich dass die Anforderung für die Bereiche Systemprogrammierung und Anwendungsprogrammierung grundsätzlich verschiedener Natur sind, nicht mehr zeitgemäß sei, kann nachvollzogen werden. Einfache Trivialprogramme einmal ausgenommen, erreichen heutige Anwendungsprogramme und ?pakete eine Komplexität, die einem klassischen Systemprogramm vergleichbar ist?.
Das beklagte FA übernahm die Feststellungen der OFD ... bzw. des sich ihnen anschließenden Betriebsprüfers und setzte mit Bescheiden vom 9. September 1997 Gewerbesteuer-Messbeträge in nachstehend aufgeführter Höhe fest:
für 1991 i. H. v. 9.665 DM,
für 1992 i. H. v. 4.805 DM,
für 1993 i. H. v. 8.680 DM,
für 1994 i. H. v. 1.224 DM und
für 1995 i. H. v. 2.820 DM.
Der Gewerbesteuer-Messbescheid für 1995 wurde mit Bescheid vom 28. September 1997 aus hier nicht interessierenden Gründen geändert und der Gewerbesteuer-Messbetrag mit 2.770 DM festgesetzt.
Mit Schreiben vom 15. September 1997 legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, gegen die o. g. Bescheide Einspruch ein, da der Kläger keinen Gewerbebetrieb unterhalte, sonder einer freiberuflichen Tätigkeit i. S. d. § 18 EStG nachgehe. Zur Begründung hierfür verwies er auf das bereits zuvor dem FA vorgelegte Gutachten des öffentlich-bestellten und vereidigten Sachverständigen, ... vom 25. Juli 1997, der u. a. zu folgendem Ergebnis gelangt ist:
?Besonders hervorzuheben sind dabei die von ... durchgeführten Arbeiten für
? Entwicklung verschiedener Software-Module zur Analyse von Daten aus der automatischen Zeichenerkennung in Bezug auf Syntax und Konsistenz der Daten,
? Entwicklung von Software-Modulen für die Korrelation der vorher analysierten Daten mit echten Adressdaten,
? Bewertung der Daten in Bezug auf Richtigkeit und daraus folgende Steuerung der entsprechenden Sortiereinrichtung,
? Erstellung von Korrektursoftware für Formularleser zum Einsatz ... und ... (Ende 1994 bis Anfang 1996),
? Entwicklung von Treibersoftware für den Anschluss des Formularlesers an die SCSI-Schnittstelle, dies ist reine Hardware orientierte Systemsoftware (1996).
... hat dabei nicht nur die entsprechende Software entwickelt, sondern hat Algorithmen für die Analyse, Korrelation und Bewertung der Daten entwickelt, diese softwaremäßig realisiert und dann an der Maschine erprobt. In Abhängigkeit der Ergebnisse wurden die Algorithmen und Verfahren abgeändert und verfeinert, um die Ergebnisse zu verbessern (Tuning). Dies ist typische Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs.
... verfügt über sehr umfangreiche und detaillierte Kenntnisse im Bereich von Datenanalyse, Datenbanken, Steuerungssystemen und Schnittstellenprogrammen. Seine Kenntnisse sind nach meiner Überzeugen den Kenntnissen eines Dipl.- Ingenieurs mit entsprechender Berufserfahrung und Spezialisierung in der Anlage und Steuerung vergleichbar.
... hat seit dem Jahre 1986 selbständige freiberufliche Tätigkeiten ausgeführt, die i. S. d. BFH-Urteile vom 7. Dezember 1989 IV R 115/87 und vom 7. November 1991 IV R 17/90 dem typischen Berufsfeld eines Dipl.- Ingenieurs oder eines technisch orientierten Dipl.-Informatikers zuzuordnen sind. Es handelt sich dabei um typische Ingenieurstätigkeiten, insbesondere im Bereich von Steuerungssystemen, Datenbanksystemen und Schnittstellen.
Obwohl eine Trennung zwischen Systemsoftwareentwicklung und Anwendungssoftwareentwicklung zum heutigen Zeitpunkt nicht mehr gerechtfertigt und in vielen Fällen auch gar nicht möglich ist, handelt es sich bei der Tätigkeit des ... um selbständige konzeptionelle Arbeiten im Bereich der Systemanalyse und Systemsoftware i. S. d. o. g. Urteile?.
In einem weiteren Aktenvermerk der OFD ... vom 8. Januar 1998 nahm diese zu dem vorgenannten Gutachten Stellung. Sie vertrat weiterhin die Auffassung, dass der hochqualifizierte und bezüglich des Schwierigkeitsgrades sich von einem Systemsoftwareentwickler nicht unterscheidende Kläger Anwendungssoftware programmiert habe. Im Einzelnen wird hierzu u. a. folgendes ausgeführt:
?Von den (im Gutachten) genannten 5 Positionen fällt allenfalls die letzte (Entwicklung von Treibersoftware für den Anschluss eines Peripheriegerätes an die SCSI-Schnittstelle) in den Bereich der Systemsoftware. Der Anteil dieser letzten Position am Gesamtauftrag wird jedoch als untergeordnet angesehen.
Die ersten vier Positionen stellen Softwareentwicklung dar, die in den Bereich der Anwendungssoftware einzuordnen ist:
Datenanalyse
Datenkorrelation
Datenbewertung
Datenkorrektur
Dies alles sind Funktionen, die in (fast) jedem heutigen Kalkulationsprogramm (unstreitig Anwendungssoftware) zu finden sind. Dabei wird nicht übersehen, dass im vorliegenden Fall insbesondere die Position Korrektursoftware, aber auch die ersten drei Positionen keine trivialen Programmieraufgaben sind, sondern hervorragende Kenntnisse aus verschiedenen Gebieten der Ingenieurskunst voraussetzen.?
Wegen aller Einzelheiten wird auf den Inhalt des in den vom Gericht beigezogenen (Rechtsbehelfs-)Akten des Finanzamts enthaltenen o. g. Gutachtens und des vorstehenden Aktenvermerks Bezug genommen.
In seiner Einspruchsentscheidung vom 8. Juni 1998 führe das FA im Wesentlichen folgendes aus:
Der Bundesfinanzhof - BFH - habe in seinem Urteil vom 7. Dezember 1989 (BStBl II 1990, 337) die Auffassung vertreten, dass ein Diplom-Informatiker, dessen Ausbildung mit Hochschul- oder Fachhochschulabschluss mit der eines Ingenieurs vergleichbar sei, nur dann freiberuflich tätig werde, wenn er Systemsoftware entwickle. Zu der Tätigkeit des Softwareentwicklers gehöre zunächst die Grundlagenforschung. Dabei gehe es um die allgemeinen Gesetze, die der Informationsverarbeitung zugrunde lägen, um Algorithmen, k ünstliche, formale Sprachen, deren Syntax und Semantik.
Die Anwendersoftwareentwicklung sei jedoch, obwohl sie in vielen Fällen nicht weniger anspruchsvoll sein möge, keine Tätigkeit, die in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich liege. Dieser Entscheidung schließe sich das FA unabhängig davon an, dass der BFH ausdrücklich darauf hingewiesen habe, dass die bestehende Rechtslage als unbefriedigend empfunden werden müsse. Dies sei jedoch so lange hinzunehmen, als die Bereiche freiberuflicher Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 EStG vom Gesetzgeber nicht fortentwickelt worden seien.
Mit seiner hiergegen gerichteten Klage bezieht sich der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Wesentlichen auf das vorgelegte Gutachten des ... und macht sich dessen Inhalt zu eigen.
Darüber hinaus trägt er im Wesentlichen folgendes vor:
Bei der Tätigkeit des Klägers handele es sich um typische Ingenieurs-Tätigkeit, insbesondere im Bereich von Steuerungssystemen, Datenbanksystemen und Schnittstellen, die dem typischen Berufsfeld eines Dipl.- Ingenieurs oder technisch orientierten Dipl.-Informatikers zuzuordnen sei und die als selbständige konzeptionelle Arbeiten im Bereich der Systemanalyse und Systemsoftware qualifiziert werden müsse mit der Folge, dass seine Tätigkeit nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, sondern zu solchen aus selbständiger Tätigkeit geführt habe.
Der Kläger sei in den streitbefangenen Jahren nahezu ausschließlich (ca. 98%) mit der Entwicklung von Systemsoftware für die von der Firma ... gefertigte Briefsortieranlage beschäftigt gewesen, und zwar im Team mit dem Ingenieurbüro .... Bei der Briefsortieranlage der ... handle es sich um eine spezielle Hardwarekonfiguration, die ohne die vom Kläger mit entwickelte Systemsoftware nicht laufen und betrieben werden könne. Bei dieser Briefsortieranlage handle es sich nicht, wovon die OFD ... und nachfolgend auch das beklagte FA ausgehe, um eine ?EDV-Anlage? mit einer vorhandenen Betriebs- bzw. Systemsoftware, zu der ?Anwendersoftware? entwickelt worden sei. Vielmehr habe der Kläger zusammen mit den Mitgliedern des vorgenannten Ingenieurbüros die Systemsoftware für Briefverteilungsanlagen entwickelt. An der Konzeptionsphase, die im Oktober 1990 begonnen habe und bis ca. April 1991 gelaufen sei, sei der Kläger federführend beteiligt gewesen. Es habe sich eine erste Implementierung angeschlossen, die bis Januar 1992 gelaufen sei.
Das vom Kläger erstellte Pflichtenheft dokumentiere dessen Arbeit in der Systemanalyse und beim planerischen Entwurf von Strukturen in der Systemsoftware. Diese sei im Jahre 1992 im Wesentlichen optimiert worden. Eine weitere Ausbaustufe 2 der Systemsoftware sei geplant, realisiert und an die Anforderungen in den verschiedenen Ländern angepasst und optimiert worden. Jeder dem Kläger erteile Einzelauftrag erfordere eine Systemanalyse, nämlich die konzeptionelle Festlegung der Aufgabe. Dem Gericht könne exemplarisch Einsicht in die erstellten Pflichtenhefte gewährt werden, die aus Geheimhaltungsgründen nicht ausgehändigt werden könnten.
In den Jahren 1993 und 1994 seien neben den Optimierungsaufträgen auch erstmalig Aufträge für Anpassungen an die Anforderungen der ..., u. a. wegen der Umstellung auf die fünfstellige Postleitzahl, Eingangsinterpretation und spezielle Hand/Maschinenschriftalgorithmen sowie Anpassungen der Systemsoftware für die Anforderungen der britischen Post hinzugekommen.
Nach dem Urteil des BFH vom 7. Dezember 1989 (IV R 115/87, BStBl II 1990, 337) sei unter Systemsoftware Software zu verstehen, ohne die ein Computer nicht einsatzfähig sei. Bei den Briefsortieranlagen handle es sich nicht, wie dargelegt, um einen Computer, sondern um eine Hardwarekonfiguration mit notwendigerweise spezifischer, die Hardware erst zum Laufen bringender Systemsoftware.
Ohne die vom Kläger mitkonzipierte und mitentwickelte Systemsoftware, könne die Maschine keine Briefe verteilen, also die Funktion nicht erfüllen, zu der sie gebaut worden sei. Es bestehe daher kein Zweifel daran, dass es sich bei dieser Software um Systemsoftware handle, die die Erfüllung des Anforderungsprofile an die Briefsortieranlage erst ermögliche. Das ?Gesamtwerk Briefsortieranlage? mit der auch vom Kläger mitentwickelten Systemsoftware sei eine durch Ingenieure realisierte Automatisierung eines bis dato von Hand durchgeführten Briefverteilvorgangs, die Spezialhardwarekomponenten aufweise, wie etwa
- Abzugsvorrichtung der Briefe,
- Abtasten der Adresse, d. h. Diodenleisten, die den Brief abscannen,
- Verteilstrasse mit Weichensteuerung,
- Spezialprozessoren für Bildaufbereitung, Zeichensegmentierung, Drehnormierung usw.,
und Spezialsoftwarekomponenten, wie
- Zeichenerkennung über Klassifikatoren (Spezialgebiet der Mustererkennung aus der Informatik),
- Zeichenvorverarbeitung, Bildung von Wörtern, Test auf Schlüsselwörter,
- Adress-Analyse bestehend aus der Zusammenfassung von Zeichen zu semantischen Einheiten (Tokens) unter Berücksichtigung der Adresssyntax,
- Syntaxanalyse als ein Spezialgebiet der Informatik im Compilerbau, vorliegend als Spezialvariante mit Alternativen Syntaxpfaden mit Fehlertoleranz,
- Zu Istadressen führende Adressenanalyse, die im Rechner zu verwalten und darzustellen sind (Theorie der Datenstrukturen in der Informatik).
An Hand dieser Istadressen würden mögliche Solladressen aus einer Adressenbank ermittelt unter Einsatz von Suchalgorithmen, wobei der Kläger und seine Kollegen mit assoziativen Suchtechniken experimentierten, die beim Kläger eingehende Kenntnisse über neuronale Netzwerke erforderten und die sich auch mit Problemen der Indizierung und Zugriffstheorien auf Daten, der Theorie der effizienten Suchalgorithmen binäre Bäume, Hash-Verfahren bei der Datenbanksystem-Programmierung und im Spezialgebiet der Graphentheorie hätten auskennen und auseinandersetzen müssen.
Der Kläger habe in den streitbefangenen Jahren als Diplom-Informatiker im Bereich der speziellen Systemtechnik ?Briefverteilanlage? gearbeitet und habe dabei, einem Ingenieur vergleichbar, mathematisch-technisch-naturwissenschaftliche Erkenntnisse angewandt, um ein technisches Werk, nämlich die Briefsortieranlage, zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1985 III R 175/80, BStBl II 1986, 15). In den von ihm bearbeiteten Bereichen habe er ausschließlich Informatikwissen angewandt, d. h. seine Ausbildung als Informatiker sei für seine Tätigkeit zwingend erforderlich gewesen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989, a. a. O.).
Nach dem BFH-Urteil vom 7. November 1991 (IV R 17/90, BStBl II 1993, 324) gehörten zur Systemtechnik auch die Optimierung und Fortentwicklung der in der Systemtechnik eingesetzten Hardware und der Softwarekomponenten. Alle ?Tuning?-Aufträge hätten auf nicht anderes abgezielt, als die Verteilraten zu optimieren, d. h. es sollten möglichst viele Briefe in möglichst kurzer Zeit korrekt verteilt werden. Bei Briefsortieranlagen, die 36.000 Briefe in der Stunde sortieren müssten, habe dies höchste Anforderungen an die Systemsoftware bedeutet. Zur Minimierung der Fehlerrate seien Messreihen gefahren worden, um die optimalen Einstellungen oder Varianten zuvor entwickelter Algorithmen zu ermitteln. Auch diese Tätigkeit sei ein der Ingenieurtätigkeit vergleichbare Arbeit: Auch ein Motor werde nicht nur konzipiert, gebaut oder sogleich verwandt, sondern durchlaufe eine lange Test-, Optimierungs- und Einstellungsphase, bis er bestimmungsgemäß ausgelegt sei und Serienreife besitze.
Nur vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Anforderungen in den verschiedenen Ländern, in denen die Briefsortieranlage schließlich eingesetzt werde, jeweils Anpassungen der Systemsoftware bedingt habe, die ebenfalls vom Kläger und seinen Kollegen entwickelt worden sei.
Das beklagte Finanzamt habe daher auch folgerichtig die identische Tätigkeit der Ingenieure ... in den streitbefangenen Jahren als freiberufliche Tätigkeit anerkannt. Weshalb es dem Kläger diese zutreffende Einschätzung seiner Tätigkeit versagt habe, sei unerfindlich und nicht nachvollziehbar.
Der Kläger stellt den Antrag,
die streitigen Gewerbesteuer-Messbetragsbescheide und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben.
Das FA beantragt,
Klageabweisung und verweist auf die Stellungnahmen des Fachreferats der OFD ....
Wenn das FA die Tätigkeit der zusammen mit dem Kläger an der Entwicklung an der Briefsortieranlage beteiligten ... als freiberuflich i. S. d. § 18 Abs. 1 EStG eingestuft habe, so liege der Grund darin, dass diese Beurteilung bereits aufgrund von deren Vorbildung als Diplom-Ingenieure gerechtfertigt sei.
Am 5. März 2001 hat ein Erörterungstermin stattgefunden. Auf das Protokoll wird verwiesen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist begründet. Der Kläger war in den Streitjahren freiberuflich i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG tätig und unterlag daher nicht der Gewerbesteuerpflicht.
Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört u. a. auch die freiberufliche Tätigkeit von Ingenieuren und ähnlicher Berufe. Eine ähnliche Berufstätigkeit liegt vor, wenn diese in ihren wesentlichen Punkten mit dem Katalogberuf ?Ingenieur? verglichen werden kann. Dazu ist erforderlich, dass der betreffende Steuerpflichtige über eine Ausbildung verfügt, die der für den Katalogberuf erforderlichen vergleichbar ist; außerdem muss seine Tätigkeit in einem für den Katalogberuf typischen Bereich liegen (ständige Rechtsprechung des BFH; vgl. Urteil vom 7. Dezember 1989, a. a. O., mit weiteren Nachweisen).
1. Der Kläger ist als Diplom-Informatiker mit Fachhochschulabschluss von seiner Ausbildung her einem Ingenieur vergleichbar. Der Studiengang des Diplom-Informatiker ist weitgehend von der Mathematik aber auch von Fächern wie Nachrichten- und Elektrotechnik geprägt. Die Ausbildung zum Diplom-Informatiker befähigt demnach dazu, auf der Grundlage von natur- und technikwissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Belange technische Werke zu planen, zu konstruieren und ihre Fertigung zu überwachen, mögen diese ?Werke? auch nicht immer als körperliche Gegenstände (Hardware) in Erscheinung treten, sondern als Software nur aus dem Programm, dessen Beschreibung und dem maschinenlesbaren Programmträger bestehen (BFH-Urteil vom 7. Dezember 1989, a. a. O.).
2. Entgegen der Auffassung des FA lag auch die streitige Tätigkeit des Kläger in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich.
a) Ein selbständiger Diplom-Informatiker übt dann eine dem Ingenieur ähnliche Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG aus, wenn er Systemanalysen erarbeitet, aus denen sich ergibt, ob gewisse betriebliche Vorgänge mit Hilfe von EDV-Anlagen vollziehbar sind (so noch BFH-Urteil vom 4. August 1983 IV R 6/80, BStBl II 1983, 677). Nach der vorgenannte Grundsätze modifizierenden Entscheidung des BFH vom 7. Dezember 1989 (a. a. O.) führen derartige Systemanalysen jedoch nur dann zu einer selbständigen Tätigkeit gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG, wenn es sich hierbei um Systemsoftwareentwicklung handelt. Zur Tätigkeit des Systemsoftwareentwicklers gehört hiernach die Grundlagenforschung, d. h. die Systematisierung und Gestaltung der den Rechenanlagen eigenen Strukturen. Dabei geht es um die allgemeinen Gesetze, die der Informationsverarbeitung zugrunde liegen, um Algorithmen, künstliche, formale Sprachen, deren Syntax und Semantik, sowie um den Entwurf von Strukturen zwischen der Hardware und der Anwendernahtstelle. Hierbei handelt es sich vor allem um die sog. Betriebssysteme, d. h. die Systeme, ohne die die jeweiligen Computer nicht einsatzfähig sind, Hilfs- und Dienstprogramme, Compiler und Übersetzer oder Datenbanksysteme. Solche Systeme werden vom Systemsoftwareentwickler entworfen, im Pflichtenheft fixiert und detailliert.
Demgegenüber, so der BFH in seinem vorgenannten Urteil, ist die Anwendersoftwareentwicklung, obwohl sie in vielen Fällen nicht weniger anspruchsvoll sein mag als die Systemsoftwareentwicklung, keine Tätigkeit, die in einem für den Beruf des Ingenieurs typischen Bereich liegt. Anwendungsprogramme sind die Computerprogramme, die den - aufgrund des Systemprogramms einsatzfähigen - Computer in die Lage versetzen, die vom jeweiligen Anwender geforderten Arbeiten zu verrichten. Der Anwendersoftwareentwickler prüft zunächst, ob sich bestimmte Prozesse mit Hilfe der EDV lösen lassen. Sodann entwickelt er realisierungsreife Fachkonzepte mit dem Ziel des wirtschaftlichen Einsatzes der Datenverarbeitung zur Rationalisierung dieser Prozesse. Dazu erstellt er - insoweit ähnlich wie der Systemsoftwareentwickler - Leistungsbeschreibungen und Spezifikationen (Pflichtenhefte). Der Unterschied zum Systemsoftwareentwickler besteht darin, dass mindestens gleichberechtigt neben die Informatikkenntnisse Kenntnisse im jeweiligen Anwendungsbereich (also z. B. Betriebswirtschaft, Technik, Medizin, Rechtswissenschaft) treten. Diese Differenzierung, die im Grundsatz auch vom erkennenden Senat geteilt wird, entspricht ständiger finanzgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Beschluss vom 8. September 1994 IV B 130/93, BFH/NV 1995, 209; BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV 17/90 BStBl II 1993, 324; BFH-Beschluss vom 21. Mai 1992 IV B 89/91, BFH/NV 1993, 292; BFH-Urteil vom 24. August 1995 IV R 60-61/94, BStBl II 1995, 92; BFH-Beschluss vom 26. September 1996 XI B 177/94, BFH/NV 1997, 192; BFH-Beschluss vom 8. Januar 1997 IV B 56/96, BFH/NV 1997, 399; Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 12. Januar 1995 VI K 324/90 EFG 1995, 714; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 6. August 1996 VI 453/92, EFG 1997, 421).
b) Diese vorgenannte Rechtsprechung führt im Streitfall dagegen nicht zu dem vom Beklagten vertretenen Ergebnis. Der Senat ist der Auffassung, dass der Kläger nicht nur für einen bereits aufgrund vorhandener Grundkonfigurationen (Systemprogramme) einsatzfähigen ?Computer?, die Briefverteilanlage, (Anwendungs-)Programme zwecks Erledigung der vom Anwender geforderten Arbeiten entwickelt hat. Er war vielmehr, vorauf der vom Kläger beauftragte Sachverständige und der Prozessbevollmächtigte des Klägers zutreffend hingewiesen haben, unmittelbar an der Herstellung bzw. der Ausstattung der Anlage mit solchen Grundprogrammen beteiligt, die überhaupt erst eine Briefverteilanlage mit der dieser immanenten Funktionsfähigkeit entstehen ließen.
Die Gesamtanlage als ein ?geschlossenes System? stellt einen sehr komplexen Verbund zwischen Mechanik und Elektronik dar, zu dessen Konzeption, Entwicklung und Realisierung Fachleute verschiedener Fachrichtungen benötigt wurden. Diese Briefsortieranlage liest, analysiert und bewertet mit großer Geschwindigkeit das Adressfeld einer Briefsendung und stellt in Abhängigkeit dieser Informationen die Weichen so, dass der Brief in das richtige Fach transportiert wird. Um dies bewerkstelligen zu können, enthält die Elektronik mehrere Prozessoren zum Lesen und Erkennen der Zeichen, zum Interpretieren der Zeichen und zur Steuerung der die entsprechende Software benötigenden Mechanik. An der Entwicklung dieser umfangreichen und komplizierten Software war der Kläger - gemeinsam u. a. mit den Ingenieuren ... maßgeblich beteiligt.
Ohne die vom Kläger erstellte Software, bei der es sich um die Grundsoftware der Maschine handelt, kann die gesamte Anlage nicht betrieben werden, d. h. sie kann keinerlei Funktion ausüben. Um diese Funktionsfähigkeit zu gewährleisten, musste der Kläger verschiedenen Software-Module zur Analyse von Daten aus der automatischen Zeichenerkennung in Bezug auf Syntax und Konsistenz der Daten entwickeln. Er musste darüber hinaus Software-Module für die Korrelation der vorher analysierten Daten mit echten Adressdaten entwickeln. Diese Daten mussten mit Hilfe von Programmen in Bezug auf Richtigkeit und darausfolgende Steuerung der entsprechenden Sortiereinrichtungen bewertet werden. Darüber hinaus war der Kläger verantwortlich für die Erstellung von Korrektursoftware für Formularleser zum Einsatz bei der ... und ... und für die Entwicklung von Treibersoftware für den Anschluss des Formularlesers an die SCSI-Schnittstelle zuständig.
Der Kläger hat nicht nur die vorgenannte entsprechende Software entwickelt, sondern er hat auch die Algorithmen für die Analyse, Korrelation und Bewertung der Daten entwickelt, diese softwaremäßig realisiert und dann an der Maschine erprobt. In Abhängigkeit der Ergebnisse wurden die Algorithmen und Verfahren abgeändert und verfeinert, um die Ergebnisse zu verbessern (Tuning). Außerdem hat er die entsprechenden Pflichtenhefte erstellt.
c) Selbst wenn man aber nicht der Auffassung des Klägers folgt, wonach es sich hierbei ausnahmslos um sog. Systemsoftware gehandelt hat und davon ausgeht, dass er in den Streitjahren überwiegend mit der Entwicklung von Anwendungssoftware beschäftigt gewesen ist, ist der Senat davon überzeugt, dass es sich dann um ingenieurmäßige Anwendungssoftware gehandelt hat, mit der Folge, dass der Kläger in den Streitjahren einem dem Ingenieur ähnlichen Beruf i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausgeübt hat.
Die vorstehend beschriebenen Arbeiten des Klägers gehören zu der typischen Tätigkeit eines Entwicklungsingenieurs im EDV-Bereich. Dieser - sinngemäßen - Feststellung des Gutachters, die auch vom Senat geteilt wird, tritt der Beklagte im Grunde auch nicht entgegen. Er beharrt lediglich auf seinem Standpunkt, die Entwicklung von Anwendungssoftware sei in jedem Falle eine gewerbliche Tätigkeit, was nach der oben dargelegten Auffassung des Senats bei der Entwicklung von - wie im Streitfall - derart komplexer ingenieurmäßiger Anwendungssoftware, welche die Anwendung profunder Kenntnisse der Ingenieurwissenschaften voraussetzte, nicht zutrifft (vgl. hierzu auch BFH-Beschluss vom 24. September 1998 IV B 49/96, BFH/NV 1999, 462).
3. Hinzu kommt noch eine weitere Überlegung: Die von der zuvor zitierten früheren Rechtsprechung getroffene Unterscheidung zwischen Anwendungs- und Systemsoftware hatte ihre Rechtfertigung darin, dass bei der Tätigkeit des jeweiligen Anwendungssoftwareentwicklers oft nicht feststellbar war, dass ihre Tätigkeit ingenieurmäßige Kenntnisse erfordert. Dies ist im Streitfall erkennbar anders. Selbst vom Beklagten wird nicht bestritten, dass der Kläger seine Aufgaben nur bewältigen konnte, weil er hervorragende Kenntnisse auf verschiedenen Gebieten der Ingenieurkunst besitzt und diese auch eingesetzt hat.
Die ursprünglich zu Sachverhalten aus den 80iger Jahren und damit in der Gründerphase der elektronischen Datenverarbeitung entwickelte Differenzierung zwischen Anwendungs- und Systemsoftware hat bereits zu Beginn der 90iger Jahre ihre Berechtigung verloren. Das FA stimmt auch insoweit der - sinngemäßen - Feststellung des Gutachters zu, wonach unter Berücksichtigung der im letzten Jahrzehnt erfolgten kaum noch nachvollziehbar rasanten Weiterentwicklung der heutige Stand der Ausbildung und Tätigkeit von Ingenieuren und Diplom-Informatikern die früher als entscheidend herausgestellte Differenzierung zwischen der Entwicklung von Systemsoftware einerseits und der Entwicklung von Anwendungssoftware andererseits schon seit längerer Zeit nicht mehr gerechtfertigt erscheinen lässt. Zwischenzeitlich ist die Betriebssoftware weitgehend standardisiert, während die Entwicklung von Anwendungssoftware sowohl im Rahmen der Ausbildung wie auch in der Tätigkeit von Diplom-Ingenieuren und Diplom-Informatikern einen breiten Raum einnehmen. Während früher Anwendungssoftware vielfach auch von Nichtingenieuren entwickelt worden ist, sind auch hier bereits seit längerer Zeit aufgrund der Komplexität der Aufgabenstellungen oftmals hervorragende Kenntnisse der Ingenieurskunst erforderlich. Hiervon dürfte auch bei selbständig tätigen Absolventen eines technischen Hochschulstudiums auszugehen seien, auch wenn diese lediglich Anwendungssoftware entwickeln (vgl. Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 19. Mai 1999 12 K 410/95, Finanzrundschau 1999, 1373 mit Anmerkung von Kempermann).
Den Ausführungen des Finanzgerichts Baden-Württemberg in seinem o. g. Urteil pflichtet der Senat lediglich insoweit nicht bei, als es hierin davon ausgeht, der BFH habe die Differenzierung zwischen System- und Anwendungssoftware zumindest bis zum Jahre 1994 aufrecht erhalten. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, was das Finanzgericht zu dieser Feststellung veranlasst hat, hat sich das letzte vom Finanzgericht Baden-Württemberg in vorgenannter Entscheidung zitierte BFH-Urteil mit den Streitjahren 1985 bis 1987 befasst, so dass allenfalls der Schluss gerechtfertigt wäre, dass es spätestens zu Beginn der 90iger Jahre auf die bisherigen Unterscheidungen nicht mehr ankommen kann, wenn die EDV-Tätigkeit durch einen Ingenieur bzw. Diplom-Informatiker (oder von einem Steuerpflichtigen, der gleichwertige Kenntnisse und Tätigkeiten besitzt bzw. ausübt) erbracht wird.
Der Senat konnte hiernach auch die Frage unbeantwortet lassen, ob der Kläger im Hinblick auf die von ihm erstellten elektronischen Handbücher (Pflichtenhefte) evtl. schriftstellerisch i. S. D. § 18 Abs. 1 EStG tätig geworden ist (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 24. September 1998, a. a. O.).
II.
Die Kostenentscheidung ergibt sich auch § 135 Abs. 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
III.
Die Revision ist zuzulassen, da es sich hierbei um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung handelt und - soweit erkennbar - der BFH sich in neuerer Zeit noch nicht dazu geäußert hat, ob bzw. ggf. unter welchen Voraussetzungen an der Differenzierung zwischen System- und Anwendersoftware weiter festgehalten werden kann.
IV.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren ist für notwendig zu erklären. Dem Verfahren lag ein Sachverhalt zugrunde, der nicht als einfach zu bezeichnen war. Die Klägerseite durfte sich daher eines Rechtskundigen bedienen, um eine erfolgversprechende Rechtsverfolgung zu erreichen.