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  • 01.03.2019 · IWW-Abrufnummer 207510

    Finanzgericht Köln: Urteil vom 15.11.2018 – 1 K 1246/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Tenor:

    Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung wird der Einkommensteuerbescheid 2014 nach Maßgabe der Entscheidungsgründe geändert.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

    Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

    Die Revision wird zugelassen.
     
    1

    Tatbestand

    2

    Die Beteiligten streiten darüber, ob Ausbildungskosten um erhaltene Stipendiumsleistungen zu kürzen sind und die Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit um vertragswidrig nicht pauschal versteuerten Aushilfslohn zu erhöhen sind.

    3

    Der Kläger hat 2009 seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann beendet. Nachfolgen hat er bis Frühjahr 2013 als Veranstaltungskaufmann bei der Firma A GmbH in B gearbeitet.

    4

    Seit dem Sommersemester 2013 studierte der Kläger Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule C. Ab dem 1.4.2014 erhielt er ein Aufstiegsstipendium der Stiftung Begabtenförderung berufliche Bildung gemeinnützige Gesellschaft mbH (sbb gGmbH) aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) in Höhe von 670 € sowie 80 € Büchergeld monatlich. Laut der privatrechtlichen Vereinbarung mit der SBB gGmbH über das Aufstiegsstipendium hatte der Kläger bspw. die Verpflichtung, innerhalb eines Monats nach Beendigung jedes Studienabschnitts die Immatrikulationsbescheinigung für den folgenden Studienabschnitt sowie Nachweise über den Studienfortschritt in die Dokumentenzentrale “StudiDoK“ einzustellen. Weiterhin sieht die Vereinbarung unter Ziffer 6 die Kündigung für den Fall vor, dass der Stipendiat u.a. einer der vorgenannten Verpflichtungen nicht nachkommt oder erkennbar wird, dass er sich nicht im erforderlichen und zumutbaren Maße um den erfolgreichen Abschluss des Studiums bemüht. Insoweit und im Übrigen wird auf die Vereinbarung sowie die Förderrichtlinien verwiesen (Blatt 25 bis 29R der Akte).

    5

    Im November 2014 arbeitete der Kläger für die ...gesellschaft E und Co. GmbH als Aushilfe. Laut Personalbogen, der von Arbeitnehmer und Arbeitgeber unterschrieben wurde, sollte der Arbeitgeber die pauschale Lohnsteuer tragen. Die Abrechnung der erzielten 441,15 € Arbeitslohn erfolgte jedoch durch den Arbeitgeber nach Steuerklasse I.

    6

    In seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2014, mit der der Kläger auch die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages beantragte, machte dieser Fortbildungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von insgesamt 10.321 € geltend. Der Betrag untergliedert sich in Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung (Heimfahrten 1.303,50 €, Verpflegungsmehraufwendungen 1.680 € und Unterkunftskosten 6.157,52 €), Fachliteratur und Arbeitsmaterialien 686,68 € sowie Kurs- und Seminargebühren 493,10 €. Daneben machte der Kläger weitere Werbungskosten i.H. von 592 € geltend. Im Einkommensteuerbescheid vom 30.6.2015 berücksichtigte der Beklagte Fortbildungskosten nur i.H. von 1.797 € (Fahrtkosten 1.303,50 € sowie Kurs- und Seminargebühren 493,10 €) sowie übrige Werbungskosten i.H. von 534 €. Dies erläuterte der Beklagte damit, dass ein doppelter Haushalt nicht vorliege und selbst bei der Anerkennung einer doppelten Haushaltsführung aufgrund der Gegenrechnung der steuerfreien Stipendiumsbezüge ein Ansatz von weiteren Kosten nicht in Betracht komme. Daneben erhöhte der Beklagte die vom Kläger erklärten Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit um den elektronisch übermittelten Arbeitslohn des Klägers bei der ...gesellschaft E und Co. GmbH i.H. von 441 €. Die Einkommensteuer wurde bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von 1.024 € mit 0 € festgesetzt.

    7

    Den hiergegen am 3.7.2015 erhobenen Einspruch begründete der Kläger damit, dass er in seinem Heimatort F einen eigenen Hausstand bereits seit 2011 unterhalte und dort den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen habe. Auch komme eine Gegenrechnung der Stipendiumsleistungen nur teilweise in Betracht. Der Hauptteil des monatlichen Forderungsbetrages sei zur Deckung des Lebensbedarfes gedacht und somit auch für Aufwendungen für Freizeit, Urlaub und Kultur oder für Verpflegung. Es handele sich um ein Stipendium ohne konkrete Gegenleistung, das nicht steuerbar sei. Es stelle mithin eine nicht steuerbare Vermögensmehrung dar und könne keiner der Einkunftsarten zugerechnet werden. Auch handele es sich nicht um steuerfreie Zahlungen nach § 3 Nr. 44 EStG und aufgrund der fehlenden Zweckverwendungsbestimmung bestehe kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang nach § 3c EStG zum Studium. Hierzu verweist der Kläger auf den Aufsatz von Ernst und Schill, „Die Behandlung von Stipendien im Einkommensteuerrecht“ in DStR 2008, 1461. Daneben verweist der Kläger auf das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 19.10.2011 (9 K 3301/10), in dem keine Gegenrechnung der Stipendiumszahlungen erfolgt sei. Eine Gegenrechnung des Büchergeldes i.H.v. 9 × 80 € gleich 720 € sei jedoch nachzuvollziehen, da dieses speziell für Aufwendungen wie Fachliteratur usw. gedacht sei. Im Übrigen habe die Versteuerung des Aushilfslohns durch den Arbeitgeber zu erfolgen.

    8

    Die Geltendmachung der Verpflegungsmehraufwendungen hielt der Kläger nach Hinweis des Beklagten auf die Dreimonatsfrist zunächst nicht mehr aufrecht.

    9

    Mit Einspruchsentscheidung vom 5.4.2016 hat der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Auf eine Besteuerung des Aushilfslohns könne nicht verzichtet werden. Nur im Fall der Pauschalversteuerung mit 2 % sei der Arbeitslohn aus dem Minijob steuerfrei gemäß § 40 Abs. 3 S. 3 i.V.m. § 40a Abs. 5 EStG. Die Stipendiumszahlungen seien nach § 3c Abs. 1 EStG den Fortbildungskosten gegenzurechnen, da sie unmittelbar im wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander stünden. Denn die geltend gemachten Fortbildungskosten seien anlässlich des Vollzeitstudiums des Klägers entstanden und das Fördergeld (Stipendium) sei in Anlehnung an dieses Vollzeitstudium gezahlt worden. Die Zahlungen hätten den Charakter eines Unterhaltszuschusses. Bei den Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung handele es sich aber gerade um Lebenshaltungskosten, die nur durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung in § 9 Abs. 1 Nr. 5 EStG als Werbungskosten abgezogen werden dürften. Aus dem Urteil des Finanzgerichts Köln vom 19.10.2011 (9 K 3301/10) ergebe sich nichts anderes, da dort die Frage, ob das gewährte Stipendium aufgrund seines Charakters als Unterhaltszuschuss bereits als nicht steuerbar oder nach § 3 Nr. 44 EStG als lediglich steuerfrei anzusehen sei, ausdrücklich offen gelassen sei. Vorliegend ergebe sich die Behandlung als steuerfreie Zahlungen bereits aus der vorgelegten Bestätigung des Betriebsstättenfinanzamts vom 9.9.2014. Hieran ändere auch der Umstand nichts, dass der Kläger über den Förderbetrag habe frei verfügen können. Hierdurch werde weder der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang nach § 3 c EStG gelöst noch sei die Einhaltung einer Rangordnung der Gegenrechnung gesetzlich vorgesehen, was eine anteilige Kürzung ausschließe.

    10

    Mit seiner am 5.5.2016 hiergegen erhobenen Klage verfolgt der Kläger seine bisherigen Begehren fort und beantragt daneben die Feststellung eines Verlustvortrags. Zur Klagebegründung wiederholt er sein Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend bzw. konkretisierend führt er aus, dass es sich bei den Stipendiumsleistungen um eine Förderung ohne konkrete Gegenleistung und ohne vorgegebene Zweckverwendung handle. Dies werde auch dadurch deutlich, dass die SBB keine Nachweise der angefallenen Kosten verlange. Das Stipendium werde vielmehr aufgrund hervorragender beruflicher Qualifizierung gewährt und solle als finanzieller Anreiz bzw. als Ausgleich der finanziellen Ausfälle durch die Aufnahme des Studiums dienen. Die Grundförderung stehe dem Stipendiaten somit zur freien Verfügung. Damit habe die Förderung durch die SBBgGmbH Unterhaltscharakter – wie Unterhaltsleistungen durch Familienangehörige – und stelle daher eine nicht steuerbare Vermögensmehrung dar. Hinsichtlich der Kosten für Literatur und Arbeitsmaterialien sei eine Kürzung um das Büchergeld in Höhe von monatlich 80 € nachvollziehbar. Allerdings sei zu berücksichtigen, dass die Nutzung auch im Rahmen der Tätigkeiten als Werkstudent erfolgte. Eine exakte Trennung sei im Nachhinein nicht mehr möglich. Zur Beilegung des Rechtsstreits schlägt der Kläger vor, die Fortbildungskosten um das Büchergeld in Höhe von insgesamt 720 € bzw. den niedrigeren tatsächlich geltend gemachten Betrag von 686,68 € zu kürzen. Hinsichtlich der Erhöhung des Arbeitslohns um den Verdienst aus geringfügiger Beschäftigung vertritt der Kläger die Ansicht, dass die Steuerlast dem Arbeitgeber aufzuerlegen sei.

    11

    In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger seine Argumentationskette wie folgt zusammengefasst: Die Stipendiumsleistungen könnten keiner der sieben Einkunftsarten zugeordnet werden und seien damit bereits nicht steuerbar. Es fehle nämlich bereits an der erforderlichen Einkünfte- und Gewinnerzielungsabsicht. Das Studium diene der Erlangung einer Qualifikation und nicht dazu, in den Genuss von Stipendiumsleistungen zu kommen. Daher habe die Steuerfreiheit nach § 3 Nr. 11 und 44 EStG ledig deklaratorischen Charakter. § 3c Abs. 1 EStG komme daher nicht zu Anwendung, da nach dem Korrespondenzprinzip diese Vorschrift nur für steuerfreie Leistungen gelte. Auch komme keine sinngemäße Anwendung von § 3c Abs. 1 EStG in Betracht, da nach BFH die Vorschrift eine Doppelbegünstigung vermeiden wolle, die jedoch nicht vorliege. In Bezug auf das Urteil des FG Köln vom 20.5.2016, 12 K 562/13 führt der Kläger aus, dass durch die Stipendiumsleistungen nicht der Aufwand für Fortbildungskosten entfalle, da auch in diesem Fall ein tatsächlicher Vermögensabfluss vorliege. Anderenfalls gäbe es keinen sachlichen Grund, dass sowohl Eltern die Unterhaltszahlungen absetzen könnten als auch der Unterhaltsempfänger den Aufwand. Auch greife das Argument der fehlenden Freigebigkeit nicht, da auch bei „Zwangsunterhalt“ keine freiwillige Zuwendung vorliege. Schließlich lägen seine tatsächlichen Aufwendungen auch wesentlich höher als die Stipendiumsleistungen, so dass eine Finanzierung durch verschiedene finanzielle Mittel erfolge.

    12

    Der Kläger beantragt,

    13

    den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2014 vom 30.6.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 5.4.2016 insoweit zu ändern, als die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit um 441 € reduziert werden und im Übrigen entsprechend der zu Protokoll erklärten Verpflichtung des Beklagten weitere Werbungskosten anerkannt werden, jedoch ohne Anrechnung von Stipendiumsleistungen,

    14

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

    15

    Der Beklagte beantragt,

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    die Klage abzuweisen mit der Maßgabe, dass Werbungskosten entsprechend der heute dazu getroffenen tatsächlichen Verständigung, jedoch unter vollständiger Gegenrechnung der Stipendiumsleistungen berücksichtigt werden,

    17

    hilfsweise die Revision zuzulassen.

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    Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Ausführungen in seiner Einspruchsentscheidung vom 5.4.2016. Ergänzend weist der Beklagte darauf hin, dass die behauptete pauschale Besteuerung des Arbeitgebers durch Vorlage einer entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung nachgewiesen werden könne.

    19

    Das Verfahren wurde am 3.9.2018 mit den Beteiligten erörtert. Insoweit wird auf das Protokoll verwiesen und Bezug genommen (Blatt 72 f. der Akte). In der mündlichen Verhandlung am 15.11.2018 sind die Beteiligten im Tatsächlichen übereingekommen, dass die geltend gemachten Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit - inkl. der Mehraufwendungen für Verpflegung i.H. von 1.680 € - mit den Abweichungen anerkannt werden, dass die Fortbildungskosten um 264 € und die sonstigen Werbungskosten um 226 € reduziert werden. Daneben sind die Beteiligten im Tatsächlichen übereingekommen, falls der Senat zu einer quotalen Anrechnung der Stipendiumszahlungen kommen sollte, dass die Ausgaben des Klägers als eines Studenten unter Berücksichtigung der hier geltend gemachten Kosten der doppelten Haushaltsführung zu 30% auf ausbildungsspezifische Kosten und zu 70% auf Kosten der allgemeinen Lebenshaltung entfallen. Insoweit und im Übrigen wird auf den Inhalt des Protokolls vom 15.11.2018 sowie die vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebene Studie des FiBS – Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie vom Juni 2017 über die „Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studenten“ verwiesen und Bezug genommen (siehe Beihefter zur Gerichtsakte und unter https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/dsw_fibs_online.pdf).

    20

    Entscheidungsgründe:

    21

    Die Klage ist teilweise begründet.

    22

    Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner Bildungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit die Stipendiumsleistungen nicht zum Ausgleich dieser Kosten gezahlt wurden. Die Erhöhung der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfolgte jedoch zu Recht um den nicht pauschal versteuerten Aushilfslohn.

    23

    I.

    24

    Der Kläger hat trotz der Einkommensteuerfestsetzung 2014 von 0 € ein Rechtsschutzbedürfnis gemäß § 40 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hinsichtlich der Änderung der Besteuerungsgrundlagen. Denn im Ergebnis begehrt er die erstmalige Feststellung eines Verlustvortrag auf den 31.12.2014 nach § 10d Abs. 4 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), der grundsätzlich gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG von den Besteuerungsgrundlagen im Einkommensteuerbescheid 2014 abhängt, wie sie der Besteuerung zugrunde gelegt worden sind.

    25

    Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist (BFH-Urteile vom 13.1.2015 IX R 22/14, BFHE 248, 530, BStBl II 2015, 829, Rz 15; vom 12.7.2016 IX R 31/15, BFHE 255, 1, BStBl II 2018, 699, juris Rz. 17). Daraus folgt, dass der erstmalige Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag ebenso wie die Änderung der Verlustfeststellung von der Reichweite der verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung --d.h. gemäß §§ 164 f., §§ 172 ff. der Abgabenordnung (AO)-- im Verlustentstehungsjahr abhängig ist (BFH‑Urteil vom 16.5.2018 XI R 50/17, BFHE 261, 342, BStBl II 2018, 752, juris Rz. 21 m.w.N.). Um sich die Möglichkeit der Verlustfeststellung zu erhalten, musste der Kläger mithin gegen den Einkommensteuerbescheid 2014 Einspruch einlegen und nachfolgend die vorliegende Klage erheben.

    26

    Hieran ändert auch die Vorschrift des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG nichts, wonach die Besteuerungsgrundlagen insoweit von Satz 4 abweichend berücksichtigt werden dürfen, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Denn auch in diesem Fall muss der Steuerpflichtige die Steuerfestsetzung verfahrensrechtlich offen halten. Denn würde die Steuerfestsetzung in Bestandskraft erwachsen, würde die Änderung der Steuerfestsetzung nicht mehr ausschließlich wegen fehlender Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleiben, sondern auch aufgrund der Änderungssperre durch die formelle Bestandskraft.

    27

    Ist der Steuerpflichtige mithin verpflichtet, zur erstmaligen Verlustfeststellung einen auf 0 € lautenden Einkommensteuerbescheid anzufechten, so sind in diesem Verfahren auch die unzutreffend angesetzten Besteuerungsgrundlagen zu ändern. Denn die Änderung hat Tatbestandswirkung für die nachfolgende Verlustfeststellung. Diese ergibt sich aus dem Verweis in § 10d Abs. 4 Satz 4 HS 2 EStG auf die §§ 171 Abs. 10 AO und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Hiernach ist die Finanzverwaltung verpflichtet, bei entsprechender Änderung der Besteuerungsgrundlagen einen Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen.

    28

    II.

    29

    Der Kläger hat Anspruch auf Anerkennung seiner Bildungsaufwendungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit die Stipendiumsleistungen nicht zum Ausgleich dieser Kosten gezahlt wurden.

    30

    1. Die Bildungsaufwendungen des Klägers sind grundsätzlich nach § 9 Abs. 1 EStG als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) zu berücksichtigen. Diese sind beruflich veranlasst, da sie auf die Erzielung entsprechender Einnahmen gerichtet sind (vgl. BFH-Urteil vom 04.11.2002 VI R 120/01, BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403). Auch steht § 9 Abs. 6 EStG dem Abzug nicht entgegen, da der Kläger bereits eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann abgeschlossenen hatte und damit das Studium der Betriebswirtschaftslehre für ihn eine Zweitausbildung ist. Die Vorschrift schließt jedoch den Werbungskostenabzug nur für ein Erststudium aus, dass zugleich eine Erstausbildung vermittelt. Der Senat sieht insoweit von weiteren Ausführungen ab, da die Werbungskosteneigenschaft der Aufwendungen zwischen den Beteiligten unstreitig ist und der Beklagte sich zur Berücksichtigung der Aufwendungen dem Grunde nach in erklärter Höhe von 10.321 € abzüglich 264 € Fortbildungskosten sowie 592 € abzüglich 226 € weiterer Werbungskosten verpflichtet hat. Im Übrigen haben die Beteiligten insoweit einen eingeschränkten Antrag gestellt.

    31

    2. Die geltend gemachten Bildungsaufwendungen sind jedoch um 30% der Stipendiumszahlungen zu kürzen.

    32

    a. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG kommt ein Werbungskostenabzug nur in Betracht, soweit dem Kläger Aufwendungen entstanden sind. Diese müssen zu einer wirtschaftlichen Belastung führen (vgl. BFH-Urteil vom 19.4.2012 VI R 25/10, BFHE 237, 444, BStBl II 2013, 699; Thürmer in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 103). Soweit dem Kläger die anlässlich seines Studiums angefallenen Kosten durch das Stipendium erstattet worden sind, hat er im Ergebnis keine Aufwendungen getragen, da er durch die Ausgaben wirtschaftlich nicht belastet war (vgl. FG Köln Urteil vom 20.2.2003 10 K 3534/99, EFG 2003, 989; im Ergebnis bestätigt durch BFH-Urteil vom 4.11.2003 VI R 28/03, BFH/NV 2004, 928; FG Köln Urteil vom 20.5.2016 12 K 562/13, EFG 2016, 1605; Thürmer in Blümich, EStG, 132. Erg.Lfg 2016, § 9 Rn. 171). Es ist insoweit keine Minderung der Leistungsfähigkeit des Klägers eingetreten.

    33

    b. Entgegen der Ansicht des Klägers führt die Anrechnung der Stipendiumsleistungen auch nicht zu einer Ungleichbehandlung gegenüber Unterhaltszahlungen der Eltern an ihr studierendes Kind, selbst wenn diese als sog. „Zwangsunterhalt“ gezahlt werden. Denn beide Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Die Unterhaltspflicht der Eltern, insbesondere für den vorliegend ähnlichen „Ausbildungsunterhalt“ ergibt sich aus den §§ 1601, 1610 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Sie stellt mithin eine gesetzliche Verpflichtung (gesetzliches Schuldverhältnis) der Eltern dar, die den gesamten Lebensbedarf des Kindes einschließlich der Kosten einer angemessenen Ausbildung umfasst. Bei Unterhaltszahlungen steht es dem Kind grundsätzlich frei, welche Ausbildung es anstrebt und damit, wofür es das Geld verwendet (vgl. Brudermüller in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 1610, Rdnr. 20). Anders liegt der Fall jedoch bei diesem Stipendium, das aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages sowie der in Bezug genommenen Förderrichtlinie des BMBF gezahlt wird. Hier erfolgt die Zahlung für eine konkrete Bildungsmaßnahme, und die zivilrechtliche Vereinbarung enthält Pflichten, die der Stipendiat gegenüber der SBB gGmbH zu erfüllen hat. Die Stipendiumsleistungen weisen mithin eine wesentlich größere Nähe zur konkreten Bildungsmaßnahme auf als Unterhaltszahlungen der Eltern im Rahmen der Ausbildung des Kindes.

    34

    c. Eine Anrechnung kann jedoch nur insoweit erfolgen, als die Stipendiumsleistungen zum Ausgleich der Bildungsaufwendungen seitens der SBB gGmbH an den Kläger gezahlt wurden. Denn nur hinsichtlich diesen Betrages liegt keine wirtschaftliche Belastung des Klägers vor (vgl. für die Anrechnung von BAföG FG Münster Urteil vom 24.1.2018 7 K 1007/17 E,F; FG Baden-Württemberg Urteil vom 18.2.2005 9 K 211/04, EFG 2005, 860, im Ergebnis bestätigt durch BFH-Urteil vom 20.7.2006 VI R 26/05, BFHE 214, 370, BStBl II 2006, 764). Nach der Vereinbarung über das Aufstiegsstipendium vom 4.8.2014 sowie der entsprechenden Förderrichtlinie des BMBF Tz. 5.1.1 erhält die Stipendiatin oder der Stipendiat im Vollzeitstudium eine Pauschale in Höhe von 670 Euro und ein Büchergeld in Höhe von 80 Euro im Monat. Ziel der Förderung ist es, beruflich Begabten zusätzliche Perspektiven durch ein Studium zu eröffnen, die Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Ausbildung zu erhöhen und mit Blick auf den drohenden Fachkräftemangel zusätzliche Potentiale für die Gesellschaft zu erschließen. Es soll mithin für beruflich Tätige ein Anreiz geschaffen werden, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Finanziell bedeutet die Aufnahme eines Studiums für den Stipendiaten den Verlust der geregelten Einnahmequelle im bisherigen Beschäftigungsverhältnis sowie die höhere finanzielle Belastung durch die Bildungsaufwendungen. Diese finanziellen Einbußen bzw. Mehrbelastungen will das Begabtenstipendium ausgleichen. Damit entfallen die Stipendiumsleistungen nach dem Förderungszweck sowohl auf den Einnahmeausfall als auch auf die zusätzlichen Bildungsaufwendungen. Grundlage für eine Aufteilung sind insoweit die allgemeinen Lebenshaltungskosten eines Studenten, der sich in einer vergleichbaren Lebenssituation wie der Kläger befindet. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung haben sich die Beteiligten auf Grundlage der vom Deutschen Studentenwerk in Auftrag gegebenen Studie zur „Ermittlung der Lebenshaltungskosten von Studierenden“ des FIBS – Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie – darauf verständigt, dass 30% der Ausgaben eines Studierenden bei Berücksichtigung einer doppelten Haushaltsführung auf ausbildungsspezifische Kosten entfallen. Der Senat geht davon aus, dass die Stipendiumsleistungen durch die SBB gGmbH, auch soweit sie i.H. von 80 € als „Büchergeld“ bezeichnet sind, zur Tragung des gesamten Lebensbedarfs des Stipendiaten gewährt werden. Denn auch dieser Betrag wird als Pauschale gewährt, ohne dass entsprechende Aufwendungen vorliegen müssen. Eine Differenzierung nach den einzelnen Beträgen hat mithin nicht zu erfolgen. Damit sind die Bildungsaufwendungen um die für 9 Monate gewährten Stipendiumsleistungen (670 € + 80 €) = 6.750 € x 30% i.H. von 2.025 € zu kürzen.

    35

    d. Der Senat kann es offen lassen, ob die Kürzung der Werbungskosten auch auf § 3c Abs. 1 EStG gestützt werden kann (so bspw. BFH-Urteil vom 09.11.1976 VI R 139/74, BFHE 120, 491, BStBl II 1977, 207). Denn auch hier käme nur eine Kürzung der Aufwendungen um 30% der Stipendiumsleistungen in Betracht. Nur insoweit stünden nämlich die Werbungskosten in einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit evtl. steuerfreien Einnahmen.

    36

    III.

    37

    Den nicht pauschal versteuerten Aushilfslohn des Klägers hat der Beklagte zu Recht i.H. von 441 € bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Unstreitig handelt es sich bei der an den Kläger für den Monat November 2014 gezahlten Vergütung der E GmbH um Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Nach § 40 Abs. 3 S. 5 EStG i.V. mit § 40a Abs. 2 und 5 EStG bleiben jedoch nur der tatsächlich pauschal versteuerte Arbeitslohn sowie die pauschale Lohnsteuer bei der Einkommensteuerveranlagung außer Ansatz. Dies gilt auch für den vorliegenden Fall, dass zivilrechtlich die pauschale Lohnversteuerung nach § 40a Abs. 2 EStG vereinbart wurde, die Durchführung jedoch unterblieben ist (vgl. hierzu insgesamt BFH-Beschluss vom 07.10.2015 VI B 49/15, BFH/NV 2016, 38 m.w.N.).

    38

    IV.

    39

    Zusammenfassend ändern sich die Fortbildungs- und die übrigen Werbungskosten wie folgt:

    40

    Bisher anerkannte Fortbildungskosten
       
    1.797,00 €
       
    Geltend gemachte Fortbildungskosten
       
    -          10.321,00 €
       
    Abzüglich Verständigung
       
    264,00 €
       
    Abzüglich 30% der Stipendiumsleistungen
       
    2.025,00 €
       
    Weitere Fortbildungskosten
           
    -          6.235,00 €

    41

    Bisher anerkannte übrige Werbungskosten
       
    534,00 €
       
    Geltend gemachte übrige Werbungskosten
       
    -          592,00 €
       
    Abzüglich Verständigung
       
    226,00 €
       
    Weniger weitere Werbungskosten
           
    208,00 €

    42

    Damit sind die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit statt mit – 92 € mit– 6.119 € anzusetzen. Der Gesamtbetrag der Einkünfte beträgt mithin statt 1.024 € nunmehr – 5.003 €.

    43

    V.

    44

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

    45

    VI.

    46

    Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Die steuerliche Behandlung von Aufstiegsstipendiumsleistungen ist bisher höchstrichterlich nicht geklärt.

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