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  • · Fachbeitrag · Gewerbesteuer

    Keine erweiterte Grundstückskürzung bei einer Komplementär-GmbH ohne Vermögensbeteiligung

    | Die erweiterte gewerbesteuerliche Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG hat sich zu einem ständigen Brennpunkt in der steuerlichen Gestaltungsberatung entwickelt. Der folgende praktische Fall stellt die jüngsten Rechtsentwicklungen im Rahmen dieser Vorschrift in Bezug auf den Erhalt einer Haftungsvergütung ohne Beteiligung an einer grundbesitzhaltenden Personengesellschaft dar. |

    von Dipl.-Finw. (FH) Gerrit Uphues, LL. M.

    1. Sachverhalt

    Die A-GmbH errichtet, erwirbt und vermietet Liegenschaften und verwaltet in ihrem eigenen Vermögen gehaltene Beteiligungen. Sie war an zwei Vermietungs-GbRs beteiligt. Außerdem war sie Komplementärin ohne Kapitalanteil und Vermögensbeteiligung einer vermögensverwaltenden, nicht gewerblich geprägten KG (sog. Zebragesellschaft).

     

     

    Im Jahr 2012 erhielt die A-GmbH dafür eine „Haftungsvergütung“ von 5 % ihres damaligen Stammkapitals. Nach einer Änderung des Gesellschaftsvertrags der KG stand der A-GmbH eine „Avalgebühr“ oder „Vorabvergütung“ von 1 % bezogen auf ihr Stammkapital zu.

     

    In den GewSt-Erklärungen beantragte die A-GmbH die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Das Finanzamt berücksichtigte diese zunächst antragsgemäß. Mit Datum vom 27.11.17 änderte das Finanzamt die Bescheide nach § 164 AO; dabei berücksichtigte es die erweiterte Kürzung nicht mehr. Einspruch und Klage vor dem FG hatten keinen Erfolg.

    2. Lösung

    2.1 Erweiterte Grundstückskürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG

    Die A-GmbH ist kraft ihrer Rechtsform gewerbesteuerpflichtig (§ 2 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 GewStG). Nach § 9 Nr. 1 S. 1 GewStG wird zur Ermittlung des GewSt-Messbetrags die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes gekürzt. Anstelle dieser Kürzung wird nach § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, der daraus erwirtschaftete Gewerbeertrag von der Gewerbesteuer ausgenommen. Unschädlich ist daneben das Verwalten und Nutzen von eigenem Kapitalvermögen, das jedoch nicht von der Kürzung des Gewerbeertrags erfasst wird.

     

    2.2 Die Entscheidung des BFH vom 20.4.23 - III R 53/20

    Der BFH kam im Streitfall zu dem Ergebnis, dass der A-GmbH die erweiterte GewSt-Kürzung nicht zu gewähren ist.

     

    2.2.1 Rechtlicher Rahmen

    Eigener Grundbesitz wird i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG verwaltet und genutzt, wenn er zum Zweck der Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz eingesetzt wird. Dies kann durch Gebrauchsüberlassung in Gestalt der Vermietung oder Verpachtung (vgl. z. B. BFH 22.10.20, IV R 4/19) oder durch eine land- und forstwirtschaftliche Bewirtschaftung (BFH 13.8.97, I R 61/96) erfolgen. Der eigene Grundbesitz kann auch durch die Nutzung des Absicherungspotenzials für eine fremde Schuld (z. B. durch die Belastung eines eigenen Grundstücks mit einer Grundschuld oder einer Hypothek zur Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Darlehens) gegen Entgelt eingesetzt werden, jedenfalls, sofern die Sicherheitengestellung die Grenze zur Gewerblichkeit nicht überschreitet (BFH 17.1.06, BStBl II 06, 434).

     

    Im Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25.9.18 (GrS 2/16, BStBl II 19, 262) wurde auch die zur Entstehung einer sog. Zebragesellschaft führende Beteiligung einer nur wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegenden Gesellschaft an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten Personengesellschaft als Form der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes anerkannt.

     

    Beachten Sie | Ist eine nur wegen ihrer Rechtsform der Gewerbesteuer unterliegende GmbH an einer grundbesitzverwaltenden, nicht gewerblich geprägten KG jedoch ‒ anders als im Fall des Beschlusses des Großen Senats ‒ ohne Vermögensbeteiligung beteiligt und übernimmt sie als Komplementärin gegen Entgelt die volle Haftung, verwaltet und nutzt sie insoweit nicht ausschließlich eigenen, ‒ sondern vielmehr fremden Grundbesitz.

     

    Beachten Sie | Ein Unternehmen, das einen Anteil an einer nicht gewerblich geprägten KG, OHG oder einer GbR hält, verwaltet und nutzt insoweit eigenen Grundbesitz i. S. d. § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG nur in dem Umfang, in dem ihm der im Eigentum einer derartigen Gesellschaft stehende Grundbesitz gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO steuerrechtlich als Betriebsvermögen zuzurechnen ist (BFH 25.9.18, GrS 2/16, BStBl II 19, 262, Rz. 74 f., 108 ff.). Anders verhält es sich laut BFH bei der gewerblich geprägten Personengesellschaft, da § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO dann von § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 Hs. 1 EStG verdrängt wird (s. BFH 27.6.19, IV R 44/16, BStBl II 20, 24, Rz. 18). Ist einem Gesellschafter mangels Vermögensbeteiligung kein Bruchteil des Grundbesitzes der vermögensverwaltenden Personengesellschaft zuzurechnen und beruht das Entgelt (z. B. ein Gewinnvorab) für die Übernahme der Komplementärstellung auf dem Gesellschaftsvertrag, handelt es sich insoweit um einen Ertrag aus der Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes. Er partizipiert dann lediglich an der Verwaltung und Nutzung fremden Vermögens, das gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO nur den beteiligten Gesellschaftern zuzurechnen ist.

     

    Wird das Entgelt aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags gezahlt und die Haftung für fremde Schuld nicht auf bestimmte Vermögensgegenstände beschränkt (z. B. durch Bestellung einer Sicherungsgrundschuld an einem Grundstück zur Absicherung eines von einem Dritten aufgenommenen Kredits), sondern auf das gesamte Vermögen bezogen, wird die „Avalgebühr“ nur dann durch die Nutzung des Absicherungspotenzials des Grundbesitzes erzielt, wenn das Vermögen ausschließlich aus Grundbesitz (und daneben Kapitalvermögen) besteht. Ist das nicht der Fall, liegt keine für die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG erforderliche ausschließliche Nutzung von Grundbesitz vor.

     

    Liegt ein Verstoß gegen den Ausschließlichkeitsgrundsatz vor, führt dies i. d. R. zum Verlust der erweiterten Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG. Eine Nebentätigkeit ist ausnahmsweise unschädlich, wenn sie ein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung ist oder wenn es sich um eine der in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausdrücklich erlaubten Tätigkeiten handelt.

     

    2.2.2 Anwendung auf den Urteilssachverhalt

    Im Streitfall entschied der BFH, dass der A-GmbH keine erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags gemäß § 9 Nr. 1 S. 2 GewStG zusteht. Dies gelte unabhängig davon, ob die Übernahme der Vollhaftung gegen Entgelt allein auf dem Gesellschaftsvertrag oder auf einem gesonderten schuldrechtlichen Vertragsverhältnis zwischen der A-GmbH und der KG beruht.

     

    • Alternative 1

    Folgt man dem Vortrag der A-GmbH, wonach sie die Haftungsvergütung nur aufgrund des Gesellschaftsvertrags erhalten habe, bezog sie das Entgelt nach den oben genannten Grundsätzen für die Verwaltung und Nutzung fremden Grundbesitzes. Da die A-GmbH am Vermögen der KG nicht beteiligt war, wurde das für die Übernahme der Komplementärstellung und der damit verbundenen Haftung gezahlte Entgelt aus dem für die A-GmbH fremden Grundbesitz erwirtschaftet.

     
    • Alternative 2

    Nimmt man dagegen an, dass das Entgelt für die Bereitstellung von Absicherungspotenzial aufgrund eines neben den Gesellschaftsvertrag tretenden schuldrechtlichen Vertrags bezogen wurde, so hätte es die A-GmbH nach den oben dargestellten Grundsätzen gleichfalls nicht ausschließlich aus der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes und Kapitalvermögens erzielt. Denn sie nutzte für Haftungszwecke nicht nur ihr Grund- und Kapitalvermögen, sondern ihr gesamtes Vermögen einschließlich ihres Beteiligungsvermögens.

     

    In keiner der beiden Alternativen lag eine begünstigungsunschädliche Nebentätigkeit vor. Die Vorinstanz hatte festgestellt, dass die Haftungsübernahme kein zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung war, weil die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes der A-GmbH zu etwa gleichen Bedingungen auch ohne dieses Nebengeschäft hätte durchgeführt werden können. Weder eine entgeltliche Übernahme der Vollhaftung bei der KG aufgrund Gesellschaftsvertrags noch eine Übernahme der Haftung gegen Entgelt auf schuldrechtlicher Basis erfüllen einen der in § 9 Nr. 1 S. 2 und 3 GewStG ausdrücklich genannten Tatbestände einer kürzungsunschädlichen Nebentätigkeit.

     

    FAZIT | Mit diesem Urteil bestätigt der BFH die Auffassung der Vorinstanz und führt seine restriktive Rechtsprechungslinie im Hinblick auf die Anwendung der erweiterten Grundstückskürzung fort. Demnach ist einer grundstücksverwaltenden GmbH die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags nicht zu gewähren, wenn sie als Komplementärin ohne Vermögensbeteiligung an einer grundbesitzverwaltenden KG beteiligt ist und eine Vergütung für die Übernahme der Haftung erhält. Ausschlaggebend hierfür war, dass der Grundbesitz der KG mangels Beteiligung nicht entsprechend § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO (Bruchteilsbetrachtung) der GmbH zugerechnet wird und die Haftungsvergütung somit keinen Ertrag aus eigenem, sondern fremdem Grundbesitz darstellt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Haftungsübernahme gegen Entgelt aufgrund des Gesellschaftsvertrags oder aufgrund einer gesonderten schuldrechtlichen Vereinbarung erfolgt.

     

    Darüber hinaus kam der BFH zu dem Ergebnis, dass die Haftungsübernahme nicht als zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung anzusehen ist und die Nutzung des Absicherungspotenzials ihres Beteiligungsvermögens jedenfalls eine für die erweiterte Kürzung schädliche Nebentätigkeit darstellt.

     

    In der steuerlichen Beratungspraxis empfiehlt es sich, der GmbH in vergleichbaren Konstellationen zumindest eine Minimalbeteiligung an der KG einzuräumen, damit die Haftungsvergütung aufgrund der anteiligen Zurechnung des Grundbesitzes nach § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO als Ertrag aus der Nutzung eigenen Grundbesitzes zu qualifizieren wäre (vgl. StED 23, 390).

     

     

    Zum Autor | Gerrit Uphues ist in der Finanzverwaltung NRW tätig. Der Aufsatz wurde nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2023 | Seite 413 | ID 49664125

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