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  • · Fachbeitrag · Der praktische Fall

    Raus aus der Gewerbesteueroase ‒ wie eine Mehrbelastung dennoch verhindert werden kann

    von Prof. Dr. David Eberhardt, Lemgo

    | Für die Gewerbesteuer lautet eine gängige Gestaltungsoption, betriebliche Aktivitäten in Gemeinden mit niedrigen Gewerbesteuersätzen zu verlagern. Was ist aber zu tun, wenn sich das Unternehmen bereits in einer Gewerbesteueroase befindet, die betrieblichen Aktivitäten aber ausweiten und sich daher Produktionskapazitäten in einer Gemeinde mit höherem Hebesatz erschließen will? Kann die drohende steuerliche Mehrbelastung zumindest etwas eingedämmt werden? Der Beitrag stellt diese Problematik anhand eines praktischen Falls dar und zeigt Gestaltungsansätze auf. |

    1. Ausgangsfall

    Die M-GmbH betreibt in Monheim am Rhein (Gewerbesteuerhebesatz 250 %) ein gut laufendes Möbelgeschäft. Als Reaktion auf die wachsende Nachfrage nach den Produkten der M-GmbH beschließt die Geschäftsführung, in zusätzliche Produktionskapazitäten zu investieren. Für einen effizienten Produktionsablauf ist es wünschenswert, dass sich der neue Standort in räumlicher Nähe zur bestehenden Fabrik befindet. Am bisherigen Firmenstandort stehen jedoch keine geeigneten Flächen zur Verfügung. Im nahegelegenen Dormagen (Gewerbesteuerhebesatz 450 %) befindet sich hingegen ein geeignetes Grundstück. Nach Erwerb wird dort die neue Fabrik errichtet und die Produktion wird aufgenommen.

     

    Die Geschäftsführung geht von einer Summe der Arbeitslöhne pro Jahr von 1,2 Mio. EUR aus, von der ein Drittel auf die Mitarbeiter der Fabrik in Dormagen entfallen und zwei Drittel auf die Belegschaft am Stammsitz in Monheim. Der Gewerbeertrag der M-GmbH beträgt 600.000 EUR.

    2. Steuerliche Problemstellung

    Die Ausweitung der Produktionskapazitäten der M-GmbH führt grundsätzlich dazu, dass die Gewerbesteuerbelastung der Gesellschaft steigt. Dies liegt darin begründet, dass nunmehr unternehmerische Aktivitäten nicht mehr nur in der Niedrigsteuergemeinde Monheim ausgeübt werden, sondern auch in Dormagen, wo der Gewerbesteuerhebesatz das 1,8-Fache beträgt.

     

    Fraglich ist nun, ob und wie die gewerbesteuerliche Mehrbelastung auf ein Minimum begrenzt werden oder gegebenenfalls sogar die Steuerbelastung reduziert werden kann. Im Blickpunkt steht dabei nicht die steuerliche Standortwahl, weil diese Entscheidung bereits anderweitig aufgrund betrieblicher Erfordernisse determiniert wurde. Entscheidender wird in einer solchen Situation vielmehr die Rechtsformwahl, durch die die gewerbesteuerliche Mehrbelastung wesentlich beeinflusst werden kann.

    3. Steuerliche Gestaltungsalternativen

    3.1 Fabrikstandort in Dormagen als Betriebsstätte

    In der ersten Gestaltungsalternative wird der neue Fabrikstandort in Dormagen als rechtlich unselbstständiger Teil des Gesamtunternehmens geführt. Dies ist der Fall, wenn keine weitere rechtliche Strukturierung vorgenommen wird, sondern die Wirtschaftsgüter der neuen Fabrik wie Grundstück, Gebäude und Maschinen von der M-GmbH erworben werden und die Fabrik auch von ihr betrieben wird. Es liegt dann eine Betriebsstätte i. S. d. § 12 S. 2 Nr. 4 AO vor (vgl. Klein/Gersch, 16. Aufl. 2022, AO § 12 Rn. 13).

     

     

    Für die Gewerbesteuerbelastung spielt in dieser Konstellation die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags nach den §§ 28 ff. GewStG eine große Rolle. Mit der Zerlegung soll sichergestellt werden, dass jede Gemeinde dem Äquivalenzprinzip folgend einen finanziellen Ausgleich der Lasten erhält, die durch eine Betriebsstätte in ihrem Gebiet entstehen, auch wenn der Gewerbeertrag einheitlich für den gesamten Gewerbebetrieb ermittelt wird (vgl. Brandis/Heuermann/Baldauf, GewStG, § 28 Rn. 3). Die Zerlegung wird im Falle der M-GmbH gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 GewStG vorgenommen, weil sie im Erhebungszeitraum Betriebsstätten in mehreren Gemeinden unterhalten hat. Maßstab für die Zerlegung ist regelmäßig und auch im vorliegenden Fall der M-GmbH das Verhältnis der Arbeitslöhne gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 GewStG. Was unter Arbeitslöhnen in diesem Sinne zu verstehen ist, gibt § 31 GewStG vor.

     

    Beachten Sie | Auch im Hinblick auf die maßgebliche Höhe der Arbeitslöhne als Zerlegungsmaßstab gibt es oftmals Gestaltungspotenzial (siehe dazu z. B. Eichfelder/Zander, DStR 18, 1313, 1317; Urbahns, StuB 10, 425). Diese Überlegungen sind jedoch nicht Gegenstand des vorliegenden Beitrags.

     

    Da der Gesetzgeber die mit der Gewerbesteuer nach dem Äquivalenzprinzip auszugleichenden Lasten als kaum genau ermittelbar ansieht, hat er diesen indirekten und groben Maßstab zur Vereinfachung gewählt (BFH 5.11.14, IV R 30/11, DStR 15, 414). Die Zerlegung hat somit insbesondere nicht das Ziel, den beteiligten Gemeinden den wirtschaftlich zutreffenden Anteil am Gesamtergebnis als Besteuerungssubstrat zuzuordnen, was mittels des Verhältnisses der Arbeitslöhne auch regelmäßig nicht der Fall ist.

     

    • Für die M-GmbH ergeben sich folgende Belastungsfolgen:

    Gewerbeertrag

    600.000 EUR

    Gewerbesteuermessbetrag (§ 11 GewStG)

    600.000 EUR × 3,5 % =

    21.000 EUR

    Zerlegung gem. §§ 28 ff. GewStG:

    Betriebsstätte Monheim

    21.000 EUR × 2/3 =

    14.000 EUR

    Betriebsstätte Dormagen

    21.000 EUR × 1/3 =

    7.000 EUR

    Gewerbesteuerbelastung:

    Betriebsstätte Monheim

    14.000 EUR × 250 % =

    35.000 EUR

    Betriebsstätte Dormagen

    7.000 EUR × 450 % =

    31.500 EUR

    Gewerbesteuerbelastung M-GmbH (abs.)

    66.500 EUR

    Gewerbesteuerbelastung M-GmbH (in %)

    11,08 %

     

    Aus der Berechnung wird deutlich, in welchem Ausmaß die Erweiterung der Produktion als Betriebsstätte in eine Hochsteuergemeinde die Gewerbesteuerbelastung beeinflusst. So ist die Belastung mit 11,08 % um 2,33 Prozentpunkte im Vergleich zur ausschließlichen unternehmerischen Aktivität in Monheim gestiegen, obwohl lediglich ein Drittel der maßgeblichen Arbeitslöhne der Betriebsstätte in Dormagen zuzuordnen ist. Zudem beträgt die Gewerbesteuer der Gemeinde Dormagen 47,37 % der Gesamtgewerbesteuerbelastung der M-GmbH, obwohl dieser Gemeinde aufgrund der Zerlegung lediglich ein Drittel des Steuermessbetrags zugewiesen wurde.

     

    3.2 Fabrikstandort in Dormagen als Tochterpersonengesellschaft

    In der zweiten Gestaltungsalternative wird der neue Fabrikstandort in Dormagen von einer rechtlich selbstständigen Gesellschaft in der Rechtsform der GmbH & Co. KG (T GmbH & Co. KG) betrieben.

     

     

    PRAXISTIPP | Zur Vermeidung zusätzlicher Transaktionskosten und Steuerzahlungen ist es empfehlenswert, die Struktur in der Weise aufzusetzen, dass die Tochtergesellschaft direkt die Wirtschaftsgüter erwirbt. Dies setzt eine entsprechende Kapitalausstattung voraus. Denkbar ist aber grundsätzlich auch, die dargestellte Gestaltung in historisch gewachsenen Strukturen vorzunehmen. Für eine steuerneutrale Übertragung nach § 24 UmwStG ist dann insbesondere wichtig, dass ein Teilbetrieb mit sämtlichen wesentlichen Betriebsgrundlagen übertragen wird. Unschädlich ist dabei, wenn einige Wirtschaftsgüter lediglich Sonderbetriebsvermögen werden (Tz. 24.05 UmwStE). Bei einer separaten Betriebsstätte wird die Teilbetriebseigenschaft regelmäßig gegeben sein, auch wenn sie nur eine betriebliche Funktion (z. B. Produktion) ausübt (siehe dazu auch Wrede/Eberhardt, GStB 19, 257). Im Hinblick auf die Grunderwerbsteuer kann eine steuerneutrale Übertragung unter den Voraussetzungen des § 5 GrEStG erfolgen.

     

    Für gewerbesteuerliche Zwecke werden Personengesellschaften nicht transparent behandelt und haben einen separaten Gewerbebetrieb, der getrennt von dem Gewerbebetrieb ihrer Gesellschafter zu betrachten ist (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG). Eine Doppelerfassung wird durch die Kürzung des § 9 Nr. 2 GewStG beim Gesellschafter sichergestellt. Der Einsatz einer Personengesellschaft bietet zudem den Vorteil des Freibetrags gem. § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG i. H. v. 24.500 EUR.

     

    Die Leistungsbeziehungen zwischen dem Stammhaus in Monheim und der Fabrik in Dormagen sind nun ‒ anders als im Betriebsstättenfall ‒ rechtlich relevant und keine reinen Innentransaktionen. Steuerlich werden diese Leistungsbeziehungen anerkannt, soweit sie fremdüblich sind.

     

    Um das Ziel einer Minimierung der zusätzlichen Gewerbesteuerbelastung durch die Fabrik in Dormagen zu erreichen, ist es notwendig, möglichst wenig Gewerbeertrag der T-GmbH & Co. KG zuzuweisen. Eine vollständige Allokation auf die M-GmbH ist aber nicht möglich, weil es nicht fremdüblich ist, eine Leistung zu erbringen, mit der man (mittelfristig) keinen Gewinn erzielt.

     

    Bei der konkreten Ausgestaltung der Verrechnungspreise zwischen der M-GmbH und der T-GmbH & Co. KG kann man sich daran orientieren, was auch im grenzüberschreitenden Kontext üblich und anerkannt ist. So wird die T-GmbH & Co. KG als reiner Lohnfertiger ausgestaltet. Das bedeutet, dass die Gesellschaft die notwendigen Materialien für die Produktion von der M-GmbH gestellt bekommt, kaum Risiken trägt und lediglich Produktionstätigkeiten ausübt (siehe Elbert/von Jesche in: Vögele/Borstell/Bernhardt, Verrechnungspreise (Aktualisierung 2), Kap. N Rn. 538). Für ein solches Routineunternehmen ist es fremdüblich, eine Vergütung in Höhe der Kosten zuzüglich eines geringen Gewinnaufschlags vorzusehen.

     

    PRAXISTIPP | Das Funktions- und Risikoprofil der T-GmbH & Co. KG sollte nachvollziehbar dokumentiert werden. Zudem sollte der Nachweis unter Anwendung einer anerkannten Verrechnungspreismethode geführt werden können, dass der vereinbarte Gewinnaufschlag fremdüblich ist.

     

    Unter den Annahmen, dass ein Gewinnaufschlag i. H. v. 5 % fremdüblich ist, die sonstigen Kosten der T-GmbH & Co. KG 25 % der Arbeitslöhne betragen und der handelsrechtliche Gewinn dem Gewerbeertrag entspricht, ergibt sich folgende Rechnung. Die Ebene der Komplementär-GmbH wird dabei aus Vereinfachungsgründen vernachlässigt.

     

    • T-GmbH & Co. KG (Dormagen)

    Gewerbeertrag

    500.000 EUR × 5 % =

    25.000 EUR

    Gewerbesteuermessbetrag (§ 11 GewStG)

    (25.000 EUR ÷ 24.500 EUR) × 3,5 % =

    17,50 EUR

    Gewerbesteuerbelastung T GmbH

    17,50 EUR × 450 % =

    79 EUR

    M-GmbH (Monheim):

    Gewerbeertrag

    600.000 EUR ./. 25.000 EUR =

    575.000 EUR

    Gewerbesteuermessbetrag (§ 11 GewStG)

    575.000 EUR × 3,5 % =

    20.125 EUR

    Gewerbesteuerbelastung M-GmbH

    20.125 EUR × 250 % =

    50.313 EUR

    Gewerbesteuerbelastung M-GmbH + T GmbH (absolut)

    50.392 EUR

    Gewerbesteuerbelastung M-GmbH + T GmbH (in %)

    8,40 %

     

    Die Rechnung zeigt, dass sich bei Einsatz einer Tochterpersonengesellschaft in der Hochsteuergemeinde eine zusätzliche Gewerbesteuerbelastung vollständig vermeiden lässt. Im Beispielsfall liegt die gewerbesteuerliche Gesamtbelastung sogar 0,35 Prozentpunkte unter derjenigen bei voller unternehmerischer Tätigkeit in Monheim. Von Bedeutung ist dabei der gewerbesteuerliche Freibetrag, dessen Wirkung jedoch bei steigendem Gewerbeertrag sinkt.

     

    Beachten Sie | Denkbar ist auch eine Strukturierung mit einer Kapitalgesellschaft. Schädlich ist dabei aber die Etablierung einer ertragsteuerlichen Organschaft. Denn in diesem Fall gilt die Organgesellschaft gem. § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG als Betriebsstätte des Organträgers (Eichfelder/Zander, DStR 18, 1313, 1314). In der Folge wäre eine Zerlegung vorzunehmen mit den oben dargestellten Konsequenzen des Betriebsstättenfalls.

     

    3.3 Vergleich der Gestaltungsalternativen

     

    • Der Vergleich der beiden dargestellten Optionen ergibt folgendes Bild:
    Betriebsstätte
    Tochterpersonengesellschaft
    Differenz

    Gewerbesteuerbelastung (abs.)

    66.500 EUR

    50.392 EUR

    16.108 EUR

    Gewerbesteuerbelastung (in %)

    11,08 %

    8,40 %

    2,68 %-Punkte

     

    Die Gestaltung mit einer Tochterpersonengesellschaft führt im Beispielsfall zu einer deutlich geringen Gewerbesteuerbelastung (− 24,22 %), die sogar unter der Belastung in der Ausgangssituation liegt. Die Effekte würden sich noch vergrößern, wenn der Betriebsstätte in der Hochsteuergemeinde ein höherer Anteil der Arbeitslöhne zuzuweisen wäre. Zwar würde in diesem Fall auch der Gewinn der Tochtergesellschaft bei einer kostenbasierten Vergütung steigen, aufgrund des geringen Gewinnaufschlags jedoch in weitaus geringem Maße.

     

    Im Ergebnis ist somit die Strukturierung über eine Tochtergesellschaft regelmäßig dann besonders ratsam, wenn insgesamt hohe Gewinne erzielt werden und der Anteil der Arbeitslöhne in der Betriebsstätte der Hochsteuergemeinde ebenfalls hoch ist. Ob die Wahl auf eine Personen- oder Kapitalgesellschaft fällt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Rein aus steuerlicher Sicht ist die Personengesellschaft zu bevorzugen, weil sie den Vorteil des gewerbesteuerlichen Freibetrags zur weiteren Reduktion der gewerbesteuerlichen Mehrbelastung bietet. Gleichwohl nimmt die relative Wirkung des Freibetrags mit steigendem Gewerbeertrag naturgemäß ab.

     

    FAZIT | Die Ausweitung unternehmerischer Aktivitäten in Gemeinden, die hohe Gewerbesteuerhebesätze haben, stellt eine Herausforderung für die Steuerplanung dar. Im Betriebsstättenfall lässt sich eine gewerbesteuerliche Mehrbelastung lediglich über eine Anpassung des Zerlegungsfaktors Arbeitslöhne reduzieren. Allerdings sind dieser Art von Gestaltung faktisch oftmals Grenzen gesetzt. Durch die Implementierung einer Tochtergesellschaft lässt sich in gewissen Konstellationen wie dem Beispielsfall sogar eine Minderung der Gewerbesteuerlast erreichen. In jedem Fall kann man dadurch zusätzliche Gewerbesteuer im Vergleich zur Betriebsstätte deutlich reduzieren.

     

    Zum Autor | Prof. Dr. David Eberhardt, M.Sc. ist Professor für Allgemeines und Besonderes Steuerrecht an der Hochschule für Finanzen NRW. Der Beitrag ist nicht in dienstlicher Eigenschaft verfasst und gibt die private Meinung des Autors wieder.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2023 | Seite 252 | ID 49452043

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