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  • · Fachbeitrag · Unternehmer

    „Teufelskreis“ Insolvenzanfechtung: So kann sich Ihr Mandant schützen!

    von StB Enrico-Karl Heim, Insolvenz- und Nachlassverwalter, Allersberg

    | Jeder Ihrer Mandanten, der Unternehmer ist, kennt die Situation: Ein Kunde steckt in der Klemme und will ,,anschreiben“ lassen. Natürlich möchte man dem Kunden im Rahmen der Möglichkeiten entgegenkommen. Damit geht Ihr Mandant jedoch unbewusst ein Risiko ein. Meist kommt der Kunde ja wieder auf die Beine. Was aber ist, wenn sich das Risiko realisiert, der Kunde abtaucht oder gar ein Brief vom lnsolvenzverwalter im Postkasten liegt. Ist Letzteres der Fall, kann es für Ihren Mandanten richtig teuer werden. |

    1. Insolvenzverwalter ist jetzt „Herr des Verfahrens“

    Abgesehen von den Fällen, in denen mangels Masse kein lnsolvenzverfahren eröffnet wird, hat von nun an der lnsolvenzverwalter das Sagen. Er wird in den Fällen der Abwicklung alle Forderungen einziehen und alle Verbindlichkeiten auf Eis legen. Nach ein oder zwei Jahren erhalten die Gläubiger dann eine mehr oder minder bescheidene Quote ‒ selbstverständlich bereits gemindert um die Gebühren des lnsolvenzgerichts und des lnsolvenzverwalters. Mit anderen Worten: Sämtliche Außenstände sind praktisch verloren.

     

    MERKE | Es kommt allerdings noch schlimmer. Der lnsolvenzverwalter wird genau prüfen, ob er bereits geleistete Zahlungen von den Lieferanten wieder zurückfordern kann. Das heißt, über die verlorenen offenen Rechnungen hinaus muss man obendrein erhaltene Zahlungen seitens des Schuldners an den lnsolvenzverwalter zurückerstatten. Das nennt man lnsolvenzanfechtung!

     

    2. Sinn und Zweck der Insolvenzanfechtung

    Hier sind die §§ 129 bis 147 lnsO einschlägig. Diese Anfechtungsmöglichkeit soll die Gläubiger in ihrer Gesamtheit schützen. Gerade Vermögensverschiebungen vor einer lnsolvenz in die Familie hinein oder Billigverkäufe von Anlagevermögen (Firmenfahrzeuge) an Freunde sollen unterbunden werden. Solche Transfers werden via Anfechtung rückabgewickelt.

     

    Auch das Windhundrennen ‒ wer als erster vollstreckt, hat gewonnen ‒ führt zur Rückabwicklung. Ziel ist es, alle Gläubiger gleich zu behandeln. Dennoch kann es auch den gutgläubigen Lieferanten böse mit einer Rückerstattungsklage erwischen; nämlich dann, wenn der Lieferant Zahlungen entgegennimmt, obwohl er von der drohenden Zahlungsunfähigkeit bereits wusste.

     

    Da dieses positive Wissen nur schwer nachweisbar ist, hat die Rechtsprechung Kriterien entwickelt, ab wann einem ordentlichen Kaufmann klar sein muss, dass der Kunde offensichtlich in der Klemme steckt. Auf diese Grundsätze und die misslichen Folgen sollte man seine Mandanten unbedingt hinweisen.

     

    Mit einer lnsolvenzanfechtung muss man als Kaufmann immer rechnen, wenn der Kunde

    • immer wieder unpünktlich und unvollständig bezahlt,
    • um Stundungs- oder Ratenvereinbarung nachsucht,
    • einen Lieferstopp oder anwaltliche Maßnahmen angedroht bekommen hat,
    • mit großen Rückständen nur tröpfchenweise zahlt,
    • Zahlungen durch Schwestergesellschaften oder Dritte vornehmen lässt oder
    • ein Pfand oder eine Sicherungsübereignung anbietet.

    3. Wie kann sich Ihr Mandant schützen?

    Hier stellt sich die Frage: Was kann man tun, um nicht in den Teufelskreis der Insolvenzanfechtung zu geraten? Einen Königsweg gibt es nicht, denn letztlich will man ja nicht bereits bei kleinen Unregelmäßigkeiten die Geschäftsbeziehung aufkündigen. Also muss sich der betroffene Mandant im Einzelfall entscheiden:

     

    • Bei sich häufenden, unpünktlichen Zahlungen sollte man die Geschäftsbeziehung komplett abbrechen. Das schützt vor vielen negativen Folgeerscheinungen.
    • Teilweise wird auch empfohlen, die Zahlungsziele für „Problemkunden“ deutlich zu verlängern. In diesem Fall könnte man den Vorwurf des positiven Wissens über die drohende Zahlungsunfähigkeit entkräften, denn der Kunde könnte dann theoretisch auch noch sehr spät pünktlich bezahlen.
    • Am besten jedoch ist es, Vorauskasse zu verlangen, dann wäre ein sog. Bargeschäft gegeben.
    • Schließlich wäre auch der Abschluss einer Forderungsausfall- in Kombination mit einer Anfechtungsversicherung zu erwägen.

     

    PRAXISTIPP | Achtung beim Bargeschäft: Per Definition ist dieses nur dann gegeben, wenn sich Leistung und Gegenleistung innerhalb von 28 Tagen ausgleichen. Nach der Vorauskasse muss also zwingend innerhalb von vier Wochen geliefert werden, sonst kann die Vorkasse wiederum angefochten werden.

     

    Was kann man tun, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist? Hier kann nur hinsichtlich der angefochtenen Geldbeträge versucht werden, einen Vergleich mit dem lnsolvenzverwalter zu schließen. Dies ist gerade dann Erfolg versprechend, wenn die eigene Existenz durch die Rückforderung bedroht ist.

     

    FAZIT | Das geltende lnsolvenzrecht sieht es nicht vor, dass man Geschäftspartnern hilft, die in Schwierigkeiten geraten sind. Es sei denn man akzeptiert, dass man selbst Probleme bekommt.

     
    Quelle: Ausgabe 10 / 2018 | Seite 351 | ID 45405952

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