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  • · Fachbeitrag · Steuerberaterhaftung

    Neue Rechtsprechung zur Steuerberaterhaftung: Verunsicherung teilweise wieder beseitigt

    von RA Dr. Jochen Blöse, FA f. Handels- und Gesellschaftsrecht, Mediator (CfM), Köln

    | Die Rechtsprechung zur Haftung von Steuerberatern in der Krise des Mandantenunternehmens erlebt derzeit eine dynamische Entwicklung. Der BGH äußert sich regelmäßig zu Voraussetzungen und Inhalt der Steuerberaterhaftung. Auf den ersten Blick sind die ergangenen Entscheidungen teilweise widersprüchlich. Insbesondere eine Entscheidung des BGH im letzten Jahr hatte für erhebliche Verunsicherung gesorgt ( BGH 14.6.12, IX ZR 145/11, GStB 13, 206 ). Der sich abzeichnende weite Haftungsumfang ist allerdings mittlerweile durch eine Folgeentscheidung eingegrenzt worden. |

    1. Anknüpfungspunkt der Haftung

    Ausschlaggebend für die Beantwortung der Frage, ob einen Steuerberater im Zusammenhang mit der Insolvenz eines Mandanten eine Haftung trifft, ist und bleibt die Frage, welche Verpflichtungen sich aus dem Mandatsverhältnis ergeben.

     

    MERKE | Unmittelbar nachvollziehbar ist, dass der Steuerberater alle Aufgaben fehlerfrei erledigen muss, auf die sich das Mandatsverhältnis unmittelbar bezieht. Wird im Rahmen einer Haftungsinanspruchnahme eines Steuerberaters über die Verletzung solcher sogenannter Hauptleistungspflichten gestritten, geht es typischer Weise nicht darum, ob eine Verpflichtung bestanden hat, sondern ob sie verletzt wurde, also die Leistungen des Steuerberaters mangelbehaftet waren.

     

    Beachten Sie | Viel schwieriger zu beurteilen und regelmäßig Gegenstand der in der letzten Zeit ergangenen Entscheidungen ist hingegen die Frage, welche Nebenleistungspflichten den Steuerberater treffen. Bei diesen Pflichten geht es eben gerade nicht darum, was ausdrücklicher Gegenstand des Mandatsvertrages ist.

    2. Pflichtenkreis bei laufender Steuerberatung

    Die eingangs angesprochene Entscheidung des BGH vom 14.6.12 beschäftigt sich mit der Frage, welche Hinweispflichten den Steuerberater im Hinblick auf eine mögliche Insolvenzreife einer Gesellschaft treffen, wenn er mit der laufenden Steuerberatung, Buchführung und Abschlusserstellung beauftragt ist. Es wird dabei ein tendenziell weites Verständnis zugrunde gelegt, sodass man davon ausgehen musste, dass den Steuerberater regelmäßig sehr umfassende Hinweispflichten treffen. Die damit ausgelöste Verunsicherung hat der BGH rund neun Monate später zumindest teilweise wieder beseitigt (BGH 7.3.13, IX ZR 64/12, DB 13, 928).

     

    PRAXISHINWEIS | Der Gerichtshof stellt in diesem Urteil zunächst fest, dass bei steuerberatendem Dauermandat mit üblichem Zuschnitt keine Pflicht des Steuerberaters besteht, bei einer Unterdeckung in der Handelsbilanz die Geschäftsführer auf ihre Verpflichtung zur Prüfung der Insolvenzreife ihrer Gesellschaft hinzuweisen.

     

     

    Beachten Sie | Damit kann jedoch keineswegs Entwarnung gegeben werden. Sorgen über eine Haftung muss sich der Steuerberater, der die laufende Beratung und Buchführung sowie Abschlusserstellung übernommen hat, nämlich nur dann nicht machen, wenn er sich auch strikt auf diese Tätigkeiten beschränkt. Dies ist jedoch häufig gerade nicht der Fall, weil der Mandant den Steuerberater als seinen natürlichen Ansprechpartner in allen Angelegenheiten betrachtet, die die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft betreffen.

     

    • Beispiel

    Steuerberater S betreut die A-GmbH seit langer Zeit. In den letzen Jahren ist die Entwicklung der Gesellschaft von wirtschaftlichen Problemen gekennzeichnet gewesen. Der Jahresabschluss für das Geschäftsjahr 2012 weist schließlich eine Überschuldung aus. Im Rahmen der Besprechung des Entwurfs des Jahresabschlusses weist der Geschäftsführer S darauf hin, dass er Probleme mit der Hausbank befürchte, wenn er dieser einen Jahresabschluss vorlegt, der unkommentiert eine Überschuldung ausweist.

     

    Der Geschäftsführer bittet S daher, im Erstellungsbericht einige Erläuterungen festzuhalten, aus denen sich ergibt, dass zwar eine bilanzielle Überschuldung gegeben ist, gleichwohl aber eine Insolvenzgefahr unter dem Gesichtspunkt der insolvenzrechtlichen Überschuldung nicht bestehe. S ergänzt daraufhin seinen Erstellungsbericht um den Hinweis, dass erhebliche stille Reserven im Anlagevermögen vorhanden seien und außerdem ein hoher Firmenwert bestehe, so dass die ausgewiesene Überschuldung rein bilanzieller Natur sei.

     

    In dem vorliegenden Beispielsfall hat sich der Steuerberater gerade nicht auf die Erfüllung der ihm eigentlich beauftragten Tätigkeiten beschränkt, sondern darüber hinaus eine insolvenzrechtliche Bewertung vorgenommen. Dies ist für den BGH der Anknüpfungspunkt für eine Haftung. Denn durch die Befassung mit der insolvenzrechtlichen Thematik habe sich der Mandatsinhalt dahingehend verändert, dass eben gerade nicht mehr nur eine herkömmliche Steuerberatung mit Buchhaltung und Abschlusserstellung, sondern eben auch eine insolvenzbezogene Beratung geschuldet war.

     

    PRAXISHINWEIS | Quintessenz aus dieser Rechtsprechung ist, dass es der Steuerberater tunlichst vermeiden sollte, Leistungen zu erbringen, die nicht durch den - ursprünglich - erteilten Auftrag abgedeckt sind. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass dieser Hinweis in ganz vielen Fällen praktisch nicht umsetzbar sein wird, weil der Mandant gerade solche Zusatzleistungen erwartet und bei einer Weigerung des Steuerberaters möglicherweise das Mandat beenden wird.

     

    3. Pflichtenkreis bei unmittelbar krisenbezogenen Tätigkeiten

    Ist der Steuerberater mit der Prüfung der Insolvenzreife einer Gesellschaft beauftragt, so muss er diesen Prüfungsauftrag selbstverständlich fehlerfrei erfüllen. Verletzt er diese Hauptleistungspflicht aus dem Vertragsverhältnis, so ist er zum Schadenersatz verpflichtet. Dabei droht nicht nur eine Haftung gegenüber dem Auftraggeber, also der Gesellschaft, sondern ggf. auch gegenüber Dritten nach den Grundsätzen über den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

     

    GESTALTUNGSHINWEIS | Häufig wird der Steuerberater aber nicht in erster Linie mit der Frage der Prüfung der Insolvenzreife beauftragt, sondern damit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Mandantenunternehmens überwunden werden können, sprich dieses zu sanieren ist. Ist ein solcher Auftrag erteilt, so tut der Steuerberater zunächst gut daran, ausdrücklich klarzustellen, dass Gegenstand seiner Tätigkeit gerade nicht die Prüfung von Insolvenzauslösetatbeständen ist. Durch eine entsprechende Beschränkung des Auftrags kann er jedenfalls erreichen, dass er nicht die Hauptleistungspflicht zur Prüfung der Insolvenzreife übernommen hat.

     

    Nicht geklärt ist damit allerdings, ob der Steuerberater die Nebenpflicht hat, auf die Notwendigkeit der Insolvenzprüfung hinzuweisen. Mit dieser Frage hat sich der BGH unlängst - wenngleich nicht unter dem Gesichtspunkt der Berater-, sondern der Geschäftsführer- und Gesellschafterhaftung - beschäftigt. Es ging dabei darum, ob sich ein Geschäftsführer/Gesellschafter, der einen Auftrag erteilt, dessen Gegenstand nicht die Prüfung der Insolvenzreife ist, darauf verlassen darf, dass der mandatierte Berater einen Hinweis auf die Notwendigkeit der Prüfung von Insolvenzauslösetatbeständen geben wird. In seiner Entscheidung hat der BGH dazu Folgendes ausgeführt:

     

    MERKE | Der Geschäftsführer/Gesellschafter darf nur dann auf die Erteilung eines entsprechenden Hinweises vertrauen, wenn nach den Umständen der Auftragserteilung unter Beachtung der gebotenen Sorgfalt davon ausgegangen werden durfte, dass der eingeschaltete Berater im Rahmen der anderweitigen Aufgabenstellung auch die Frage der Insolvenzreife vorab und unverzüglich prüfen und darüber berichten werde (BGH 28.5.13, II ZR 83/12, DB 13, 1964).

     

    Wendet man diese Grundsätze nun auf die hier behandelte Frage an, so sind zwei Fälle zu unterscheiden:

     

    • 1.Ist der Steuerberater nur mit der Prüfung von Sanierungsmöglichkeiten beauftragt und hat er in seinem Auftrag nicht ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er Insolvenzauslösetatbestände nicht prüfen wird, so wird man regelmäßig davon ausgehen können, dass ihn eine Hinweispflicht trifft. Die Prüfung von Sanierungsmöglichkeiten ist so eng mit der Frage der Existenzbedrohung der Gesellschaft durch den Eintritt der Insolvenz verbunden, dass ein Mandant regelmäßig davon ausgehen kann, dass ihm ein Hinweis erteilt wird, wenn ein Steuerberater im Rahmen der Bearbeitung des Sanierungsauftrags Tatsachen bekannt werden, die auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder - insolvenzrechtliche - Überschuldung hinweisen.

     

    • 2.Anders könnte die Situation zu beurteilen sein, wenn der Steuerberater in einem Auftragsschreiben gerade die Prüfung von Insolvenzauslösetatbeständen ausdrücklich ausgeschlossen hat. Durch einen solchen Ausschluss will der Steuerberater ja gerade erreichen, dass eine Insolvenzreifeprüfung nicht auftragsgegenständlich wird. Es sind jedoch erhebliche Zweifel angezeigt, ob er sich damit auch von einer Hinweispflicht befreien kann. Gerade von seinem Steuerberater wird der Mandant regelmäßig erwarten und erwarten können, dass er eine umfassende Beurteilung der wirtschaftlichen Situation abgibt. Der Mandant wird auch regelmäßig die Erwartungshaltung haben, dass der Steuerberater über die Kompetenz zur Beurteilung der Insolvenzreife verfügt. Vor diesem Hintergrund spricht sehr viel dafür, dass auch dann, wenn der mit einem Sanierungsgutachten beauftragte Steuerberater, einen Ausschluss der Insolvenzprüfung ausdrücklich vereinbart hat, die Nebenpflicht zum Hinweis auf die Notwendigkeit der Prüfung von Insolvenzauslösetatbeständen gleichwohl besteht, wenn ihm im Rahmen seiner Sanierungsbegutachtung entsprechende Tatsachen bekannt werden.

    4. Zusammenfassung

    • Aus dem Mandatsverhältnis erwachsen für einen Steuerberater Haupt- und Nebenleistungspflichten.
    • Dass die Verletzung einer Hauptleistungspflicht haftungsbegründend ist, versteht sich von selbst.
    • Schwierig ist es häufig, zu bestimmen, welche Nebenleistungspflichten bestehen.
    • Beschränkt sich das einem Steuerberater erteilte Mandat auf die „normale Beratung“, ist er nicht verpflichtet, auf eine Insolvenzreife hinzuweisen.
    • Erbringt der Steuerberater jedoch im Rahmen eines solchen „normalen Mandats“ Zusatzleistungen, kann dies zumindest die Verpflichtung begründen, den Hinweis zu erteilen, dass die Prüfung von Insolvenzauslösetatbeständen notwendig ist.
    • Ist der Steuerberater mit der Ausarbeitung eines Sanierungskonzepts beauftragt, so wird ihn diese Hinweispflicht regelmäßig treffen.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Fischer, Detlef, Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Haftung des steuerlichen Beraters in den Jahren 2011 bis 2013, DB 13, 10
    • Plathner, Markus, Risiken des steuerlichen Beraters bei insolvenzgefährdeten Mandanten, DStR 13, 1349
    • Werner, Rüdiger, Haftungsrisiken des Steuerberaters bei Verschleppung der Insolvenz einer von ihm betreuten GmbH, StBW 13, 571
    • Harder, Sebastian, Haftungsrisiken bei steuerlicher Beratung insolventer Mandanten, NJW-Spezial 13, 469
    • Römermann, Volker, Steuerberater: Geborene Mittäter bei Insolvenzverschleppung?, GmbHR 13, 513
    Quelle: Ausgabe 11 / 2013 | Seite 377 | ID 42310810

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