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  • · Fachbeitrag · Organschaft

    Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags und Rumpfwirtschaftsjahre

    von RA/FAStR/StB Dr. Wolfgang Walter, Stuttgart

    | Mit einer unerwarteten Abgrenzung zu seiner bisherigen Rechtsprechung hat der BFH die vielfältigen Probleme der Begründung und Beendigung einer ertragsteuerlichen Organschaft jüngst konkretisiert. Wesentliche Erleichterungen bei der Mindestlaufzeit des Gewinnabführungsvertrags (GAV) machen die Gestaltung sicherer und lassen bei der Änderung der Wirtschaftsjahre mehr Spielraum. Ließ bislang bereits jeder kleine Fehler die Organschaft rückwirkend innerhalb der Mindestlaufzeit des GAV scheitern, kann man nun deutlich entspannter mit solchen Gestaltungen umgehen ( BFH 13.11.13, I R 45/12 ) . |

    1. Ausgangspunkt: Fehlerhafte Mindestlaufzeit nicht heilbar

    Auch wenn mit der „kleinen Organschaftsreform“ im Jahr 2013 die Möglichkeit eingeführt worden ist, fehlerhafte Bilanzansätze zu heilen (vgl. Walter, GStB 13, 1; 246; 268), blieben die Gefahren im Zusammenhang mit der Mindestlaufzeit des GAV jedoch bestehen. Die Regelung zur Heilung von Bilanzierungsfehlern in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 4, 5 KStG arbeitet mit einer Fiktion der tatsächlichen Durchführung des GAV. Diese gilt jedoch ausdrücklich nur für fehlerhafte Bilanzansätze, die inzwischen nur noch selten zum Scheitern einer Organschaft führen, auch wenn die neue Rechtslage noch nicht bei allen Finanzämtern bekannt zu sein scheint.

     

    PRAXISHINWEIS | Zu den heilbaren Fehlern zählt vor allem der häufig vergessene Abzug vororganschaftlicher Verlustvorträge von der ersten Gewinnabführung, wozu es auch noch nach dem ersten Organschaftsjahr kommen kann, wenn die Organgesellschaft bis dahin keine entsprechenden abzuführenden Gewinne erwirtschaftete. Auch das inzwischen häufiger nicht beachtete handelsrechtliche Abführungsverbot nach § 268 Abs. 8 HGB zählt dazu, ferner die unzulässige Abführung vororganschaftlicher Gewinn- oder Kapitalrücklagen und während der Organschaft gebildeter und aufgelöster Kapitalrücklagen. Die ebenfalls genannten nach Bilanzrecht unzulässigen oder überhöhten Rückstellungen waren hingegen eher selten Grund für das Scheitern einer Organschaft.

     

    Fehler bei der Mindestlaufzeit eines Gewinnabführungsvertrags fallen hingegen nicht unter die Heilungsregelungen (OFD Karlsruhe 16.1.14, S 277.0/52/2-St 221, nv., S. 5). Diese Fehler stehen vielmehr mit der zivilrechtlich zu regelnden Geltungsdauer und der nur steuerrechtlich erforderlichen mindestens 5-jährigen Geltungsdauer im Zusammenhang. Auswirkungen auf heilbare Bilanzansätze ergeben sich dadurch nicht. Diese Fehler sind folglich trotz der Änderungen durch sog. kleine Organschaftsreform weiter gefährlich und können zum rückwirkenden Scheitern der Organschaft führen, wenn sie noch innerhalb der Mindestlaufzeit auftreten.

     

    2. Gesetzliche Regelung der Mindestlaufzeit

    Zivilrechtlich können die Parteien eines Unternehmensvertrags beliebig regeln, wie lange sie sich binden wollen. Etwa zur Insolvenzvorsorge gibt es in der Tat Verträge mit einer kurzen Laufzeit. Da jedoch ein GAV nahezu ausschließlich wegen der angestrebten Gewinn- und Verlustverrechnung im Organkreis abgeschlossen wird, ist das steuerliche Tatbestandsmerkmal der 5-jährigen Mindestlaufzeit des Vertrags in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG zu beachten.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Mindestlaufzeit muss dabei ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht werden und so von Anfang an gelten. Ein Abschluss auf unbestimmte Zeit genügt nicht, selbst wenn der Vertrag tatsächlich dann fünf Jahre durchgeführt wird. Auch ein Verweis auf die angestrebte steuerliche Organschaft allein oder auf R 60 Abs. 5 KStR ist untauglich.

     

    Beachten Sie | In der Vertragspraxis wird die Mindestlaufzeit dadurch geregelt, dass die ordentliche Kündigung frühestens zum Ende des fünften Geschäftsjahrs ab Vertragsbeginn zugelassen wird. Dabei kommt es auf den regelmäßig schuldrechtlich rückwirkend vereinbarten und steuerlich zulässigen Beginn an, nicht auf die zivilrechtliche Rechtswirksamkeit des Vertrags, die mit Eintragung der Organgesellschaft im Handelsregister der Organgesellschaft eintritt.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Vereinbarung eines erst künftig beginnenden Vertrags kommt in der Praxis selten vor, kann jedoch sinnvoll sein, wenn im laufenden Geschäftsjahr z.B. die finanzielle Eingliederung noch nicht während des ganzen Jahres vorgelegen hatte. Anmeldung und Eintragung im Handelsregister können dann erst nach Beginn des ersten Organschaftsjahres erfolgen.

     

    Die lange umstrittene Frage, ob sich die 5-jährige Mindestlaufzeit nach Zeitjahren oder nach Wirtschaftsjahren bemisst, hatte der BFH bereits 2011 entschieden (BFH 12.1.11, I R 3/10, BStBl II 11, 727). Maßgeblich ist danach ein Zeitraum von insgesamt 5 × 12 (= 60) Monaten. Aufgrund dieses Urteils war für eine gestaltungssichere Beratung davon auszugehen, dass der Vertrag von Anfang an länger als fünf Jahre dauern musste, wenn zu Vertragsbeginn ein Rumpfgeschäftsjahr stand, zumal der BFH ausdrücklich darauf hingewiesen hatte, dass die erforderliche Mindestlaufzeit fünf Zeitjahre überschreiten kann.

     

    Wichtig | Wurde während der Mindestlaufzeit ein Rumpfgeschäftsjahr eingelegt, etwa um die Geschäftsjahre an die entsprechenden Usancen der Unternehmensgruppe anzupassen, musste der Vertrag noch vor Ablauf dieses Rumpfgeschäftsjahres durch Vertragsänderung verlängert und die Vertragsänderung im Handelsregister eingetragen werden (Walter in EY, KStG, § 14 Rz. 637, 781). Andernfalls stand das rückwirkende Scheitern der Organschaft von Anfang an zu befürchten.

     

    PRAXISHINWEIS | Die moderne Vertragspraxis deckt solche Risiken im Übrigen durch Klauseln über eine automatische Verlängerung der Mindestlaufzeit ab, sollte nachträglich ein Rumpfwirtschaftsjahr eingelegt werden oder das erste Jahr vom Finanzamt nicht als Organschaft anerkannt werden.

     

    3. Das BFH-Urteil vom 13.11.13 im Überblick

    Aus dem komplizierten Sachverhalt des Urteils ist für die hier erörterte Problematik nur relevant, dass bereits im ersten Jahr der Organschaft das Geschäftsjahr mit Zustimmung des Finanzamts verkürzt wurde. Dadurch fiel das Ende der vereinbarten Laufzeit des GAV nicht mehr auf das Ende eines Geschäftsjahrs der Organgesellschaft. Die Mindestlaufzeit des GAV war nicht angepasst worden.

     

    Der BFH hat die Organschaft überraschender Weise nicht schon an dem eingelegten Rumpfgeschäftsjahr ohne Verlängerung der Laufzeit des GAV scheitern lassen. Das Gericht nimmt sogar im Leitsatz ausdrücklich eine Abgrenzung zu seinem Urteil vom 12.1.11 vor - was nach einer derart kurzen Zeitspanne sehr selten ist. Konnte man aus dem früheren Urteil vermeintlich zwanglos ableiten, dass ein zunächst ohne Berücksichtigung von Rumpfgeschäftsjahren abgeschlossener GAV sofort zu verlängern ist, wenn die Organschaft nach einem eingelegten Rumpfgeschäftsjahr innerhalb der fünfjährigen Mindestlaufzeit nicht rückwirkend scheitern soll, konkretisiert der BFH nun seine frühere Feststellung. Man kann also durchaus von einem Grundsatzurteil sprechen:

     

    • Die steuerliche Anerkennung der Organschaft scheitere nicht an der Umstellung des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft, obwohl die feste Vertragslaufzeit von fünf Zeitjahren unberührt blieb. Mit seiner damaligen Aussage, dass bei Vorhandensein von Rumpfwirtschaftsjahren letztlich eine längere Mindestlaufzeit als fünf Jahre erforderlich wird, sei ein generelles Erfordernis, den Mindestzeitraum mit fünf zwölfmonatigen Wirtschaftsjahren auszufüllen, nicht verbunden. Insoweit wird auf ältere Rechtsprechung des BGH zurückgegriffen, wonach die Rechte und Pflichten aus einem GAV bis zu dessen Beendigung in einem laufenden Geschäftsjahr der Organgesellschaft unberührt bleiben.

     

    • Auf welche Weise die Vertragsparteien zum regulären Ende des GAV sicherstellen, dass im letzten Jahr der Mindestlaufzeit den steuerrechtlichen Anforderungen an eine Organschaft Rechnung getragen wird (z.B. durch eine Fortsetzung des Vertrags zum Ablauf des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft), sei nicht Gegenstand einer ex-ante-Beurteilung für das Durchführungserfordernis während der Vertragslaufzeit.

     

    PRAXISHINWEIS | Gefestigt geglaubte Grundlagen der Organschaft scheinen zu wanken. Allerdings braucht das nicht zu beunruhigen, da sich diese Feststellungen des BFH ausschließlich zugunsten der Unternehmen auswirken.

     

    4. Stellungnahme zu den Grundsätzen des Urteils

    Der BFH lockert zunächst den Zusammenhang zwischen der tatsächlichen Durchführung des Vertrags während der Mindestvertragsdauer und der zivilrechtlichen Vereinbarung der Laufzeit. Da beide Tatbestandmerkmale zusammen in § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG geregelt sind, musste bislang vorsorglich davon ausgegangen werden, dass immer dann, wenn sich Mindestlaufzeit und Geschäftsjahre nicht mehr decken, die Organschaft scheitert. Diese Gefährdungslage konnte bei einem neu eingelegten Rumpfgeschäftsjahr innerhalb der Mindestlaufzeit immer eintreten, unabhängig davon, an welcher Stelle der Mindestlaufzeit das Geschäftsjahr verkürzt wurde.

     

    MERKE | Nunmehr ist im Sinne einer ex-ante-Betrachtung darauf abzustellen, ob die 5-jährige Mindestvertragsdauer bei erstmaligem Abschluss des GAV zutreffend auf fünf Zeitjahre vereinbart wurde. Der BFH wörtlich: „Auch wenn die Vereinbarung ihrer Laufzeit nach im laufenden Geschäftsjahr der Organgesellschaft endet, bleiben die Rechte und Pflichten aus der Vereinbarung bis zu diesem Termin unberührt.“

     

    Hinweis | Vorsicht ist gleichwohl weiterhin angezeigt. Zu glauben, dass es ausreicht, eine Laufzeit von 60 Monaten zu vereinbaren, obwohl bereits bei Vertragsabschluss klar ist, dass das erste Organschaftsjahr ein Rumpfgeschäftsjahr umfasst, könnte sich als Trugschluss erweisen.

     

    Allerdings setzt sich der BFH überraschender Weise nicht mit den handelsrechtlichen Grundlagen auseinander; möglicherweise auch nur, weil es darauf im Urteilsfall nicht ankam, da der Vertrag bei Änderung bereits im Handelsregister eingetragen war. Dies kann man dem Urteil zwar nicht entnehmen, ist aber wegen dessen Abschluss schon vor dem ersten Organschaftsjahr wahrscheinlich. Ein GAV muss zivilrechtlich bei Vertragsabschluss zwingend auf volle (Rumpf-)Geschäftsjahre gerichtet sein (Altmeppen in MünchKommAktG, 3. Aufl. 2010, § 296 Rz. 21, Fn. 37). Der Grund ist, dass nach § 240 Abs. 2 S. 2 HGB grundsätzlich eine zwölfmonatige und immer gleich lange Abrechnungsperiode vorliegen muss (Walter, GmbHR 13, 605 f., m.w.N.), ausgenommen Rumpfgeschäftsjahre (dazu auch Winkeljohann/Philipps in Becke’scher Bilanzkommentar, 9. Aufl. 2014, § 240 Rz. 60).

     

    Wichtig | Verstößt der Vertrag dagegen, ist er zivilrechtlich unwirksam und darf im Handelsregister nicht eingetragen werden.

     

    Die Gefahr in der Praxis ist größer als vermutet, denn die Eintragung des Vertrags im Handelsregister wirkt zwar konstitutiv, hat jedoch keine heilende Wirkung. Unwirksame oder nichtige GAV bleiben trotz Eintragung unwirksam oder nichtig (Walter in EY, KStG, § 14 Rz. 599) und können so zu einem späteren Zeitpunkt von der Finanzverwaltung als nicht ausreichend zur Begründung der Organschaft betrachtet werden. Ein GAV ist folglich auch nach dem aktuellen BFH-Urteil von Anfang an nur wirksam und steuerlich für die tatsächliche Vertragsdurchführung ausreichend, wenn bei Vertragsabschluss die Vertragslaufzeit mindestens fünf Zeitjahre umfasst und der letzte Tag der Mindestlaufzeit mit dem Ende eines Geschäftsjahres zusammenfällt.

     

    PRAXISHINWEIS | Liegt also bei Vertragsabschluss ein Rumpfgeschäftsjahr vor, wie häufig nach einem Unternehmenskauf, muss die Mindestlaufzeit von Anfang an den Zeitraum von fünf Geschäftsjahren zu je 12 Monaten überschreiten. Für eine rechtssichere Gestaltung darf die großzügigere Betrachtung des BFH nur zugrunde gelegt werden, wenn ein Rumpfgeschäftsjahr erst nach Eintragung des GAV im Handelsregister durch Änderung des Gesellschaftsvertrags begründet wird. Dann kommt es nicht darauf an, welches Geschäftsjahr innerhalb der Mindestlaufzeit abgekürzt wird.

     

    Wichtig | Obwohl § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 KStG auf den Abschluss des Vertrags abstellt, sollte in der Beratungspraxis davon ausgegangen werden, dass es auf die Rechtswirksamkeit des Vertrags ankommt, die erst mit der Eintragung im Handelsregister eintritt. Die andere Auffassung, dass es auf den Vertragsabschluss ankomme und die Mindestlaufzeit nur eine Frage der tatsächlichen Vertragsdurchführung sei (Herzberg, GmbHR 14, 502), berücksichtigt die handelsrechtlichen Grundlagen nicht und sollte dem Finanzrechtsstreit vorbehalten bleiben. Sie ist dem BFH-Urteil so m.E. auch nicht zu entnehmen.

    5. Folgerungen aus dem BFH-Urteil

    Der GAV muss bei Vertragsabschluss mindestens fünf Zeitjahre umfassen und mit einem Geschäftsjahr enden. Beginnt die Organschaft von Anfang an mit einem Rumpfgeschäftsjahr, muss die Mindestlaufzeit fünf Zeitjahre übersteigen.

     

    Wird erst nach Eintragung des GAV im Handelsregister ein Rumpfgeschäftsjahr eingelegt, braucht nun nicht mehr sofort die Mindestlaufzeit des Vertrags verlängert zu werden. Dies kann spätestens im Laufe des letzten Zeitjahres der Mindestlaufzeit dadurch geschehen, dass die Laufzeit des Vertrags vor dessen Ablauf auf das Ende des dann laufenden Geschäftsjahrs verlängert wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Achten Sie unbedingt darauf, dass der Vertrag auch die Zustimmungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen benötigt und vor Ende des letzten Geschäftsjahrs der verlängerten Mindestlaufzeit im Handelsregister der Organgesellschaft eingetragen sein muss. Die dann vereinbarte Mindestlaufzeit braucht im Übrigen ab der Änderung nicht nochmals fünf Zeitjahre zu umfassen.

     

    Statt einer Laufzeitverlängerung könnte - ggf. mit Zustimmung des Finanzamtes - das Geschäftsjahr am Ende der Mindestlaufzeit nochmals geändert und sein Ablauf in Übereinstimmung mit dem Ende des GAV gebracht werden (vgl. Märtens, jurisPR-SteuerR 19/2014, Nr. 4, unter C.). Wenn hingegen die Mindestlaufzeit des GAV im Sinne einer automatisch wirkenden Laufzeitgleitklausel abgefasst ist, brauchen weder der Vertrag noch das Geschäftsjahr nachträglich angepasst zu werden, wenn ein Rumpfgeschäftsjahr eingelegt wird, selbst wenn dies bereits im ersten Organschaftsjahr geschieht.

     

    FAZIT | Die Gefährdung der Organschaft im Zusammenhang mit der Mindestlaufzeit des GAV ist zwar reduziert worden, weniger kompliziert ist die Handhabung des Zusammenspiels von Zivil- und Steuerrecht aber nicht geworden.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2014 | Seite 195 | ID 42691443

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