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  • · Fachbeitrag · Kapitalgesellschaften

    Verluste retten mittels Forderungsverzichts und Veräußerung der Besserungsanwartschaft

    von Dipl. Finanzwirt Markus Schlagheck, Berlin

    | Auch unter der Ägide des § 8c KStG wird der Forderungsverzicht gegen Besserungsschein als Gestaltungsinstrument propagiert, um Verluste über einen schädlichen Gesellschafterwechsel hinaus nutzen zu können. Die Gestaltung ist zwar grundsätzlich zur Verlustrettung geeignet, in vielen Fällen sind Streitigkeiten mit der Finanzverwaltung allerdings vorprogrammiert. Die jüngste BFH-Rechtsprechung gibt Anlass, sich mit den Problemen und Grenzen dieses Gestaltungsmodells nochmals eindringlich zu beschäftigen. |

    1. Grundstruktur des Gestaltungsmodells

    Die A-GmbH befand sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. A als Alleingesellschafter verzichtete auf ein ihr im Oktober 2017 gegebenes verzinsliches Darlehen. Das Darlehen war im Verzichtszeitpunkt wertlos und wurde von der A-GmbH ausgebucht. Der dadurch entstandene Gewinn stand zur Verringerung des Verlustvortrags zur Verfügung. Der Verzicht wurde mit einer auflösenden Bedingung verbunden. Danach sollte die Forderung bei Besserung der wirtschaftlichen Situation wieder aufleben. Zinsverbindlichkeiten bestanden nicht, eine Nachzahlung für den Verzichtszeitraum war nicht vereinbart.

     

    A konnte die verlustträchtige A-GmbH nicht sanieren und veräußerte seine Anteile sowie die Besserungsanwartschaft an B. Die Gesellschaft wurde in B-GmbH umbenannt und saniert, sodass die Besserungsbedingungen erfüllt waren. Die B-GmbH buchte die Verbindlichkeit aufwandswirksam wieder ein, rettete somit einen Teil der Verluste vor der Nichtabziehbarkeit und leistete die entsprechenden Zahlungen an B. Konzern-, stille Reserven- und Sanierungsklausel (§§ 8c Abs. 1 S. 5 ff., Abs. 1a KStG, 3a EStG) kamen nicht zur Anwendung.

    2. Gesellschaftsebene

    2.1 Forderungsverzicht und Besserungsabrede

    Handelsrechtlich ist die Verbindlichkeit zum Zeitpunkt des Verzichts gewinnerhöhend aufzulösen und bei Bedingungseintritt gewinnmindernd wieder einzubuchen. Ab dem Verzichtszeitpunkt liegt Eigenkapital vor und mit Bedingungseintritt Fremdkapital (BFH 29.1.03, BStBl II 03, 768).

     

    Beachten Sie | Umstritten ist, ob mit dem Forderungsverzicht die Dotierung der Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB) i. H. d. Nennwertes oder des gemeinen Wertes der Forderungen erfolgen soll (s. Baldamus, DStR 03, 852 u. BFH 20.4.05, BStBl II 05, 694).

     

    Erfolgt der Verzicht ‒ wie im obigen Gestaltungsmodell ‒ aus gesellschaftlichen Gründen, wird eine verdeckte Einlage bewirkt, soweit die Forderung im Verzichtszeitpunkt werthaltig ist. Die verdeckte Einlage mindert das Einkommen der Gesellschaft, das sich zuvor durch die Ausbuchung der Verbindlichkeit erhöht hat. Des Weiteren bewirkt die verdeckte Einlage einen Zugang zum steuerlichen Einlagekonto (§ 27 Abs. 1 KStG).

     

    Die schädliche Anteilsübertragung (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG) führt im Gestaltungsmodell zu einem Untergang der bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste. Mittels ertragswirksamer Ausbuchung der Verbindlichkeit wird die Höhe der untergehenden Verluste vermindert. Das Rettungsvolumen fällt umso geringer aus, je höher der Teilwert der Forderung ist. Je nach wirtschaftlicher Situation der Gesellschaft und Ausgestaltung der Besserungsbedingungen kann die Mindestbesteuerung greifen (s. BMF 28.11.17, BStBl I 17, 1645, Rn. 34).

     

    PRAXISTIPP | Die Besserungsabrede sollte klare und eindeutige Regelungen enthalten, unter welchen Voraussetzungen die Forderung wieder auflebt und nach welchen Modalitäten die Forderungsbedienung (Auszahlung) erfolgt (zum konkreten Inhalt der Besserungsabrede s. Klein, GStB 16, 45). Auch ist auf die tatsächliche Durchführung der Besserungsabrede zu achten. Beides dient dem Ausschluss einer verdeckten Gewinnausschüttung. Roser (in: Gosch, KStG, § 8 Forderungsverzicht mit Besserungsklausel) rät von einer Rückbeziehung der Bedingungen (§ 159 BGB) ab, um die Anwendung des § 8c KStG auf diese Verluste auszuschließen.

     

    Werden nach dem auflösend bedingten Verzicht die Anteile und die Besserungsanwartschaft veräußert, ändert sich der Entstehungsgrund der wieder auflebenden Verbindlichkeit nicht. Hatte dieser ausschließlich betrieblichen Charakter, so bleibt er bestehen und wird nicht durch den Wechsel des Gläubigers berührt. Mithin ist der Aufwand nicht als verdeckte Gewinnausschüttung an den neuen Gläubiger zu qualifizieren (BFH 12.7.12, BFH/NV 12, 1901).

     

    MERKE | Bisher nicht geklärt ist, ob der Veranlassungszusammenhang auch bestehen bleibt, wenn die Verbindlichkeit neu entsteht (z. B. beim Forderungsverzicht mit aufschiebend bedingter Besserungsabrede).

     

    Mit Eintritt der Besserungsbedingungen ist die wieder auflebende bzw. neu entstehende Verbindlichkeit aufwandswirksam einzubuchen. Im Umfang der ursprünglichen Einlage (Teilwert der Forderung, auf die verzichtet wurde) liegt eine Kapitalrückgewähr vor, die keine Auswirkungen auf das Einkommen der Gesellschaft haben darf. Folglich ist der um den Aufwand aus der Verbindlichkeitseinbuchung geminderte Steuerbilanzgewinn außerbilanziell zu erhöhen (negative Einlage). Im Ausgangssachverhalt war die Forderung allerdings wertlos. Also unterbleibt eine Erhöhung des Einkommens (keine negative Einlage).

     

    Beachten Sie | Die Frage, wie sich die Tilgung der wieder eingebuchten Verbindlichkeit auf das steuerliche Einlagekonto auswirkt, wird in der Literatur nicht einheitlich beantwortet. Für einen direkten Abzug vom steuerlichen Einlagekonto in dem Umfang, in dem die vorhergehende verdeckte Einlage das steuerliche Einlagekonto erhöht hat, spricht sich Stimpel aus (in: Rödder/Herlinhaus/Neumann, KStG, § 27 Rn. 66; a. A. Endert, DStR 16, 1009, der die Anwendung der Regeln des § 27 Abs. 1 S. 3 KStG bejaht). Die Finanzverwaltung hat sich hierzu nach SEStG noch nicht explizit geäußert. Aus dem BMF-Schreiben vom 4.6.03 (BStBl I 03, 233, Tz. 29) kann m. E. aber geschlossen werden, dass sie in der Erfüllung der wieder eingebuchten Verbindlichkeit keine Leistung sieht, also einen Direktzugriff annimmt.

     

    2.2 Ansicht der Finanzverwaltung

    Liegen zwischen Ausbuchung und Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 KStG a. F. vor, soll nach Ansicht der Finanzverwaltung der Aufwand aus der Wiedereinbuchung nicht abziehbar sein (Differenz zwischen dem Nennbetrag und dem Teilwert der Forderung im Verzichtszeitpunkt, BMF 2.12.03, BStBl I, 648, Tz. 2d und BMF 18.3.19, BStBl I, 270, Nr. 1098). Wird dieser Meinung gefolgt, läuft das Gestaltungsmodell ins Leere. Zur Weitergeltung dieser Rechtsansicht unter der Ägide des § 8c KStG hat sich die Finanzverwaltung bis heute nicht geäußert (für eine Übertragung der Rechtsansicht: Neumann/Stimpel, GmbHR 07, 1194, ablehnend z. B. Bildstein, DStR 09, 1177).

     

    Der BFH erteilt der Verwaltungsmeinung zum § 8 Abs. 4 KStG a. F. eine klare Absage (BFH 12.7.12, BFH/NV, 1901). Die Rechtsfolge des § 8 Abs. 4 KStG a. F. bestehe ausschließlich im Wegfall des Verlustabzugs nach § 10d EStG. Die Passivierung einer Verbindlichkeit sei aber etwas grundsätzlich anderes als die Verrechnung eines Verlustabzugs nach § 10d EStG.

     

    Für eine Übertragung der BFH-Rechtsprechung auf § 8c KStG spricht die dort formulierte Rechtsfolge ‒ Nichtabziehbarkeit der bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste ‒, denn sie zielt, wie die des § 8 Abs. 4 KStG a. F. auf den Wegfall des Verlustabzugs. Inwieweit der BFH das genauso sehen wird, bleibt abzuwarten.

     

    MERKE | Wer einen Verlusttransfer mittels Veräußerung einer Besserungsanwartschaft gestalten will, dem sollte das mögliche Streitpotenzial mit der Finanzverwaltung bewusst sein. Sie wendet das BFH-Urteil v. 12.7.12 nicht an und wird vermutlich an ihrer Auffassung festhalten.

     

    2.3 Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)

    Der Forderungsverzicht mit Besserungsabrede und anschließender Veräußerung der Besserungsanwartschaft wird auf Ebene der Kapitalgesellschaft nicht als unangemessene Gestaltung angesehen (BFH 12.7.12, BFH/NV 12, 1901, zur Gesellschafterebene s. 3.3). Zu beachten sind allerdings die Besonderheiten des Urteilsfalls.

     

    Nach dem Urteilssachverhalt ist zu vermuten, dass die spätere Veräußerung der Geschäftsanteile samt Besserungsanwartschaft zum Zeitpunkt des Forderungsverzichts und der Besserungsabrede noch nicht feststand und der Erwerber an der Gestaltung nicht mitgewirkt hatte. Auch erkannte der BFH ein wirtschaftliches Ziel, welches mit einer angemessenen Gestaltung erreicht wurde. Die im Zusammenhang mit dem Anteilserwerb veräußerte Besserungsanwartschaft soll die Gesellschaft im Fall der wirtschaftlichen Gesundung von der Inanspruchnahme durch den ‒ jetzt gesellschaftsfremden ‒ Altgesellschafter entlasten und ihm die bestmögliche Verwertung der zu diesem Zeitpunkt wertlosen Besserungsanwartschaft ermöglichen. Dass das wirtschaftliche Ziel mittels Veräußerung der Besserungsanwartschaft und nicht durch einen Verzicht auf diese verfolgt wurde, sei unerheblich, da beide Varianten aus Sicht des Gesetzgebers gleichwertige Gestaltungsformen darstellten.

     

    Gründe, weshalb diese zu § 8 Abs. 4 KStG a. F. geäußerte Rechtsansicht nicht auch für die Nachfolgevorschrift § 8c Abs. 1 KStG gelten sollten, sind nicht ersichtlich.

     

    Darüber hinaus war die Gestaltung des Urteilssachverhalts auf Dauer angelegt und unterschied sich in den wirtschaftlichen Folgen von allen in Betracht kommenden Alternativen. Schließlich bestand für den Erwerber der Besserungsanwartschaft die Aussicht auf Bedienung, sodass es sich nicht um ein Geschäft handelte, das zwangsläufig zu einem Gesamtverlust führen musste und nur durch die Steuerersparnis rentierlich werden konnte.

     

    Das BFH-Urteil v. 12.7.12 ist zum § 42 AO a. F. ergangen und sieht im Ausgangsmodell keine unangemessene Gestaltung. Da in § 42 Abs. 2 AO n. F. die Unangemessenheit der Gestaltung als Tatbestandsmerkmal kodifiziert ist, dürfte auch nach aktueller Rechtslage m. E. kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorliegen.

     

    Anders wäre es m. E., wenn Anteilsveräußerer und -erwerber bereits vor dem Forderungsverzicht gemeinsam zielgerichtet die Rettung der Verluste gestalten und Besserung durch die geplanten Maßnahmen absehbar war. In diesem Fall hätte der Erwerber die wertlose Forderung zugleich mit den Anteilen erwerben können. Dass der Veräußerer vor feststehender Anteilsveräußerung noch den Forderungsverzicht ausspricht, wirkt dann gekünstelt und unangemessen, und ist nur der Verhinderung des Verlustuntergangs geschuldet.

    3. Gesellschafter (natürliche Person, Beteiligung Privatvermögen)

    3.1 Forderungsverzicht und Besserungsanwartschaft

    Der Verzicht auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung steht nach BFH (6.8.19, VIII R 18/16, BFH/NV 20, 52) einer Abtretung gleich und führt in dem Umfang zu negativen Einkünften nach § 20 Abs. 2 Nr. 7, S. 2 EStG, als der Verzichtende für den nicht werthaltigen Teil Anschaffungskosten getragen hat (§ 20 Abs. 4 EStG). Da insoweit keine verdeckte Einlage in die Gesellschaft vorliegt, kann auch keine Erhöhung der Anschaffungskosten i. S. d. § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG angenommen werden.

     

    MERKE | Die ursprüngliche Absicht der Bundesregierung, den Wertverfall von Forderungen nicht mehr als Verluste im Rahmen des § 20 EStG zu berücksichtigen (s. BT-Drucks. 19/13436 S. 16f. Nr. 11. b), ist nicht Gesetz geworden. Die in diesem Zusammenhang erfolgte Einfügung des § 17 Abs. 2a EStG jedoch schon.

     

    MERKE | Dem BFH-Urteil vom 6.8.19 lag ein unbedingter Verzicht zugrunde. Nach den Urteilsgründen kommt ein steuerlich zu berücksichtigender Forderungsausfall nur bei einem endgültigen Verzicht in Betracht. Unklar bleibt, ob auch ein Forderungsverzicht mit aufschiebend bedingter Besserungsabrede, ein auflösend bedingter Forderungsverzicht oder beide Varianten einen endgültigen Verzicht in diesem Sinne darstellen. Wenn nicht alle Formen des bedingten Verzichts im Verzichtszeitpunkt endgültigen Charakter hätten, müsste im Besserungsfall zwar ein Veräußerungserlös nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 EStG versteuert werden (s. 3.2), der hiermit korrespondierende Aufwand aus dem Forderungsverzicht würde jedoch ‒ weil nicht endgültig ‒ steuerlich unberücksichtigt bleiben. Ein Ergebnis, das offensichtlich gegen das Nettoprinzip verstieße.

     

    Dem BMF-Schreiben vom 18.1.16 (BStBl I, 85, Rz. 61, 62) sind zu dieser Frage keine Aussagen zu entnehmen. Die Finanzverwaltung vertritt dort eine vom BFH abweichende Position, wonach der Verzicht in Höhe des nicht werthaltigen Teils der Forderung einen steuerlich nicht zu berücksichtigenden Forderungsausfall auf der privaten Vermögensebene darstelle. Diese Ansicht wird trotz der gegenteiligen Meinung des BFH weiterhin von ihr vertreten.

     

    Damit negative Einkünfte i. S. d. § 20 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 EStG mit positiven Einkünften anderer Einkunftsarten verrechnet werden dürfen, muss eine der Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 EStG erfüllt sein.

     

    Weiterhin wird eine Einkunftserzielungsabsicht vorausgesetzt. In dem Sachverhalt zu BFH 6.8.19 (BFH/NV 20, 52) ist auf ein mit 7 % verzinstes Darlehen verzichtet worden. Allerdings sollte der Zinsanspruch erst entstehen, wenn in der Bilanz der GmbH erstmals kein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag mehr bestand. Im Streitjahr waren ‒ soweit ersichtlich ‒ keine Zinsen entstanden. Der BFH sah die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG als erfüllt an.

     

    Ist das Darlehen, auf das vollständig bedingt verzichtet wurde, refinanziert worden, sind die nach dem Verzicht angefallenen Refinanzierungskosten zumindest bis zum Eintritt der Besserungsbedingungen nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Der ursprüngliche Veranlassungszusammenhang zu den Kapitalerträgen ist durch den bedingten Verzicht unterbrochen. Es wird ein neuer Veranlassungszusammenhang zu Beteiligungserträgen begründet, der unter den Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG grundsätzlich den Werbungskostenabzug ermöglicht (BFH 24.10.17, BStBl II 19, 34).

     

    Der Verzicht stellt insoweit eine verdeckte Einlage dar, als die Forderung werthaltig war. Sie ist einer Veräußerung gleichgestellt (§ 20 Abs. 2 S. 2 EStG). Dem Veräußerungserlös werden i. d. R. Anschaffungskosten in gleicher Höhe gegenüberstehen (Teilwert der Forderung im Verzichtszeitpunkt). Ein Gewinn wird somit nicht erzielt.

     

    Beachten Sie | Die o. g. BFH-Entscheidung geht nicht auf die Frage der Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2 (jetzt Abs. 2a) EStG ein. Der werthaltige Teil der Forderung erhöht m. E. die Anschaffungskosten nach § 17 Abs. 2a S. 3 Nr. 1 EStG, da der Veräußerungserlös (fiktiv) in die Gesellschaft eingelegt wird (s. auch BMF 18.1.16, BStBl I 16, 85, Rz. 61, 62).

     

    Die Einnahmen aus der Veräußerung der Besserungsanwartschaft werden nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 EStG besteuert (gleicher Auffassung Buge in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 20 Rz. 511).

     

    3.2 Eintritt des Besserungsfalls

    Ist der Besserungsfall eingetreten, unterliegen die Einnahmen hieraus nach überwiegender Literaturmeinung dem § 20 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 EStG (s. Schenkelberg, BB 12, 2864 m. w. N.). Findet § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b EStG Anwendung, sind im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 20 Abs. 4 EStG die für den Erwerb der Besserungsanwartschaft gezahlten Anschaffungskosten gewinnmindernd zu berücksichtigen. Soweit Zahlungen aus dem Einlagekonto finanziert worden sind, liegt eine Kapitalrückzahlung vor, die mit den Anschaffungskosten der Anteile vollständig zu verrechnen ist. Übersteigt die Kapitalrückzahlung die Anschaffungskosten, stellt der übersteigende Teil zu 60 % einen Veräußerungsgewinn i. S. d. § 17 Abs. 2, 4 EStG i. V. m. § 3 Nr. 40 Buchst. c) EStG dar.

     

    Beachten Sie | Aufgrund der Steuerpflicht der Besserungszahlungen verliert dieses Gestaltungsinstrument zumindest für den Erwerber an Attraktivität. Es hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, ob es unter Einbeziehung der Steuerersparnis auf Gesellschaftsebene für den Erwerber noch zu einer Gesamtsteuerersparnis kommt.

     

    3.3 Gestaltungsmissbrauch (§ 42 AO)

    Zur Frage eines evtl. Gestaltungsmissbrauchs auf Gesellschafterebene ist auf BFH 1.2.01 (BStBl II 01, 520) hinzuweisen. Der hier interessierende Kern des komplexen Sachverhaltes ist der Verkauf von GmbH-Anteilen sowie der zeitgleiche Verkauf von Forderungen gegen die GmbH an denselben Erwerberkreis. Die Erwerber kauften die überwiegend wirtschaftlich wertlosen Forderungen, die der Vater der bisherigen Anteilseignerin innehatte, weit unter Nennwert, sodass die GmbH nicht mehr mit Verbindlichkeiten gegen den Vater belastet war. Die GmbH wurde im Folgejahr wieder liquide und die Forderungen wurden teilweise bedient. Einige der Erwerber wollten die erhaltenen Zahlungen steuerfrei vereinnahmen.

     

    Der BFH erkannte, dass der Forderungsverkauf lediglich dem Zweck diente, Gewinne der GmbH im Rechtskleid einer Forderungsbegleichung steuerfrei an die Erwerber auszuzahlen. Er nahm einen Gestaltungsmissbrauch an und sah in der Forderungsbedienung eine nicht auf einem Verteilungsbeschluss beruhende Gewinnausschüttung. Nicht beanstandet wurde das wirtschaftliche Ziel, die GmbH nicht mehr mit Verbindlichkeiten gegenüber dem Vater zu belasten. Missbräuchlich war aber der Weg über den Forderungserwerb. Das Ziel hätte einfacher mittels Forderungsverzichts des Vaters gegen Zahlung des vereinbarten Preises erreicht werden können. Der umständlichere Weg diente allein dem Zweck, Gewinne steuerfrei zu vereinnahmen.

     

    Wird diese Rechtsansicht auf den Ausgangsfall angewandt, so ist die Veräußerung der Besserungsanwartschaft von A an B rechtsmissbräuchlich, da A den einfacheren Weg des Verzichts auf seine Anwartschaft hätte wählen müssen. Die an B erfolgten Zahlungen aufgrund der Besserungsanwartschaft wären als Gewinnausschüttungen zu qualifizieren. Dies ist nach heutigem Recht angesichts der Optionsmöglichkeit nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG sogar vorteilhafter, als die Zahlungen nach § 20 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 EStG in voller Höhe zu versteuern.

     

    MERKE | Der Antrag nach § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG ist laut BFH mit Abgabe der Steuererklärung (vorsorglich) zu stellen (BFH 14.5.19, BStBl II 19, 586; a. A. FG Münster 14.5.19, Rev. BFH: VIII R 18/19). Er gilt ‒ vorbehaltlich eines Widerrufs ‒ für die nächsten vier Veranlagungszeiträume (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 S. 4 EStG).

     

    Der Aufwand aus der Wiedereinbuchung der Verbindlichkeit und die negativen Einkünfte des A bleiben erhalten, da die Veräußerung der Besserungsanwartschaft nur ein Reflex der von A und B gewählten Gestaltung ist (BFH 12.7.12, BFH/NV 12, 1901).

    4. Kapitalgesellschaft als Gesellschafterin

    Sind die Gesellschafter wie im Ausgangsmodell Kapitalgesellschaften, ist der Aufwand aus dem Forderungsverzicht insoweit nicht abziehbar, als er auf den nicht werthaltigen Teil der Forderung entfällt (§ 8b Abs. 3 S. 4 KStG). In Höhe des werthaltigen Teils liegt eine Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung vor (§ 6 Abs. 6 S. 2 EStG). Im Ergebnis wirkt sich der Verzicht also nicht auf das Einkommen der verzichtenden Kapitalgesellschaft aus.

     

    Die mit Bedingungseintritt wieder auflebende Forderung ist ertragswirksam zu erfassen. Die Steuerfreistellung des Ertrags nach § 8b Abs. 3 S. 8 KStG, soweit der vorhergehende Aufwand aus dem nicht werthaltigen Teil des Forderungsverzichts nicht abziehbar war, wird kontrovers diskutiert (ablehnend Gosch, KStG, § 8b Rz. 279 l, a. A. Dötsch, KStG, § 8b Rz. 242). Ist die Rückzahlung der wieder aufgelebten Forderung im Umfang ihres werthaltigen Teils aus dem steuerlichen Einlagekonto finanziert worden, liegt eine Kapitalrückzahlung vor, die den Buchwert der Anteile mindert. Übersteigt die Kapitalrückzahlung den Buchwert, erhöht sich insoweit der Gewinn (keine Anwendung von § 8b KStG).

    5. Gestaltungsmodell mit Verschmelzung

    Die Ausgangsstruktur soll wie folgt verändert werden: Nachdem B die Anteile und die Besserungsanwartschaft erworben hatte, beschloss er als Alleingesellschafter der ertragreichen C-GmbH, diese auf die verlustträchtige B-GmbH zu verschmelzen. Der Verschmelzungsstichtag lag zwischen Verzichtszeitpunkt und Anteilseignerwechsel. Die B-GmbH erzielte nun Gewinne und die Besserungsbedingungen waren erfüllt. Die B-GmbH buchte die Verbindlichkeit aufwandswirksam wieder ein (rettete somit einen Teil der Verluste vor der Nichtabziehbarkeit) und leistete die entsprechenden Zahlungen an B.

     

    5.1 Verschmelzung der Gewinn- auf die Verlustgesellschaft

    Auch die rückwirkende Verschmelzung auf einen Zeitpunkt vor dem Anteilseignerwechsel führt zur Anwendung des § 8c Abs. 1 KStG. Selbst wenn der Gewinn der Überträgerin die Verlustvorträge und den unterjährigen Verlust der Übernehmerin überstiege, gingen sie verloren. Die grundsätzliche Möglichkeit, bis zum schädlichen Anteilseignerwechsel noch nicht genutzte Verluste mit den ‒ wegen der Rückwirkung ‒ nun vorliegenden Gewinnen zu verrechnen (BMF 28.11.17, BStBl I 17, 1645, Rz. 33 f.), scheitert an § 2 Abs. 4 S. 3 UmwStG.

     

    Hiernach ist der Ausgleich oder die Verrechnung von positiven Einkünften des übertragenden Rechtsträgers im Rückwirkungszeitraum mit verrechenbaren Verlusten, verbleibenden Verlustvorträgen, nicht ausgeglichenen negativen Einkünften, einem Zinsvortrag und einem EBITDA-Vortrag des übernehmenden Rechtsträgers nicht zulässig. Die verlustträchtige B-GmbH muss die im Rückwirkungszeitraum (Verschmelzungsstichtag bis Handelsregistereintragung) von der C-GmbH erzielten Gewinne versteuern und die noch nicht genutzten Verluste der B-GmbH gehen unter. Die Anwendung der Stille-Reserven-Klausel (§ 8c Abs. 1 S. 5 KStG) scheitert an dem Ausschluss der Rückbeziehungsmöglichkeit des Betriebsvermögens der C-GmbH bei der Berechnung der stillen Reserven der B-GmbH (§ 8c Abs. 1 S. 8 KStG).

     

    Die Verlustrettung erfolgt auch in dem abgewandelten Fall allein aufgrund des auflösend bedingten Forderungsverzichts, der zu einer Verringerung der ansonsten untergehenden noch nicht genutzten Verluste der B-GmbH führt.

     

    Beachten Sie | Die Verschmelzung einer Gewinngesellschaft auf ihre verlustträchtige Schwestergesellschaft stellt keinen Gestaltungsmissbrauch dar (BFH 18.12.13, BFH/NV 14, 904). Zu den Besonderheiten der Kombination der Verschmelzung mit dem Forderungsverzicht siehe die Ausführungen zu 2.3.

     

    5.2 Verschmelzung der Verlust- auf die Gewinngesellschaft

    Wird nach der Veräußerung der Besserungsanwartschaft die Verlustgesellschaft (B-GmbH) auf die Gewinngesellschaft (C-GmbH) verschmolzen, schuldet diese nun die Besserungszahlungen. Der Schuldnerwechsel ist geeignet, den ursprünglich betrieblichen Veranlassungszusammenhang zu durchbrechen, wenn die Verschmelzung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist. Dies ist nach Ansicht des BFH (21.2.18, BFH/NV 18, 1284) jedenfalls dann der Fall, wenn die Verlustgesellschaft ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hat, über kein Vermögen verfügt und keine wirtschaftlich sinnvollen Gründe für die Verschmelzung vorliegen. Der Aufwand aus der wieder auflebenden Verbindlichkeit stellt dann eine verdeckte Gewinnausschüttung dar. Sind allerdings wirtschaftliche Gründe für die Verschmelzung maßgebend und ist die Verlustgesellschaft aktiv tätig und nicht lediglich eine „leere Hülle“, dürfte m. E. eine gesellschaftlich veranlasste Verschmelzung ausscheiden (so auch Klein, FR 18, 748).

     

    Beachten Sie | Die Verschmelzung einer Verlust- auf eine Gewinngesellschaft führt zum Untergang der bisher nicht genutzten Verluste (§ 12 Abs. 3 UmwStG).

     

    FAZIT | Der bedingte Forderungsverzicht mit Veräußerung der Besserungsanwartschaft ist grundsätzlich zur Verlustrettung geeignet. Problematisch sind vor allem die unklare Ansicht der Finanzverwaltung zu dieser Thematik, die divergierenden Ansichten des I. und VIII. Senats zu § 42 AO sowie die Besteuerung der Besserungszahlungen (§ 20 Abs. 2 Nr. 7 S. 2 EStG) bzw. die streitige Steuerfreiheit der Besserungszahlungen an eine Kapitalgesellschaft.

     
    Quelle: Ausgabe 09 / 2020 | Seite 329 | ID 46573903

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