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  • 01.02.2006 | Rückstellung

    Die Bildung einer Rückstellung für Altersteilzeit nach dem „Blockmodell“

    von StB Dipl.-Bw. (FH) Jürgen Hegemann, Titisee-Neustadt und Torsten Querbach, Frankfurt

    Das Hessische FG (23.9.04, 4 K 1120/02, EFG 05, 392, Rev. I R 110/04) hat die Diskussion um die ordnungsgemäße Bildung einer Rückstellung für Altersteilzeitbeschäftigte im so genannten „Blockmodell“ erneut angefacht. Das FG folgte teilweise der Auffassung der Literatur (IDW-Fachgutachten), gab aber auch der Finanzverwaltung zum Teil Recht. Die neue Rechtsprechung sollte bei der erstmaligen Bildung und bei der Überprüfung bereits gebildeter Rückstellungen unbedingt berücksichtigt werden. Die Auswirkungen auf die Praxis werden im folgenden Musterfall dargestellt. 

     

    1. Sachverhalt

    Der Unternehmer U praktiziert in seinem Unternehmen die Altersteilzeit als Blockmodell (Jahr 01 bis 04). Seine 55-jährigen Mitarbeiter werden in den ersten beiden Jahren (Beschäftigungsphase) in Vollzeit weiterarbeiten und in den beiden Folgejahren (Freistellungsphase) vollständig freigestellt. Sie erhalten in beiden Phasen 50 v.H. des letzten Vollzeitgrundgehaltes. Zusätzlich sind Aufstockungszahlungen vereinbart worden. Das Vollzeitgehalt der betroffenen Arbeitnehmer beträgt zusammen 200.000 EUR. U erhält bei einer Neueinstellung auf Grund des Arbeitnehmerübergangs in die Altersteilzeit (§ 168 AFG) eine gänzliche oder teilweise Erstattung der Aufstockungsbeträge. Dazu müssen folgende Voraussetzungen vorliegen: 

     

    • Der Aufstockungsbetrag muss mindestens 20 v.H. des letzten Regelarbeitsentgelts betragen (= insgesamt 70 v.H.) und
    • die Rentenversicherungsbeiträge des U müssen einem um mindestens 30 v.H. (= insgesamt 80 v.H.) aufgestockten Regelarbeitsentgelt entsprechen.

     

    Die Aufstockungszahlung beträgt 20.000 EUR (50 v.H. von 200.000 EUR Vollzeitarbeitsentgelt = 100.000 EUR, davon 20 v.H.). Für die Aufstockung der Rentenversicherungsbeiträge ist ein Betrag von 16.000 EUR anzusetzen ( 80 v.H. von 100.000 EUR Regelarbeitsentgelt = 80.000 EUR, davon rund 20 v.H. gesetzliche Rentenversicherung). Somit zahlt der Arbeitgeber während des Blockmodells jährlich 136.000 EUR (Regelarbeitsentgelt = 100.000 EUR und Aufstockung = 20.000 EUR und Aufstockung der Rentenversicherungsbeträge = 16.000 EUR). 

     

    2. Rückstellung laut IDW-Stellungnahme

    Die Handelsbilanz wird durch die IDW-Stellungnahme (IDW RS HFA 3, WPg 98, 594) geprägt. Diese sieht folgende Rückstellungen vor: 

     

    1.Ab Beginn des Tarifvertrages oder der Betriebsvereinbarung ist eine Rückstellung für potentielle Altersteilzeitverhältnisse zu bilden. Dabei müsse sich die Höhe an der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und ihrer Dauer orientieren.

     

    2.Für den Erfüllungsrückstand aus den Altersteilzeitverträgen ist ab Beginn der Beschäftigung eine sich ratierlich aufbauende Rückstellung zu bilden. Dabei sind die gesamten Kosten der Freistellungsphase der Höhe nach zu erfassen, soweit die Aufstockungsbeträge nicht schon passiviert worden sind.

     

    3.Ab der Vereinbarung der Altersteilzeit mit dem jeweiligen Arbeitnehmer ist auch eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Diese Rückstellung umfasst die insgesamt zu zahlenden Aufstockungsbeträge in der Beschäftigungs- und Freistellungsphase. Die Rückstellung für den Erfüllungsrückstand und die Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten sind in der „Freistellungsphase“ ratierlich gewinnerhöhend aufzulösen.

     

    4.Die Erstattung der Aufstockungsbeträge mindert zwar die Rückstellung nicht, es ist aber bei deren Bewilligung eine Forderung zu bilanzieren.

     

    Für die Erstellung der Steuerbilanz gilt laut BMF-Schreiben vom 11.11.99 (BStBl I, 959) Folgendes: Die Bildung einer Rückstellung ist nur möglich, wenn der Arbeitnehmer während der Beschäftigungsphase auf einen Teil seiner Vergütung verzichtet, die ihm dann später in der Freistellungsphase ausgezahlt wird (BMF-Schreiben vom 11.11.99, a.a.O., Tz. 16 und 17). 

     

    3. Rückstellung laut Finanzamt

    Das Finanzamt ermittelt die Rückstellung wie folgt: 

     

    1.Eine Rückstellung für Erfüllungsrückstand wird ab Beginn der Altersteilzeit (= „Beschäftigungsphase“) nur in Höhe der Differenz zwischen dem laufenden Arbeitsentgelt vor Beginn der Altersteilzeit und der während der Beschäftigungsphase in der Altersteilzeit gezahlten Vergütung (einschließlich Aufstockungsbetrag) anerkannt. Die Rückstellung ist dabei ratierlich anzusammeln.

     

    Erstattungsbeträge sind erst nach Stellung des Antrages gegenzurechnen. Ergeht ein Bewilligungsbescheid, so ist der Erstattungsbetrag nicht von der Rückstellung abzuziehen, sondern als Forderung zu aktivieren. Die Rückstellung beträgt damit 30 v.H. des jeweiligen Bruttovollzeitentgelts (vgl. Anmerkung RiFG Trossen, in EFG 05, 397 ff.). Während der „Freistellungsphase“ ist die Rückstellung ebenfalls ratierlich aufzulösen.

     

    2.Die Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (= Aufstockungszahlungen) kann erst zusätzlich mit Beginn der zweiten Phase des Blockmodells (= „Freistellungsphase“) gebildet werden. Sie ermittelt sich aus dem Barwert der zukünftig zu erbringenden Aufstockungsbeträge und des zukünftigen Teilzeitentgeltes abzüglich des angesammelten Erfüllungsrückstandes.

     

    Die Auffassung der Finanzverwaltung sorgt in der Praxis für einen erhöhten Rückstellungsausweis zu Beginn der Freistellungsphase. 

     

    4. Vermittelnde Lösung des FG Hessen

    Das Hessische FG folgt den veröffentlichten Bilanzierungsalternativen (Schmidt, EStG, 23. Aufl. 2004, § 5 Rz. 550) und vertritt eine vermittelnde Auffassung. Danach ist eine Rückstellung vor Beginn der Beschäftigungsphase nicht möglich (so sieht das auch die Finanzverwaltung). Die Höhe der Rückstellung entwickelt sich ratierlich aus den gesamten Aufwendungen der Freistellungsphase – also dem Altersteilzeitbruttoentgelt, den Aufstockungsbeträgen und den (Arbeitgeber-)Rentenversicherungsbeiträgen (zustimmend: Schrifttum; a.A. Finanzverwaltung). Im Einzelnen: 

     

    1.Da mit Beginn der jeweiligen Altersteilzeit hinreichend wahrscheinlich ist, dass Lohnfortzahlungen in der Freistellungsphase anfallen und zwischen dem Lohn in der Freistellungsphase und der Arbeit in der Beschäftigungszeit ein rechtlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang besteht, liegen die Voraussetzungen für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor. Da der Vergütungsanspruch der Freistellungsphase korrespondierend mit dem Vergütungsanspruch der Arbeitsphase entsteht, ist die Rückstellung ratierlich zu bilden. Sobald die Arbeitsphase abgelaufen ist, entspricht die Rückstellung der gesamten für die Freistellungsphase bestehenden Verpflichtung.
    Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind grundsätzlich mit dem Nennbetrag zu bewerten. Dabei sind grundsätzlich alle Aufwendungen zu berücksichtigen, die im Zuge des Übergangs von der Vollzeit- auf die Altersteilzeit entstehen, also die
    • Bruttobezüge einschließlich der Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld); Überstunden sind nicht anzusetzen,
    • darauf entfallende Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung,
    • lohnabhängige Zahlungen wie Beiträge zur Berufsgenossenschaft,
    • Entgeltsaufstockungen sowie Aufstockungszahlungen und Beiträge zur Höherversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung.

     

    2.Die Rückstellung für den Erfüllungsrückstand ist ebenfalls zu bilden. Da beim Blockmodell in der zweiten Hälfte nur noch der Arbeitgeber eine Verpflichtung erfüllt, entsteht ein einseitiger Verpflichtungsüberhang aus dem schwebenden Geschäft. Der Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Geschäfte hindert nicht den Ausweis einer Verbindlichkeit, die erst nach Beendigung des Schwebezustands zu erfüllen sein wird. Die Rückstellung ist ratierlich aufzubauen. Allerdings besteht der Verpflichtungsüberhang nicht schon bei Antragstellung auf Altersteilzeit, da der Arbeitnehmer selbst noch keine Leistung erbracht hat. Auch für nur potentielle Anwärter auf Altersteilzeit ist noch keine Rückstellung aus einem Verpflichtungsüberhang zu bilden.

     

    3.Eine Minderung der Rückstellung um die nach dem Altersteilzeitgesetz künftig möglicherweise eingehenden Erstattungen der Bundesanstalt für Arbeit (§ 4 ATG) kommt nicht in Betracht. Der Anspruch des Arbeitgebers auf diese Förderleistungen entsteht rechtlich erst mit der Wiederbesetzung des frei gewordenen Arbeitsplatzes.

     

    5. Neuerungen bei der Bildung der Rückstellung

    Das Hessische FG hat bei der Ermittlung auch Neuerungen festgelegt, die als Vereinfachung für die Bilanzierungspraxis zu begrüßen sind: 

     

    Biometrische Faktoren: Da die Verpflichtung zur Erbringung von Leistungen mit dem Tod bzw. bei Invalidität des Arbeitnehmers endet, sind die Rückstellungsberechnungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung (§ 253 Abs. 1 S. 2 HGB) generell nach der versicherungsmathematischen Methode durchzuführen (Bode/Grabner, DStR 00, 143; Büchele, BB 1998, 1736). Allerdings sind die biometrischen Faktoren nur bei dem überschießenden Betrag nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zu berücksichtigen, da der Rückstellungsbetrag, soweit er die Differenz zwischen gezahltem Entgelt und dem Entgelt für Vollarbeitszeit betrifft, auch im Falle des Ablebens des Arbeitnehmers (an die Erben) auszuzahlen ist (Oser/Doleczik, DB 97, 2189). Angesichts der bezogen auf die Gesamtverpflichtung nur untergeordneten Bedeutung dieses versicherungsmathematischen Risikos erscheint es dem FG Hessen sachgerecht, einen pauschalen Abschlag von 2 v.H. auf die Verpflichtungen vorzunehmen, um der Wahrscheinlichkeit des Wegfalls von Zahlungsverpflichtungen ausreichend Rechnung zu tragen.  

     

    Abzinsung: Eine Abzinsung ist grundsätzlich vorzunehmen (§ 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG; BMF 11.11.99, a.a.O., Tz. 10 Satz 1). Eine Abzinsung kann unterbleiben, wenn die Altersteilzeitvereinbarung an Tariflohnerhöhungen teilnimmt, die einen verzinslichen Charakter haben (vgl. Tz. 10 Satz 3). Soweit das „alte“ BMF-Schreiben unverändert bestehen bleibt, kommt eine Abzinsung aus Vereinfachungsgründen auch nicht in Betracht, wenn die Fälligkeit der Verpflichtung nicht später als drei Jahre nach der Bildung eintritt (Tz. 10 Satz 2 HS 2). 

     

    6. Unterschiedliche Lösungsansätze

    Der Unternehmer U muss bei der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierung folgende unterschiedlichen Lösungsansätze beachten. 

     

    Auffassung des IDW: Bei Abschluss der Altersteilzeitvereinbarung im Jahr 00 sind die gesamten Aufstockungszahlungen in Höhe von 144.000 EUR (36.000 EUR x 4 Jahre) als ungewisse Verbindlichkeit zurückzustellen. In der Beschäftigungsphase (Jahre 01 und 02) füllt U die Rückstellung für den Erfüllungsrückstand mit jährlich 100.000 EUR gleichmäßig auf. Die Rückstellung enthält dann die Aufwendungen für die mehr geleistete Arbeit in der Beschäftigungsphase, die in der Freistellungsphase (Jahre 03 und 04) gezahlt werden müssen. 

     

    Hinweis: Die Auffassung des IDW, eine Rückstellung für nur potentielle Altersteilzeitbeschäftigungsverhältnisse zu bilden, wird in diesem Musterfall nicht berücksichtigt. 

     

    Auffassung der Finanzverwaltung: Mit Beginn der Altersteilzeit (Beschäftigungsphase) ist ebenfalls die Rückstellung für den Erfüllungsrückstand kontinuierlich aufzufüllen. Die Bewertung erfolgt allerdings nur in Höhe der Differenz zwischen dem Vollzeitarbeitsentgelt vor Beginn der Altersteilzeit in Höhe von 200.000 EUR und der während der Beschäftigungsphase in der Altersteilzeit gezahlten Vergütung (einschließlich Aufstockungsbetrag) in Höhe von 136.000 EUR. Sie beträgt im Gegensatz zur Lösung des IDW somit nur 64.000 EUR. Mit Ende der Beschäftigungsphase werden dann die restlichen Zahlungen der Freistellungsphase in Höhe von 72.000 EUR, die nicht Erfüllungsrückstand sind, als ungewisse Verbindlichkeit zurückgestellt. 

     

    Auffassung des Hessischen FG: In der Beschäftigungsphase sind ratierlich sämtliche Verpflichtungen der Freistellungsphase in Höhe von 272.000 EUR anzusammeln. 

     

    Berechnungsschema zur „Höhe der Rückstellung“

       

    Jahr 00 

    Jahr 01 

    Jahr 02 

    Jahr 03 

    Jahr 04 

    Summe 

    Zahlung des Arbeitsgebers 

      

    136.000  

    136.000  

    136.000  

    136.000  

    544.000  

    IDW (= Handelsbilanz) 

      

    Aufwand 

    -144.000  

    -200.000  

    -200.000  

    0  

    0  

    -544.000  

      

    - Personalaufwand 

      

    -100.000  

    -100.000  

      

      

    -200.000  

      

    - Rückstellungsbildung 

    -144.000  

    -100.000  

    -100.000  

      

      

    -344.000 

      

    Verbrauch (= Rückstellungsinanspruchnahme) 

      

    36.000  

    36.000  

    136.000  

    136.000  

    344.000  

      

    Rückstellung 

    144.000  

    208.000  

    272.000  

    136.000  

    0  

      

      

    - Erfüllungsrückstand 

      

    100.000  

    200.000  

    100.000  

      

      

      

    - Aufstockungszahlungen 

    144.000  

    108.000  

    72.000  

    36.000  

      

      

    Finanzverwaltung (= Steuerbilanz) 

      

    Aufwand 

    0  

    -200.000  

    -344.000  

    0  

    0  

    -544.000  

      

    - Personalaufwand 

      

    -136.000  

    -136.000  

      

      

    -272.000  

      

    - Rückstellungsbildung 

      

    -64.000  

    -208.000  

      

      

    -272.000 

      

    Verbrauch (= Rückstellungsinanspruchnahme) 

      

      

      

    136.000  

    136.000  

    272.000  

      

    Rückstellung 

    0  

    64.000  

    272.000  

    136.000  

    0  

      

      

    - Erfüllungsrückstand 

      

    64.000  

    128.000  

    0  

      

      

      

    - Rückstellung (= ungew. Verb.) - Rest 

      

      

    144.000  

    136.000  

      

      

    Hessisches FG 

      

    Aufwand 

      

    -272.000  

    -272.000  

      

      

    -544.000  

      

    - Personalaufwand 

      

    -136.000  

    -136.000  

      

      

    -272.000  

      

    - Rückstellungsbildung 

      

    -136.000  

    -136.000  

      

      

    -272.000 

      

    Verbrauch (= Rückstellungsinanspruchnahme) 

      

      

      

    136.000  

    136.000  

    272.000  

      

    Rückstellung (= ungew. Verb.) 

      

    136.000  

    272.000  

    136.000  

    0  

      

     

     

    7. Anwendungshinweis

    U.E. sind bereits gebildete Rückstellungen hinsichtlich der biometrischen Faktoren um 2 v.H. zu mindern (soweit nicht bereits erfolgt). Außerdem muss vorsorglich überprüft werden, ob Erstattungen der Bundesagentur für Arbeit erfasst wurden. Soweit ein Bewilligungsbescheid vorliegt, muss die Erstattung in voller Höhe Gewinn erhöhend berücksichtigt werden. Ein Abzug von der ausgewiesenen Altersteilzeitrückstellung kommt nicht in Betracht. 

    Quelle: Ausgabe 02 / 2006 | Seite 53 | ID 87313

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