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  • Musterfall

    Zustimmung zum begrenzten Realsplitting

    Im Jahr 1995 hat Ehemann M. an seine getrenntlebende Ehefrau laufenden Unterhalt in Höhe von insgesamt 6.000 DM geleistet. Im März 1995 wurde die Ehe der Eheleute M. geschieden. Im Rahmen der Ehescheidung wird vereinbart, daß der Ehemann die Rechte aus einer Lebensversicherung, einschließlich des bislang erwachsenen Rückkaufswertes mit Bonus in Höhe von rund 23.000 DM, an seine Ehefrau abtritt. Die Ehefrau verzichtet in der Folge auf nachehelichen Ehegattenunterhalt einschließlich des Notbedarfs.

    Ehemann M. möchte bei seiner Einkommensteuererklärung 1995 sowohl die laufenden Unterhaltszahlungen als auch die Übertragung des Werts der Lebensversicherung bis zum Höchstbetrag von 27.000 DM als Sonderausgaben im Rahmen des begrenzten Realsplittings abziehen. Die geschiedene Ehefrau des M. ist nicht bereit, die Anlage U zur Einkommensteuererklärung des Ehemanns zu unterzeichnen.

    Ehemann M. befragt seine Rechtsanwältin, ob seine geschiedene Ehefrau rechtlich verpflichtet ist, dem begrenzten Realsplitting zuzustimmen und die Anlage U zu unterzeichnen.

    1. Ausgangslage

    Bei der Einkommensteuerveranlagung des Unterhaltsverpflichteten können Unterhaltsleistungen bis zum Höchstbetrag von 27.000 DM/Jahr an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden. Der Unterhaltsempfänger hat die Unterhaltsleistungen insoweit als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1a EStG zu versteuern.

    1.1 Unterhaltsleistungen

    Es ist unerheblich, ob die Unterhaltsleistungen freiwillig oder aufgrund gesetzlicher Unterhaltspflicht erbracht werden H 86 b EStR 1993. Auch als Unterhalt erbrachte Sachleistungen sind zu berücksichtigen. Ferner ist ohne Bedeutung, ob es sich um laufende oder einmalige Leistungen handelt. Wird eine Unterhaltsverpflichtung durch Leistung eines einmaligen Kapitalbetrags abgelöst, empfiehlt es sich, im Einzelfall zu prüfen, ob eine Verteilung der Abfindungszahlung auf mehrere Jahre steuerliche Vorteile bringt.

    Zu den Unterhaltsleistungen gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehören auch die Erstattung von Steuern des Unterhaltsempfängers durch den Unterhaltsverpflichteten und die Ersetzung weiterer Nachteile, die der Unterhaltsempfänger durch das begrenzte Realsplitting erleidet.

    1.2 Formelle Voraussetzungen

    Der Unterhaltsverpflichtete kann das begrenzte Realsplitting nur mit Zustimmung des Unterhaltsempfängers beantragen. Eine bestimmte Form ist weder für den Antrag des steuerpflichtigen Unterhaltszahlers noch für die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers vorgeschrieben. In der Praxis geläufig ist jedoch die sogenannte Anlage U, die grundsätzlich von beiden Ehegatten unterschrieben sein muß.

    2. Anspruch auf Zustimmung zum Realsplitting

    2.1 Grundsatz

    Als Unterhaltszahler hat Ehemann M. gegen die unterhaltsberechtigte Ehefrau grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting Zug um Zug gegen Abgabe der Erklärung, die aus der Zustimmung erwachsenden finanziellen Nachteile auszugleichen BGH 13.4.88 IV b ZR 46/87, FamRZ 88, 820; BFH 25.10.88 BStBl II 89, 192. Dies resultiert aus der - auch bei Geschiedenen geltenden - gegenseitigen Unterhalts- und Belastungsminderungspflicht § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB. Bei rechtsmißbräuchlicher Verweigerung der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting macht sich der Unterhaltsberechtigte schadenersatzpflichtig.

    2.2 Ausgleich von Nachteilen

    Zu den steuerlichen Nachteilen, die vom Unterhaltsverpflichteten auszugleichen sind, gehören die Einkommensteuer, der Solidaritätszuschlag sowie die Kirchensteuer einschließlich der Vorauszahlungen str., soweit sie auf den Unterhaltsleistungen beruhen.

    Der Unterhaltsverpflichtete, der das begrenzte Realsplitting in Anspruch nimmt, hat dem Unterhaltsempfänger auch die Kosten des Steuerberaters BGH 13.4.88 aaO einschließlich der Steuerberatungskosten für die Berechnung der steuerlichen Nachteile OLG Hamm 10.7.92 5 UF 35/92, FamRZ 93, 205 auszugleichen, wenn der Rat eines Steuerberaters notwendig war. Bei verbindlicher Freistellungserklärung durch den Unterhaltsverpflichteten besteht nach Ansicht des BGH aaO aber i.d.R. keine Notwendigkeit, sich steuerlich beraten zu lassen.

    Ferner ist der Wegfall öffentlicher Leistungen auszugleichen. Gemäß § 10 Abs. 1 SGB V sind Ehegatten als Familienangehörige ohne Zahlung eigener Beiträge im Rahmen der Familienkranken-versicherung mitversichert, wenn sie u.a. nur über ein geringes Gesamteinkommen verfügen. Unterhaltsleistungen zwischen getrennt lebenden Eheleuten, die der krankenversicherte Geber als Sonderausgaben von der Einkommensteuer absetzt und die infolgedessen beim Empfänger als sonstige Einkünfte steuerpflichtig sind, zählen beim Empfänger zum Gesamteinkommen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 HS. 1 SGB V und schließen bei Überschreiten der Gesamteinkommensgrenze die Familienversicherung aus. Die durch das begrenzte Realsplitting anfallenden Krankenkassenbeiträge sind dem Unterhaltsgläubiger als Nachteil vom Unterhaltsschuldner zu ersetzen.

    Außerdem sind betroffen die von Einkommensgrenzen abhängige Wohnungsbauprämie und Sparprämie sowie die Arbeitnehmer-Sparzulage für vermögenswirksame Leistungen nach dem Vermögensbildungsgesetz; ebenso Stipendien nach dem Graduiertenförderungsgesetz.

    Bei der Gewährung von Wohngeld, Waisen-, Eltern- und Ausgleichsrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz und  von Leistungen nach dem BAföG werden Unterhaltsleistungen beim Berechtigten ohnehin als Einkünfte behandelt. Bei diesen Förderungen können sich jedoch dann Nachteile ergeben, wenn der Unterhaltsempfänger Mehrbeträge als Ausgleich für steuerliche oder andere Nachteile erhält, die zusätzlich erfaßt werden müssen.

    3. Gestaltungsvorschlag

    Wenn Ehegatten sich jährlich wegen des Realsplittings auseinandersetzen müssen, treten sehr häufig erhebliche Probleme auf. Vielfach entsteht zwischen den Beteiligten Streit, ob bestimmte Leistungen als Unterhaltszahlungen mit steuerrechtlicher Relevanz anzusehen sind oder nicht. Die Erteilung der Zustimmungserklärung durch den Unterhaltsempfänger wird verzögert oder für die strittige Leistung ganz verweigert.

    3.1 Außergerichtliche Klärung

    Fälle dieser Art lassen sich durch die Einreichung einer Klage auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting beim zuständigen Familiengericht oft nicht befriedigend lösen. Die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Frage, ob die vom Unterhaltsberechtigten in Ansatz gebrachten Leistungen überhaupt und gegebenenfalls in welcher Höhe steuerlich zu berücksichtigen sind, bleibt nach Ansicht der Familiengerichte der maßgeblichen steuerrechtlichen Beurteilung durch die Finanzbehörden überlassen.

    In der Praxis empfiehlt es sich deshalb, die Zustimmungserklärung des Unterhaltsempfängers nicht durch Unterzeichnung der Anlage U einzuholen, sondern eine individuelle Erklärung auszuarbeiten. In die Zustimmungserklärung ist der ausdrückliche Hinweis aufzunehmen, daß es dem zuständigen Finanzamt überlassen bleiben soll, ob und in welcher Höhe Unterhaltsleistungen vom Unterhaltsverpflichteten als Sonderausgaben geltend gemacht werden können. Der Unterhaltsempfänger ist i.d.R. bereit, eine solche Erklärung zu unterzeichnen. Ein Formulierungsvorschlag für die Zustimmungserklärung ist unter 4. abgedruckt.

    3.2 Gerichtliche Klärung

    Steuerrechtlich ist die Zustimmungserklärung unbedingt erforderlich; auch bei rechtsmißbräuchlicher Verweigerung. Wird die Zustimmung vom Unterhaltsempfänger endgültig verweigert, ist durch einen Rechtsanwalt Klage einzureichen. Da der Anspruch auf Zustimmung zum begrenzten Realsplitting aus dem Unterhaltsrechtsverhältnis abgeleitet wird unterhaltsrechtliche Nebenpflicht, handelt es sich bei der Klage um eine Familiensache i.S.d. § 23b Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 GVG. Zuständig ist das Familiengericht.

    Der Klageantrag ist auf Abgabe der Zustimmungserklärung zum begrenzten Realsplitting zu richten, nicht auf Unterzeichnung der Anlage U. Das Zivilurteil, in dem der Unterhaltsberechtigte zur Zustimmung zum Realsplitting verurteilt wird und der Prozeßvergleich, in dem der Unterhaltsberechtigte der Durchführung  des Realsplittings zustimmt, ersetzen die Zustimmungserklärung.

    Im Fall der rechtskräftigen Verurteilung zur Erteilung der Zustimmung § 894 ZPO wirkt die Zustimmung nur für das Kalenderjahr, das Gegenstand des Rechtsstreits war. Wird die Zustimmung im Rahmen eines Vergleichs erteilt, wirkt sie - wie die Zustimmungserklärung - bis auf Widerruf. Die Vorlage des Urteils bzw. des Prozeßvergleichs beim Finanzamt genügen.

    4. Mustererklärungen

    Nachfolgend haben wir Ihnen sowohl eine Verpflichtungserklärung als auch eine Zustimmungserklärung abgedruckt. Diese Texte sind Formulierungsvorschläge. Im Einzelfall ist die jeweilige Erklärung auf die speziellen Bedürfnisse des Mandanten hin zu formulieren.

    Verpflichtungserklärung

    Ich verpflichte mich, sämtliche finanziellen Nachteile  auszugleichen, die meinem geschiedenen Ehegatten ..., wohnhaft ..., infolge der Zustimmung zum begrenzten Realsplitting für das Jahr ... entstehen werden.

    Ich übernehme insbesondere die Belastungen durch Einkommen-, Kirchensteuer- und Solidaritätszuschlagszahlungen sowie Steuerberatungskosten, soweit diese auf der Durchführung des begrenzten Realsplittings im Jahr ... beruhen.

    Zu den von mir zu übernehmenden finanziellen Nachteilen gehören auch - falls gegeben - der Wegfall öffentlicher einkommensabhängiger Leistungen infolge der Durchführung des begrenzten Realsplittings für das Jahr ...

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    Ort, Datum   Unterschrift Unterhaltsverpflichteter

    Zustimmungserklärung

    Ich, ..., wohnhaft ..., stimme ausdrücklich der Durchführung des begrenzten Realsplittings durch meinen geschiedenen Ehegatten ..., wohnhaft ..., für den Einkommensteuerveranlagungszeitraum 19.. zu mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß es dem zuständigen Finanzamt ... überlassen bleiben soll, in welcher Höhe für den Veranlagungszeitraum 19.. Unterhaltsleistungen von meinem geschiedenen Ehegatten als Sonderausgaben geltend gemacht werden können.

    Ich habe im Jahr 19.. von meinem geschiedenen Ehegatten ... laufende Unterhaltszahlungen in Höhe von ... DM erhalten. Des weiteren hat er mir in 19.. zum Beispiel seine Rechte aus der Lebensversicherung ... einschließlich Guthaben im Wert von ... DM übertragen.

    ..............................................................................

    Ort, Datum   Unterschrift Unterhaltsverpflichteter

    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 02/1997, Seite 15

    Quelle: Ausgabe 02 / 1997 | Seite 15 | ID 103202

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