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  • Bilanzierung
    Bildung von § 6b-Rücklagen: Steueroptimale Ausschöpfung des Gestaltungspotenzials
    von StB Bernd Meyer u. WP StB Jochen Ball, beide Bad Homburg v.d.H.
    Die Bildung steuerfreier Rücklagen nach § 6b EStG ist ein klassisches Mittel zur Vermeidung aktueller Steuerbelastungen. Das Gestaltungspotenzial ist erheblich, in seiner Tragweite aber nicht immer klar. Es lohnt sich, einen Blick hinter die Kulissen des § 6b EStG zu werfen und Nutzen daraus zu ziehen.
    1. Grundregeln steuerfreier Rücklagenbildung
    Eine steuerfreie Rücklage darf gemäß § 6b Abs. 1 EStG in Höhe des Veräußerungsgewinnes nur für solche stillen Reserven gebildet werden, die
  • sich im Grund und Boden, dem Aufwuchs auf Grund und Boden oder in Gebäuden befinden (im folgenden "Wirtschaftsgut") und
  • durch Veräußerung realisiert wurden, wenn
  • das betroffene Wirtschaftsgut im Veräußerungszeitpunkt gemäß § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG mindestens sechs Jahre ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehört hat.
    Begünstigt sind seit dem 1.1.02 auch Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften (§ 6b Abs. 10 EStG; max. 500.000 EUR). Auf eine Darstellung der damit verbundenen Besonderheiten wird nachfolgend verzichtet (vgl. Kreft, GStB 02, 138; Hartmann/Meyer, Inf 02, 141).
    Die Rücklage kann nach § 6b Abs. 3 EStG entweder sofort oder innerhalb von vier Jahren auf ein Reinvestitionsgut (Grund und Boden, Aufwuchs, Gebäude) steuerneutral übertragen werden. Entfällt eine Reinvestition, ist die Rücklage mit Fristablauf gewinnerhöhend aufzulösen, zuzüglich einem jährlichen Gewinnzuschlag von 6 v.H. (§ 6b Abs. 7 EStG).
    2. Begünstigung nur von Veräußerungsgewinnen
    Die Rücklagenbildung setzt die Gewinnrealisierung durch Veräußerung voraus, also die Übertragung eines Wirtschaftsguts auf eine andere Person (R 41a Abs. 1 EStR). Potenzielle andere Person (Erwerber) in diesem Sinne kann auch eine dem Veräußerer gehörende Kapitalgesellschaft sein, ebenso eine so genannte Einmann-GmbH & Co. KG des Veräußerers. Allerdings muss es eine Gesellschaft sein, die infolge ihrer gewerblichen Tätigkeit oder Prägung gemäß § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Allein solche Personengesellschaften sind einkommensteuerlich voll anerkannte Rechtsträger, schirmen also gegenüber dem Gesellschafter ab. Bei einer lediglich vermögensverwaltenden, nicht gewerblich tätigen/geprägten Personengesellschaft hingegen wird auf den Gesellschafter durchgegriffen (BMF 5.10.00, BStBl I, 1383 Tz. 8).
    Der Veräußerungstatbestand wird bei schlichter Einlage begünstigter Wirtschaftsgüter gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG in ein Betriebsvermögen nicht verwirklicht, auch nicht im Falle der Überführung in das Gesamthandsvermögen einer gewerblichen Personengesellschaft. Allerdings hat der Steuerpflichtige hier ein Wahlrecht. Er kann sich anstelle der Einlage auch für eine Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten entscheiden. Das ist ein tauschähnlicher Vorgang und damit Anschaffungsgeschäft (Rogall, DStR 04, 1243/1244). Der Steuerpflichtige muss lediglich beachten, dass die Gutschrift für die eingebrachten Wirtschaftsgüter bei der Personengesellschaft auf demjenigen Kapitalkonto erfolgt, das für seine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen maßgebend ist (BMF 29.3.00, BStBl I, 462). Eine Veräußerung lässt sich also durchaus auch mit Hilfe einer personenidentischen GmbH & Co. KG arrangieren.
    Keine Veräußerung ist die bloße Entnahme eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen in das steuerliche Privatvermögen (R 41a Abs. 1 EStR). Es mangelt auf Grund fortbestehender Eigentümeridentität am Merkmal der Veräußerung. Entsprechendes gilt für die unentgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf Dritte, gleichgültig, ob es beim Empfänger Privatvermögen oder Betriebsvermögen darstellt. Mitunter aber ist die Entnahme getarnt und nur schwer auszumache
    Beispiel 1
    A ist Inhaber eines Einzelunternehmens. Er "veräußert" eine zum Betriebsvermögen gehörende Immobilie (Buchwert 100.000 EUR) für 1,1 Mio. EUR an X gegen Übernahme privater Verbindlichkeiten.
    § 6b EStG greift nur, wenn das Wirtschaftsgut durch "echte" Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausscheidet. Im obigen Fall hat der BFH (v. 23.6.81, BStBl II 82, 18) die Veräußerung verneint und eine nicht begünstigte Entnahme unterstellt. Entnahmen liegen nach seiner Ansicht auch bei Verwendung eines betrieblichen Wirtschaftsguts zur Befreiung von einer privaten Schuld vor. Der privaten Schuldentilgung geht logisch die vorherige Entnahme des "veräußerten" Wirtschaftsguts ins Privatvermögen voraus. Private Schulden eignen sich also denkbar schlecht als Gegenleistung für die Übertragung betrieblicher Wirtschaftsgüter.
    Ansonsten kommen jedoch als Entgelt im Rahmen steuerbegünstigter Veräußerungen alle erdenklichen Gegenleistungen in Betracht, insbesondere die Übernahme betrieblicher Verbindlichkeiten oder Sachleistungen, auch in Form materieller oder immaterieller Wirtschaftsgüter wie zum Beispiel Gesellschaftsrechte. Wird gegen materielle Wirtschaftsgüter veräußert (= Tausch), ist das erworbene Wirtschaftsgut eventuell zugleich das zur Übertragung der stillen Reserven benötigte Reinvestitionsgut.
    3. Veräußerung begünstigter Anlagegüter
    Bei der Veräußerung begünstigter Wirtschaftsgüter ist eine sechsjährige Mindest-Besitzzeit zu berücksichtigen. Besonderheiten sind im Falle eines Gesellschafterwechsels zu beachten.
    3.1 Beachtung der sechsjährigen Besitzzeit
    Begünstigt ist nur die Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die im Veräußerungszeitpunkt ab Anschaffung/Herstellung mindestens sechs Jahre (nicht volle Wirtschaftsjahre) ununterbrochen zum Anlagevermögen einer inländischen Betriebsstätte gehören. Es ist also von entscheidender Bedeutung, dass die Sechsjahresfrist zwischendurch nicht auf Grund ungeschickter Maßnahmen - vielleicht sogar unbemerkt - unterbrochen wird und neu beginnt. Die Sechsjahresfrist wird jedoch nicht unterbrochen (s. auch R 41c EStR),
  • wenn ein Betrieb insbesondere im Rahmen der Generationennachfolge unentgeltlich und damit zwingend zum Buchwert auf eine andere Person übergeht (§ 6 Abs. 3 EStG);
  • wenn ein Betrieb in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG) oder eine Personengesellschaft (§ 24 UmwStG) gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten übertragen wird und die Gesellschaft das übernommene Betriebsvermögen mit dem Buchwert ansetzt;
  • wenn das einzelne § 6b-begünstigte Wirtschaftsgut unter den Voraussetzungen des § 6 Abs. 5 EStG zum Buchwert einem anderen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen zugeführt oder innerhalb derselben Personengesellschaft transferiert wird (vgl. auch Hartmann/Meyer, Inf 03, 870/871).
    Die Übertragung des ganzen Betriebs oder einzelner Wirtschaftsgüter zum Buchwert verhindert also regelmäßig den nachteiligen Beginn einer neuen Sechsjahresfrist.
    Beispiel 2
    E ist Inhaber eines Einzelunternehmens mit einer wertvollen Immobilie (Buchwert 100.000 EUR; Verkehrswert 1,1 Mio. EUR; Anschaffung 1.1.01). Er möchte sich aus dem Erwerbsleben zurückziehen und überträgt die Immobilie zum 1.1.10 unentgeltlich auf Sohn S, der sie für eigene gewerbliche Zwecke benötigt.
    Es entsteht hier ein Entnahmegewinn von 1 Mio. EUR in der Person des E, der nicht in eine steuerfreie § 6b-Rücklage eingestellt werden kann. S wiederum legt die Immobilie zum Verkehrswert von 1,1 Mio. EUR in sein Betriebsvermögen ein. Die Sechsjahresfrist beginnt bei ihm neu. Eine extrem nachteilige Disposition, weil einerseits die aufgedeckten stillen Reserven definitiv besteuert werden und andererseits eine Anwendung des § 6b EStG bei späterer Veräußerung durch S für künftig entstehende stille Reserven sechs Jahre gesperrt ist.
    Beispiel 3
    E und S gehen abweichend von Beispiel 2 taktisch klüger vor und gründen zunächst die E+S OHG unter steuerneutraler Einbringung des Einzelunternehmens gemäß § 24 UmwStG. Die Immobilie wird notwendiges Sonderbetriebsvermögen des E. Anschließend überträgt E diese zum 1.1.10 unentgeltlich auf Sohn S (künftig Sonderbetriebsvermögen des S).
    Auf Grund der hier zwingend steuerneutralen Buchwertübertragung des Sonderbetriebsvermögens gemäß § 6 Abs. 5 EStG von E auf S wird die Besitzzeit des E bei S angerechnet. Damit erfüllt auch S die sechsjährige Besitzzeit und kann bei Veräußerung dieser Immobilie eine § 6b-Rücklage von 1 Mio. EUR bilden. Je nach Bedeutung der stillen Reserven lohnt sich also mitunter die Gründung einer aus Vater und Sohn bestehenden Personengesellschaft nur zum Zweck der Buchwertübertragung wesentlicher Betriebsgrundlagen unter Wahrung der Sechsjahresfrist des § 6b EStG. S hat dann alle nötigen Optionen. Er kann entweder die steuerneutral übertragene Immobilie selbst für betriebliche Zwecke nutzen oder einen daraus erzielten Veräußerungserlös, wenn er die Voraussetzungen steuerfreier Rücklagenübertragung erfüllt, auf ein Reinvestitionsgut übertragen.
    Von einem schädlichen Neubeginn der Sechsjahresfrist ist aber auszugehen, wenn das Wirtschaftsgut entgeltlich oder teilentgeltlich veräußert wird. Das Risiko teilentgeltlicher Übertragung wird dabei häufig verkannt.
    Beispiel 4
    Vater V (65 Jahre) ist Inhaber eines Einzelunternehmens mit einem Buchwert von 150.000 EUR. Darin enthalten ist eine in 02 angeschaffte Immobilie (Buchwert 100.000 EUR, Verkehrswert 1,1 Mio. EUR). V überträgt den Betrieb auf Sohn S zum 1.1.10 unter der Auflage einer Ausgleichszahlung an ihn von 200.000 EUR.
    Die Übertragung des Betriebs erfolgt teilentgeltlich, weil S eine über den Buchwert des Betriebs hinausgehende Zahlung zu leisten hat. Damit entsteht zwar in der Person des V ein Veräußerungsgewinn von lediglich 50.000 EUR, der gemäß § 16 Abs. 4 EStG sogar in vollem Umfang (ab 1.1.04 nur noch bis max. 45.000 EUR) steuerfrei bleibt (Herrmann/Heuer/Raupach, § 16 EStG, Rn. 76). Andererseits wird damit nach Ansicht des BFH (v. 7.11.00, BFH/NV 01, 262) die Vorbesitzzeit des V in vollem Umfang unterbrochen und beginnt beim Übernehmer S neu (Meyer/Ball, FR 03, 377/385). S muss folglich die zusammen mit dem Betrieb übernommene Immobilie gemäß § 6b Abs. 4 Nr. 2 EStG bei Veräußerung mindestens sechs Jahre ununterbrochen in seinem Anlagevermögen gehalten haben (Fristende 1.1.16). Andernfalls würde er nicht privilegiertes Betriebsvermögen veräußern mit der Folge eines nicht durch Rücklagenbildung neutralisierbaren Veräußerungsgewinnes von 1 Mio. EUR. S muss also mit einer Veräußerung bis zum 2.1.16 warten, wenn er den vollen Veräußerungserlös nach § 6b EStG begünstigt reinvestieren will.
    3.2 Vorsicht beim Gesellschafterwechsel
    Kaum weniger relevant sind die Risiken eines Gesellschafterwechsels sowie des Gesellschafteraustritts. Denn ab 1.1.02 ist nicht mehr die Gesellschaft als solche zur Rücklagenbildung berechtigt, sondern der einzelne Gesellschafter (R 41b Abs. 6 EStR). Infolgedessen sind die Voraussetzungen des § 6b EStG gesellschafterbezogen zu prüfen, nicht gesellschaftsbezogen. Das kann zum quotalen Verlust der § 6b-Rücklage führen.
    Beispiel 5
    Die aus den Brüdern A und B bestehende A+B OHG veräußert zum 1.1.10 eine zum Betriebsvermögen der OHG gehörende Immobilie (Gewinn 1 Mio. EUR). Vater V war seinerzeit zum 1.1.06 aus der Firma ausgeschieden und hatte seinen Anteil von 80 v.H. auf die Söhne A und B gegen eine geringfügig über dem Buchwert liegende Ausgleichszahlung übertragen (zur Schädlichkeit teilentgeltlicher Veräußerung siehe Beispiel 4).
    Der Veräußerungsgewinn kann nur in Höhe von 20 v.H. (= 200.000 EUR) in eine § 6b-Rücklage eingestellt werden, weil die Gesellschafter A und B hinsichtlich des übrigen 80-prozentigen Anteils nicht das Kriterium der sechsjährigen Besitzzeit erfüllen. Eine Anrechnung der Besitzzeit des V entfällt wegen (teil-)entgeltlicher Anteilsübertragung.
    4. § 6b-Rücklagen und Betriebsveräußerung
    Nachfolgend soll untersucht werden, wie § 6b-Rücklagen bei einer Betriebsveräußerung zu behandeln sind und welche Gestaltungsmöglichkeiten bestehen.
    4.1 Behandlung vorhandener § 6b-Rücklagen
    Bei Betriebsveräußerung vorhandene § 6b-Rücklagen werden regelmäßig anlässlich der Veräußerung gewinnerhöhend aufgelöst. Der Gesetzgeber belohnt dieses Verhalten mit einer Steuerbegünstigung des gesamten Gewinnes (§ 34 Abs. 3 EStG). Eine Auflösung ist aber nicht zwingend.
    Beispiel 6
    Einzelunternehmer E (65 Jahre) veräußert seinen Betrieb zum 30.6.04 mit einem Gewinn von 1,2 Mio. EUR. Darin enthalten ist eine § 6b-Rücklage von 0,8 Mio. EUR, die E zum 31.12.03 anlässlich der Veräußerung einer zum Einzelunternehmen gehörenden Immobilie zulässigerweise gebildet hatte.
    E kann zwischen drei Besteuerungsvarianten wählen (der Einfachheit halber wird eine Steuerbelastung von 50 v.H./25 v.H. unterstellt):
    Variante 1 Variante 2 Variante 3
    Besteuerung des -Immobiliengewinnes in 03 in Höhe von 0,8 Mio. EUR Keine Besteuerung des Immobiliengewinnes in 03 durch Neubildung einer § 6b-Rücklage Bildung einer § 6b-Rücklage in 03 mit Fortführung über die Betriebsveräußerung hinaus
    Besteuerung der Betriebsveräußerung in 04 mit 0,4 Mio. EUR Besteuerung der Betriebsveräußerung in 04 mit 1,2 Mio. EUR Besteuerung der Betriebsveräußerung in 04 mit 0,4 Mio. EUR
    ESt = 500.000 EUR ESt = 300.000 EUR ESt = 200.000 EUR
    Variante 1 ist extrem nachteilig, weil E den Gewinn aus der Immobilienveräußerung normaltariflich versteuert und zusätzlich (hier nicht berücksichtigt) Gewerbesteuer zahlen muss. Außerdem besteht das Risiko einer Besteuerung des Gewinnes aus der Betriebsveräußerung ebenfalls zum Normaltarif (fehlende zusammengeballte Gewinnrealisierung in einem Wirtschaftsjahr). Sinnvoll ist Variante 2, weil über einen Transfer der § 6b-Rücklage aus dem Entstehungsjahr 03 in das Jahr der Betriebsveräußerung 04 insgesamt tarifbegünstigter Gewinn entsteht. Variante 3 schließlich erscheint vom Ergebnis her trotz normaltariflicher Besteuerung des Veräußerungsgewinnes besonders attraktiv. Jedoch verbleibt eine latente Steuerbelastung auf Grund der in Höhe von 0,8 Mio. EUR fortgeführten § 6b-Rücklage. Diese ist später ebenfalls normaltariflich aufzulösen (= 400.000 EUR), sollte eine Reinvestition unterbleiben. Dann entsteht eine Gesamtsteuerbelastung von 600.000 EUR, die selbst bei künftiger Senkung des Spitzensteuersatzes auf 42 v.H. noch beachtlich ist. Der aktuelle Liquiditätsvorteil kann also später teuer werden.
    4.2 Behandlung der anlässlich einer Betriebsveräußerung gebildeten § 6b-Rücklage
    Die § 6b-Rücklage darf auch anlässlich einer Betriebsveräußerung gebildet werden (R 41b Abs. 10 EStR). § 6b EStG setzt nicht die fortbestehende Existenz eines Betriebs voraus. Damit entfällt freilich die Steuerbegünstigung des § 34 Abs. 3 EStG (halber Steuersatz). Der Veräußerungsgewinn wird folglich normaltariflich besteuert, soweit er die § 6b-Rücklage übersteigt (Gewerbesteuer fällt nicht an). Das kann je nach Höhe der potenziellen § 6b-Rücklage attraktiv, in Fällen der Betriebsaufgabe sogar von existenzieller Bedeutung sein.
    Beispiel 7
    Einzelunternehmer E (50 Jahre) erklärt zum 31.12.14 die Betriebsaufgabe. Stille Reserven sind lediglich im Betriebsgrundstück (Anschaffung 01) in Höhe von 1 Mio. EUR enthalten. Die Immobilie wird anlässlich der Betriebsaufgabe an X veräußert.
    E ist dringend anzuraten, die stillen Reserven von 1 Mio. EUR in eine § 6b-Rücklage einzustellen (BFH 4.2.82, BStBl II, 348). Zwar erscheint diese nicht mehr in einer Handels-/Steuerbilanz, sondern nur noch als statistischer Merkposten. Dies aber steht der Rücklagenbildung nicht entgegen. In diesem Zustand verharrt die § 6b-Rücklage entweder bis zum Ablauf der vierjährigen Reinvestitionsfrist (= 31.12.18) und wird dann mit Gewinnzuschlag (24 v.H.) normaltariflich versteuert oder sie wird innerhalb dieser Frist auf ein Reinvestitionsgut übertragen (siehe Tz. 4.3).
    4.3 Gründung einer GmbH & Co. KG zur Endlagerung von § 6b-Rücklagen
    § 6b-Rücklagen müssen innerhalb von vier Jahren auf Reinvestitionen (Grund und Boden, Aufwuchs oder Gebäude) übertragen werden, wenn ihre gewinnerhöhende Auflösung vermieden werden soll. Solche Investitionen stehen aber nicht immer kurzfristig zur Verfügung oder sind gar unerwünscht. Es gibt aber Ausweichgestaltungen.
    Beispiel 8
    E hat in Beispiel 7 eine den Betrieb überdauernde (außerbilanzielle) § 6b-Rücklage in Höhe von 1 Mio. EUR gebildet. Betriebliche Investitionen in einem neuen Gewerbebetrieb sind nicht geplant. E ist allerdings Eigentümer eines wertvollen privaten Mietwohngrundstücks (Verkehrswert 1,5 Mio. EUR).
    E kann der Besteuerung infolge Zwangsauflösung seiner Rücklage entgehen, wenn er eine gewerblich geprägte GmbH & Co. KG mit ihm als alleinigem Kommanditisten und Anteilseigner der Komplementär-GmbH gründet (dazu kann er sich max. vier Jahre Zeit lassen). Die KG erwirbt nun das zum steuerlichen Privatvermögen des E gehörende Mietwohngrundstück zum Kaufpreis von 1,5 Mio. EUR und zahlt entweder durch Übernahme privater Verbindlichkeiten oder Gewährung von Gesellschaftsrechten. Damit tätigt die KG aus der Sicht des § 6b EStG eine begünstigte Reinvestition. Diese wird E auf Grund personenbezogener Handhabung des § 6b EStG persönlich als Kommanditist zugerechnet. Er kann daher die gesamte § 6b-Rücklage auf diese Immobilie übertragen. In der Steuerbilanz der KG steht sie folglich nur noch mit 0,5 Mio. EUR zu Buche. Die vermiedene Steuerzahlung von 0,5 Mio. EUR dürfte den künftig höheren Beratungsaufwand der KG sowie anfallende Notarkosten (keine Grunderwerbsteuer!) deutlich überkompensieren. Allerdings ist die Immobilie anschließend natürlich zeitlich unbegrenzt steuerverhaftet.
    5. Transfer von § 6b-Rücklagen auf Familienangehörige
    Die personelle "Entsorgung" von § 6b-Rücklagen ist gelegentlich nur mit etwas Phantasie möglich, insbesondere bei solchen Rücklagen, die über die Existenz des Betriebs hinaus als statistischer Merkposten fortbestehen (siehe Beispiel 7).
    Beispiel 9
    Einzelunternehmer E (65 Jahre) möchte seinen Betrieb aufgeben und das Betriebsgrundstück (stille Reserven 1 Mio. EUR) an Dritte veräußern. Sohn S ist ebenfalls Inhaber eines Gewerbebetriebs. S plant, seinen Betrieb zu erweitern. Dazu benötigt er Liquidität.
    E kann frei entscheiden, entweder den Aufgabegewinn gemäß § 34 Abs. 3 EStG tarifbegünstigt zu versteuern (nur einmal im Leben möglich) oder den Immobiliengewinn in eine § 6b-Rücklage einzustellen. Letzteres wäre allerdings wenig sinnvoll, weil die § 6b-Rücklage nach vier Jahren zwingend gewinnwirksam aufgelöst wird. Sie lässt sich als bloße statistische Größe nicht an S "verschenken". Besser ist folgender Weg: E überträgt den noch aktiven Betrieb auf Sohn S gegen Versorgungsleistungen (dadurch keine schädliche Veräußerung). Die Betriebsaufgabe einschließlich Grundstücksveräußerung erfolgt - nach einer Schamfrist - erst durch S. Den Veräußerungsgewinn stellt S in eine § 6b-Rücklage ein und überträgt diese (vor oder nach endgültiger Aufgabe des übernommenen Betriebs) auf Reinvestitionen im eigenen Betrieb. Dies ist zulässig, weil § 6b-Rücklagen personen- und nicht betriebsbezogen sind. Die ersparten Steuerzahlungen des Vaters stehen also im Ergebnis für betriebliche Investitionen des Sohnes zur Verfügung. Freilich sind dadurch bei S geschaffene stille Reserven eines Tages von ihm zu versteuern, sofern keine Enkel zur Fortführung der stillen Reserven zur Seite stehen.
    Im Todesfall wird die § 6b-Rücklage nicht zwangsweise aufgelöst. Sie verbleibt im Betrieb bzw. besteht als außerbilanzielle Rücklage (siehe Beispiel 7) fort.
    Beispiel 10
    E ist Inhaber eines Betriebs. Zum 31.12.04 wurde anlässlich einer Grundstücksveräußerung eine § 6b-Rücklage von 1 Mio. EUR gebildet. E stirbt am 30.6.05 und wird von Sohn S und Tochter T beerbt. Den Betrieb führt allein S nach steuerneutraler Realteilung des Nachlasses fort.
    Im Grundfall geht die § 6b-Rücklage zusammen mit dem Betrieb auf S über. Eine quotale Zurechnung bei T ist ausgeschlossen (ist dies erwünscht, muss der Betrieb von S und T gemeinsam fortgeführt werden). Die auf S entfallende latente Steuerbelastung muss im Rahmen der Erbauseinandersetzung zwischen S und T zivilrechtlich ausgeglichen werden.
    Abwandlung: E veräußerte seinen Betrieb zum 31.12.04. Hinsichtlich des allein auf das Betriebsgrundstück entfallenden Veräußerungsgewinns bildete er eine (außerbilanzielle) § 6b-Rücklage.
    In der Abwandlung entfällt die § 6b-Rücklage mangels Betrieb zwangsläufig auf S und T als Erbengemeinschaft. Sie wird beiden nach Maßgabe der Erbquote anteilig zugerechnet und spätestens zum 31.12.08 (= Ende der vierjährigen Reinvestitionsfrist) voll versteuert, sollte eine Übertragung auf Reinvestitionsgüter nicht möglich sein. Das Spektrum potenzieller Reinvestitionen ist freilich weit und schließt jegliches Betriebsvermögen von S und T ein (Einzelunternehmen, Sonderbetriebsvermögen oder gesamthänderische Beteiligung an einer Personengesellschaft). Bislang nicht geklärt ist indes, ob einer der beiden Erben bei entsprechender Reinvestition die gesamte Rücklage (gegen zivilrechtliche Ausgleichszahlungen des jeweils anderen Erben) übernehmen kann.
    Hinweis: Eine Rücklagenauflösung noch in der Person des Erblassers ist in Beispiel 10 ebenfalls zulässig, solange die Bilanz zum 31.12.04 dem FA noch nicht vorliegt. Bei Abgabe der Bilanz tritt aber Bindungswirkung ein. Der nachträgliche Verzicht auf eine § 6b-Rücklage wäre als unzulässige Bilanzänderung gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 EStG anzusehen. Ausweg: Es dürfte zulässig sein, zwecks zutreffender Gewinnzuordnung im Todesjahr eine Zwischenbilanz zum 30.6.05 (Todestag des E) zu erstellen und darin die Rücklage zulasten des Erblassers aufzulösen. Nebeneffekt: Die damit verbundene Steuerbelastung mindert die Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer.
    Quelle: Gestaltende Steuerberatung - Ausgabe 11/2004, Seite 427
    Quelle: Ausgabe 11 / 2004 | Seite 427 | ID 103968

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