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  • · Fachbeitrag · Unternehmensbewertung

    Abgesenkter Basiszins entpuppt sich als Werttreiber bei der „Praxis-Wertentwicklung“

    von Prof. Dr. Peter Knief, Köln

    | Das BMF hat den Basiszins für das vereinfachte Ertragswertverfahren mit 2,04 % bekannt gegeben ( BMF 2.1.13, IV D 4 - S 3102/07/10001 , Abruf-Nr. 130448 ). Dieser Prozentsatz ist für die Wertermittlungen des Betriebsvermögens im laufenden Jahr 2013 anzuwenden. Für das Jahr 2012 galt bei unentgeltlichen Zuwendungen noch ein Wert von 2,44 %. Welche Auswirkungen diese Absenkung auf die Wertentwicklungen für die Besteuerung hat, zeigt das folgende Zahlenmodell am Beispiel der Wertentwicklung einer Steuerberatungskanzlei über einen Zeitraum von vier Jahren. |

    1. Ertragswertverfahren und Kapitalisierungszinssatz

    Als der Gesetzgeber zum 1.1.09 das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Bewertung nicht notierter Anteile, das auch für die freien Berufe gilt, einführte, glaubte er klug beraten, ein einfaches Unternehmensbewertungsverfahren zu konzipieren (vgl. §§ 199 ff. BewG). Neben dem für Personengesellschaften und Einzelunternehmen schwer zu bestimmenden Unternehmerlohn (vgl. dazu Knief, P., Der kalkulatorische Unternehmerlohn für Steuerberater, in DStR 2008, 1895 ff.) ermittelte er den Kapitalisierungszins durch einen Basiszins jeweils zum 1. Januar eines Jahres sowie einen festen Zuschlag von 4,5 % (vgl. § 203 BewG).

     

    An eines hat der Gesetzgeber nicht gedacht, an eine Kapitalmarktkrise: Zum 1.1.13 hat nun der Finanzminister den Basiszinssatz auf 2,04 % festgesetzt.

    2. Die grundlegende Darstellung

    Im Folgenden wird ein Jahresvergleich über einen Zeitraum von vier Jahren unter bestimmten Prämissen dargestellt: Ausgangspunkt ist ein unterstellter Umsatzvervielfältiger von 100 %. Die Umsätze bleiben etwa gleich, werden aber mit 2 % p.a. gesteigert. Bei unterstellten Personalkosten von 45 % und Sachkosten von 24 % (diese werden ebenfalls p.a. um 2 % gesteigert), ergibt sich dann ein Überschuss von gleichbleibenden 31 %.

     

    Das vereinfachte Ertragswertverfahren erlaubt es, einen kalkulatorischen Unternehmerlohn anzusetzen: Dieser wird im Folgenden mit einem Basislohn von 66.000 EUR zuzüglich Opportunitätskosten von 60 % angesetzt. Auch dieser unterliegt einer jährlichen Steigerung von 2 %. Gemäß § 203 BewG wird der Basiszins zzgl. einem Allgemeinzuschlag von 4,5 % jedes Jahr neu angesetzt: Zum 1.1.10 betrug der Basiszins noch 3,98 %. Im Laufe der Zeit fiel dieser auf 2,04 % zum 1.1.13.

     

    Diese Prämissen führen nun zu einem vereinfachten Ertragswert mit beachtlich aufsteigender Tendenz. Die Steigerung des vereinfachten Ertragswertes beträgt über die Laufzeit von vier Jahren insgesamt 38 %.

     

    Zieht man von dem jeweiligen vereinfachten Ertragswert den Substanzwert ab (hier mit 20 % der jeweiligen Leistung, als betriebswirtschaftlichem Erfahrungswert), erhält man den Goodwill mit 136.981 EUR. Die Steigerung des Goodwills über den Jahreszeitraum von vier Jahren beträgt 56 %.

     

    • Vereinfachte Ertragswertmethode
    2010
    2011
    2012
    2013

    Unterstellter Umsatzvervielfältiger

    100 %

    100 %

    100 %

    100 %

    Zuwachs

    Goodwill demnach

    400.000

    408.000

    416.160

    424.483

    Praxiswerte zum jeweiligen Stichtag

    1.1.10

    1.1.11

    1.1.12

    1.1.13

     

    Umsatzleistung (Steigerung 2 % p.a.)

    400.000

    408.000

    416.160

    424.483

    Personalkosten (Steigerung 2 % p.a.)

    45 %

    180.000

    183.600

    187.272

    191.017

    Sachkosten (Steigerung 2 % p.a.)

    24 %

    96.000

    97.920

    99.878

    101.876

    Summe Kosten

    69 %

    276.000

    281.520

    287.150

    292.893

    Überschuss

    124.000

    126.480

    129.010

    131.590

    Kalk. StB-Lohn lt. DStV

    Basislohn

    66.000

    Opportunitätskosten 60 % (Steigerung 2 % p.a.)

    39.600

    105.600

    107.712

    109.866

    112.064

    zu kapitalisieren

    18.400

    18.768

    19.143

    19.526

    Zuschlag

    4,50 %

    4,50 %

    4,50 %

    4,50 %

    Basiszins gem. § 203 Abs. 1, 2 BewG

    3,98 %

    3,43 %

    2,44 %

    2,03 %

    Kapitalisierungszinssatz

    8,48 %

    7,93 %

    6,94 %

    6,53 %

    Kapitalisierungsfaktor

    11,792

    12,610

    14,409

    15,314

    vereinfachter Ertragswert gem. §§ 199 ff. BewG

    216.981

    236.671

    275.841

    299.023

    38 %

    Annahme Substanzwert

    Mindestwert in % von der Leistung

    20 %

    80.000

    81.600

    83.232

    84.897

    Goodwill

    136.981

    155.071

    192.609

    214.127

    56 %

    in % der Leistung

    34 %

    38 %

    46 %

    50 %

    steuerlicher Wert oder Mindestwert

    216.981

    236.671

    275.841

    299.023

    38 %

    Goodwill (bei Multipleanwendung)

    400.000

    408.000

    416.160

    424.483

    Goodwilldifferenz

    263.019

    252.929

    223.551

    210.356

    Zwischenergebnis: Die permanente Senkung des Basiszinssatzes aufgrund der Kapitalmarktkrise bewirkt, dass der vereinfachte Ertragswert unverhältnismäßig stark ansteigt, obwohl kaum anzunehmen ist, dass der Wert einer Steuerberaterpraxis dieser Größenordnung, im Beispiel relativ stagnierend mit einem Inflationswachstum von 2 % dargestellt - auf 38 % steigen soll. Diese Tendenz bleibt auch bestehen, wenn die Leistung stärker steigt oder zurückgeht. Die vom Gesetzgeber bestimmten Zinsen und die Bewertungsmethode führten offensichtlich zu einer fehlerhaften, nicht wirklichkeitsnahen überhöhten Ermittlung der Bemessungsgrundlage für das Besteuerungsverfahren.

    3. Ertragswert nach IDW S1

    Zum Vergleich führt eine knappe Simulation einer Bewertung nach dem Verfahren nach IDW S1 zu folgenden Ergebnissen. Dabei wird als Ausgleich für die fallenden Zinsen am Kapitalmarkt ein Zinsausgleich formuliert, wie es auch in der Literatur mittlerweile anerkannt wird.

     

    HINWEIS: Hier soll nicht diskutiert werden, in welcher Höhe ein solcher Ausgleich stattzufinden hat: Das Beispiel dient lediglich der Veranschaulichung der Problematik.

     

    • Ertragswertmethode nach IDW S1
    2010
    2011
    2012
    2013

    1.1.10

    1.1.11

    1.1.12

    1.1.13

    zu kapitalisieren

    18.400

    18.768

    19.143

    19.526

    Basiszins gem. § 203 Abs. 1, 2 BewG

    3,980 %

    3,430 %

    2,440 %

    2,030 %

    Ausgleich wegen Finanzmarktkrise

    0,550 %

    1,540 %

    1,950 %

    Ausgangszins

    3,980 %

    3,980 %

    3,980 %

    3,980 %

    Risikozuschlag Freie Berufe

    100 %

    3,980 %

    3,980 %

    3,980 %

    3,980 %

    7,960 %

    7,960 %

    7,960 %

    7,960 %

    besonderer persönlicher Risikozuschlag

    30 %

    2,388 %

    2,388 %

    2,388 %

    2,388 %

    10,348 %

    10,348 %

    10,348 %

    10,348 %

    persönlicher Steuersatz

    30 %

    -3,104 %

    -3,104 %

    -3,104 %

    -3,104 %

    7,244 %

    7,244 %

    7,244 %

    7,244 %

    Ertragswert nach IDW S1

    254.017

    259.098

    264.280

    269.565

    abzüglich Substanz

    -80.000

    -81.600

    -83.232

    -84.897

    Goodwill

    174.017

    177.498

    181.048

    184.669

    in % der Leistung

    43,5 %

    43,5 %

    43,5 %

    43,5 %

    vereinfachter Ertragswert gem. §§ 199 ff. BewG

    216.981

    236.671

    275.841

    299.023

    Differenz zum Ertragswert nach IDW S1

    -37.036

    -22.427

    11.561

    29.458

    Wahl des Verfahrens

     §§ 199 ff. BewG

    §§ 199 ff. BewG

    IDW S1

    IDW S1

     

    Anders als beim vereinfachten Ertragswertverfahren des Bewertungsgesetzes wird ein Zuschlag für das Risiko der freien Berufe auf den Ausgangswert zu 100 % gebildet. Zusätzlich wird ein persönlicher Zuschlag von 30 % angesetzt. Unter Berücksichtigung eines persönlichen Steuersatzes von 30 % ergibt sich dann ein Rechenzins von 7,244 %. Ob auch für freie Berufe das „n“ unendlich ist, soll hier nicht diskutiert werden. Die Tendenz der Literatur geht eher zu einer kürzeren Laufzeit.

     

    Zwischenergebnis: Die vorliegenden Zahlen zeigen eine deutliche Differenz zwischen dem Ertragswert nach IDW S1 und dem vereinfachten Ertragswert. In der Praxis bedeutet dies: Erscheint dem Steuerpflichtigen der Ertragswert gemäß §§ 199 ff. BewG als zu hoch, so hat er das Wahlrecht gemäß § 11 Abs. 2 BewG, ein individuelles Gutachten gemäß IDW S1 F zu erstellen.

     

    Es scheint, dass aufgrund der ständigen Zinssenkungen - die sich auf § 203 BewG voll ausgewirkt haben - in Zukunft das vereinfachte Ertragswertverfahren durch individuelle Gutachten ersetzt werden muss.

    4. Ergebnis

    Das vereinfachte Ertragswertverfahren gilt nicht nur für das Erbschaftsteuergesetz, sondern auch für das Ertragsteuerrecht. Daher ist es für den Berater wichtig, sich mit den Folgen eines sinkenden Basiszinses auseinander zu setzen. Nach Auffassung des Verfassers sind ohnehin bei jeder Bewertung beide Methoden zur Ertragswertermittlung gleichzeitig durchzurechnen.

     

    Während das vereinfachte Ertragswertverfahren gem. § 199 ff. BewG nur eine strategische, disponible Verhandlungsgröße kennt, nämlich den Unternehmerlohn, gibt es im Verfahren nach IDW S1 eine Vielzahl von Parametern (Zinsermittlung, Bestimmung der Laufzeit u.a.), die mit der Finanzverwaltung „diskutiert“ werden können. Ohnehin ergeben sich für Personengesellschaften eine Vielzahl von neuen Problemen, die bisher weder in der Praxis noch in der Literatur gesehen wurden:

     

    Bei Personengesellschaften muss aufgrund der Rechtsprechung für jeden einzelnen Personengesellschafter der Unternehmerlohn individuell ermittelt werden, die Kriterien der Zugehörigkeit zur Praxis und der Erfahrung steigern bei den jüngeren Gesellschaftern den zukünftigen individuellen Wert im Verhältnis zu den älteren Gesellschaftern. Diese Verschiebung der Erfahrungswerte muss konsequent in einem Planungs-System nachvollzogen werden.

     

    Die Diskussion um die richtige Bewertung von Freiberuflersozietäten beginnt also erst. Hier wird der BGH mit den Berufsständen noch einiges zu klären haben.

     

    Zum Autor | Der Verfasser ist Unternehmensberater in Köln und war bis 2009 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Heute befasst er sich vorwiegend mit der Problematik der Bewertung freiberuflicher Praxen (insbesondere als Gutachter für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei Gerichten aller Instanzen). Er ist Autor umfangreicher betriebswirtschaftlicher Literatur zu dieser Thematik wie auch Verfasser offener Excel-Tools. Er ist zu erreichen unter dr@peter-knief.de (www.peter-knief.de).

    Quelle: Ausgabe 02 / 2013 | Seite 20 | ID 37837770

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