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  • · Fachbeitrag · Generationswechsel

    Bewahren oder Verändern? - Wenn die Innovationen in den Nachfolgestrudel geraten

    von Prof. Dr. Birgit Felden und Dipl.-Kffr. (FH) Maria Wirtz, beide Köln

    | Einer der Gründe für das hohe Ansehen deutscher Unternehmen, speziell der kleinen und mittleren Familienunternehmen in Deutschland, war und ist ihre hohe Innovationsfähigkeit. Doch wie ist es um die Innovationsfähigkeit dieser Unternehmen bestellt, wenn ein Generationswechsel ansteht? |

    1. Die Folgen der Globalisierung

    Oft gelten Innovationsfähigkeit und die Schnelligkeit des Mittelstandes als Basis zur Zukunftssicherung. Doch im Vergleich zu früher hat sich vieles elementar geändert und das bekommen auch diese Unternehmen zu spüren: Noch vor wenigen Jahren konnte ein Unternehmen seine Marktführerschaft behaupten, indem es seine Produkte und Dienstleistungen gut hütete. Das hat sich stark geändert. Weltweit werden immer mehr Informationen produziert. Gleichzeitig wird Wissen immer mobiler und ist schneller zugänglich als je zuvor. Die Globalisierung der Information über Produkt- und Dienstleistungsmärkte macht auch vor dem Mittelstand nicht halt.

     

    Eine Unternehmensnachfolge stellt das Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen. Und diese Herausforderung haben in Deutschland permanent über 100.000 Unternehmen zu bewältigen. Viele übertragen das Unternehmen an eigene Kinder, aber auch die Übernahme durch Mitarbeiter oder Externe nimmt zu. Dabei sind sowohl strategische als auch rechtliche, steuerliche und nicht selten emotionale Fragen zu beantworten. Und: Es braucht Zeit - erfahrungsgemäß zwischen 3 und 5 Jahren mindestens -, um eine Übergabe erfolgreich abzuschließen und Bewährtes zu bewahren.

     

    Innovationsfähigkeit und Bestandswahrung im Generationswechsel scheinen zunächst konträr zu sein. Doch auch der Generationswechsel beinhaltet das Wort „Wechsel“ - und Wechsel bedeutet in der Regel nicht nur personellen Wechsel, sondern auch neue Ideen, neue Wege und: Innovationen.

    2. Familienunternehmen und Innovation

    Versteht man unter Innovationskraft allein Aktivitäten der Forschung und Entwicklung, sieht es bei mittelständischen Familienunternehmen eher mau aus. Nur 21 % betreiben aktiv Forschung und Entwicklung - so eine Untersuchung der Friedrich-Ebert Stiftung. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) nicht auf den großen technischen „Wurf“ setzen, sondern aus verschiedenen Gründen vor allem auf die innovative Verbesserung bestehender Produkte und Prozesse achten. Auch Produktimitationen sind hier häufiger vorzufinden. Und: KMU ist nicht gleich KMU. Ein High-Tech-Startup, ein junges Unternehmen, das in Feldern der Hoch- oder Spitzentechnologie arbeitet, ist nicht mit einem klassischen Mittelständler im Druckgewerbe oder in der Möbelindustrie vergleichbar.

     

    Forschende KMU im Bereich der Spitzentechnologien sind also eher untypisch für den Mittelstand. Betrachtet man den Begriff Innovation jedoch weiter, also mehr als Forschung und Technik, mehr als nur eine neue oder bestehende Idee in ein funktionierendes Produkt umzusetzen, sieht es anders aus. Typische Innovationsmuster von KMU sind Produkt- und/oder Prozessverbesserungen mit dem Ziel der Optimierung des Kunden-/Anwendernutzens, begleitet bzw. ergänzt von Maßnahmen zur Verbesserung der internen Abläufe, Strukturen und Bedingungen. Hier sind die kleineren Unternehmen oftmals agiler, flexibler und näher am Kunden.

     

    Aber Familienunternehmen haben auch typische Innovationsschwächen. Die häufig fehlende strategische Ausrichtung im Sinne einer mittel-/langfristigen Unternehmensplanung und die eher traditionelle Unternehmenskultur. Ohne Offenheit gegenüber Neuerungen, ohne Förderung der Mitarbeiter fehlen die Voraussetzungen für innovatives Handeln. Fehlendes Managementwissen sowie geringe zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen sind weitere Hindernisse.

    3. Familienunternehmen und Nachfolge

    Die letztgenannten Aspekte scheinen Chancen im Rahmen eines Generationswechsels zu bieten. In den letzten Jahren vor einem Generationswechsel rücken oft die persönlichen Ziele der Abgebenden stärker in den Vordergrund. Die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen - und damit die Innovationsbereitschaft - lässt sukzessive nach, da die Wahrung des Bestehenden wichtiger erscheint. Ein neuer Kopf mit neuen Ideen und der Bereitschaft, zur Umsetzung die erforderlichen Risiken einzugehen, kann dem Unternehmen echten Mehrwert bieten.

     

    In der Beratung von Unternehmerfamilien bei der Nachfolge zeigen sich jedoch immer wieder die im folgenden Kapitel dargestellten, typischen fünf Problemkreise, in denen Fragen des Bewahrens und Innovationserfordernisse zu Konflikten führen. Können diese nicht gelöst werden, weil das Unternehmen über viele Jahre im Generationswechsel „stecken bleibt“, kann dies existenzgefährdend für das Unternehmen sein.

     

    3.1 Die Gefahr der strategischen Neuausrichtung

    Familienunternehmen blicken vielfach auf eine lange Tradition zurück - nicht nur im Hinblick auf das Unternehmerdasein, sondern auch bei Grundsatzentscheidungen für bestimmte Produkte, Marken und Branchen. Diese Beständigkeit beweist den Erfolg und gibt den Unternehmerfamilien Sicherheit - oft über mehrere Generationen hinweg -, in den sich stetig ändernden Märkten zu agieren. Noch bestehende Sakralschreinereien, Färbereien, Zulieferbetriebe im Bergbau sind nur einige Zeugen dieser Traditionen.

     

    Umso schwerer fällt es diesen Unternehmen, sich aus betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit auf Veränderungen einzustellen und neue Märkte zu erobern, wenn die alten wegbrechen. Was für junge Unternehmer, die Betriebe übernehmen, eine spannende Herausforderung ist, bedeutet für die Übergeber oft den „Verrat“ des Bewährten und das Infragestellen der eigenen unternehmerischen Fähigkeiten. Wenn unabdingbare Neuausrichtung und Unternehmensnachfolge zeitlich zusammenfallen, erfordert dies von der Seniorgeneration eine hohe Bereitschaft, sich mit Veränderungen „abzufinden“ - ohne selbst etwas dazu beitragen zu können.

     

    3.2 Investitionsbereitschaft in der Nachfolge

    Unternehmer, die in den nächsten Jahren ihren Betrieb übergeben möchten, reduzieren oftmals betriebliche Investitionen. Damit möchten sie vermeiden, den Kaufpreis durch zusätzliche Investitionen zu erhöhen. Außerdem scheuen sie eine weitere Besicherung von Investitionskrediten durch private Vermögenswerte - diese Verbindungen sollen für die nächste Lebensphase ja gerade reduziert werden.

     

    Aus Sicht der Übernehmer müssen dadurch zusätzlich zum Kaufpreis längst erforderliche Investitionen finanziert werden. Das stellt mitunter das gesamte Nachfolge-Vorhaben infrage, wenn der Kapitaldienst von beidem nicht zu erwirtschaften ist. Mindestens führt es zu Stillstand - in der Nachfolge und im Produktangebot - von Innovationen ganz zu schweigen.

     

    3.3 Neue Besen kehren gut - aber bitte nicht zu heftig

    Mit dem Einstieg des Nachfolgers - sei er familienintern oder auch extern - erhält das Unternehmen neue Chancen und Impulse, sich weiter zu entwickeln. Im besten Fall stammt der Nachfolger nicht nur aus der Branche, sondern hat bereits Erfahrungen in Top-Betrieben sammeln können, die er oder sie nun in den eigenen Betrieb einbringen kann. Viele Nachfolger möchten sofort verändern, um ihre Position von Anfang an zu klären und erfahren starken Gegenwind aus allen Richtungen. Die in großen Betrieben üblichen ersten 100 Tage der Einarbeitung sind auch in KMU empfehlenswert, um Bewährtes zu bewahren und Innovatives behutsam zu implementieren.

     

    3.4 Change Management in der Doppelspitze

    Betriebe werden allgemein sicherer und erfolgreicher übergeben, wenn das bisherige und das neue Management eine Zeitlang zusammenarbeiten. So können Kundenbeziehungen, Lieferantenbeziehungen und das wertvolle Know-how des bisherigen Unternehmers besser übertragen und das Risiko des oft beschworenen Umsatzrückgangs nach der Übergabe gemindert werden. Außerdem ist die Akzeptanz von Change Management-Prozessen wesentlich höher, wenn beide Generationen sie gemeinsam in die Praxis umsetzen. Voraussetzung hierfür ist jedoch eine gemeinsame Vorstellung davon, welche Innovationen wie umgesetzt werden und konkrete Absprachen, wer was zu entscheiden hat - die auch konsequent eingehalten werden. Wenn eine Doppelspitze nicht einheitlich auftritt, wenn nicht klar ist, wer die Entscheidungskompetenz hat und Machtspiele gespielt werden, werden Innovationsbemühungen oft zum Kampf um die Vorherrschaft im Unternehmen und führen eher zum wirtschaftlichen Untergang als zur notwendigen Marktanpassung.

     

    3.5 Die Mitarbeiter im Generationswechsel

    Innovationen im Mittelstand sind nur so erfolgreich wie sie auch im Betrieb umgesetzt werden. Hierfür ist eine offene Führungskultur erforderlich, die in Nachfolgebetrieben eher selten anzutreffen ist. Wenn Entscheidungen einseitig durch patriarchalische Unternehmer getroffen werden, muss sich zunächst das Klima im Unternehmen ändern, damit Innovationen überhaupt Gehör finden. Innovationen - sei es auf der Produktseite, in der grundsätzlichen strategischen Ausrichtung, aber auch in Führungsfragen - sind oft schwer durchzusetzen, wenn das Team durch die vorhergehende Generation anders geprägt ist. Dies ist umso schwerer, wenn auch in der Mitarbeiterschaft absehbar altersbedingte Nachfolgen anstehen.

    4. Spagat zwischen Bewahren und Verändern

    Die fünf dargestellten Problemkreise verdeutlichen das Dilemma, wenn Innovationen und Betriebsübergaben aufeinandertreffen. Ziel einer gelungenen Nachfolgeplanung muss es sein, die Stärken des Unternehmens auch für die Zukunft zu erhalten, wenn der bisherige Kapitän von Bord geht, und gleichzeitig die Offenheit für Innovationen zu erhöhen - als einmalige Chance dieses Neuanfangs.

     

    Die folgenden fünf Lösungsansätze bilden das Grundgerüst zur erfolgreichen Umsetzung:

     

    4.1 Rechtzeitig privates unabhängiges Familienvermögen aufbauen

    Für viele Familienunternehmer ist der Betrieb Teil der Altersversorgung. Sei es, weil sie eine Pensionszusage vereinbart haben, die das Unternehmen zahlen muss oder weil nicht außerhalb des Unternehmens vorgesorgt wurde und über Jahre alle Gewinne im Unternehmen verblieben sind. Was in den Aufbaujahren die richtige Strategie war, ist zum Ende der eigenen aktiven Zeit oft nicht mehr sinnvoll. Wer frühzeitig Unternehmensvermögen und Privatvermögen strukturiert und trennt (auch in Bezug auf die Sicherheiten-Stellung), kann flexibler reagieren, wenn die Juniorgeneration Veränderungen realisieren und dafür notwendige Risiken eingehen möchte. Diese Flexibilität hilft übrigens auch, wenn mehr Flexibilität in der Kaufpreisgestaltung notwendig ist, um die Übergabe überhaupt zu ermöglichen.

     

    4.2 Am Puls der Zeit bleiben oder früher übertragen

    Nach 40 Jahren und mehr im Betrieb fällt es vielen Unternehmern schwer, sich auf neue Technologien, andere Wege der Kundenansprache oder systematische Marktbearbeitung einzustellen. Unsicherheit führt zum Rückzug - Messen werden nicht mehr besucht, Produktneuheiten verworfen und Neuerungen mit Skepsis begegnet. Das führt zeitversetzt unvermeidbar zur Innovationslücke und damit zu einem strategischen Problem. Oft hilft es, die künftige Führung stärker in strategische Themen zu integrieren. Mitunter muss auch eine Übergabe der Geschäftsführung forciert und früher realisiert werden als ursprünglich geplant.

     

    4.3 Investitionsstaus vermeiden

    Wie geschildert sinkt vielfach die persönliche Neigung zu Investitionen bei fortschreitendem Alter der Übergeber-Generation. Vielen Unternehmern ist die Konsequenz dieses Verhaltens jedoch aber nicht klar - Einbußen in Bezug auf Attraktivität, Wert und Preis des Unternehmens. Hier gilt es abzuwägen - vollständige Befreiung von finanziellen Belastungen und Freistellung der Sicherheiten versus Attraktivität und Konkurrenzfähigkeit der Betriebe. Aus einer persönlichen wirtschaftlichen Unabhängigkeit können Investitionen leichter mitgetragen werden, auch wenn man sie selbst nicht mehr verantworten muss.

     

    4.4 Generationswechsel auch auf Mitarbeiterebene

    Nicht nur der oder die Unternehmer werden älter, die Belegschaft altert mit. Dem Vorteil des großen Erfahrungsschatzes steht der fehlende Nachwuchs in der Mitarbeiterschaft und auf der 2. Führungsebene gegenüber. Eine heterogene Altersstruktur, die Treiber auf der 2. Führungsebene fördert, unterstützt auch die Innovationsfähigkeit des Unternehmens. So werden Erfahrung und Begeisterung für Neues kombiniert, Innovationen und Traditionen führen zu einer zukunftsorientierten Kompetenz des Unternehmens, das am Markt orientiert ist.

     

    4.5 Rechtzeitig neue Aufgaben suchen

    Viele Unternehmer schieben die Nachfolge immer wieder auf, da Probleme des Tagesgeschäftes als drängender empfunden werden. Ein Grund ist jedoch auch, dass vielen sinnvolle Betätigungsfelder für die Zeit danach fehlen.

    Dies ist eine wichtige Aufgabe im Rahmen der Nachfolgeplanung: Nur wer interessante neue Aufgaben hat, wird auf Dauer loslassen und Veränderungen im Unternehmen zulassen können.

     

    FAZIT | Innovationsfähigkeit ist die Kunst, Ideen und Wissen mit der Fähigkeit zu kombinieren, Produkte und Dienstleistungen gewinnbringend im Markt zu positionieren. Innovation ist damit zu allererst eine Managementaufgabe, die es in einer sich immer schneller verändernden Welt zu bewältigen gilt. Innovationen umzusetzen erfordert Risikobereitschaft und Macherqualitäten, Eigenschaften, für die der Mittelstand in Deutschland steht.

     

    Bei der Nachfolge treffen Risikobereitschaft und Machereigenschaften auf den Wunsch nach Beständigkeit und der Wahrung des Erreichten. Um diesen Spagat nicht nur zu bewältigen, sondern seine Chancen zu nutzen, ist eine persönlich gesicherte Situation des Übergebers Voraussetzung. Nur dann können Veränderungen mit dem notwendigen Engagement gestaltet und begleitet werden. Die Komplexität dieser Themen potenziert sich in ihrer Kombination, weshalb frühzeitige Planung und professionelle Unterstützung von externer Seite zu empfehlen ist.

     

    Wenn es dann gelingt, die Innovationskraft der nächsten Generation zu nutzen und mit dem langjährigen Know-how der Erfahrenen zu kombinieren, ist eine solide Basis gelegt, um ein Unternehmen erfolgreich weiterzuführen und marktgerecht aufzustellen.

     

    Zu den Autoren | Prof. Dr. Birgit Felden, Professur für Familienunternehmen und Unternehmensnachfolge an der HWR Berlin und Vorstand der Kölner TMS Unternehmensberatung AG; Dipl.-Kffr. (FH) Maria Wirtz, Prokuristin der TMS Unternehmensberatung AG

    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 47 | ID 40521800

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