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  • · Betriebsprüfung

    BFH: E-Mails als vorlagepflichtige Handels- und Geschäftsbriefe

    Bild: KI-generiert/Midjourney

    von Rechtsassessor Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

    | Der BFH hat entschieden, dass nach § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO Handels- und Geschäftsbriefe auch E-Mails sein können. Zudem fallen auch digitale Unterlagen über Konzernverrechnungspreise unter § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO. Insofern sind der Finanzverwaltung im Zuge einer Außenprüfung auf Anforderung sämtliche E-Mails mit steuerlichem Bezug vorzulegen, jedoch ist kein Gesamtjournal über den E-Mail-Verkehr zu erstellen (BFH 30.4.25, XI R 15/23, Abruf-Nr. 250230 ). |

    1. Sachverhalt

    Die Klägerin und Revisionsklägerin ist eine GmbH mit Sitz im Inland, die in den Streitjahren 2012 bis 2014 gegenüber einer anderen (ausländischen) Konzerngesellschaft Servicedienstleistungen erbrachte (Sales and Marketing Services Agreement ‒ SMS Agreement). Als Vergütung wurde ein fester Prozentsatz der der Klägerin in Erfüllung dieses Vertrags entstandenen Kosten vereinbart.

     

    Die von der Klägerin in der die Streitjahre umfassenden Außenprüfung bezüglich des SMS Agreements vorgelegten Aufzeichnungen erschöpften sich darin, das SMS Agreement kurz zu beschreiben und die angefallenen Kosten im Rahmen des „Transfer Pricing Reports“ der Konzernmutter tabellarisch darzustellen. Innerhalb der Außenprüfung forderte das FA daher, dass ein elektronisch verwertbarer Datenträger mit allen innerhalb des Prüfungszeitraums abgesandten und empfangenen E-Mails und E-Faxen betreffend das SMS Agreement nach § 147 Abs. 6 AO vorgelegt wird. Dies wurde dahin gehend präzisiert, dass somit alle Schriftstücke, die die Vorbereitung, Durchführung und Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts zum Gegenstand haben, von der Klägerin vorzulegen seien, also die Korrespondenz i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 2, 3 und 5 AO. Mithin sei Korrespondenz vorzulegen, die Aussagen über aufzeichnungspflichtige Vorgänge enthalte, sowie Unterlagen, die für die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchungen und Aufzeichnungen unumgänglich seien. Vorzulegen seien auch die E-Mails, die sich auf die Verrechnungspreisdokumentation der Klägerin beziehen. Nicht erfasst sei der private Schriftverkehr der Mitarbeiter und reine firmeninterne Kommunikation.

     

    Zudem wurde ein Gesamtjournal über die elektronische Kommunikation angefordert, das insbesondere folgende Angaben enthalten sollte:

     

    • Datensatznummer, die die Identifizierung der Nachricht zulässt
    • Absender/Empfänger der Nachricht einschließlich cc-Empfänger
    • Erhaltene/gesendete Nachricht (Datum und Uhrzeit MEZ)
    • Betreff und Anlagen der Nachricht
    • Erstqualifizierung in einem Zusatzfeld

     

    Das FA begründete dies damit, dass die Vorlage der E-Mails notwendig sei, um die Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchführung zu überprüfen. Bei der Klägerin sei die elektronische Kommunikation außergewöhnlich stark ausgeprägt, gerade was die Leistungserbringung anbelange. Insbesondere sollte somit auch die Verrechnungspreisdokumentation überprüft werden, da die Klägerin über ihre Arbeitsvorgänge keine Aufzeichnungen wie Stundenzettel, Aktenvermerke oder Berichte geführt hatte.

    2. Entscheidungsgründe

    2.1 Anforderung der E-Mails

    2.1.1 Bestimmtheit der Anforderung

    Es verstößt nicht gegen die Bestimmtheitsanforderung des § 119 Abs. 1 AO, dass das FA im Rahmen der steuerlichen Außenprüfung Unterlagen „en bloc“ angefordert hat, da die Finanzverwaltung oftmals keine Kenntnis über die tatsächlich vorhandenen Unterlagen des Steuerpflichtigen hat. Die Finanzverwaltung ist auch nicht gehalten, sich lediglich auf Stichproben oder Zeiträume innerhalb des Prüfungszeitraums zu beschränken (BFH 28.10.09, VIII R 78/05, BStBl II 10, 455). Zudem wurde das Verlangen mit dem Bezug auf das SMS Agreement und Handelsbriefe i. S. v. § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO sowie sonstige Unterlagen nach § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO bereits präzisiert. Es wurde hinreichend konkretisierend verlangt, dass Kommunikation vorgelegt wird, die Aussagen über aufzeichnungspflichtige Vorgänge enthält, sowie Unterlagen, die für die Überprüfung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Buchungen und Aufzeichnungen unumgänglich sind. Ebenso wurde auf steuerlich relevante E-Mail-Kommunikation verwiesen.

     

    2.1.2 Vorlagepflicht von E-Mails

    Die angeforderten E-Mails sind nach § 147 Abs. 6 AO vorzulegen, da sie aufbewahrungspflichtig sind (BFH 12.2.20, X R 8/18, BFH/NV 20, 1045, BFH 24.6.09, VIII R 80/06, BStBl II 10, 452). Die Aufbewahrungspflicht für empfangene bzw. abgesandte Handels- oder Geschäftsbriefe ergibt sich aus § 147 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AO. Aufbewahrungspflichtig ist demnach die gesamte den betrieblichen Bereich betreffende Korrespondenz, soweit sie sich auf die Vorbereitung, Durchführung oder Rückgängigmachung eines Handelsgeschäfts i. S. d. §§ 343 und 344 HGB bezieht. Die Form ist dabei ohne Relevanz, sodass auch entsprechende E-Mails erfasst werden, sofern sie selbst ‒ und nicht nur ihr Anhang ‒ rechnungsrelevante Informationen enthalten. Ansonsten bezieht sich die Aufbewahrungspflicht nur auf den Anhang. Der BFH erachtet es insoweit für zulässig, dass das FA die Vorlage der E-Mails verlangte, die sich auf die Vorbereitung, den Abschluss und die Durchführung des SMS Agreements bezogen. Damit ist die gebotene Beschränkung auf rechnungsrelevante Informationen enthalten. Unerheblich ist folglich, dass die E-Mails selbst Erfüllungshandlungen im Zuge des SMS Agreements enthielten.

     

    Auch konnte das FA unter Berufung auf § 147 Abs. 1 Nr. 5 AO die Vorlage derjenigen E-Mails verlangen, die sich auf die Verrechnungspreisdokumentation der Klägerin bezogen. Dies gilt nun auch aufgrund von § 4 Abs. 3 S. 4 GAufzV. Die Aufbewahrungspflichten bezüglich Verrechnungspreisen sind nicht abschließend in § 90 Abs. 3 AO niedergelegt.

     

    2.1.3 Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips

    Aufgrund ihres Erstqualifikationsrechts oblag es der Klägerin, die E-Mails auszusondern, die keine steuerliche Relevanz besitzen. Somit war das Vorlageverlangen nicht ausufernd. Da die Klägerin primäre Wissensträgerin war, war die Einschränkung durch sie vorzunehmen (BFH 28.10.09, VIII R 78/05, BStBl II 10, 455; BFH 16.12.14, X R 42/13, BStBl II 15, 519). Es ist auch ihre Aufgabe, die Datenbestände so zu organisieren, dass diese Einschränkung gewährleistet ist.

     

    Die Vorlage der E-Mails war auch erforderlich, da das FA ansonsten keine Möglichkeit hatte, die Angaben der Klägerin sowohl im Hinblick auf die Verrechnungspreismethode als auch hinsichtlich der Art und des Umfangs ihrer Tätigkeit zu überprüfen. Der BFH hob dabei hervor, dass die entsprechende Kommunikation im Wesentlichen nur per E-Mail erfolgte und die vorgelegten Aufzeichnungen hinsichtlich des SMS Agreements keine Überprüfung der Kostenbasis für die angewandte Verrechnungspreismethode und somit der Vollständigkeit und Richtigkeit der Besteuerungsgrundlagen ermöglichten. Da der Datenzugriff nur innerhalb der Geschäftsräume der Klägerin oder der Diensträume der Finanzverwaltung erfolgen sollte, waren die persönlichen Daten zudem hinreichend geschützt, sodass auch insoweit keine Unverhältnismäßigkeit gegeben ist (BFH 7.6.21, VIII R 24/18, BStBl II 23, 63).

     

    2.2 Anforderung eines Gesamtjournals unzulässig

    Die Anforderung des Gesamtjournals als anfechtbarer Verwaltungsakt würde bei einer Auslegung nach dem Empfängerhorizont unter Berücksichtigung des objektiven Sinngehalts und des Grundsatzes von Treu und Glauben jedoch einen unbegrenzten Zugriff auf alle E-Mails der Klägerin bedeuten. Denn durch das vom FA vorgegebene Zusatzfeld wird deutlich, dass auch Informationen über solche Daten verlangt wurden, die aufgrund des Erstqualifikationsrechts mangels steuerlichen Bezugs von der Klägerin ausgesondert wurden.

     

    Eine Pflicht zur Erstellung des vom FA geforderten Gesamtjournals ist mangels Rechtsgrundlage nicht gegeben. Eine solche Pflicht ergibt sich nicht aus § 147 Abs. 6 AO, da diese Vorlagepflicht an das Bestehen einer Aufbewahrungspflicht gemäß § 147 Abs. 1 AO anknüpft. Somit muss keine Vorlage erfolgen hinsichtlich zwar vorhandener, aber nicht aufbewahrungspflichtiger Unterlagen (BFH 7.6.21, VIII R 24/18, BStBl II 23, 63; BFH 24.6.09, VIII R 80/06, BStBl II 20, 452; BFH 12.2.20, X R 8/18, BFH/NV 20, 1045). Auch kann die Vorlage des Gesamtjournals nicht auf § 200 Abs. 1 S. 2 AO gestützt werden, da sich diese Vorschrift zwar auch auf Unterlagen ohne Aufbewahrungspflicht bezieht, diese müssen jedoch tatsächlich vorhanden sein (BFH 28.10.09, VIII R 78/05, BStBl II 10, 455; BFH 12.2.20, X R 8/18, BFH/NV 20, 1045). Das Gesamtjournal müsste indes noch erstellt werden. Mangels einer gesetzlichen Grundlage kann die Verwaltung ihr Verlangen auch nicht auf die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung i. S. d. §§ 238 ff. HGB und 140 ff. AO i. V. m. dazu ergangenen Verwaltungsgrundsätzen stützen.

     

    Angesichts der fehlenden Rechtsgrundlage ist es unerheblich, ob die Finanzverwaltung ohne das Gesamtjournal nicht kontrollieren kann, ob die Klägerin ihr Erstqualifikationsrecht zutreffend ausgeübt hat (sogenanntes Zweitqualifikationsrecht der Finanzverwaltung).

    3. Relevanz für die Praxis

    Um die Entscheidung des BFH einordnen zu können, ist es erforderlich, sich die Besonderheiten dieses Falls vor Augen zu führen. Hier fehlten hinreichende steuerliche Aufzeichnungen, insbesondere zur Verrechnungspreisdokumentation. Die Serviceleistungen wurden (auch) über E-Mails abgewickelt, ebenso wie die übrige geschäftliche Korrespondenz. Im Zuge der steuerlichen Außenprüfung konnte die Finanzverwaltung die Besteuerungsgrundlagen also nicht anhand anderer Unterlagen als der E-Mails hinreichend ermitteln. Somit stellt der BFH heraus, dass auch E-Mails mit rechnungsrelevanten Informationen der Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht unterfallen. Dies entspricht auch der bisherigen Rechtsauffassung der Finanzverwaltung (BMF 28.11.19, BStBl I 19, 1269 bzw. BMF 14.7.25, BStBl I 25, 1502, Rn. 119, 121, 129; so auch Rätke in Klein, AO Komm., 18. Aufl. 24, § 147, Rn. 27, 36). Gleichzeitig wird aber klar hervorgehoben, dass sich das Zugriffsrecht nicht auf E-Mails ohne diesen Bezug erstreckt (Rätke in Klein, a. a. O.). Der BFH weist außerdem darauf hin, dass es im Zusammenhang mit der Aufbewahrungs- und Vorlagepflicht unerheblich ist, ob die E-Mails Erfüllungshandlungen enthalten.

     

    Von besonderem Interesse sind außerdem die Ausführungen des BFH zum Verhältnismäßigkeitsprinzip. Wenn die rechnungsrelevanten Informationen auf andere Weise der Finanzverwaltung zur Verfügung gestellt werden, stellt sich die Frage, ob unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten überhaupt ein Zugriff auf E-Mails zulässig ist. Schließlich trifft den Steuerpflichtigen der Aufwand, steuerlich relevante von insoweit irrelevanten E-Mails zu trennen (vgl. Rätke in Klein, AO Komm., 18. Aufl. 24, § 147, Rn. 100; BMF 28.11.19, BStBl I 19, 1269 bzw. BMF 14.7.25, BStBl I 25, 1502, Rn. 170).

     

    Wichtig ist zudem die Aussage des BFH, dass die Finanzverwaltung kein Gesamtjournal des E-Mail-Verkehrs verlangen kann. Interessant ist, dass das Argument des FA, ohne ein solches Journal sei keine Kontrolle möglich, ob alle steuerlich relevanten E-Mails vom Steuerpflichtigen vorgelegt wurden bzw. ob der Zugriff hierauf ermöglicht wurde, vom BFH mit folgender Äußerung beiseitegeschoben wurde: „Wenn die Finanzverwaltung die Vorlage der E-Mails ohne Gesamtjournal für sinnlos hält, kann sie stattdessen ihr auf die Vorlage der E-Mails gerichtetes Vorlageverlangen aufheben.“ Dies macht Hoffnung, dass die Finanzverwaltung sich zukünftig zurückhält, die Vorlage von E-Mails in einem solchen Umfang zu verlangen.

     

    Was die Übertragbarkeit der Entscheidung des BFH auf eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG betrifft, so ist m. E. der Zugriff der Finanzverwaltung auf solche Daten begrenzt, die für das Verständnis und die Überprüfung der gesetzlichen Aufzeichnungspflicht, wie sie z. B. in § 4 Abs. 3 S. 5 und Abs. 7 EStG sowie in § 22 UStG festgelegt ist, von Bedeutung sind. Was darüber hinausgeht, ist rechtswidrig (BFH 7.6.21, VIII R 24/18, BStBl II 23, 63; Rätke in Klein, AO Komm., 18. Aufl. 24, § 146, Rn. 2 und § 147, Rn. 4, teilweise werden Aufbewahrungspflichten auch aus der allgemeinen Feststellungslast abgeleitet; weitreichend aber wohl BMF 28.11.19, BStBl I 19, 1269, Rn. 115). Somit dürfte sich m. E. dieses Problem des weitgehenden Zugriffs auf E-Mails im Zusammenhang mit der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG grundsätzlich kaum stellen.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2025 | Seite 333 | ID 50597165