08.01.2010
Finanzgericht Münster: Beschluss vom 31.08.2000 – 8 V 4639/00 E
Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass § 1 AStG mit EU-Recht vereinbar ist, soweit Fälle erfasst werden, in denen bei einer verbilligten Lieferung des an sein im Ausland sich befindenden Betrieb liefernden Unternehmers nicht von einer Entnahmehandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auszugehen ist.
hat der 8. Senat des Finanzgerichts Münster unter Mitwirkung des Richters am Finanzgericht … als Vorsitzender, der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … am 31.08.2000 beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
Zu entscheiden ist über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich der Einkommensteueränderungsbescheide 1992 bis 1997, in denen der Antragsgegner (das Finanzamt – FA –) Gewinne gemäß § 1 Außensteuergesetz (AStG) hinzugerechnet hat.
Der Antragsteller ist … Staatsbürger, der mit gebrauchten und neuen Reifen handelt. Einen entsprechenden Gewerbebetrieb in Deutschland hat der Antragsteller zum 04.08.1999 abgemeldet. Nach eigenen Angaben betreibt er aber noch vier kleine Reifenwerkstätten in …, für die er die Reifeneinkäufe zum Teil in Deutschland vornimmt.
Aufgrund der Feststellungen des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung … (im folgendem: Steufa) erließ das FA am 28.09.1999 bzw. 05.10.1999 geänderte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1992 bis 1997, aus denen sich Steuernachzahlungen in Höhe von rund 550.000 DM ergaben. Nach den Ermittlungen der Steufa … wurden vom Antragsteller die erzielten Umsätze nicht vollständig in die Gewinnermittlung aufgenommen. Auch die Wareneinkäufe bei der Firma … … wurden ab 1993 nicht vollständig erfaßt. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 7 des Prüfungsberichts vom 31.08.1999 verwiesen.
Darüber hinaus wurde festgestellt, daß der Antragsteller von seinem inländischen Betrieb Waren an seine Betriebe im Ausland (… und …) veräußert hat, wobei die Verkaufspreise jedoch nicht denen entsprachen, wie sie unter fremden Dritten vereinbart und gezahlt worden wären. Im Rahmen der Prüfung wurden deshalb Gewinnkorrekturen vorgenommen. Hinsichtlich der Ermittlung der durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsätze für Neu- und Altreifen wird auf Tz. 14 des o.a. Berichts verwiesen. Der Anteil für Neuware betrug danach 48,2 % und der Anteil für Gebrauchtware 51,8 %. Bei den Gebrauchtreifen ging der Prüfer zur Abgeltung etwaiger Unsicherheiten von einem Aufschlagsatz in Höhe von 80 % aus. Den Rohgewinnaufschlagsatz für Neureifen legte er mit 13 % zugrunde.
Der Antragsteller legte gegen die Änderungsbescheide Einsprüche ein, über die noch nicht entschieden worden ist. Außerdem beantragte er die Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerbescheide, dem das FA mit Bescheid vom 21.01.2000 zum Teil (in Höhe von ca. 67.000 DM) unter der Bedingung der Leistung von Sicherheiten entsprach. Die angeforderten Sicherheitsleistungen wurden jedoch nicht erbracht.
Am 29.06.2000 pfändete das FA einen LKW des Antragstellers sowie einen Anhänger.
Am 06.07.2000 beantragte der Antragsteller beim FA erneut die Aussetzung der Vollziehung aufgrund neuer tatsächlicher und rechtlicher Gesichtspunkte. Über diesen Antrag hat das FA inzwischen am 17.07.2000 entschieden, indem es dem Antrag zum Teil stattgab. Der nicht ausgesetzte Betrag beläuft sich auf ca. 211.000 DM.
Der Antragsteller verfolgt sein Aussetzungsbegehren mit dem vorliegenden Antrag auf Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung bei Gericht gemäß § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) weiter.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, der Schluß des Prüfers treffe nicht zu, daß er Gewinnverschiebungen vorgenommen habe, da er die Reifen zum Einkaufspreis an die im Ausland existierenden Firmen exportiert habe. Ein Grund für die Weitergabe der Reifen zum Einkaufspreis sei die Tatsache gewesen, daß sich Zoll- und Abwicklungsgebühren nach dem Warenwert richten würden. Jeder betriebswirtschaftlich denkende Unternehmer müsse bestrebt sein, seine Kosten zu minimieren. Daher sei die Weitergabe der eingekauften Reifen zum Einkaufspreis verständlich. Zuschätzungen seien deshalb nicht aufgrund der Bestimmungen des AStG vorzunehmen, sondern allenfalls wegen der nicht ordnungsmäßigen Buchführung.
Die Vorgehensweise des FA verstoße gegen EU-Recht. Gewinnzuschätzungen nach § 1 Abs. 3 AStG seien im vorliegenden Fall nach EU-Recht unzulässig. Er, der sich im EU-Binnenmarkt betätige, werde bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des FA gegenüber rein inländisch tätigen Firmenverbänden erheblich benachteiligt und diskriminiert, was dem EU-Recht widerspreche. Hätte er die Waren an ebenfalls von ihm wirtschaftlich dominierte Firmen im Inland weitergegeben, wären steuerrechtlich relevant allenfalls Verkäufe „unter Preis”. Der Vorgang würde steuerlich als „Entnahme” betrachtet und als Einkommen versteuert. Bei solchen Inlandsgeschäften könne nach dem insofern geltenden Einkommensteuergesetz (EStG) ein „fiktiver Gewinn” nicht angesetzt werden.
Aufgrund des Diskriminierungsverbotes nach EU-Recht dürften aber Inlandsgeschäfte nicht anders behandelt werden als Geschäfte im EU-Binnenmarkt. Entweder verstoße daher § 1 AStG gegen EU-Recht und sei somit nicht anzuwenden oder aber § 1 AStG sei zwar anwendbar, sei aber hinsichtlich der Rechtsfolgen einschränkend auszulegen. Das bedeute, daß Geschäfte im EU-Binnenmarkt nicht höher besteuert werden dürften, als entsprechende Geschäfte im Inland. Insofern wären vorliegend lediglich die zuvor dargestellten Rechtsfolgen nach dem EStG zulässig.
Von Verkäufen „unter Preis”, die nach dem EStG als „Entnahme” zu betrachten wären, könne aber nicht die Rede sein. Er habe seinen … Firmen die Ware mit – geringen – Aufschlägen in Rechnung gestellt. Die Aufschläge dienten der Deckung der Verwaltungskosten. In den letzten Jahren seien sogar nicht unerhebliche Gewinne ausgewiesen und versteuert worden.
Bei der Hinzuschätzung von Einnahmen bzw. Gewinnen seien im übrigen nicht unerhebliche Verfahrensfehler festzustellen. Die OECD-Verwaltungsgrundsätze würden eindeutig die Vorgehensweise für die Einkommensabgrenzung unter den beteiligten Ländern in Fällen der vorliegenden Art regeln. Danach sei der Gesamtgewinn aus den getätigten Geschäften zu ermitteln und entsprechend dem Leistungsbeitrag jedes Unternehmens in der Vertriebskette nach Ländern aufzuteilen. Zur Ermittlung des Gesamtgewinns habe gegebenenfalls ein Verständigungsverfahren zwischen den beteiligten Ländern stattzufinden. Es seien bisher jedoch in keiner Weise die nach den Verwaltungsgrundsätzen notwendigen Ermittlungen vorgenommen, noch sei überhaupt Kontakt mit den … Steuerbehörden aufgenommen worden. Wenn tatsächlich an die deutsche Steuerbehörde zu wenig Steuern gezahlt worden sein sollten, handele es sich letztlich nicht um ein Problem des Steuerpflichtigen, sondern um ein Steuerverteilungsproblem zwischen Deutschland und … Wenn nunmehr auf deutscher Seite Gewinnzuschätzungen vorgenommen würden, vermindere dies deckungsgleich den … deklarierten und versteuerten Gewinn nach unten. Da sich eine Doppelbesteuerung verbiete, sei das Verständigungsverfahren zwischen den beteiligten Ländern Deutschland und … durchzuführen.
Außerdem sei die Versteuerung unzulässig, weil der Handel mit Gebrauchtreifen in Deutschland nicht zulässig sei. Im vorliegenden Fall ergäben sich ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide aufgrund des Rechts der Europäischen Gemeinschaft. Solche Zweifel seien vorliegend zwingend anzunehmen, da der Bundesfinanzhof (BFH) in einem obiter dictum hinsichtlich der vorliegend betroffenen Fragen ausdrücklich aufgeführt habe, er sei zu einer Entscheidung über diese Fragen nicht berufen, sondern sie müßten dem Europäischen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt und ein entsprechendes Verfahren müsse ausgesetzt werden. In diesem Zusammenhang verweist der Antragsteller auf den BFH-Beschluß vom 17.12.1997 I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 und auf einen Aufsatz von Dautzenberg und Gocksch „Die europarechtliche Problematik des § 1 AStG”, Betriebsberater 2000, 904.
Der vom Betriebsprüfer ermittelte Rohgewinnaufschlag für Neureifen in Höhe von 13 % sei nicht erzielbar. Auch anonyme Vergleichsdaten der Betriebsprüfung dürften nicht allein dazu führen, daß Verrechnungspreise zwischen verbundenen Unternehmen durch Gewinnzuschläge korrigiert würden. Es lägen ihm Einkaufs- und Verkaufsrechnungen vor, die zwar nicht den Prüfungszeitraum betreffen aber konkrete Hinweise darauf geben würden, was als üblicher Rohgewinnaufschlagsatz anzusetzen sei. Er habe seine Reifen im Ausland eingekauft und sie dann an ein Unternehmen in den … veräußert Wenn man die Reifen-Bezeichnungen/-Größen miteinander vergleiche, habe er bei Verprobungen Rohgewinne von unter 10 % festgestellt. Wie ihm ein in … bekannter Reifengroßhändler mitgeteilt habe, lägen die Aufschläge bei Neureifen-Verkäufen (jedoch abhängig von Größe der Reifen und Bestellmengen) bei 5 % bis 6 %, die Aufschläge bei LKW-Reifen würden nur bei 3 % bis 4 % liegen. Insgesamt betrage der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag im Reifen-Großhandel bei Neuwaren ca. 5 %.
Bei der Ermittlung des Rohgewinnaufschlagsatzes bei Gebrauchtreifen habe der Prüfer Preise aus Lieferangeboten entnommen. Es sei jedoch so, daß Lieferangebote, insbesondere bei Gebrauchtwaren mit hohen Preisschwankungen kein Anhaltspunkt sein können, da die endgültig abgeschlossenen Verträge oft sehr stark von den Lieferangeboten abweichen würden. Außerdem habe der Prüfer bei dem Lieferangebot (Einkauf) Reifenbreiten von 135 bis 155/13 und bei dem Lieferangebot (Verkauf) Preise für Reifen mit den Breiten 175 bis 205 angesetzt. Die Ermittlung des Rohgewinnaufschlages in dieser Weise sei seines Erachtens unzulässig. Er gebe zu, daß die Ermittlung eines angemessenen Rohgewinnaufschlagsatzes in diesem Bereich sehr schwierig sei. Häufig kaufe er eine größere Partie Gebrauchtreifen für einen Festbetrag ein. Ein Teil dieser Altreifen müsse entsorgt werden, da sie sich nicht mehr für den Export eignen würden. Bei den verbleibenden Reifen müsse er dann versuchen, insgesamt einen Verkaufspreis zu erzielen, der über dem Einkaufspreis liege. Dies gelinge auch in der Regel, jedoch seien Aufschläge auf den gesamten Wareneinkauf eines Jahres von höchstens 30 % erzielbar.
Er beantrage daher, bei der Neuware den Aufschlag mit 5 % und bei der Gebrauchtware den Rohgewinnaufschlag mit 30 % anzusetzen. Aufgrund der vom Betriebsprüfer vorgenommenen Gewichtung betrage dann der durchschnittliche Rohgewinnaufschlag 17 %. Er beantrage, diesen durchschnittlichen Aufschlagsatz für den gesamten Prüfungszeitraum 1992 bis 1997 anzusetzen.
Der Antragsteller beantragt,
die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1992 bis 1997 insoweit von der Vollziehung auszusetzen, als in diesen Bescheiden Einkommensteuerbeträge festgesetzt worden sind, die über die Beträge hinausgehen, die entsprechend seiner Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuerbeträge gemäß der Anlage 2 zum Schreiben des Steuerberaters … vom 23.12.1992 festzusetzen sind.
Das FA beantragt,
den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen, soweit mit diesem Antrag hinsichtlich weiterer Beträge Aussetzung der Vollziehung beantragt wird, als sie das FA bereits mit Bescheid vom 17.07.2000 ausgesetzt hat.
Das FA meint in dem Schriftsatz vom 21.08.2000, daß der Auffassung des Antragstellers, daß die Hinzurechnung von Gewinnen nach § 1 AStG wegen des EU-Rechts unzulässig sei, nicht gefolgt werden könne. Der Antragsteller vergleiche den hier zu beurteilenden Fall mit dem Fall, daß ein Unternehmer mit zwei Betrieben im Inland Waren von einem in den anderen Betrieb veräußere. Hier würde kein fiktiver Gewinn versteuert. Vielmehr würde von einer privaten Veranlassung ausgegangen und die Entnahme der Waren lediglich mit dem Teilwert angesetzt. Hierbei berufe er sich auf das Diskriminierungsverbot der EU. Unternehmer mit Auslandsbeziehungen dürften im Vergleich zu Unternehmern mit ausschließlich inländischen Umsätzen nicht schlechtergestellt werden. Nach seiner Auffassung sei § 1 AStG entweder nicht anwendbar, da die Vorschrift gegen geltendes EU-Recht verstoße oder aber die gesetzliche Vorschrift sei zwar anwendbar, aber hinsichtlich der Rechtsfolgen eingeschränkt auszulegen.
Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden. Die Hinzurechnung der Gewinne gemäß § 1 AStG stelle keine Schlechterstellung dar. Es handele sich lediglich um eine länderbezogene Aufteilung des Gewinns. Gemäß Artikel 25 Abs. 1 DBA-… bestehe für den Antragsteller die Möglichkeit, sich mit den … Steuerbehörden in Verbindung zu setzen, damit diese überprüfen können, in welchem Umfang gegebenenfalls von ihnen bereits Gewinne versteuert würden, die nunmehr in Deutschland der Versteuerung unterworfen würden, um gegebenenfalls Korrekturen vorzunehmen.
Das FA gehe weiterhin davon aus, daß die Hinzurechnungen von Gewinnen in den einzelnen Jahren nach § 1 AStG dem Grunde nach zutreffend erfolgt seien. Würden Einkünfte eines Steuerpflichtigen aus Geschäftsbeziehungen mit einer ihm nahestehenden Person oder Firma dadurch gemindert, daß er im Rahmen solcher Geschäftsbeziehungen zum Ausland Bedingungen vereinbare, die von denen abweichen würden, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten, so seien seine Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften gemäß § 1 AStG so anzusetzen, wie sie unter fremden Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären.
Die ausländischen Firmen/Gesellschaften, an denen der Antragsteller überwiegend beteiligt sei (beherrschender Gesellschafter), würden gemäß § 1 Abs. 2 AStG als nahestehend gelten, da der Antragsteller durch die Verflechtung einen beherrschenden Einfluß auf die Entscheidungen in den ausländischen Firmen ausübe.
Das FA sei auch berechtigt, die Hinzurechnungsbeträge im Wege der Schätzung zu ermitteln (§ 1 Abs. 3 AStG).
Der Hinzurechnung gemäß § 1 AStG stehe auch der Artikel 5 des DBA zwischen Deutschland und … nicht entgegen. Vielmehr sei in Artikel 5 des DBA ausdrücklich die Berechtigung der beteiligten Staaten vereinbart, das Regelungen über Hinzurechnungen getroffen werden dürften. Zwar biete Artikel 5 des DBA keine selbständige Grundlage für eine Gewinnberechtigung, aber es werde beiden Ländern das Recht zugesprochen, im Falle von verbundenen Unternehmen, und diese lägen hier unstreitig vor, gegebenenfalls Gewinnkorrekturen vorzunehmen. Hierzu hätten beide Vertragsstaaten entsprechende inländische Gesetze geschaffen (in Deutschland das Außensteuergesetz). An diese gesetzlichen Bestimmungen im Außensteuergesetz sei die Finanzverwaltung gebunden.
Weder im Artikel 5 DBA-… noch im § 1 AStG sei festgeschrieben, wie die Hinzurechnung des Gewinns zu erfolgen habe. Es würden lediglich Richtlinien für die Höhe der Hinzurechnungen (Fremdvergleich) vorgegeben. Ein Verständigungsverfahren zwischen den beiden Ländern sei nicht vorgesehen. Auch das OECD-Musterabkommen (OECD-MA) stehe der Hinzurechnung nicht entgegen. Es handele sich hierbei nur um Rahmenbedingungen für die DBA zwischen den einzelnen Ländern. Zwischen Deutschland und … würden die Rahmenbedingungen in Artikel 5 des DBA konkretisiert. Im übrigen entspreche Artikel 5 des DBA genau dem Inhalt des Artikel 9 Abs. 1 des OECD-MA, wenn auch die Formulierung davon abweiche. Da das FA das inländische geltende Recht zutreffend angewandt habe, habe es auch entgegen den Ausführungen des Antragstellers keine Verfahrensfehler begangen.
Der Antragsteller könne sich auch nicht darauf berufen, daß der Handel mit Gebrauchtreifen in Deutschland nicht zulässig und daß daher auch eine Versteuerung der hieraus erzielten Gewinne nicht zulässig sei. Nach § 40 Abgabenordnung (AO) sei es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfülle, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstoße.
Der Antragsteller wende sich auch gegen die Ermittlung der Rohgewinnaufschlagsätze. Zur Berechnung werde auf Tz. 14 des Prüfungsberichtes verwiesen. Bei der Ermittlung des festgelegten Rohgewinnaufschlagsatzes von 45 % sei von einem Aufschlagsatz von 13 % für Neureifen und 80 % für Gebrauchtreifen ausgegangen worden. Die Ermittlung des Aufschlagsatzes für Gebrauchtreifen stütze sich u. a. auf ein bei der Prüfung vorgefundenes Lieferangebot.
Der Antragsteller trage vor, daß dieses Angebot niemals zu einer Lieferung geführt habe und die Werte nicht für die Berechnung zu berücksichtigen seien, da derartige Preise nicht zu erzielen seien. Um derartigen Unsicherheitsfaktoren Rechnung zu tragen, sei von dem auf der Basis dieses Lieferangebotes ermittelten Aufschlagsatzes in Höhe von ca. 166 % bereits zur Ermittlung des durchschnittlichen Aufschlagsatzes ein Abschlag vorgenommen worden. In die Berechnung des durchschnittlichen Aufschlagsatzes sei der Wert nur in Höhe von 80 % eingegangen. Hierdurch seien alle Unsicherheitsfaktoren in ausreichendem Maße berücksichtigt worden. Auch sei bei der Ermittlung des Aufschlagsatzes für die Neureifen in Höhe von 13 % zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen worden, daß es sich um einen lohnintensiven Gewerbezweig handele. Der Abzug des Lohnkostenanteils habe zu einem wesentlich geringeren Aufschlagsatz geführt. Zur Berechnung werde auf Tz. 14 des Prüfungsberichts verwiesen. Die ermittelten Aufschlagsätze seien daher nicht zu beanstanden. Gleichwohl habe das FA mit Verfügung vom 17.07.2000 einen Teil der Steuernachforderungen von der Vollziehung ausgesetzt. Bei der Ermittlung des Aussetzungsbetrages sei es von einem durchschnittlichen Aufschlagsatz von 32 % ausgegangen. Eine weitere Aussetzung der Vollziehung sei jedoch nicht gerechtfertigt.
Der Antragsteller stütze seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung u. a. auch darauf, daß die Vollziehung unbillig sei und daß die Vollstreckung nicht nur drohe, sondern bereits teilweise (Pfändung des LKW) vollzogen worden sei.
Nach der geltenden BFH-Rechtsprechung solle eine unbillige Härte vorliegen, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen würden, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und nicht oder nur schwer wiedergutzumachen wären oder wenn die wirtschaftliche Existenz gefährdet würde.
Um die Aussetzung wegen unbilliger Härte von der Stundung zu differenzieren, gehe die Rechtsprechung davon aus, daß die Aussetzung wegen unbilliger Härte nicht gänzlich ohne Rücksicht auf die Zweifelhaftigkeit der Rechtslage und die Erfolgschancen des Rechtsbehelfs gewährt werden dürften. Könne der Rechtsbehelf offensichtlich keinen Erfolg haben oder seien Zweifel fast oder gänzlich ausgeschlossen, so komme eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht in Betracht (Hinweise auf Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, § 69 FGO RdNr. 104).
Eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte komme im vorliegenden Fall nach Auffassung des FA nicht in Betracht. Der Antragsteller habe nicht, wie vorgeschrieben, detailliert vorgetragen, inwieweit eine unbillige Härte vorliege. Allgemeine Ausführungen würden zum Nachweis nicht ausreichen. Allein die mit Schreiben vom 20.07.2000 vorgelegten Umsatzzahlen der … Firmen für die Monate Juli und August 1999 könnten nicht als Nachweis dienen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vom FA vorgelegten Steuerakten sowie auf die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und auf die vom Senat beigezogenen Gerichtsakten in den Rechtsstreiten 12 V 4184/00 AO sowie 12 V 4604/00 AO verwiesen.
Gründe
Der Antrag ist unbegründet.
Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1992–1997 hinsichtlich von darin festgesetzten Beträgen, die über die Beträge hinausgehen hinsichtlich derer das FA mit Bescheid vom 17.07.2000 bereits Aussetzung der Vollziehung gewährt hat.
Das FA hat in dem Schriftsatz vom 21.08.2000 zutreffend ausgeführt, daß über die mit Bescheid vom 17.07.2000 bereits vom FA berücksichtigten Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteueränderungsbescheide keine darüber hinausgehenden ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteueränderungsbescheide bestehen. Ebenso ist darüber hinaus keine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu gewähren. Zur Begründung beruft sich der Senat auf die Ausführungen des FA im Schreiben vom 21.08.2000, denen erfolgt (§ 105 Abs. 5 FGO analog).
Ergänzend weist der Senat auf folgendes hin: Der Antragsteller kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der BFH im Beschluß vom 17.12.1997 I B 96/97, BStBl. II 1998, 321 zu einem vergleichbaren Sachverhalt entschieden und Aussetzung der Vollziehung gewährt hat. In diesem Beschluß hat der BFH ausgeführt, es sei ernstlich zweifelhaft, ob nicht die Rechtsfolge des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die Anwendung des § 1 Abs. 1 AStG ausschließe und ob eine Sach- und/oder Leistungsentnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG die Annahme einer Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 1 AStG ausschließe. § 1 Abs. 1 AStG sei nur „unbeschadet anderer Vorschriften” anwendbar. Das sich daraus ergebende Konkurrenzverhältnis zu § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG sei im Schrifttum weitgehend ungeklärt. Diese Frage müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden.
Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage dieses Konkurrenzverhältnisses nicht, weil der Antragsteller die Waren, die er an seinen Betrieb in … geliefert hat, nicht seinem hiesigen Betrieb im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG entnommen hat. Eine Entnahme im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach der Rechtsprechung des BFH gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut aus dem betrieblichen Bereich in den privaten Bereich übergeht oder wenn es innerhalb des betrieblichen Bereichs von einen Betrieb oder Betriebsteil in einen anderen übergeht und dabei eine spätere steuerliche Erfassung der im Buchansatz für dieses Wirtschaftsgut enthaltenen stillen Reserven nicht gewährleistet ist. Nach dieser Auslegung der Entnahmevorschrift ist eine Entnahme zu verneinen, wenn ein Wirtschaftsgut den Betrieb zwar verläßt, die steuerliche Erfassung von stillen Reserven jedoch sichergestellt ist. Zweck der Entnahmevorschrift ist vor allem, die steuerliche Erfassung der stillen Reserven zu gewährleisten (vgl. BFH-Beschluß vom 07.10.1974 GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168, 170 r. Sp. m.w.N.).
Die steuerliche Erfassung der stillen Reserven wäre hier nur dann nicht gewährleistet, wenn der Antragsteller die Reifen unter dem Teilwert an seine Betriebe in … geliefert hat. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG definiert den Teilwert als den Betrag, den der Erwerber des ganzen Betriebes im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Dabei ist davon auszugehen, daß der Erwerber den Betrieb fortführt.
Als Obergrenze werden regelmäßig die Wiederbeschaffungskosten des nämlichen Wirtschaftsguts angesehen (Glanegger in Schmidt, EStG-Kommentar, § 6 RdNr. 226).
Im vorliegenden Fall liegt der Preis, den der Antragsteller von seinen Firmen in … … für die Lieferung der Reifen erhalten hat, nach dem eigenen Vorbringen des Antragstellers über diesen Wiederbeschaffungskosten. Der Antragsteller hat insoweit vorgetragen, daß er die eingekauften Reifen mit einem geringen Aufschlag an seine Firmen in … weitergeliefert habe. Damit ist nach seinem eigenen Vorbringen die Versteuerung der Lieferungen zum Teilwert gewährleistet.
Der Senat hat auch im übrigen keine ernstlichen Zweifel, daß europarechtliche Regelungen der Anwendung des § 1 AStG entgegenstehen. Es trifft zwar zu, daß es bei den dem § 1 AStG unterfallenen Sachverhalten (an Fremdvergleichspreis orientierte Gewinnkorrektur bei Auslandsbeziehungen) steuerlich zu anderen Ergebnissen mit einer höheren steuerlichen Belastung kommt, als bei anderen Unternehmen, die sich im Inland befinden und „unter Preis” an ihre ebenfalls im Inland sich befindenden weiteren Betriebe liefern. Wenn insoweit eine Entnahme anzunehmen ist, werden nur die stillen Reserven, nicht aber die Gewinne besteuert (vgl. dazu den vom Antragsteller in Bezug genommenen Aufsatz von Dautzenberg und Gocksch „Die europarechtliche Problematik des § 1 AStG”. BB 2000, 904 ff.).
Es dürfte auch zutreffen, daß diese unterschiedlichen Auswirkungen bei den „unter Preis”-Lieferungen von Unternehmern an im Ausland sich befindenden Betriebe desselben Unternehmers im Vergleich zu „unter Preis”-Lieferungen an im Inland sich befindenden Unternehmen desselben Unternehmers sich einschränkend auf die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten des freien Warenverkehrs und indirekt auf die Niederlassungsfreiheit auswirken. Diese Auswirkungen sind jedoch aus Gründen der nationalen Funktionsfähigkeit der steuerlichen Systeme in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU erforderlich. Solange nicht die direkten Steuern in der EU harmonisiert sind, bestünde für die Staaten in der EU, die höhere direkte Steuern als andere Staaten erheben, die Gefahr, daß durch verbilligte Lieferungen von Waren durch Unternehmer mit Sitz in ihren Staaten an Betriebe mit Sitz in anderen Staaten mit dort geltenden geringerem Steuersatz Gewinne dorthin verlagert werden, um Steuern zu sparen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Staaten der EU dieses mit den in dem EU-Vertrag geregelten Grundfreiheiten rechtfertigen wollten. Die sich daraus ergebende Konsequenz könnte nämlich den Binnenmarkt in seinen Grundlagen beeinträchtigen (vgl. dazu zweitletzter Satz des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 26.10.1999 (1) Rechtssache C 294/97, BStBl. II 1999, 851 und BFH-Beschluß vom 17.12.1997 I B 108/97, BStBl. II 1998, 558, wonach die Freizügigkeit gemäß Artikel 8 a EUV nur unter gleichzeitiger Wahrung der finanziellen Interessen des bisherigen Ansässigkeitsstaates garantiert ist).
Dieser Gefahr soll gerade die in § 1 AStG enthaltene Regelung entgegenwirken. Zwar handelt es sich dabei um eine nationale Regelung; es ist aber auch zu berücksichtigen, daß diese Regelung auf einer internationalen Vereinbarung beruht. So ist im OECD-MA für DBA-Abkommen in Artikel 9 Abs. 1 geregelt:
„1. Wenn
ein Unternehmen eines Vertragsstaats unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt ist oder
dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital eines Unternehmens eines Vertragsstaats und eines Unternehmens des anderen Vertragsstaats beteiligt sind
und in diesen Fällen die beiden Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die von denen abweichen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden, so dürfen die Gewinne, die eines der Unternehmen ohne diese Bedingungen erzielt hätte, wegen dieser Bedingungen aber nicht erzielt hat, den Gewinnen dieses Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden.”
Artikel 5 des DBA … stimmt sinngemäß mit dieser Regelung überein (vgl. dazu Klaus Vogel, DBA-Kommentar, 3. Auflage, Artikel 9 RdNr. 47). Artikel 1 AStG setzt diese Regelung in nationales Recht um. Daß die EU-Regelungen nicht dem Artikel 1 AStG entgegenstehen, ergibt sich auch daraus, daß das Gewinnberichtigungsabkommen in Artikel 4 Nr. 1 eine mit Artikel 9 Abs. 1 OECD-MA wörtlich übereinstimmende Vorschrift enthält (vgl. dazu Klaus Vogel a.a.O., Artikel 9 RdNr. 46 a unter Hinweis auf Artikel 25 RdNr. 10 ff.).
Der Senat teilt daher nicht für den vorliegenden Fall die von Dautzenberg und Gocksch aufgeführten Bedenken gegen die generelle Anwendung des § 1 AStG.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Der Senat läßt die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zu, weil die Beurteilung der im Streitfall maßgebenden Rechtsfrage, ob § 1 AStG mit dem EU-Recht in den Fällen vereinbar ist, in denen bei einer verbilligten Lieferung des an sein im Ausland sich befindenden Betrieb liefernden Unternehmers nicht von einer Entnahmehandlung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG auszugehen ist, das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist.