08.01.2010
Finanzgericht München: Urteil vom 19.07.2001 – 6 K 1641/00
Bei Land- und Forstwirten, die den Gewinn nach § 13a EStG ermitteln, führt die Verpachtung von bisher selbst bewirtschafteten Flächen nicht zur Entnahme, so lange der Entahmewille nicht gegenüber dem Finanzamt eindeutig dokumentiert ist.
IM NAMEN DES VOLKES hat der 6. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …
des Richters am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht …
ohne mündliche Verhandlung am 19. Juli 2001
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Kläger sind Ehegatten, die zur Einkommensteuer (ESt) zusammenveranlagt werden. Sie wohnen in …. Der Kläger ist als Angestellter bei der Firma … beschäftigt. Daneben bewirtschaftet er einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (LuF). Die hieraus erzielten Einkünfte werden nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt.
Streitig ist, ob und ggf. in welchem Umfang und mit welchen steuerlichen Folgen der Kläger im Wirtschaftsjahr 1992/1993 Grundstücksflächen aus seinem landwirtschaftlichen Betrieb entnommen hat. Hierzu lässt sich den Akten Folgendes entnehmen:
11.03.83 | Übertragung des LuF-Betriebs von L X auf seinen Sohn F X (den Kläger) – lt. Übergabevertrag „mit Ausnahme einer Teilfläche von ca. 1000 qm aus dem Grundstück FlNr… Gemarkung A” (lt. Vermerk wurde diese Fläche nicht zurückbehalten) |
01.01.84 | Zurechnungsfortschreibung |
27.08.92 | Veräußerung einer Teilfläche ( FlNr. …, 350 qm, an Gemeinde …) § 6 b-Rücklage |
Zum Grundstück FlNr. … der Gemarkung A: | |
Gesamtfläche: 10.141 qm, zunächst insgesamt landwirtschaftliche Nutzfläche im Außenbereich – Ackerland | |
28.06.79 | Verpachtung einer Teilfläche von 3300 qm an den Kaufmann Y (Pferdehaltungsbetrieb); Rest: 6.841 qm |
01.01.90 | LuF-Wohnhaus und Garten aus dem LuF-Betriebsvermögen entnommen |
20.04.94 | Verpachtung einer Teilfläche der FlNr. … von 6.841 qm an den Landwirt K; Zeitraum von fünf Jahren |
01.09.94 | Nach vorzeitiger Auflösung des Pachtvertrages mit Herrn K: Herr Y als Pächter der gesamten FlNr. … |
14.11.94 | Ausweisung einer Teilfläche der FlNr. … durch Änderung des Flächennutzungsplans als reines Wohngebiet |
29.03.95 | notarieller Vertrag über unentgeltliche Übertragung einer Teilfläche von 1.600 qm aus FlNr. … auf die Tochter B X; |
„Der Vertragsgegenstand ist verpachtet.” (Tz. III Überlassungsvertrag), Schenkung zur Abfindung einer weichenden Erbin | |
11.08.98 | Vollzug einer Abfindungsverpflichtung zugunsten der Schwester des Klägers und Überlassung der Teilfläche an die Tochter |
Bisher wurde lediglich das an die Gemeinde … veräußerte Grundstück bebaut. Die beiden neu gebildeten Grundstücke der Schwester und der Tochter werden nach wie vor zusammen mit dem verbliebenen Restgrundstück des Klägers durch Herrn Y als Pferdekoppel genutzt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) insbesondere auf die im Klageverfahren eingereichten Lagepläne, Vertragsunterlagen und den klägerischen Schriftsatz vom 1. März 2001 verwiesen.
Die Kläger erklärten in der ESt-Erklärung für das Streitjahr 1993, die am 27. Februar 1995 (Frühleerung) beim FA einging, die Entnahme einer Teilfläche von 6.841 qm aus der FlNr. … der Gemarkung A in das Privatvermögen. Wegen der Wertermittlung wird auf Bl. 3 ff der ESt-Akten 1993 verwiesen. Auf Nachfrage des FA, wann die fraglichen Teilflächen entnommen worden seien, teilte der Klägervertreter mit, sein Mandant habe bereits im Jahr 1979 aus dem gleichen Grundstück eine Teilfläche von 3.300 qm durch Nutzungsänderung entnommen. Die neu entnommene Fläche grenze an diese Fläche an, so dass nach dieser Entnahme das ganze Grundstück dem Privatvermögen zuzurechnen sei. Dies sei objektiv naheliegend und vernünftig. Die weitere Verpachtung habe sein Mandant auch dem Landratsamt angezeigt. Zur Ermittlung des Entnahmewerts habe er ein Gutachten erstellen lassen. Mit Vertrag vom 29. März 1995 sei zudem die Teilfläche von 1.600 qm aus der FlNr. … an die Tochter übergeben worden. Durch diese Maßnahmen habe der Kläger seinen Entnahmewillen eindeutig zum Ausdruck gebracht.
Das FA rechnete die lt. ESt-Erklärung entnommene Fläche von 6.841 qm im ESt-Bescheid für 1993 vom 1. Juni 1995 weiterhin dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen des Klägers zu. Die Steuerfestsetzung wurde nach § 165 Abs. 1 AO hinsichtlich der Einkünfte aus der nach Ansicht des FA unverändert im landwirtschaftlichen Betriebsvermögen befindlichen Teilfläche aus der FlNr. … für vorläufig erklärt, da die Dauerhaftigkeit der Verpachtung nicht abschließend beurteilt werden könne. Bezüglich der an die Tochter übergebenen Fläche sei eine Entnahme erst im Zeitpunkt der Übergabe, also im Wirtschaftsjahr 1994/95 möglich. Gegen diese Sachbehandlung wandten die Kläger sich mit dem Einspruch. Zur Begründung trugen sie vor, langfristig bestehe eine gewisse Hoffnung, dass das fragliche Grundstück zu Bauland werde. Deshalb habe der Kläger den Entnahmezeitpunkt so frühzeitig gewählt, dass eine Bebauung noch nicht realisierbar gewesen sei und das Grundstück deshalb noch einen niedrigeren Wert besessen habe. Dass ein solch früher Zeitpunkt gewählt worden sei, liege im Rahmen der zulässigen steuergünstigen Sachverhaltsgestaltung. Nur die Langfristigkeit der Verpachtung und die auf Dauer angelegte Entnahmehandlung ergäben einen Sinn.
In der ESt-Erklärung für 1995 teilte der Kläger mit, eine Teilfläche des Grundstücks FlNr. … von 8.541 qm (Gesamtfläche von 10.131 qm abzüglich der der Tochter überlassenen Fläche von 1.600 qm) auf Grund des Vertrages vom 1. September 1994 an Herrn Y verpachtet zu haben.
Mit der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2000 wies das FA den Einspruch als unbegründet zurück, weil die streitige Teilfläche der FlNr. … nicht im Wirtschaftsjahr 1992/1993 entnommen worden sei. Zur Begründung führte es aus, das Pachtverhältnis mit Herrn K sei nicht wie vereinbart durchgeführt worden und könne deshalb steuerlich nicht anerkannt werden. Doch selbst wenn das Pachtverhältnis anzuerkennen sein sollte, würde die Verpachtung nicht automatisch zu einer Entnahme der betreffenden Fläche aus dem Betriebsvermögen führen. Nach der Rechtsprechung blieben Wirtschaftsgüter auch nach Einstellung der eigenbetrieblichen Nutzung notwendiges Betriebsvermögen, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits die Verwertung (Veräußerung, dauerhafte außerlandwirtschaftliche Verwendung, Überlassung an Angehörige) konkret im Vordergrund stehe, so dass die Verpachtung nur eine eingeschobene – unbeachtliche – Zwischennutzung darstelle. Der Kläger habe zum Zeitpunkt des Abschlusses des Pachtvertrages (20. April 1994) bereits damit rechnen können, dass eine Teilfläche des Grundstücks FlNr. … bei der beabsichtigten Änderung des Flächennutzungsplans im November 1994 als bebaubare Fläche ausgewiesen werde. Die Steuerfestsetzung erfolgte nunmehr endgültig u. a. hinsichtlich der Einkünfte aus der nach Auffassung des FA weiterhin im landwirtschaftlichen Betriebsvermögen befindlichen Teilfläche aus der FlNr. … der Gemarkung A.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage. Die Kläger sind der Auffassung, die streitigen Grundstücksflächen seien im Streitjahr entnommen worden. Es sei nicht zweifelhaft, dass die in Rede stehenden Verpachtungen von Anfang an ernsthaft gewollt gewesen seien. Die ab dem 20. April 1994 verpachteten Flächen seien deshalb ab diesem Datum (zwingend) dem luf Betriebsvermögen zu entnehmen gewesen. Die inzwischen veräußerten Flächen der FlNr. … beträfen überwiegend die bereits 1979 entnommene Fläche zuzüglich der mit Pachtvertrag vom 20. April 1994 verpachteten und im Flächennutzungsplan als Grünflächen ausgewiesenen Teilflächen. Die Pachteinnahmen der weitaus größten Restfläche (FlNr. …) würden entsprechend den neuen Eigentumsverhältnissen aufgeteilt. Für die Teilfläche „private Grünfläche” sei der im Gutachten ermittelte Wert, im übrigen der landwirtschaftliche Grundstückswert anzusetzen.
Die Kläger beantragen, den ESt-Bescheid 1993 vom 1. Juni 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 3. März 2000 in der Weise abzuändern, dass der Gewinn aus der Entnahme des Grundstücks FlNr. …/Teilfläche der Gemarkung A aus dem landwirtschaftlichen Betriebsvermögen – wie in der Anlage zur ESt-Erklärung 1993 angegeben – angesetzt wird.
Das FA beantragt Klageabweisung.
Es hält daran fest, dass im Veranlagungszeitraum 1993 nicht von einer Entnahme der fraglichen Grundstücksflächen auszugehen sei. Vielmehr sei diese erst mit dem Eingang der Entnahmeerklärung beim FA (27. Februar 1995 – Frühleerung) bewirkt worden. Die steuerlichen Folgerungen hieraus dürften/müssten somit erst im Wirtschaftsjahr 1994/1995 gezogen werden.
II.
Die Klage…ist nicht begründet. Die streitigen Grundstücksflächen wurden erst mit der Entnahmeerklärung im Februar 1995 und somit nicht im Wirtschaftsjahr 1992/1993 entnommen. Letzteres wäre aber erforderlich, um die durch die Entnahme aufgedeckten stillen Reserven bereits bei der ESt-Veranlagung für das Streitjahr 1993 zu erfassen.
1. Zum Betriebsvermögen einer Land- und Forstwirtschaft gehört zunächst der vom Land- und Forstwirt bewirtschaftete Grund und Boden. Er stellt die wesentliche Betriebsgrundlage dar. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) werden Grundstücke Betriebsvermögen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, wenn sie der Steuerpflichtige in der Absicht erwirbt, sie im Rahmen dieses Betriebes zu bepflanzen und zu bewirtschaften (vgl. Urteil vom 7. März 1985 IV R 98/82, BFH/NV 1985, 29). Ein Grundstück kann aber auch als Vorratsgelände oder Anlageobjekt betrieblichen Zwecken dienen (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1977 VIII R 29/75, BFHE 124, 424, BStBl II 1978, 330, und vom 7. März 1985 IV R 98/82, BFH/NV 1985, 29). Grundstücke, die nicht zum notwendigen Betriebsvermögen oder notwendigen Privatvermögen gehören, können auf Grund einer entsprechenden Widmung gewillkürtes Betriebsvermögen werden, allerdings nicht bei Land- und Forstwirten, die ihren Gewinn gemäß § 13 a EStG (nach Durchschnittssätzen) ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1982 IV R 159/79, BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448). Da ein § -13-a-Landwirt nicht für steuerliche Zwecke Bücher führt, kann er weder durch Einlage- noch durch Entnahmebuchungen seinen Willen, einen Vermögensgegenstand dem Betriebsvermögen zuzuordnen oder zu entnehmen, dokumentieren. Aber auch bei ihm verlieren bislang landwirtschaftlich genutzte Grundstücke ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen nicht bereits dadurch, daß die (eigene) landwirtschaftliche Nutzung eingestellt wird (vgl. BFH-Urteile in BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448, vom 13. März 1986 IV R 1/84, BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711, und vom 30. Januar 1986 IV R 270/84, BFHE 146, 378, BStBl II 1986, 516).
Vielmehr ist hierfür die Auflösung des sachlichen oder persönlichen Zusammenhangs mit dem Betrieb erforderlich. Dieser Zusammenhang wird bei unveränderter subjektiver Zurechnung des Wirtschaftsguts durch Entnahme gelöst. Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens werden in erster Linie durch eine ausdrückliche Entnahmehandlung, aber auch durch schlüssige Handlungen oder durch einen entsprechenden Rechtsvorgang entnommen. Eine ausdrückliche, auf die Zuordnung des Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen gerichtete Entnahmehandlung des Steuerpflichtigen muss auf einer Willensentscheidung beruhen, die jedoch erst wirksam wird, wenn sie nach außen hin in objektiv nachprüfbarer Weise eindeutig in Erscheinung tritt (BFH-Urteile vom 31. Januar 1985 IV R 130/82, BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395). Für die Annahme einer solchen Entnahmehandlung reicht es im Regelfall nicht aus, daß der Grundbesitz nicht mehr durch den Eigentümer landwirtschaftlich genutzt wird. Insbesondere hebt die Verpachtung von bisher betrieblich genutzten Grundstücken ihre Eigenschaft als Betriebsvermögen grundsätzlich nicht auf (vgl. BFH-Urteile vom 30. November 1989 IV R 49/88, BFH/NV 1991, 383, und vom 20. Januar 1999 IV B 99/98, BFH/NV 1999, 1073). Eine Änderung der Nutzung führt nur dann zu einem Ausscheiden aus dem land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, wenn das Grundstück durch die Nutzungsänderung zum notwendigen Privatvermögen wird (BFH-Urteile in BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448, in BFHE 146, 378, BStBl II 1986, 516, und in BFHE 146, 538, BStBl II 1986, 711). Wie der BFH wiederholt entschieden hat, kann insbesondere bei nichtbuchführenden Landwirten, die ihren Entnahmewillen nicht durch eine entsprechende Buchung zum Ausdruck bringen können, die äußere Dokumentation des Entnahmewillens in der Erklärung der Entnahme gegenüber dem FA liegen (vgl. z. B. Urteile in BFHE 143, 335, BStBl II 1985, 395, 397, rechte Spalte; in BFHE 137, 294, BStBl II 1983, 448, und in BFH/NV 1985, 29). Eine entsprechende Äußerung gegenüber einem Dritten – etwa einem Gutachter – reicht dafür nicht aus. Im Beschluss vom 30. März 1999 IV B 57/98 (BFH/NV 1999, 1210) hat der BFH entschieden, daß die Mitteilung zur Weinbaukartei über die Verpachtung einer Weinbaufläche kein für eine Entnahme nach außen erkennbares Verhalten sei.
Der Steuerpflichtige trägt die sog. objektive Beweislast für seine Behauptung, durch die Verpachtung der bisher selbstbewirtschafteten Flächen sei es zu einer Entnahme dieser Flächen gekommen (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1987 III R 172/82, BFHE 149, 536, BStBl II 1987, 679).
2. Der erkennende Senat folgt dieser Rechtsprechung. Sie berücksichtigt insbesondere, dass nicht zuletzt wegen der möglichen steuerwirksamen Aufdeckung stiller Reserven durch Entnahmehandlungen letztere eindeutig dokumentiert werden müssen, um klare Verhältnisse zu schaffen und im Einzelfall steuerliche Nachteile für den Steuerpflichtigen zu vermeiden. Die Anwendung dieser Rechtsprechung ergibt, dass im Streitfall eine verlässliche Entnahmehandlung für die streitbefangenen Grundstücksflächen durch den Kläger erstmals mit der am 27. Februar 1995 (Frühleerung) beim FA eingegangenen ESt-Erklärung dokumentiert wurde. Die vor diesem Zeitpunkt liegenden Pacht- und sonstigen Vorgänge führten nicht dazu, dass diese Flächen zum notwendigen Privatvermögen wurden oder durch eine eindeutige Willensäußerung zur Lösung des sachlichen Zusammenhangs aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen des Klägers überführt wurden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.