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  • 24.02.2016 · IWW-Abrufnummer 146451

    Hessisches Finanzgericht: Beschluss vom 24.02.2014 – 4 V 84/13

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    Finanzgericht Hessen

    Beschl. v. 24.02.2014

    Az.: 4 V 84/13

    Tenor:

    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung wird abgelehnt.

    Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
    Gründe
    1

    I.

    Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit der Hinzuschätzung von Einnahmen aus dem von der Antragstellerin betriebenen Asia-Restaurant.
    2

    Die mit X verheiratete Antragstellerin betrieb u.a. in den Jahren 2008 bis 2010 (Streitjahre) in Stadt A das Asia Restaurant R. Hieraus erklärte sie durch Einnahmen-Überschuss-Rechnungen ermittelte Einkünfte bzw. Gewinne aus Gewerbebetrieb i.H.v. 15.396 Euro (2008), 35.805 Euro (2009) bzw. 7.613 Euro (2010). Im Einzelnen wird zum Inhalt der Steuererklärungen und der Einnahmenüberschussrechnungen für die Streitjahre auf die Akten verwiesen.
    3

    Nachdem das Hauptzollamt in einem Ermittlungsverfahren gegen die Antragstellerin und ihren Ehemann u.a. wegen des Verdachts des Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und der Hinterziehung von Lohnsteuer im Schlussbericht zu dem Ergebnis gelangt war, dass die Antragstellerin in ihrem Restaurant im Zeitraum 01.02.2009 bis 30.06.2009 Herrn (D.) „schwarz“, d.h. ohne sozialversicherungsrechtliche und lohnsteuerrechtliche Anmeldungen als Koch beschäftigt hatte schwankende Rohgewinn- und Lohnanteilssätze festgestellt worden waren, ordnete der Antragsgegner am 19.08.2011 eine steuerliche Außenprüfung für 2008 bis 2010 an. Die Antragstellerin legte im Rahmen der sodann durchgeführten Außenprüfung Gewinnaufzeichnungen für 2007 bis 2009 sowie Belege für 2009 (darunter Tagesendsummenbons, die wöchentlich als Bareinnahmen erfasst worden waren) vor. Der Aufforderung, auch „Buchhaltungsdaten“ für 2010 vorzulegen sowie das verwendete Kassensystem zu bezeichnen und hierfür die Bedienungsanleitung und die Programmierungsprotokolle vorzulegen, kam die Antragstellerin nicht nach. Die Betriebsprüfer gelangten sodann zu der Ansicht, dass ohne die Programmierungsprotokolle die so genannten Z-Bons nicht aussagekräftig seien. Im Rahmen des angestellten Zeitreihenvergleichs mit quartalsmäßig ermittelten Rohgewinn-Aufschlagssätzen habe sich ergeben, dass im 1. Quartal 2008 ein Rohgewinnaufschlagssatz i.H.v. 370,52 % erreicht worden sei. Aus diesem Satz errechnete die Betriebsprüfung für 2008 und 2009 einen Gesamtumsatz i.H.v. insgesamt 492.983,19 Euro. Den sich hieraus ergebenden Mehrerlös i.H.v. 79.820,80 Euro (= kalkulierter Erlöse i.H.v. 492.893,19 Euro abzgl. die für 2008 und 2009 erklärten Erlöse) verteilte die Betriebsprüfung wie folgt auf die drei Streitjahre:

    in Euro


    2008


    2009


    2010

    zu 19 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen


    19.782,02


    22.218,32


    23.537,95

    zu 7 % umsatzsteuerpflichtige Mehreinnahmen


    5.121,94


    4.546,88


    4.613,69

    Summe Mehreinnahmen


    29.021,08


    31.304,96


    32.946,81
    4

    .
    5

    Der Antragsgegner folgte der Ansicht der Betriebsprüfung und erließ für die Streitjahre am 13.03.2012 unter Berufung auf § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderte Einkommensteuerbescheide und Gewerbesteuermessbescheide und unter Berufung auf § 164 Abs. 2 AO vom Inhalt der Umsatzsteuerjahreserklärungen abweichende Umsatzsteuerbescheide. Im Einzelnen wird zum Inhalt der Bescheide vom 13.03.2012 auf die Akten verwiesen. Hiergegen legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung. Dies begründete sie insbesondere damit, dass die Rohgewinnaufschläge nicht sachgerecht ermittelt worden seien, weil sich wegen der Ist-Versteuerung die liquiditätsmäßigen Zahlenreihen nicht unbedingt mit den wirtschaftlichen Zeitreihen deckten. Es sei möglich, dass Wareneinkäufe erst im Zeitpunkt der Zahlung erfasst worden seien. Zudem würden Kreditkartenumsätze erst bei Verbuchung auf dem Konto erfasst. Würden beispielsweise Weihnachtsfeiern auf Rechnung erst im Januar bezahlt, führe auch dies zu einer Verzerrung der Zeitreihen. Ferner bewegten sich die aus den Einnahmen-Überschuss-Rechnungen ergebenden Rohgewinnaufschläge i.H.v. durchschnittlich 305 % im Rahmen der Richtsatzsammlung. Hierauf teilte der Antragsgegner nach Rücksprache mit dem Betriebsprüfer mit, dass die Waren grundsätzlich in bar bei Lieferung gezahlt worden seien und daher davon auszugehen sei, dass es nicht zu großen zeitlichen Verzerrungen gekommen sei. Abweichungen zwischen Zahlungs- und Lieferzeitpunkten würden aber überprüft, wenn die Antragstellerin bis zum 09.10.2012 sämtliche Unterlagen für den gesamten Prüfungszeitraum vorlege. Zugleich lehnte der Antragsgegner die beantragte Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Änderungsbescheide ab. Nachdem die Antragstellerin keine weiteren Unterlagen einreichte, wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom 18.10.2012 sodann auch den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen richtet sich die unter dem Az.: 4 K 2340/12 bei dem Gericht anhängigen Klage.
    6

    Nachdem der Antragsgegner ungeachtet der Klageerhebung die Zwangsvollstreckung angekündigt hatte, hat die Antragstellerin bei dem Gericht im vorliegenden Verfahren beantragt, die Vollziehung der Änderungsbescheide auszusetzen. Den AdV-Antrag und die Klage begründet die Antragstellerin zum einen damit, dass die Buchungsbelege 2008 auf dem Postweg verloren gegangen seien, nachdem die Antragstellerin sie dem früheren Steuerberater zur Durchsicht und Weitergabe an die Betriebsprüfung zugesandt habe. In der Nichtvorlage der Buchhaltungsunterlagen für 2008 sei daher wegen höherer Gewalt keine Verletzung der Mitwirkungspflichten der Antragstellerin zu sehen. Für 2009 hätten sämtliche Unterlagen vorgelegen. Das Fehlen der Bedienungsanweisungen der gebraucht übernommenen Kasse sei kein wesentlicher formeller Fehler. Den insoweit einschlägigen Urteilen hätte jeweils das Fehlen von Belegen oder Basisdokumenten zugrunde gelegen. Im Fall des § 158 AO treffe zudem den Antragsgegner die Feststellungslast, dass das Buchführungsergebnis sachlich unrichtig sei. Ferner seien die Buchhaltungsauswertungen und Buchungsunterlagen für 2010 bei dem früheren Steuerberater in Stadt B gewesen, welcher sie der Betriebsprüfung auftragswidrig nicht vorgelegt habe. Wegen schlechter Deutsch- und Buchhaltungskenntnisse sei die Antragstellerin auf den Steuerberater angewiesen gewesen. Die Antragstellerin habe, als der Umfang des Nichtstuns des vorherigen Steuerberaters bekannt wurde, diesem gekündigt. Der Vorberater habe erst nach dieser Kündigung die Buchführungsunterlagen für 2010 an der Antragstellerin zurück übersandt. Daher sei der Antragstellerin nur eingeschränkt ein schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen, zumal dem Antragsgegner die Vorlage der Buchhaltungsunterlagen angeboten worden sei. Die Antragstellerin meint zum anderen weiterhin, dass das Zeitreihenverfahren wegen der Verwendung von liquiditätsmäßigen Ist-Werten falsch durchgeführt worden sei. Zudem liege den vom Antragsgegner ermittelten Rohgewinnaufschlägen ein eindeutiger abnehmender Trend zugrunde. Die Schwankungen seien nicht nur auf das falsche statistische Verfahren, sondern auf saisonale, tatsächliche und ökonomische Besonderheiten zurückzuführen. Eine diesbezügliche Analyse sei von der Betriebsprüfung nicht durchgeführt worden. Abgesehen davon lägen die von der Betriebsprüfung anhand der Aufzeichnungen ermittelten Rohgewinnaufschlagsätze nicht innerhalb der Spanne der Richtsatzsammlung.
    7

    Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

    die Vollziehung der Einkommensteuerbescheide, Gewerbesteuermessbescheide und Umsatzsteuerbescheide 2008 bis 2010 jeweils vom 13.03.2012 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 18.10.2012 hinsichtlich Einkommensteuer 2008 i.H.v. 2.320 Euro, Einkommensteuer 2009 i.H.v. 4.436 Euro, Einkommensteuer 2010 i.H.v. 2.320 Euro, Gewerbesteuermessbetrag 2008 i.H.v. 665 Euro, Gewerbesteuermessbetrag 2009 i.H.v. 1.491 Euro, Gewerbesteuermessbetrag 2010 i.H.v. 530 Euro, Umsatzsteuer 2008 i.H.v. 4.117,12 Euro, Umsatzsteuer 2009 i.H.v. 4.539,71 Euro und hinsichtlich Umsatzsteuer 2010 i.H.v. 4.795,20 Euro auszusetzen.

    8

    Der Antragsgegner beantragt,

    den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung abzulehnen.

    9

    Der Antragsgegner meint, dass es in den Streitjahren an einer ordnungsgemäßen Buchführung i. S. der §§ 145 ff. AO und § 22 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) fehle. Die Kassenaufzeichnungen ließen keine jederzeitige Kassenstürzfähigkeit zu, weil die Tagesabschlussbons nicht bei jedem Tagesabschluss, sondern nur wochenweise erstellt und in einer Summe im Konto Kasse gegen Erlöse zu 19 % verbucht worden seien. Für das Jahr 2008 fehlten zudem die Buchhaltungsunterlagen. Ferner seien die Programmierungsunterlagen der Kassen nicht vorgelegt worden, so dass der Inhalt der für 2009 vorlegten Z-Bons nicht nachvollzogen werden könne. Es habe zudem in den Jahren 2008 und 2009 erhebliche Schwankungen beim Rohgewinnaufschlag ergeben, die nicht durch saisonale Gesichtspunkte zu erklären seien, weil u. a. 2008 das 3. Quartal das mit dem niedrigsten Rohgewinn und 2009 das 3. Quartal das mit dem höchsten Rohgewinn gewesen sei. Zudem hätten Schwankungen des Lohnaufwands zum erklärten Umsatz (2008: 22,3 %, 2009: 13,9 % und 2010: 23,1 %) und die noch auffälligeren Schwankungen des Lohnaufwands zum Wareneinkauf (2008: 77,9 %, 2009: 43,5 % und 2010: 88,2 %) nicht geklärt werden können. Für das Jahr 2010 seien weder Aufzeichnungen noch Belege vorgelegt worden noch habe die Antragstellerin die Vorlage angeboten. Die durchgeführte Nachkalkulation sei nach der Rechtsprechung eine geeignete Schätzungsmethode. Die Antragstellerin habe dafür, dass die Ermittlung des Rohgewinnaufschlags technisch falsch durchgeführt worden sei, keine Begründung geliefert. Ferner hätten den ermittelten Rohgewinnaufschlägen die regelmäßig wöchentlich stattfindenden Wareneinkäufe zugrunde gelegen. Der chinesische Großhändler mit dem größten Anteil am Wareneinkauf habe mindestens einmal die Woche geliefert. Auch der Einkauf der Getränke und andere Wareneinkäufe bei den Discountern seien regelmäßig erfolgt, zum Teil zweimal in der Woche. Da die Wareneinkünfte gegen Kasse gebucht worden seinen, könne unterstellt werden, dass die Waren auch mindestens einmal wöchentlich bezahlt worden seien. Eine größere Lagerhaltung widerspreche der Prüfungserfahrung, zumal es dafür keine tatsächlichen Anhaltspunkte in der Buchhaltung gebe. Bei der Hinzuschätzung sei durch die Verteilung auf die drei Streitjahre ein pauschaler Abschlag i.H.v. ca. einem Drittel gewährt worden und die Schätzung daher durchaus moderat. Dazu komme, dass für 2008 mangels Belegen auch eine Kürzung der gebuchten Betriebsausgaben und der Vorsteuer in Betracht gekommen wäre. Die Mängel in der Kassenbuchführung würden zudem auch pauschale Zuschätzungen rechtfertigen.
    10

    Ergänzend wird auf die dem Gericht vorgelegten Akten… verwiesen. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.
    11

    II.

    Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung hat keinen Erfolg.
    12

    1. Nach § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung - auch ohne Sicherheitsleistung - ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen dann, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsaktes neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Aspekte zu Tage treten, die Unsicherheit und Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen oder Unklarheiten bei der Beurteilung von Tatfragen zur Folge haben. Bei der hierfür notwendigen Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass die für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes sprechenden Gründe überwiegen. Es genügt vielmehr die nicht fernliegende und ernsthafte Möglichkeit, dass der Antragsteller im Hauptsacheverfahren mit seinem Begehren obsiegt (Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26.06.2003 X S 4/03, BFH/NV 2003, 1217). Eine vage Erfolgsaussicht genügt allerdings nicht.
    13

    Im Aussetzungsverfahren beschränken sich die Ermittlungen des Gerichts auf die Auswertung der präsenten Beweismittel, weitere gerichtliche Sachverhaltsermittlungen sind nicht erforderlich (vgl. Hessisches Finanzgericht, Beschluss vom 09.03.2004 6 V 4121/03, EFG 2004, 1001). Soweit die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen reicht, hat er den für ihn günstigen tatsächlichen Geschehensablauf durch präsente Beweismittel glaubhaft zu machen.
    14

    2. Nach diesen Grundsätzen bestehen keinen ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide, die eine AdV rechtfertigen würden.
    15

    a) Nach § 162 Abs. 1 AO sind die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, wenn die Finanzbehörde (oder das Gericht, vgl. § 96 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz FGO) diese nicht ermitteln oder berechnen kann. Eine Schätzung erfolgt dabei gemäß § 162 Abs. 2 AO insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag oder weitere Auskunft verweigert oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Aufzeichnungen nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden können oder wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu versteuerpflichtigen Einnahmen bestehen. Bei einem Steuerpflichtigen, der gemäß § 4 Abs. 3 EStG das Wahlrecht ausübt, den Gewinn durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, ist zwar keine Buchführung gemäß § 140 ff. der Abgabenordnung erforderlich. Nach § 22 UStG muss aber jeder umsatzsteuerpflichtige Unternehmer seine vereinnahmten Entgelte aufzeichnen. Diese Aufzeichnungspflichten gilt unmittelbar für sämtliche Besteuerungszwecke, so dass jedenfalls bargeldintensive Betriebe, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sämtliche Einnahmen geordnet und Bareinnahmen grundsätzlich täglich aufzuzeichnen haben (vgl. Finanzgericht des Saarlandes, Urteil vom 21.06.2012 1 K 1124/10, EFG 2012, 1816 und BFH-Urteil vom 22.02.1973 IV R 69/69, BFHE 109, 30, BStBl II 1973, 480 [BFH 22.02.1973 - IV R 69/69]). Nach der Rechtsprechung des Bundsfinanzhofs ist es zwar nicht zu beanstanden, wenn die Kasseneinnahmen täglich nur in einer Summe in ein Kassenbuch eingetragen werden. Dann muss aber das Zustandekommen dieser Summe durch Aufbewahrung angefallener Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons oder die Einnahmen und Ausgaben anhand eines Kassenberichts nachgewiesen werden (vgl. Sächsisches Finanzgericht, Beschluss vom 04.04.2008 5 V 1035/07, juris; BFH-Urteile vom 20.06.1985 IV R 41/82, BFH/NV 1985, 12 und vom 31.07.1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96). Für den Nachweis durch Aufbewahrung der so genannten Tagesendsummenbons (Z-Bons) ist ferner erforderlich, dass die Z-Bons eine hinreichende Gewissheit über die Vollständigkeit der darin enthaltenen Einnahmen zulassen. Dies ist nur der Fall, wenn die sog. Organisationsunterlagen aufbewahrt werden, um etwaige Manipulationen bei der Berechnung der ausgedruckten Beträge nachvollziehen zu können (vgl. Urteil des Finanzgerichts München vom 25.10.2009 15 K 219/07, EFG 2011, 10; Drüen, in: Tipke/Kruse, § 147 AO Rn. 24). Bei Nutzung einer EDV-Registrierkasse sind daher nicht nur die Z-Bons, sondern auch alle Dokumentationsunterlagen über die Kasseneinstellungen, Bedienerprogrammierung, Artikel- und Warengruppeneinstellungen und vor allem auch Bedienerberichte aus der Abrechnung mit dem kassierberechtigten Personal vorzulegen; fehlen diese Unterlagen, ist nicht gewährleistet, dass die erfassten Umsätze vollständig sind (so zuletzt ausdrücklich Finanzgericht Münster, Urteil vom 16.05.2013 2 K 3030/11, EFG 2014, 86).
    16

    b) Nach diesen Grundsätzen hat die Antragstellerin keine hinreichenden Aufklärungen über die Besteuerungsgrundlagen gegeben, so dass die Besteuerungsgrundlagen unter Berücksichtigung der Umstände des vorliegenden Einzelfalls zu schätzen sind.
    17

    Für 2008 und 2010 folgt die Befugnis zur Schätzung schon daraus, dass die Antragstellerin der Aufforderung, Belege (2008 und 2010) bzw. die den Einnahmen-Überschuss-Rechnungen zugrunde liegende elektronischen Aufzeichnungen (2010) vorzulegen, nicht nachgekommen ist. Soweit die Antragstellerin meint, daran treffe sie kein Verschulden (2008) bzw. nur ein eingeschränktes Verschulden (2010), ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil es für die Schätzungsbefugnis nur auf den objektiven Zustand im Zeitpunkt der Prüfung ankommt. Darüber hinaus hat die Antragstellerin den hinsichtlich 2008 geltend gemachten Verlust der Belege auf dem Postweg ohnehin nicht durch präsente Beweismittel glaubhaft gemacht. Für 2010 liegen der Antragstellerin zudem nach eigenen Angaben die Unterlagen zwischenzeitlich aufgrund der Rückgabe durch den früheren Steuerberater wieder vor. Insoweit ist nicht nachvollziehbar, warum die Antragstellerin die Unterlagen bisher nicht vorgelegt hat.
    18

    Im Übrigen besteht für sämtliche Streitjahre ein (weiterer) Anlass zur Schätzung darin, dass die Aufzeichnungen der Bareinnahmen nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen. Insbesondere ist die von § 146 Abs. 1 S. 2 AO geforderte tägliche Kassensturzfähigkeit nicht gewährleistet, da die Tagesabschlussbons (Z-Bons) nicht bei jedem Tagesabschluss, sondern nur wochenweise erstellt und in einer Summe im Konto Kasse gebucht wurden. Die erheblichen Schwankungen beim Rohgewinnaufschlag, die von der Außenprüfung im Rahmen des inneren Betriebsvergleichs trotz vergleichbarer Einkaufs- und Verkaufspreise über den Prüfungszeitraum hin ermittelt wurden, lassen in dem Zusammenhang auf eine unvollständige Erfassung der Einnahmen schließen. Auch die erheblichen Schwankungen zwischen Lohnaufwand und Wareneinkauf konnten von der Antragstellerin nicht plausibel erklärt und glaubhaft gemacht werden. Da auch die sog. Organisationsunterlagen der Kasse nicht vorgelegt wurden erbringen die ohnehin nur für 2009 vorgelegten täglichen Z-Bons keine hinreichenden Beweis über die Vollständigkeit der aufgezeichneten und den Einnahmen-Überschuss-Rechnungen zugrunde gelegten Einnahmen. Denn ohne die Organisationsunterlagen der Kasse kann nicht nachvollzogen werden, wie die auf den Z-Bons ausgedruckten Summen zustande kamen und ob insoweit Manipulationen der Summe möglich waren. Beispielhaft wird insoweit auf die von dem Antragsgegner vorgelegte Anlage 5 zum Schriftsatz vom 22.02.2013 verwiesen.
    19

    Soweit die Antragstellerin meint, es müsste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit die Buchführung unrichtig oder unvollständig sein, trifft dies nicht zu. Denn ein derart hoher Überzeugungsgrad wäre nur erforderlich, wenn die Aufzeichnungen keine wesentlichen Mängel aufweisen würden und deshalb in Folge einer formell ordnungsgemäßen Buchführung nach § 158 AO widerlegbar auch die materielle Richtigkeit und Vollständigkeit zu vermuten wäre. Diese Vermutung gilt aber auf Grund der formellen Mängel der Aufzeichnungen und Belege vorliegend gerade nicht, so dass nach § 162 AO die Höhe der erzielten Einnahmen zu schätzen ist.
    20

    c) Im Rahmen dieser Schätzung begegnet es keine ernsthaften Zweifel, von dem vom Antragsgegner für das 1. Quartal 2008 ermittelten Rohgewinnaufschlag i.H.v. 370,53 % auszugehen. Soweit die Antragstellerin meint, dass damit unzulässigerweise der obere Rahmen der Richtsatzsammlung (333 %) überschritten werden, trifft dies nicht zu. Denn die Richtsatzsammlung gibt zwar einen gewichtigen Anhalt für erzielbare Rohgewinne. Eine Abweichung ist aber zulässig, wenn dafür plausible Gründe bestehen (vgl. BFH-Urteile vom 17.06.2004 IV R 45/03, BFH/NV 2004, 1618 und vom 25.01.1989 I R 289/83, BStBl. II 1989, 620). Dass vorliegend plausible Gründe dafür bestehen, folgt daraus, dass der Betrieb der Antragstellerin mit den Rohgewinnaufschlag im 1. Quartal 2008 und dem fast gleichen hohen Rohgewinnaufschlag im 2. Quartal 2008 (367,63 %) gezeigt hat, dass derartige Rohgewinne erzielbar sind. Dem stehen die von der Antragstellerin behaupteten statistischen Fehler und wirtschaftlichen Besonderheit nicht entgegen. Die Antragstellerin hat für 2008 keine Belege vorgelegt, anhand deren mit hinreichender Sicherheit nachvollzogen werden könnte, ob es die von ihr behaupteten zeitlichen und sonstigen (z. B. saisonalen) Verzerrungen der Einnahmen- und Ausgabensituation überhaupt gab. Die Antragstellerin kann daher mangels Vorlage geeigneter Unterlagen den Erfahrungssatz der Außenprüfung, dass es nach der Art ihrer Umsätze (Verkauf von Speisen und Getränken) keine größere Lagerhaltung gab und sich auf Grund regelmäßiger Bareinnahmen und Bareinkäufe keine stark schwankenden Rohgewinnaufschläge geben kann, nicht substantiiert entkräften. Etwaige Verzerrungen durch erst im Januar 2008 zugeflossenen Einnahmen aus dem Weihnachtsgeschäft im Dezember 2007 hat die Antragstellerin ebenfalls mangels Vorlage der Belege nicht glaubhaft gemacht. Sie sind auch unwahrscheinlich, weil auch im 2. Quartal 2008 ein ähnlich hoher Rohgewinnaufschlag i.H.v. 367,63 % erzielt werden konnte. Der sich somit bei summarischer Prüfung ergebende Rohgewinnaufschlag i.H.v. 370,53 % im 1. Quartal 2008 kann angesichts der in allen Streitjahren formell unzureichenden Aufzeichnungen als geeigneter Schätzungsmaßstab zugrunde gelegt werden. Insoweit gilt nämlich im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, dass ein Steuerpflichtiger, der Veranlassung zur Schätzung gibt, es hinnehmen muss, dass die im Wesen jeder Schätzung liegende Unsicherheit oder Fehlertoleranz gegen ihn ausschlägt und das Gericht im Rahmen seines Schätzungsspielraums an der oberen Grenze des nach den konkreten Umständen wahrscheinlichen Sachverhalts bleibt.
    21

    Hieraus ergibt sich die folgende Erhöhung der Einnahmen bzw. umsatzsteuerpflichtigen Leistungen, wobei das Gericht– wie bereits die Betriebsprüfung – es als sachgerecht ansieht, die Hinzuschätzungen nach dem Verhältnis der von der Antragstellerin erklärten Umsätze dem regulären Umsatzsteuersatz und dem ermäßigten Umsatzsteuersatz zuzuordnen:


    2008


    Gesamt


    7%


    19%


    Wareneinkauf lt. Bp-Bericht


    47.377,43


    zzgl. 370,53 %


    175.547,59


    Nettoerlöse geschätzt


    222.925,02


    45.163,94


    177.761,08

    Nettoerlöse laut Gewinnermittlung


    202.155,00


    40.956,00


    161.199,00

    Zuschätzung Umsatzerlöse netto


    20.770,02


    4.207,94


    16.562,08




    Erhöhung Umsatzsteuer


    3.441,35


    294,56


    3.146,79




    Erhöhung Einnahmen brutto


    24.211,37



    Erhöhung laut Bp


    29.021,08





    Differenz


    -4.809,71




    2009


    Gesamt


    7%


    19%


    Wareneinkauf lt. Bp-Bericht


    57.396,69


    zzgl. 370,53 %


    212.671,96


    Nettoerlöse geschätzt


    270.068,65


    45.450,01


    224.618,64

    Nettoerlöse laut Gewinnermittlung


    214.022,73


    36.358,25


    177.664,48

    Zuschätzung Umsatzerlöse netto


    56.045,92


    9.091,76


    46.954,16




    Erhöhung Umsatzsteuer


    9.557,71


    636,42


    8.921,29




    Erhöhung Einnahmen brutto


    65.603,63



    Erhöhung laut Bp





    31.404,96











    Differenz





    34.198,67




    2010


    Gesamt


    7%


    19%


    Wareneinkauf abzgl. Privatentnahmen lt. Gewinnermittlung


    58.887,58


    zzgl. 370,53 %


    218.196,15


    Nettoerlöse geschätzt


    277.083,73


    45.410,44


    231.673,29

    Nettoerlöse laut Gewinnermittlung


    225.109,17


    36.892,48


    188.216,69

    Zuschätzung Umsatzerlöse netto


    51.974,56


    8.517,96


    43.456,60




    Erhöhung Umsatzsteuer


    8.853,01


    596,26


    8.256,75




    Erhöhung Einnahmen brutto


    60.827,57



    Erhöhung laut Bp


    32.946,81





    Differenz


    27.880,76

    22

    Da sich hieraus bei summarischer Prüfung im Wege der gerichtlichen Schätzung für 2009 und 2010 sogar erheblich höhere Zuschätzungen ergeben, als von der Betriebsprüfung berücksichtigt wurden, kommt insoweit keine Aussetzung der Vollziehung in Betracht. Da 2009 die Differenz zur Hinzuschätzung des Antragsgegner sogar rund 34.000 Euro beträgt, wird im Ergebnis auch hinreichend berücksichtig, dass nach den Feststellungen des Hauptzollamts D im Zeitraum Februar 2009 bis Juni 2009 im Restaurant der Antragstellerin „schwarz“ als Koch beschäftigt worden war und insoweit der geschätzte Lohn i.H.v. maximal 12.000 Euro in den geltend gemachten Betriebsausgaben nicht enthalten ist. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch die Schwarzbeschäftigung des D. darauf schließen lassen könnte, dass die von der Antragstellerin angegebenen Einnahmen – insbesondere auch im Jahr 2009 – unvollständig sind.
    23

    Soweit für 2008 die gerichtliche Hinzuschätzung der Einnahmen hinter der Zuschätzung durch den Antragsgegner zurückbleibt, ist dies mit einer Kürzung des Betriebsausgabenabzugs i.H.v. mindestens 5.000 Euro und einer teilweisen Versagung des Vorsteuerabzugs i.H.v. mindestens 2.000 Euro zu kompensieren. Diese folgt im Rahmen der gerichtlichen Schätzungsbefugnis daraus, dass hinsichtlich des allgemeinen Betriebsaufwands (z. B. Fahrzeugkosten, Werbe- und Reisekosten, Instandhaltung, Verschiedene Kosten) keine Belege/Rechnungen für 2008 vorgelegt wurden, anhand deren die Berechtigung des Betriebausgabenabzugs bzw. des Vorsteuerabzugs hätte geprüft werden können. Da sich durch die teilweise Versagung des Betriebsausgabenabzugs bzw. des Vorsteuerabzugs ebenfalls höhere Gewinne aus Gewerbebetrieb bzw. höhere Umsatzsteuerfestsetzungen als vom Antragsgegner festgesetzt ergeben würden, kommt bei summarischer Prüfung auch keine Aussetzung der Vollziehung der Änderungsbescheide für 2008 in Betracht.
    24

    d) Der Antragsgegner war auch verfahrensrechtlich berechtigt, die Bescheide entsprechend zu ändern, weil das Fehlen der Aufzeichnungen und Belege und das Fehlen der technischen Kassenunterlagen dem Antragsgegner erst nach dem Erlass der Erstbescheide bekannt wurde und daher die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO für eine Änderung der nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erlassenen Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide vorlagen. Die Umsatzsteuerbescheide durften gemäß § 164 Abs. 2 AO ergehen, weil die zuvor von der Antragstellerin abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärungen Steuerfestsetzungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich standen (§ 168 Satz 1 AO).
    25

    2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
    26

    3. Gründe für die Zulassung der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

    RechtsgebietAOVorschriften§ 162 AO

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