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  • 03.08.2012 · IWW-Abrufnummer 123228

    Finanzgericht des Saarlandes: Urteil vom 21.06.2012 – 1 K 1124/10

    1. Auch bei einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG sind die Betriebseinnahmen und -ausgaben nachzuweisen. Für bargeldintensive Betriebe, wie einem Kosmetikstudio ist ein detailliertes Kassenkonto oder Kassenbuch zu führen. Dem genügen die nicht mit Kassenendbons o.ä. belegten Aufzeichnungen auf dem handschriftlichen Formblatt „Kasse” der Fa. DATEV bzw. dessen elektronische Form (Kassenerfassung für Office der Fa. DATEV) nicht, wenn diese lediglich die Tageseinnahmen als Summenzahlen und nur rechnerische – nicht mit dem IST-Stand abgeglichene – Beträge ausweisen.
    2. Die Schätzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden, wenn der Prüfer die Schätzung auf der Grundlage einer möglichst betriebsnahen Methode unter Zugrundelegung einer Reihe begünstigenden Annahmen ordnungsgemäß durchgeführt.
    3. Lohnzahlungen einer Kosmetikerin an ihren Ehegatten sind nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn die – lediglich dem Zweck der Schaffung von Betriebsausgaben dienenden e– gegenseitigen, zu gleichen Konditionen abgeschlossenen Ehegattenarbeitsverträge unterschiedliche Tätigkeiten beinhalten und der Lohn nicht ausgezahlt, sondern zu 100 % auf einem Zeitwertkonto gutgeschrieben wird.


    IM NAMEN DES VOLKES
    URTEIL
    In dem Rechtsstreit
    hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes durch den Präsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzender, den Richter am Finanzgericht Hardenbicker, die Richterin am Finanzgericht Eggers-von Wittenburg sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Lindemann (Arzt i.R.) und Dipl.-Ing. Strehl (Architekt)
    aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2012
    für Recht erkannt:
    Die Klage wird als unbegründet abgewiesen.
    Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
    Tatbestand
    Die Klägerin betrieb ein Kosmetikinstitut. …
    Die Klägerin ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG. Die Gewinnermittlungen wiesen folgende Daten aus (alle Beträge in EUR):

    20012002200320042005
    Einnahmen aus Verkauf41.00647.59967.01145.43044.504
    Einn. aus Behandlung28.57328.48330.07328.12826.731
    Gehälter3.7764.3354.3398.33111.702
    Soz. Aufwendungen3.2946.0865.50324.18235.454
    Gewinn/Verlust+ 2.909- 51.524- 47.649- 77.024- 152.637
    2007 fand bei der Klägerin für 2003 bis 2005 eine Betriebsprüfung statt. Der Prüfer beanstandete die Aufzeichnungen und nahm erhebliche Zuschätzungen zu den Betriebseinnahmen vor (…). Zudem erkannte er den Lohn des Ehemannes nicht als Betriebsausgaben an (…). Wegen Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 7. Juli 2008 Bezug genommen.
    Der Beklagte wertete den Prüfungsbericht aus und erließ am 9. April 2009 geänderte Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide, sowie Bescheide über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes für 2003 bis 2005. Am 20. April 2009 legte die Klägerin Einspruch gegen die Bescheide ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 25. Januar 2010 als unbegründet zurückwies.
    Am 24. Februar 2010 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragt,
    unter Änderung der Umsatzsteuerbescheide 2003 – 2005 sowie der Bescheide über den vortragsfähigen Gewerbeverlust zum 31. Dezember 2003 – 2005, alle vom 9. April 2009 und in Form der Einspruchsentscheidung vom 25. Januar 2010,
    > die Umsatzsteuer ohne Zuschätzungen (…) und
    > den vortragsfähigen Gewerbeverlust ohne die vorgenannten Zuschätzungen und unter Anerkennung der Lohnzahlungen für den Ehemann als Betriebsausgaben (…)
    festzusetzen.
    Zur Begründung trägt sie Folgendes vor:
    Schätzungsbefugnis
    Das Finanzamt sei nicht zur Zuschätzung befugt gewesen. Es lege an die Aufzeichnungspflichten des Überschussrechners zu strenge Maßstäbe an. Anders als beim Betriebsvermögensvergleich (§§ 145 ff. AO) fehlten für die Überschussrechnung ausdrückliche Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten. Abgesehen von zahlreichen Einzelaufzeichnungspflichten innerhalb und außerhalb des EStG, habe der Überschussrechner bei der Aufzeichnung freie Hand.
    Die Finanzverwaltung könne bei nicht ordnungsgemäßen Aufzeichnungen grundsätzlich schätzen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Dies gelte nicht, wenn es – wie für die § 4 Abs. 3-Rechnung – keine Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht gebe. Die Aufbewahrung der Einnahmeursprungsbelege sei nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse ins Kassenbuch übertragen werde und die Einzeleinnahmen zumindest den Tagen zugeordnet werden können. Dies sei hier der Fall. Die Klägerin zeichne die täglichen Bareinnahmen mit Hilfe eines elektronischen Kassenbuchs (DATEV) auf. Die Tageseinnahmen würden in einer Summe erfasst (BFH vom 13. Juli 1971 VIII 1/65, BStBl II 1971, 729). Änderungen der Eintragungen seien über das Programm nachvollziehbar.
    Besondere Aufzeichnungspflichten würden für Überschussrechner nur nach § 22 UStG gelten (BFH vom 16. Februar 2002 X B 57/05; vom 2. März 1982 VIII R 225/80). Diese Aufzeichnungspflichten seien aber nur für die Einkommensteuer maßgeblich, wenn die Verpflichtung nach dem UStG bestehe. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG seien Aufzeichnungen nur zu führen, wenn aus den Einnahmen verschiedene Steuersätze und/oder steuerfreie Umsätze zu erwarten seien. Die Klägerin tätige aber ausschließlich Umsätze zum Regelsteuersatz. Nach § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 UStDV reiche es deshalb aus, Entgelte und Steuer in einer Summe aufzuzeichnen. Ebenso sei der Wareneingang aufgezeichnet worden (§ 22 Abs. 2 Nr. 5 UStG). Sinn und Zweck des § 22 UStG sei es, Entgelte so aufzuzeichnen, dass sie durch einen sachverständigen Dritten innerhalb kurzer Zeit den unterschiedlichen Steuersätzen zugeordnet werden könnten (s. auch BFH vom 7. Februar 2008 X B 189/07, vom 16. Februar 2006 X B 57/05 und vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06).

    Eine handschriftliche Liste der täglichen Umsätze ohne Aufbewahrung von Belegen ermögliche zwar keine Nachprüfung der Barumsätze (FG Berlin-Brandenburg vom 26. Juli 2007 14 K 3368/06 B). Die Klägerin zeichne aber die täglichen Bareinnahmen mittels elektronischem, zugelassenen Kassensystem auf, das zwischen Behandlung und Verkauf unterscheide. Der Prüfer verlange zusätzlich handschriftliche Aufzeichnungen, in denen der Umsatz noch weitergehend bezeichnet werde (Bl. 78). Die Anforderungen, die das Finanzgericht des Saarlandes in seinem Urteil vom 13. Januar 2010 1 K 1101/05 stelle, seien erfüllt. Ob eine Kundenkartei geführt werde, habe der Unternehmer zu entscheiden, nicht das Finanzamt.
    Höhe der Schätzung
    Der Prüfer habe die Einwände der Klägerin ignoriert und nach dem Einheitsverfahren ins „Blaue” hinein geschätzt. Seine Zahlen gingen an der Realität vorbei. Es liege eine grob rechtswidrige, objektiv nicht überprüfbare Schätzung vor. Dagegen erfülle die von der Klägerin vorgelegte Berechnung diese Voraussetzungen und führe zu einem wahrscheinlicheren Ergebnis (s. auch FG Hamburg vom 3. Juni 2009 5K 140/07 unter Tz 49).
    Der Prüfer ermittle die Zuschätzung für den Umsatz, der ausschließlich den Verkauf von Waren betreffe, nach dem inneren Betriebsvergleich. Hinsichtlich der Behandlungen mit Wareneinsatz bediene er sich des äußeren Betriebsvergleiches anhand der Richtsätze für Kosmetiksalons. Das Ergebnis sei abstrus, da der Betrieb der Klägerin nicht mit einem normalen Kosmetiksalon verglichen werden könne. Der Prüfer … bediene sich völlig unrealistischer Aufschlagsätze nicht vergleichbarer Betriebe. Nach der Berechnung des Beklagten hätte das Kosmetikinstitut an 365 Tagen im Jahr 24 Stunden täglich geöffnet haben müssen. Die Klägerin habe in ihrer Gegenschätzung – im Gegensatz zum Prüfer – den tatsächlichen Aufschlagsatz ermittelt. Die Schätzung der Klägerin bediene sich der Buchhaltungszahlen und sei daher der Schätzung nach Richtsätzen vorrangig (FG Münster vom 19. August 2004 8 V 3055/04 G unter Tz 47). Die Klägerin habe zudem den Wareneingang ordnungsgemäß aufgezeichnet. Daher sei die Anwendung der Richtsätze unzulässig (FG München vom 23. April 1991 12 K 5/88, Umkehrschluss zum Tenor). Der Prüfer bediene sich zweier Schätzungsmethoden, habe sich aber auf eine festzulegen, und zwar auf die, die zum wahrscheinlichsten Ergebnis führe (FG Hamburg vom 17. Juni 2004, I 6/04). Das Schätzungsergebnis des Finanzamtes sei zu verwerfen und die Gegenschätzung der Klägerin zu Grunde zu legen. Das FG möge von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch machen (s. BFH vom 18. Dezember 1984, VIII R 195/82). Sollte das Gericht die Schätzungsbefugnis des Beklagten bejahen, werde eine detaillierte Gegenschätzung nachgereicht (Bl. 7).
    Zeitwertkontenmodell
    Der Ehemann habe im Kosmetikstudio nichtselbständig beschäftigt werden müssen …. Gegenstand des Arbeitsvertrages sei u.a. gewesen, dass zum Aufbau einer privaten Altersversorgung ein Teil des vereinbarten Arbeitslohns in ein sog. Zeitwertkonto eingezahlt werde. Das Zeitwertkontenmodell sei als Form der betrieblichen Altersvorsorge anerkannt (Bl. 7).
    Die Anlage des Lohnes in ein „aktienlastiges” Depot sei nicht unüblich. Die Chance eines überproportionalen Gewinns veranlassten i.d.R. Arbeitnehmer, Zeitwertkonten als Aktiendepot zu führen. Die steuerlich und über Zulagen geförderte Altersvorsorge als fondsgebundene Lebensversicherung sei als förderungswürdig anerkannt. Euroswitch biete überwiegend die Anlage in Aktienfondsmodellen an. Dass die erste Zahlung nach 8 Monaten erfolgt sei, sei der damals noch relativ neuen Form der Altersvorsorge zuzuschreiben gewesen. Auch die gegenseitige Beschäftigung der Eheleute schließe die Anerkennung des Arbeitsverhältnisses nicht aus. … Der vereinbarte und der ausgezahlte Arbeitslohn, sowie die Gutschrift auf dem Zeitwertkonto würden nicht in krassem Missverhältnis stehen. Aufgrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation sei es den Eheleuten möglich, einen großen Teil des verdienten Geldes als Altersvorsorge zurückzulegen (Bl. 8).
    Beim Zeitwertkontenmodell bestehe nicht nur die Möglichkeit, Guthaben in Form von Zeit anzuhäufen, sondern auch durch Gehaltsauszahlungsverzicht Guthaben für den späteren Renteneintritt anzusammeln. Die Anlage bei der X Treuhand sei eine Entscheidung, die die Unternehmensführung, nicht die Finanzverwaltung zu treffen habe. Es sei auch zulässig, dass der Arbeitnehmer während der aktiven Phase einen Teil seines Lohnes nicht ausbezahlt bekomme, sondern als private Altersvorsorge in eine Anlageform seiner Wahl einzahlen lasse. Diese Anlage sei insolvenzgesichert und durch Abtretung dem Zugriff des Arbeitgebers entzogen. Der Gesetzgeber habe diese zulässige Form der Gestaltung erkannt und deshalb den Gesellschafter-Geschäftsführern ab 2010 den Zugang zu den Alterszeitkonten erschwert (Bl. 79 f.).
    Der Beklagte beantragt,
    die Klage als unbegründet abzuweisen.
    Schätzungsbefugnis
    Die Klägerin sei nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG verpflichtet – unabhängig davon, ob Einnahmen mit verschiedenen Steuersätzen erzielt bzw. steuerfreie Umsätze erwartet würden –, Aufzeichnungen über die vereinnahmten Entgelte für die von ihr ausgeführten Leistungen zu führen. Die Aufzeichnungen müssten so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Frist möglich sei, sich einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die Grundlagen der Steuerberechnung zu verschaffen (§ 22 Abs. 6 UStG i.V.m. § 63 Abs. 1 UStDV). Nach § 146 Abs. 1 AO seien die Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Buchungsbelege und sonstige Unterlagen, die für die Besteuerung von Bedeutung seien, seien nach § 147 Abs. 1 Nr. 4 und 5 AO geordnet aufzubewahren.
    Die Schätzungsbefugnis hänge nicht vom Bestehen einer gesetzlichen Aufzeichnungspflicht ab, sondern davon, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nach den Angaben des Steuerpflichtigen nicht ermitteln könne (BFH vom 15. April 1999 IV R 68/98, BStBl II 1999, 481; vom 31. Juli 2009 VIII B 28/09, BFH/NV 2009, 1967).
    Die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG erfordere, dass die Steuerpflichtigen als Gewinn den Überschuss der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben „ansetzen”. Solle dieses „Ansetzen” nicht nur ein „Schätzen” sein, müssten die Steuerpflichtigen für die Wahl der Einnahme-Überschussrechnung jedenfalls gewisse Mindestanforderungen wie das Sammeln bzw. Erstellen von Einnahmen- und Ausgabenbelegen erfüllen (BFH vom 31. Juli 2009 VIII B 28/09 a.a.O. unter Verweis auf seine Entscheidung vom 19. März 2009 IV R 57/07, BFH/NV 2009, 1298). Unabhängig von einer (gesetzlichen) Pflicht zur Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben oder zur Aufbewahrung der entsprechenden Unterlagen, trage der Steuerpflichtige die Gefahr, dass das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht ermitteln und berechnen könne und somit die Voraussetzungen für eine Schätzung nach § 162 AO vorlägen. Belege müssten über die Art der Aufwendungen oder der Einnahmen, den Entstehungszeitpunkt und den Bezug zum Betrieb des Steuerpflichtigen Auskunft geben können.
    Die Klägerin habe für den Prüfungszeitraum keine handschriftlichen Einnahmeaufzeichnungen vorlegen können. Aus den Aufzeichnungen habe sich die Veräußerung und Verwertung der Waren nicht leicht und einwandfrei nachvollziehen lassen. Kopien von Ausgangsrechnungen oder Einnahmequittungen fehlten ebenso wie eine Kundenkartei. Preislisten seien nur teilweise vorgelegt worden. Sie gehörten jedoch zu den nach § 147 AO aufbewahrungspflichtigen Unterlagen. Insbesondere lägen auch keine Aufzeichnungen über die Art der Behandlung mit dem dazugehörigen Einsatz der jeweiligen Geräte … vor. Zudem seien einzelne Behandlungen von dem angestellten Ehemann der Klägerin durchgeführt worden, ohne dass Weiterberechnungen erfolgt seien. Ein Abgleich zwischen den erklärten Gehaltszahlungen an den Ehemann und den Erlösen aus den entsprechenden Behandlungen sei nicht nachvollziehbar. Die vom Prüfer festgestellten Fehlbeträge zeigten, dass die Einnahmen nicht vollständig aufgezeichnet worden seien.
    Höhe der Schätzung
    Diesbezüglich werde auf den Prüfungsbericht – insbesondere Tz. 3.1 – und die Einspruchsentscheidung verwiesen. Der Prüfer habe sich an den Aufschlagsätzen der amtlichen Richtsatzsammlung orientiert. Die Schätzung basiere auf einer Kalkulation, die in drei Bereiche unterteilt sei (Einnahmen durch Verkauf sowie durch Behandlung mit und ohne Wareneinsatz). Es seien u.a. die Werte des Prüfers der GroßBP bezüglich der Leistungen des Ehemannes … berücksichtigt worden.
    Zeitwertkontenmodell
    Bei Zeitwertkonten vereinbarten Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitslohn nicht sofort ausbezahlt werde. Der Lohn werde beim Arbeitgeber nur betragsmäßig erfasst, um ihn im Zusammenhang mit einer vollen oder teilweisen Freistellung von der Arbeitsleistung während des noch fortbestehenden Dienstverhältnisses auszuzahlen.
    Die Klägerin habe ein solches Zeitwertkonto im Rahmen des Ehegattenarbeitsverhältnisses für ihren Ehemann eingerichtet. Der Betriebsausgabenabzug sei wegen der Fremdunüblichkeit der Vertragsbedingungen und ihrer Durchführung zu versagen.
    Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
    Entscheidungsgründe
    Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der Beklagte hat zu Recht Zuschätzungen zu den Betriebseinnahmen vorgenommen und die Aufwendungen der Klägerin im Rahmen des Ehegattenarbeitsverhältnisses nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Er hat hieraus die zutreffenden steuerlichen Konsequenzen für die Umsatzsteuer und den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag 2003 bis 2005 gezogen.
    I. Schätzungsbefugnis
    1. Rechtsgrundlagen
    a. Nach § 158 AO sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen, die den §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden. Nur wenn eine formell ordnungsmäßige Buchführung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist, kann ihr Ergebnis ganz oder teilweise verworfen werden (BFH vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55). Entsprechendes gilt für die sonstigen Aufzeichnungen. Sind die Bücher oder Aufzeichnungen ganz oder teilweise nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde zu legen, so sind die Besteuerungsgrundlagen grundsätzlich zu schätzen (§ 162 Abs. 1, 2 AO).
    b. Diese Grundsätze finden nach ständiger Rechtsprechung des BFH entsprechende Anwendung auf Steuerpflichtige, die nicht zur Buchführung verpflichtet sind, sondern – wie die Klägerin – ihre Gewinne nach Maßgabe des § 4 Abs. 3 EStG ermitteln („4-III-Rechner”). Dies folgt bereits aus dem Prinzip der Gesamtgewinngleichheit, das für die Gewinnermittlungen nach § 4 Abs. 1 und 3 EStG gilt. Deshalb müssen auch die Aufzeichnungen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG so klar und vollständig sein, dass sie einem sachverständigen Dritten in vertretbarer Zeit den Umfang seiner Einkünfte plausibel machen. Denn das Fehlen einer Verpflichtung zur förmlichen Aufzeichnung der Betriebseinnahmen oder -ausgaben in Form einer (doppelten) Buchführung kann schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung nicht bedeuten, dass das Finanzamt die nach § 4 Abs. 3 EStG erklärten Gewinne oder Verluste ungeprüft übernehmen müsste. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall auch notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst und die geltend gemachten Aufwendungen durch den Betrieb veranlasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (z.B. BFH vom 15. April 1999, IV R 68/98, BStBl II 1999, 481; vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599 m.w.N.).
    Die gesetzlich normierten Aufzeichnungspflichten für eine Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG folgen bereits aus §§ 140 ff. AO, die nicht nur – wie die Klägerin meint – die buchführungspflichtigen Steuerpflichtigen betreffen. Dies folgt zweifelsfrei aus der Kapitelüberschrift (und der entsprechenden Bezeichnung in den einzelnen Vorschriften) „Führung von Büchern und Aufzeichnungen”. „Aufzeichnungen” sind alle Unterlagen, die nicht aufgrund der Buchführungspflicht angelegt werden bzw. anzulegen sind. So gelten beispielsweise die Ordnungsvorschriften der §§ 146, 147 AO auch für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG (z.B. BFH vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 858 zur Aufbewahrungspflicht von Schichtzetteln im Taxigewerbe). Des Weiteren gelten für den unternehmerisch tätigen „4-III-Rechner” die Aufzeichnungspflichten nach § 22 UStG i.V.m. §§ 63 ff. UStDV, und zwar unabhängig davon, welche Arten von Umsätzen getätigt oder erwartet werden (Bunjes/Geist/Heidner, UStG, 9. Auflage, München 2009, § 22 Rdn. 3). Die sich aus einem Steuergesetz – z.B. § 22 UStG – ergebende Aufzeichnungspflicht gilt für alle Besteuerungszwecke (BFH vom 2. März 1982 VIII R 225/80, BStBl II 1984, 504) und damit auch für die Einkommensteuer.
    Bei Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG besteht zwar grundsätzlich keine Pflicht zum Führen eines Kassenbuchs. Eine Regelung, dass vereinnahmte Barentgelte gesondert in einem Kassenbuch aufzuzeichnen sind, enthalten auch § 22 UStG und die UStDV nicht. Bei der Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG gibt es keine Bestandskonten und somit auch kein Kassenkonto. Entscheidend ist, dass die für die Besteuerung maßgeblichen Vorgänge vollständig erfasst werden (BFH vom 16. Februar 2006 X B 57/05, BFH/NV 2006, 940). Hieraus folgt aber nicht, dass der „4-III-Rechner” von jeglichen Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten befreit wäre (Becker/Wiethölter, StBp 2006, 377 ff.). Insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben – wie dem der Klägerin – ist es zur Vermeidung der Einnahmeneinzelaufzeichnung kaum zu umgehen, ein detailliertes Kassenkonto oder ein Kassenbuch zu führen (Sächsisches FG vom 4. April 2008 5 V 1035/07 juris; FG Saarland vom 13. Januar 2010 1 K 1101/05, EFG 2010, 772).
    Auch die Überschussrechnung setzt voraus, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden. Einnahmen sind einzeln aufzuzeichnen. Dem Grundsatz nach gilt das auch für Bareinnahmen; die Tatsache der sofortigen Bezahlung der Leistung rechtfertigt nicht, die jeweiligen Geschäftsvorfälle nicht einzeln festzuhalten. Aus Gründen der Zumutbarkeit und Praktikabilität besteht die Pflicht zur Einzelaufzeichnung jedoch nicht für Einzelhändler (und vergleichbare Berufsgruppen), die im Allgemeinen Waren an ihnen der Person nach unbekannte Kunden über den Ladentisch gegen Barzahlung verkaufen. Auch Steuerpflichtige, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, sind verpflichtet, die ihrer Gewinnermittlung zugrunde liegenden Belege aufzubewahren. Eine solche Aufbewahrungspflicht ergibt sich in der Regel aus § 147 AO, aber auch aus der den Steuerpflichtigen obliegenden Feststellungslast. In Fällen, in denen Steuerpflichtigen eine Einzelaufzeichnungspflicht nicht zugemutet werden kann, muss die Einnahmeermittlung – z.B. bei Einsatz von Registrierkassen durch Erstellung und Aufbewahrung der Kassenendsummenbons – nachvollziehbar dokumentiert und überprüfbar sein. Die (ggf. freiwillige und im eigenen Interesse liegende) Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass nicht nur die geltend gemachten Betriebsausgaben als durch den Betrieb veranlasst angesehen werden, sondern auch die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind. Nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmenüberschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (BFH vom 7. Februar 2008 X B 189/07 juris; vom 24. Juni 2009 VIII R 80/06, BStBl II 2010, 452 jew. m.w.N.).
    2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
    Die Aufzeichnungen der Klägerin zur Ermittlung ihrer Einnahmen können der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden. Sie lassen nicht erkennen, ob die Einnahmen zutreffend erfasst worden sind. Die Klägerin war zum Nachweis ihrer Einnahmen gehalten, entsprechende Aufzeichnungen zu führen oder Belege zu fertigen. Beides ist nicht geschehen. Die von ihr geführten Unterlagen vermitteln nicht den Eindruck, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst sind.
    Die Aufzeichnungen, die für 2003 handschriftlich auf dem Formblatt „Kasse” der Fa. Datev und für 2004 und 2005 in elektronischer Form („Kassenerfassung” für Office der Fa. Datev) erfolgt sind, weisen zwar Tageseinnahmen jeweils als Summenzahlen für „Behandlung” und „Verkauf” aus. Diesen Eintragungen sind jedoch keine Belege (Kassenendbons u.ä.) beigefügt, aus denen erkennbar wäre, wie die Summen der Einnahmen ermittelt worden sind. Insbesondere sind die Einnahmen nicht durch eine Ermittlung der tatsächlichen Bargeldbestände am Tagesende und deren Abgleich mit dem Anfangsfangsbestand und den aus der Kasse getätigten Tagesausgaben festgestellt worden. Die in den „Kassenaufzeichnungen” enthaltenen Bestände sind vielmehr ihrerseits durch Fortschreibung der täglichen Einnahmen und Ausgaben rechnerisch ermittelt worden. Wie die Einnahmen – getrennt nach „Verkauf” und „Behandlung” – ermittelt worden sind und ob diese zutreffen, kann auch ein sachverständiger Dritter nicht feststellen, gleichviel, welchen Zeitaufwand er für diese Prüfung investiert. Auch die Klägerin hat hierzu weder während der Prüfung, noch im Einspruchsverfahren, noch in ihren Schriftsätzen des Klageverfahrens nachvollziehbare Angaben gemacht. Der Hinweis, dass die Einnahmen ab 2004 durch das elektronische Kassenbuchsystem der Fa. Datev festgehalten worden seien, besitzt in diesem Zusammenhang keinen Erklärungswert. Zudem ist den Kassenaufzeichnungen nicht zu entnehmen, wann und durch wen sie erstellt und verbucht worden sind. Lediglich den Kassenblättern für Oktober bis Dezember 2003 ist ein Buchungsdatum beigefügt, nämlich der 10. Februar 2004. Die „Kassenerfassung für Office” weist das Datum des Ausdrucks aus (z.B. die Aufzeichnungen für 2005 am 30. Juli 2007).
    Dieses Vorgehen, das die Höhe der ausgewiesenen Einnahmen letztlich in das unüberprüfbare Ermessen der Klägerin stellt, entspricht nicht den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Einnahmenermittlung von „4-III-Rechnern”. Hieran ändern auch die Erläuterungen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung nichts. Demzufolge will sie die Einnahmen täglich auf ihrem Laptop in das Kassenprogramm der Fa. Datev eingetragen haben. Die Einnahmen seien tagsüber in zwei Schubladen getrennt nach Warenverkäufen und Behandlungen vereinnahmt und abends von ihr ausgezählt worden. Am nächsten Tag sei wieder so verfahren worden. Falls sie einmal nicht anwesend gewesen sei, habe eine der Mitarbeiterinnen die fraglichen Eintragungen vorgenommen.
    So wie die Klägerin die Einnahmenermittlung geschildert hat, kann sie nicht stattgefunden haben. Allein durch das Auszählen der in den beiden Schubladen befindlichen Beträge konnte sie die Tageseinnahmen nicht feststellen. Von den Tagesendbeständen hätten die Tagesanfangsbestände (getrennt nach Schubladen) abgezogen werden und die aus der Kasse getätigten Ausgaben (getrennt nach Schubladen) hinzugerechnet werden müssen. Dies ist aber aus den Aufzeichnungen nicht nachvollziehbar und ist offenbar auch nicht geschehen. Die in den Kassenkonten ausgewiesenen Bestände weisen durchweg die unrealistische Höhe von deutlich über 3.000 EUR aus. Dass diese bei Abwesenheit der Klägerin einer Mitarbeiterin überlassen worden sein sollen, ist kaum anzunehmen.
    Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf das von ihr zitierte BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 XI R 25/02, BStBl II 2004, 599 berufen. Denn danach ist die Aufbewahrung von Einnahmeursprungsaufzeichnungen nur dann nicht erforderlich, wenn deren Inhalt unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in das in Form aneinander gereihter Tageskassenberichte geführte Kassenbuch übertragen wird. Die Klägerin hat – wie sie in der mündlichen Verhandlung unmissverständlich vortrug – aber keinerlei handschriftliche Einnahmenaufzeichnungen erstellt, die sie am Tagesende hätte übertragen können. Vielmehr will sie in das DATEV-Kassenprogramm lediglich die Höhe des von ihr ausgezählten Geldbestands eingetragen haben. Der Geldbestand repräsentierte aber keineswegs die Tageseinnahmen. Ungeachtet der Möglichkeit etwaigen Schwundes (etwa durch Diebstahl), einer Entnahme oder einer Ausgabenbestreitung aus diesen „Geldschubladen” war in dem Geldbetrag auch der „Anfangsbestand” enthalten.
    Es handelt sich dabei nicht bloß um einen geringfügigen förmlichen Verstoß gegen die Aufzeichnungspflichten eines „4-III-Rechners”, sondern um einen so gravierenden und grundlegenden Aufzeichnungsmangel, dass dieser den Beklagten zur Schätzung berechtigt. Dies gilt umso mehr, als auch die Betriebsergebnisse des Unternehmens der Klägerin nicht plausibel erscheinen (auch bei Berücksichtigung der Vorgänge, die unter § 7 g EStG fallen). Es sollen – folgt man den Gewinnermittlungen der Klägerin – in den Jahren 2001 bis 2005 Verluste i.H.v. über 325.000 EUR erzielt worden sein. Dies erscheint zum einen deshalb kaum nachvollziehbar, weil ein nicht unerheblicher Teil der Umsätze durch Dienstleistungen und unter Einsatz relativ geringer Fremdlohnzahlungen erbracht worden ist. Obwohl sich die Leistungen allein schon durch den Einsatz hochwertiger Lasergeräte und die Tätigkeit des Ehemannes qualitativ verbessert haben müssten, soll der Umsatz in den Jahren 2004 und 2005 wieder auf die Größenordnung des Jahres 2001 zurückgefallen sein, in dem im übrigen ein kleiner Gewinn ausgewiesen worden ist.
    II. Durchführung der Schätzung
    Der Beklagte hat die Einnahmen nicht zum Nachteil der Klägerin geschätzt.
    1. Rechtsgrundlagen
    a. Kann das Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen aufgrund der Aufzeichnungen, die der „4-III-Rechner” vorlegt, nicht ermitteln, so hat es diese zu schätzen (§ 162 Abs. 1, 2 AO).
    Die Besteuerungsgrundlagen sind nach Maßgabe ihrer größten Wahrscheinlichkeit zu schätzen (grundlegend: BFH vom 31. August 1967 V 241/64, BStBl III 1967, 686; vom 16. November 1982, BStBl II 1983, 361). Bei der Schätzung nach Wahrscheinlichkeitsgrundsätzen besteht eine Bandbreite möglicher Wertansätze (Schätzungsrahmen). Der Schätzungsrahmen ist um so größer, je ungesicherter das Tatsachenmaterial ist, auf dem die Schätzung basiert. Der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch darauf, dass sich die Schätzung bei Einnahmen u.ä. im untersten Rahmenbereich bewegt. Der seine Mitwirkungspflicht verletzende Steuerpflichtige soll nicht besser stehen als derjenige, der die Besteuerungsgrundlagen ordnungsgemäß aufzeichnet und erklärt. Bei groben Pflichtverletzungen (z.B. keine Abgabe der Steuerklärung, gravierende Aufzeichnungsverstöße), die darauf hindeuten, dass Einkünfte verheimlicht werden sollen, kann sich das Finanzamt im Gegenteil an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren (BFH vom 20. Dezember 2000 I R 50/00, BStBl II 2001, 381; vom 29. März 2001 IV R 67/99, BStBl II 2001, 484).
    In der Praxis hat sich eine Reihe von Schätzungsmethoden entwickelt. Sie sind die Hilfsmittel, um zu dem Wert mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit zu gelangen (BFH vom 26. Februar 2002 X R 59/98, BStBl II 2002, 450, 452). Alle Methoden sind situations-, anwender- und normabhängig. Das Finanzamt ist nicht verpflichtet, das durch eine Schätzungsmethode gewonnene Ergebnis durch eine weitere Schätzungsmethode zu untermauern (BFH vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Soweit durch eine Schätzungsmethode nur eine einzige Besteuerungsgrundlage ermittelt wird (z. B. der Umsatz durch Kalkulation), können ggf. andere Besteuerungsgrundlagen daraus abgeleitet werden (z. B. der Gewinn). Die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen kann auch durch einen Zuschlag zu den Betriebseinnahmen oder einen Abschlag von den Betriebsausgaben erfolgen, um dadurch den Unsicherheiten Rechnung zu tragen, die durch die punktuelle Feststellung von sachlichen Fehlern in den Unterlagen des Steuerpflichtigen eingetreten sind, sog. (Un-) Sicherheitszuschlag. Die Methodenwahl steht im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzamtes; der Steuerpflichtige hat keinen Anspruch auf Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (BFH vom 3. September 1998 XI B 209/95, BFH/NV 1999, 290). Die Methode muss auf zumutbare Weise zum Ergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit führen (BFH vom 18. Dezember 1984 IV R 33/82, BStBl II 1986, 226, 229; v. 17. Oktober 2001 I R 103/00, BFH/NV 2002, 134, 138). Die Qualität der Aufzeichnungen und die Mitwirkungsbereitschaft des Steuerpflichtigen bestimmen den Sorgfaltsmaßstab für die Schätzung des Finanzamtes. Die Schätzung muss – gleichviel nach welcher Methode – in sich schlüssig und ihr Ergebnis muss wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (BFH vom 18. Dezember 1984 VIII R 195/82, BStBl II 1986, 226). Gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO entscheidet das Finanzgericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; die §§ 158, 160, 162 AO gelten sinngemäß, so dass das Finanzgericht auch eigene Schätzungen vornehmen kann.
    Eine Schätzung des Finanzgerichts kommt i.a.R. nicht in Betracht, wenn der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht in Form eines vollständigen und wahrheitsgemäßen Tatsachenvortrages (§ 90 Abs. 1 AO, § 76 Abs. 1 FGO) im Zuge der Veranlagung oder Prüfung offenbar nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Ein Teilaspekt des „vollständigen und wahrheitsgemäßen Tatsachenvortrages” in diesem Sinne ist der unverzügliche und rechtzeitige Vortrag. Wer es beispielsweise im Zuge einer Außenprüfung versäumt, die dort angesprochenen Vorgänge dem Prüfer orts- und zeitnah zu erläutern und nachzuweisen, darf kaum erwarten, dass sein diesbezüglicher Vortrag im Einspruchs- und Klageverfahren über eine erhöhte Glaubwürdigkeit verfügt.
    2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
    Die Schätzung des Beklagten ist nicht zu beanstanden. Sie schließt sich an die Schätzung des Prüfers an, die im Einzelnen unter Tz. 3.1 des Prüfungsberichtes erläutert ist. Es kann keine Rede davon sein, dass nach dem Einheitsverfahren ins „Blaue” hinein geschätzt worden wäre. Der Prüfer hat die Schätzung auf der Grundlage einer möglichst betriebsnahen Methode unter Zugrundelegung einer Reihe von die Klägerin begünstigenden Annahmen ordnungsgemäß durchgeführt.
    Die Schätzung schließt sich insofern an die Aufzeichnungen der Klägerin an, als sie zwischen den Einnahmen aus „Verkauf” und „Behandlung” unterscheidet. Die Einnahmen aus „Behandlung” werden zudem untergliedert in Behandlungen mit und ohne Wareneinsatz.
    Den Wareneinsatz korrigiert der Prüfer – wie der Senat meint recht großzügig – wegen Schwund, Verfall, Privatentnahmen u.ä. um 10 %. Den geminderten Wareneinsatz rechnet der Prüfer zu 85 % den Erlösen aus Verkauf und zu 15 % den Behandlungen mit Wareneinsatz zu (Tz. 3.1.1.1).
    Aufgrund der Preislisten ermittelt er den Rohgewinnaufschlag für die reinen Verkaufserlöse durch die Kalkulation von 21 Artikeln mit 60 % und legt seiner Schätzung im Hinblick auf verbleibende Unsicherheiten einen Rohgewinnaufschlag 50 % zu Grunde. Dieses auf einen internen Betriebsvergleich gestützte Vorgehen ist nicht zu beanstanden (Tz. 3.1.1.1).
    Ebenso wenig ist die Schätzung der Erlöse aus Behandlungen mit Wareneinsatz zu beanstanden, bei der der Prüfer unter Berücksichtigung interner und externer Aspekte – bezogen auf den Wareneinsatz – einen Rohgewinnaufschlag von 500 % zugrunde legt (Tz. 3.1.1.2). Der Prüfer hat den Rohgewinnaufschlag berechnet, indem er den Wareneinsatz pro Behandlung im Durchschnitt mit 15 % angenommen hat. Dies erscheint dem Senat eher zu hoch als zu niedrig, so dass im Grunde ein höherer Aufschlagsatz als zutreffend erscheint. Wegen des im finanzgerichtlichen Verfahren geltenden „Verböserungsverbots” sieht sich der Senat jedoch außer Stande, hieraus weitere Folgerungen zu ziehen.
    Die Schätzung der Erlöse aus Behandlungen ohne Wareneinsatz birgt naturgemäß die größten Unsicherheiten. Gleichwohl beschränkt sich der Prüfer nicht auf eine freie, griffweise Schätzung. Er verwertet vielmehr die Ergebnisse aus der Prüfung des Ehemannes der Klägerin, der den Behandlungsanteil mit 80 % der verschiedenen zum Einsatz gekommenen Geräte angegeben hat (Tz. 3.1.1.3). Trotz der relativ großen Ungewissheiten, die letztlich aber auf den grob mangelhaften Aufzeichnungen der Klägerin beruhen und deshalb auch von ihr zu tragen sind, hat der Senat keine Bedenken gegen die Zuschätzungen des Beklagten. Denn zum einen liegen die geschätzten Daten noch unter den amtlichen Mittelwerten der Richtsatzsammlung (Tz. 3.1.2.) und auch unter Berücksichtigung der Gesamtgewinnkorrekturen infolge der Betriebsprüfung (Tz. 3.2.7) verbleiben nach Verrechnung mit den erklärten Verlusten relativ bescheidene Gewinne des Unternehmens der Klägerin (im Dreijahresdurchschnitt jeweils unter 5.000 EUR!).
    III. Zahlungen an den Arbeitnehmerehegatten als Betriebsausgaben
    1. Rechtsgrundlagen
    Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Nicht als Betriebsausgaben dürfen Beträge abgezogen werden, die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendet werden. Dazu gehören auch die Aufwendungen für die Lebensführung, die die wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie zur Förderung des Berufs des Steuerpflichtigen erfolgen (§ 12 Nr. 1 EStG).
    Als Betriebsausgaben sind zweifelsfrei auch außergewöhnliche, unzweckmäßige oder unübliche Aufwendungen abziehbar, wenn diese der Steuerpflichtige tatsächlich zur Einkunftserzielung tätigt. Der Steuerpflichtige kann grundsätzlich selbst bestimmen, welche Aufwendungen er zur Einkunftserzielung für erforderlich hält und welche nicht. Ist allerdings unklar, ob die Aufwendungen überhaupt durch die Einkunftserzielung oder aber durch außerbetriebliche Zwecke veranlasst sind, so kommt Aspekten wie der Üblichkeit, Angemessenheit und Geeignetheit der Aufwendungen zur Einkunftserzielung (neben allen anderen Umständen des Einzelfalles) durchaus ein nicht unerheblicher Erkenntniswert zu. Denn die Verbindung zum Betrieb wird in solchen Fällen nicht selten nur durch die Zweckbestimmung des Steuerpflichtigen hergestellt. Derartige und andere innere, subjektive Tatsachen des Steuerpflichtigen können nur an Hand der objektiven Gegebenheiten erschlossen werden. Hierzu sind die Üblichkeit, Angemessenheit und Geeignetheit der Aufwendungen zur Einkunftserzielung in besonderem Maße geeignet.
    Aus diesem Grunde sind auch Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn sie nach Inhalt und Durchführung (jedenfalls im Wesentlichen) dem entsprechen, was unter Fremden üblich ist. Der natürliche Interessengegensatz fremder Dritter begründet normalerweise die Vermutung, dass Ausgaben, die auf einem gegenseitigen Vertrag mit betrieblichem Bezug beruhen, auch i.S.d. § 4 Abs. 4 EStG durch den Betrieb veranlasst sind. Fehlt es dagegen – wie bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen – an einem solchen Interessengegensatz, so bedarf es einer Überprüfung, inwiefern vertragliche Vereinbarungen durch den Betrieb veranlasst sind oder ob sie aus sonstigen Gründen eingegangen wurden. Deshalb sind nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung Verträge zwischen nahen Angehörigen nur dann ertragsteuerlich anzuerkennen, wenn die Vereinbarung klar und ernstlich gewollt ist, rechtswirksam vereinbart und dementsprechend durchgeführt wird, wobei Inhalt und Durchführung dem entsprechen müssen, was unter Fremden üblich ist. Für die abschließende Beurteilung ist stets eine Gesamtwürdigung erforderlich. Diese kann zu dem Schluss führen, dass eine nur geringfügige Abweichung einzelner Sachverhaltselemente von dem zwischen fremden Dritten Üblichen einer ertragsteuerlichen Anerkennung eines Vertragsverhältnisses nicht entgegensteht, wenn durch andere Beweisanzeichen nachgewiesen ist, dass es sich um ein ernsthaftes Vertragsverhältnis handelt (vgl. etwa BFH vom 31. Mai 2001 IV R 53/00, BFH/NV 2001, 1547 m.w.N.).
    2. Anwendung auf den Entscheidungsfall
    Die Aufwendungen für den Ehegatten als Arbeitnehmer der Klägerin sind nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen. Die zugrunde liegenden Verträge wären unter fremden Dritten nicht wie vorliegend geschlossen und durchgeführt worden. Die Verträge sind nicht durch ein ernst gemeintes Arbeitsverhältnis, sondern durch die Schaffung von Betriebsausgaben in Form gegenseitiger Lohnzahlungen veranlasst, die bei dem anderen Ehegatten nicht der Besteuerung zu unterwerfen sind.
    Im Wesentlichen stützt der Senat seine Überzeugung auf folgende Aspekte:
    > Beide Eheleute haben gleichzeitig im Unternehmen des anderen (trotz unterschiedlicher Tätigkeiten) zu gleichen Konditionen eine Anstellung erhalten …. Für beide Verträge ist das „Zeitwertkontomodell” vereinbart worden.
    > Obwohl ein für Fremdkräfte erhebliches Monatsgehalt i.H.v. 2.500 EUR vereinbart worden ist, enthalten die Verträge keine Bestimmung der Arbeitszeit. Sie akzeptieren zudem jeweils ausdrücklich die sonstige unternehmerische Tätigkeit des Arbeitnehmers.
    > Die Verträge, die mit Wirkung ab dem 1. Mai 2004 gelten sollen (§ 1) und die ein strenges Schriftformerfordernis enthalten (§ 9) sind erst am 2. Mai 2005 schriftlich abgeschlossen worden.
    > Die Gehaltszahlungen und damit die Einzahlungen zum „Zeitwertkontomodell” hatten monatlich zu erfolgen; tatsächlich ist die erste Zahlung acht Monate nach Vertragschluss in einer Summe für das ganze Jahr erfolgt. In den Folgejahren ist sie an vier verschiedenen Terminen gezahlt worden.
    > Die Ehegatten haben mit ihren fremden Arbeitnehmern vergleichbare Verträge nicht geschlossen.
    > Der an die Klägerin ausgezahlte Lohn i.H.v. 41O EUR steht im krassen Missverhältnis zu der nicht ausgezahlten Zeitwertgutschrift i.H.v. 2.090 EUR. Auf eine Lohnumwandlung zu Gunsten von Zeitwertguthaben ca. 84% des Grundgehaltes auf eine Dauer von über 20 Jahren hätte sich ein fremder Arbeitnehmer nicht eingelassen. Entsprechendes gilt für den Lohn des Ehegatten, der zu 100% zugunsten des Zeitwertkontos nicht ausgezahlt worden ist.
    > Am 7. Mai 2004 will die Klägerin ihrem Ehemann als ihrem Arbeitgeber schriftlich mitgeteilt haben, dass sie ihren Lohn i.H.v. 410 EUR ausgezahlt haben möchte (Bl. 100). Gleichwohl wird der mit X ohne Datumsangaben geschlossene Vertrag über die Bildung eines Zeitwertkontos über 100% des der Klägerin zustehenden Entgelts geschlossen bzw. nicht geändert.
    > Obwohl die Klägerin – im Gegensatz zu ihrem Ehemann – 410 EUR ihres Lohnes ausgezahlt erhielt (so das Schreiben vom 7. Mai 2004), wiesen die Zeitwertkonten der Eheleute zum 31.12.2004 den identischen Betrag von 18.893,68 EUR aus. Auch in der Folgezeit wurden identische Beträge eingezahlt (7.085,13 EUR pro Quartal, Bl.110, 147).
    > Nach den Anstellungsverträgen ist die Vergütung auf das Konto des Arbeitnehmers zu überweisen (§ 2). Eine Abtretung der Vergütung ist ausgeschlossen (§ 3). Nebenabreden oder Änderungen bedürfen der Schriftform, ohne dass diese stillschweigend oder mündlich außer Kraft gesetzt werden kann (§ 9). Gleichwohl sind keine schriftlichen Änderungen der Anstellungsverträge erfolgt.
    > Die Zahlungen wegen des Zeitwertkontos erfolgten an die X (Schweiz). Die Weiterzahlung in die jeweiligen Fonds mit den zugehörigen Zinserträgen, Wertsteigerungen, Dividenden etc. wird nicht nachgewiesen. Der Wert der Kapitalanlage ist aus den Mitteilungen der X nicht zu ersehen.
    > Es gebe lediglich einen Kontoauszug der X (Schweiz), wonach die Zahlung auf ein „Depot” erfolgt sei. In welchen Fonds in welcher Höhe eingezahlt worden sei und wer Zugang zu dem Fonds hat bzw. wer Eigentümer ist, ist – wie der Beklagte unwidersprochen vorträgt – auch nach Aufforderung durch den Prüfer nicht nachgewiesen worden.
    > Die Vereinbarungen über die Zeitwertkonten sind undatiert. Die Verträge über die Eröffnung eines „X Vermögensdepots” sind undatiert und tragen im Falle des Ehemannes nur eine Unterschrift.
    III. Damit war die Klage gegen alle angefochtenen Bescheide als unbegründet abzuweisen. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin gemäß § 135 Abs. 1 FGO auferlegt. Zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO bestand keine Veranlassung.

    VorschriftenEStG § 4 Abs. 3, EStG § 4 Abs. 4, AO § 162 Abs. 2 S. 2, AO § 145, AO § 146 Abs. 1, AO § 147, AO § 158, UStG § 22, UStDV § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 1

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