· Finanzierungsberatung
Was bringt der „Investitions-Booster“ aus dem Koalitionsvertrag für Ausrüstungsinvestitionen?

von Dr. Peter Hoberg, Worms
| Im Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD wurde Anfang April 2025 der sogenannte Investitions-Booster beschlossen. Er sieht eine degressive Abschreibung von 30 % für Ausrüstungsinvestitionen vor, wenn diese in den Jahren 2025 bis 2027 getätigt werden. Die erhöhten Abschreibungen führen in den ersten Jahren zu einer deutlichen Reduktion der Steuerzahlungen. In diesem Beitrag wird untersucht, wie stark der Anreiz durch die erhöhte Abschreibung aus betriebswirtschaftlicher Sicht tatsächlich ist ‒ und zwar über die ersten Jahre hinaus. |
1. Grundlagen
Die degressive Abschreibung wird von der Politik immer wieder zur Konjunkturbelebung eingesetzt. Sie erscheint auf den ersten Blick auch verlockend, weil die Steuerzahlungen in den ersten Jahren geringer ausfallen. Dabei wird selten das Gesamtbild betrachtet. Auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat die Wirkung des Investitions-Boosters nur bis 2028 geschätzt ‒ die Unternehmen sollen bis dahin um rund 7 Mrd. EUR entlastet werden. Dies ist nicht problemadäquat, da die Vorteile der ersten Jahre danach weitgehend verloren gehen, wie auch die Beispielrechnungen zeigen werden.
Die übliche lineare Abschreibung erfolgt je nach (betriebsgewöhnlicher) Nutzungsdauer z. B. über fünf oder zehn Jahre. Diese Nutzungsdauern gelten auch für die neue beschleunigte Abschreibung. Der degressive Abschreibungssatz von 30 % wurde bereits im Koalitionsvertrag genannt, auch wenn noch keine Details vorliegen. Es wird wie üblich angenommen, dass im zweiten Jahr 30 % von 70 % Restwert abgeschrieben werden können, also 21 %. Die kumulierte Abschreibung beträgt 51.000 EUR, sodass am Ende des zweiten Jahrs ein Restwert von 49 % verbleibt. Für ein Wirtschaftsgut mit einem Abschreibungsbetrag von 100 TEUR ergeben sich folgende Abschreibungen:
| ||||||
Abschreibbarer Betrag 100.000 EUR | ||||||
Zeile | Jahresende | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
1 | AfA linear | 20,0 % | 20,0 % | 20,0 % | 20,0 % | 20,0 % |
2 | Absolut (in EUR) | 20.000 | 20.000 | 20.000 | 20.000 | 20.000 |
3 | Kumuliert (in EUR) | 20.000 | 40.000 | 60.000 | 80.000 | 100.000 |
4 | AfA degressiv % | 30,0 % | 21,0 % | 16,3 % | 16,3 % | 16,3 % |
5 | Absolut (in EUR) | 30.000 | 21.000 | 16.333 | 16.333 | 16.333 |
6 | Kumuliert (in EUR) | 30.000 | 51.000 | 67.333 | 83.667 | 100.000 |
7 | AfA Differenz (in EUR) | 10.000 | 1.000 | ‒ 3.667 | ‒ 3.667 | ‒ 3.667 |
8 | Kum. Differenz (in EUR) | 10.000 | 11.000 | 7.333 | 3.667 | 0 |
*auf ganze EUR gerundet
Im Rahmen der linearen Abschreibung können jedes Jahr 100.000 EUR ÷ 5 = 20.000 EUR abgeschrieben werden (siehe Zeile 2), sodass der Restwert nach fünf Jahren 0 beträgt.
Bei der degressiven Abschreibung ist die erste Abschreibung mit 30.000 EUR deutlich höher als bei der linearen. Sie sinkt dann aber durch den Degressionseffekt stark ab. Im zweiten Jahr sind es nur noch 21.000 EUR, sodass dann bereits 51.000 EUR abgeschrieben sind (Zeile 6). Schon im dritten Jahr ist die lineare Abschreibung höher als die degressive, sodass ab diesem im linearen Fall mehr abgeschrieben werden kann. Nach Ablauf der fünf Jahre ist in beiden Fällen der gesamte Nettokaufpreis abgeschrieben.
Wie Tab. 1 zeigt, unterscheiden sich die beiden Varianten nur im zeitlichen Verlauf. Dabei hat die degressive Abschreibung den Vorteil der früheren Abschreibung, was insbesondere die Liquidität stützt.
2. Kalkulation
Es soll nun untersucht werden, ob der Anreiz durch die beschleunigten Abschreibungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht ausreichend ist. Um die einzelnen Effekte gut nachvollziehen zu können, wird das Instrument des Vollständigen Finanzplans (VoFi) verwendet (vgl. z. B. Götze, S. 126 oder Varnholt/Hoberg/Wilms/Lebefromm, S. 58 ff.). Für jede Zahlungsart und für die steuerlichen Sachverhalte werden in den folgenden Tabellen eigene Zeilen verwendet. Der Grenzsteuersatz wird zunächst mit 30 % angenommen, was für viele Kapitalgesellschaften zutreffend sein dürfte. Wie in Steuerkalkulationen üblich, wird unterstellt, dass die Steuerzahlung bzw. ihre Änderung jeweils zum Ende des Steuerjahrs relevant wird. Diese Annahme ist nicht realistisch, weil in der Praxis schon vorher Abschlagszahlungen geleistet werden müssen. Dies kann mit Aufschlägen auf den Steuersatz gelöst werden (vgl. hierzu Hoberg [2013], S. 76 f.).
2.1 VoFi mit linearer Abschreibung
Mit den obigen Daten ergibt sich für den Fall linearer Abschreibungen der in Tab. 2 enthaltene VoFi. Die Darstellung erfolgt über fünf Jahre. Zum Startzeitpunkt t = 0 (1.1. des ersten Jahrs) erfolgt die Erfassung der Anfangsinvestition ‒ das ist gleichzeitig der Abschreibungsausgangsbetrag ‒ von 100 TEUR0. Die Einheit EUR wird zur Erhöhung der Genauigkeit mit einem Zeitindex versehen (vgl. zu dieser präziseren Schreibweise Hoberg [2018], S. 468). In diesem Fall ist der Zeitindex 0, um anzuzeigen, dass es sich um den Startzeitpunkt handelt.
Es wird eine vollständige Fremdfinanzierung unterstellt. Im ersten Schritt sei angenommen, dass der Fremdkapitalzinssatz 6 % p. a. beträgt. Daraus folgt dann ein Jahr später, also in t = 1 (31.12.01), eine Zinszahlung von 6 % auf 100 TEUR0 = 6.000 EUR1 (siehe Zeile 3). Diese ist genauso wie die lineare Abschreibung (Zeile 6) von 20.000 EUR1 steuerlich absetzbar, sodass sich eine steuerliche Bemessungsgrundlage von ‒ 26.000 TEUR1 (Zeile 8) ergibt. Es wird angenommen, dass diese negative Bemessungsgrundlage mit den positiven Bemessungsgrundlagen anderer Projekte verrechnet werden kann, sodass die Gesamtsteuerlast des Unternehmens sofort sinkt. Im Beispiel beträgt die Reduktion der Steuerzahlung gemäß Zeile 9 30 % von 26.000 TEUR1 = 7.800 EUR1. Dieser Vorteil wird mit der Zinszahlung verrechnet, wodurch ein Überschuss von 1.800 EUR1 (Zeile 11) entsteht, der zur Reduktion der Kredithöhe führt (Zeile 14). Sie sinkt gemäß Zeile 17 auf 98.200 TEUR1. In der gleichen Weise werden die weiteren Jahre durchgerechnet. Durch die Steuergutschriften sinkt der Kreditstand weiter, bis er schließlich am Ende der Abschreibungsdauer (in t = 5) 90.212 EUR5 beträgt.
Da der Kaufpreis aber am Anfang entrichtet werden muss, bietet es sich an, den Endwert auf den Startzeitpunkt abzuzinsen. Hierzu ist der Zinssatz nach Steuern (after taxes = at) von 6 % × (1 ‒ 0,3) = 4,2 % zu verwenden. Die Barwertsumme beträgt dann 73.438 EUR0. Sie kann interpretiert werden als die Belastung durch den Kaufpreis nach Abzug der Vorteile durch die steuerliche Absetzbarkeit von Abschreibungen und Fremdkapitalzinsen (tax shield). Dieser Wert gilt bei linearer Abschreibung. Bei degressiver Abschreibung muss die Barwertsumme geringer werden.
| |||||||
Fremdkapitalzinssatz: 6 % Zinssatz at 4,2 % | Grenzsteuersatz: 30 % Abschreibungsbetrag 100 TEUR | ||||||
Zeitpunkt | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | |
1 | Anfangsauszahlung | ‒ 100.000 | |||||
2 | Projekt-Cashflow | ‒ 100.000 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
3 | Kreditzinsen | ‒ 6.000 | ‒ 5.892 | ‒ 5.779 | ‒ 5.662 | ‒ 5.540 | |
4 | Guthabenzinsen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
5 | Cashflow vor Steuern | ‒ 100.000 | ‒ 6.000 | ‒ 5.892 | ‒ 5.779 | ‒ 5.662 | ‒ 5.540 |
6 | Normalabschreibung fünf Jahre | ‒ 20.000 | ‒ 20.000 | ‒ 20.000 | ‒ 20.000 | ‒ 20.000 | |
7 | Restwert | 80.000 | 60.000 | 40.000 | 20.000 | 0 | |
8 | Bemessungsgrundlage |
| ‒ 26.000 | ‒ 25.892 | ‒ 25.779 | ‒ 25.662 | ‒ 25.540 |
9 | Ertragssteuern (+ Erstattung) | 7.800 | 7.768 | 7.734 | 7.699 | 7.662 | |
10 | Steuersatz | 30 % | 30 % | 30 % | 30 % | 30 % | |
11 | Cashflow nach Steuern | ‒ 100.000 | 1.800 | 1.876 | 1.954 | 2.036 | 2.122 |
12 | Finanzierung | ||||||
13 |
| 100.000 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
14 |
| 0 | ‒ 1.800 | ‒ 1.876 | ‒ 1.954 | ‒ 2.036 | ‒ 2.122 |
15 |
| 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | |
16 | Bestandsgrößen | ||||||
17 |
| 100.000 | 98.200 | 96.324 | 94.370 | 92.334 | 90.212 |
18 |
| 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
19 | Barwertsumme | 73.438 EUR0 = Belastung zum Startzeitpunkt 0 |
2.2 VoFi mit degressiver Abschreibung
Nun sei die neue Situation mit degressiver Abschreibung betrachtet. Durch die erhöhte Abschreibung im ersten Jahr (30.000 EUR statt 20.000 EUR) entsteht zunächst ein Steuervorteil von 10.000 × 0,3 = 3.000 EUR1, sodass in t = 1 der Kredit stärker getilgt werden kann.
| |||||||
Fremdkapitalzinssatz: 6 % Zinssatz at 4,2 % | Grenzsteuersatz: 30 % Abschreibungsbetrag 100 TEUR | ||||||
Zeitpunkt | 0 | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 | |
1 | Anlage-Investitionen | ‒ 100.000 | |||||
2 | Projekt-Cashflow | ‒ 100.000 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
3 | Kreditzinsen | ‒ 6.000 | ‒ 5.712 | ‒ 5.574 | ‒ 5.514 | ‒ 5.452 | |
4 | Guthabenzinsen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 | |
5 | Cashflow vor Steuern | ‒ 100.000 | ‒ 6.000 | ‒ 5.712 | ‒ 5.574 | ‒ 5.514 | ‒ 5.452 |
6 | Degressive Abschreibung 30 % | ‒ 30.000 | ‒ 21.000 | ‒ 16.333 | ‒ 16.333 | ‒ 16.333 | |
7 | in % vom Investitionsbetrag | ‒ 30,0 % | ‒ 21,0 % | ‒ 16,3 % | ‒ 16,3 % | ‒ 16,3 % | |
8 | Restwert absolut | 70.000 | 49.000 | 32.667 | 16.333 | 0 | |
9 | in % vom Investitionsbetrag | 70,0 % | 49,0 % | 32,7 % | 16,3 % | 0,0 % | |
10 | Bemessungsgrundlage |
| ‒ 36.000 | ‒ 26.712 | ‒ 21.907 | ‒ 21.847 | ‒ 21.785 |
11 | Ertragssteuern (+ Erstattung) | 10.800 | 8.014 | 6.572 | 6.554 | 6.535 | |
12 | Steuersatz | 30 % | 30 % | 30 % | 30 % | 30 % | |
13 | Cashflow nach Steuern | ‒ 100.000 | 4.800 | 2.302 | 998 | 1.040 | 1.084 |
14 | Finanzierung | ||||||
15 |
| 100.000 | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
16 |
| 0 | ‒ 4.800 | ‒ 2.302 | ‒ 998 | ‒ 1.040 | ‒ 1.084 |
17 |
| 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | 6,0 % | |
18 | Bestandsgrößen | ||||||
19 |
| 100.000 | 95.200 | 92.898 | 91.900 | 90.860 | 89.776 |
20 | Barwertsumme | 73.084 EUR0 = Belastung zum Startzeitpunkt 0 |
Die Bemessungsgrundlage des ersten Jahres ist mit ‒ 36.000 EUR (Zeile 10) stark negativ, sodass eine große Steuererstattung von 10.800 EUR (Zeile 11) resultiert, wodurch der Kredit auf 95.200 EUR (Zeile 19) reduziert wird. Damit werden in den Folgejahren weniger Sollzinsen fällig. Im zweiten Jahr liegt die Bemessungsgrundlage mit absolut 26.721 EUR2 (Zeile 10 in Tab. 3) wieder über der linearen Variante, die 25.892 EUR2 aufwies (Zeile 8 in Tab. 2). Der Steuervorteil baut sich zunächst in den ersten beiden Jahren auf, verringert sich aber dann, wenn die degressive Abschreibung unter die lineare Abschreibung von 20 % fällt. Endwertmäßig entsteht ein Vorteil von ‒ 89.776 EUR5 vs. ‒ 90.212 EUR5 = 436 EUR5 zugunsten der degressiven Variante. Wieder auf den Startzeitpunkt 1.1.01 bezogen erhält man nach Abzinsung über fünf Jahre eine Differenz von 73.438 EUR0 ‒ 73.084 EUR0 = 355 EUR0 (gerundet). Das entspricht einem Prozentsatz von 0,355 % bezogen auf den Kaufpreis und dürfte kaum ausschlaggebend sein für die Investitionsentscheidung.
Etwas größer sind die Effekte bei längeren Laufzeiten. Bei zehn Jahren sind die degressiven Abschreibungen am Anfang dieselben, während im linearen Fall nur 10 % abgeschrieben werden können. Der Abschreibungsvorteil ist somit größer und hält länger an. Aber selbst in diesem sehr günstigen Fall beträgt der Vorteil nur 2,2 % der Kaufsumme.
Die finanziellen Auswirkungen sind also gering. Zwar stimmt es, dass erhöhte Abschreibungen zunächst über reduzierte Bemessungsgrundlagen die Steuern vermindern, wenn die Unternehmen Gewinne erzielen. Dies ist aber ein vorübergehender Effekt, weil in den Folgeperioden weniger abgeschrieben werden kann, denn die Summe der Abschreibungen beträgt natürlich 100 %. Insofern sollte man von vorgezogenen und nicht von erhöhten Abschreibungen reden. Damit bricht auch ein Großteil des Effekts der ersten Jahre in sich zusammen, da in den Folgeperioden aufgrund reduzierter Abschreibungen höhere Steuerzahlungen zu leisten sind.
MERKE | Als Nettoeffekt bleibt nur eine Verschiebung der Steuerzahlungen in spätere Perioden. Der Vorteil besteht also lediglich aus einem zinslosen Steuerkredit. Wenn das Unternehmen für sein Fremdkapital noch weniger als die angenommenen 6 % bezahlt, wird der Vorteil noch geringer. Allerdings bleibt eine Liquiditätshilfe in den ersten Jahren bestehen. |
3. Verallgemeinerung mit Tabellen
Im Folgenden wird geprüft, wie sich der Vorteil von 0,355 % ändert, wenn alternative Kombinationen von Fremdkapitalzinssätzen und Steuersätzen betrachtet werden.
| ||||||||
Fremdkapitalzinssatz vor Steuern | ||||||||
0 % | 2 % | 4 % | 5 % | 6 % | 8 % | 10 % | ||
Grenzsteuersatz | 0,00 % | 0,000 % | 0,000 % | 0,000 % | 0,000 % | 0,000 % | 0,000 % | 0,000 % |
15,00 % | 0,000 % | 0,077 % | 0,147 % | 0,179 % | 0,210 % | 0,266 % | 0,317 % | |
20,00 % | 0,000 % | 0,097 % | 0,186 % | 0,226 % | 0,265 % | 0,338 % | 0,403 % | |
25,00 % | 0,000 % | 0,115 % | 0,219 % | 0,267 % | 0,314 % | 0,400 % | 0,479 % | |
30,00 % | 0,000 % | 0,129 % | 0,247 % | 0,302 % | 0,355 % | 0,454 % | 0,544 % | |
35,00 % | 0,000 % | 0,140 % | 0,269 % | 0,329 % | 0,388 % | 0,497 % | 0,598 % | |
40,00 % | 0,000 % | 0,148 % | 0,285 % | 0,350 % | 0,413 % | 0,531 % | 0,640 % | |
44,31 % | 0,000 % | 0,153 % | 0,295 % | 0,362 % | 0,427 % | 0,551 % | 0,667 % | |
45,00 % | 0,000 % | 0,153 % | 0,296 % | 0,364 % | 0,429 % | 0,554 % | 0,670 % | |
47,48 % | 0,000 % | 0,154 % | 0,299 % | 0,368 % | 0,434 % | 0,561 % | 0,680 % | |
50,00 % | 0,000 % | 0,155 % | 0,301 % | 0,370 % | 0,438 % | 0,566 % | 0,687 % |
In den Zeilen sind unterschiedliche Grenzsteuersätze aufgeführt. In den Spalten finden sich verschiedene Fremdkapitalzinssätze vor Steuern. Für die Kombination des oben berechneten Beispiels von 6 % Zinssatz und 30 % Grenzsteuersatz ergibt sich wieder ein Vorteil von 0,355 % des Kaufpreises (fett gedruckt). Die Tab. 4 zeigt, dass der Vorteil der degressiven Abschreibung durch die gleichzeitige Wirkung von Steuern und Kreditzinsen entsteht. Fällt einer der beiden Faktoren weg, gibt es keinen Vorteil, was auch die jeweilige erste Zeile bzw. Spalte zeigt.
MERKE | Nur bei deutlich höheren Zinssätzen wird der positive Effekt der degressiven Abschreibung interessant. Ähnliches gilt für den Steuersatz. Wenn er sehr hoch ist, steigt die Wirkung der degressiven Abschreibung. Aber selbst im besten Fall bleibt der Effekt mit 0,687 % sehr überschaubar. |
Betriebswirtschaftlich ist die Wirkung vorgezogener Abschreibungen somit eher gering. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass in weniger gut informierten Unternehmen eine Wirkung (und sei es nur eine psychologische) ausgelöst wird, weil sie unbedingt Steuern „sparen“ wollen und nicht daran denken, dass die Vorteile zu einem großen Teil im Laufe der späteren Jahre wieder abschmelzen. Gerade bei einer kurzfristigen Ausrichtung kann die degressive Abschreibung dann ein Anreiz sein ‒ und der positive Liquiditätseffekt in den ersten Jahren bleibt.
FAZIT | Mit der Einführung der 30%igen degressiven Abschreibung für Ausrüstungsinvestitionen ‒ im Koalitionsvertrag vom 9.4.25 als „Investitions-Booster“ bezeichnet ‒ können Unternehmen und auch Selbstständige von Steuervorteilen profitieren. Die Steuervorteile der degressiven Abschreibung sind zunächst liquiditätsstützend, im Ergebnis aber gering, da es sich nur um eine Steuerverschiebung handelt. Wie bei fast allen Subventionen werden die Mitnahmeeffekte bei Weitem überwiegen. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, geht aber wohl davon aus, dass die Unternehmen bei dem Wort Steuerersparnis das Nachrechnen vergessen. Sie sagte: „Sie [die schnelleren Abschreibungen] entfalten sofort einen starken Investitionsimpuls und schieben somit Ausrüstungsinvestitionen in den kommenden zwei Jahren an.“ Es bleibt zu hoffen, dass die Unternehmen sorgfältig kalkulieren, ob sich die Investitionen unter Berücksichtigung aller geschätzten Effekte bis zum Ende der Nutzungsdauer wirklich lohnen. |
Weiterführende Hinweise
- Gönner, T., in: Booster für die Industrie? Der Jubel über die geplanten Investitionsregeln, Welt 15.4.25: www.iww.de/s12796
- Götze, U.: Investitionsrechnung, Modelle und Analysen zur Beurteilung von Investitionsvorhaben, 7. Auflage, Berlin/Heidelberg 2014
- Hoberg, P. (2013): Investitionsrechnung und Steuerzahlungszeitpunkte, Der Betrieb, 66. Jg., 3/2013, S. 76 ‒ 77
- Hoberg, P. (2018): Einheiten in der Investitionsrechnung, WISU, 47. Jg., 4/2018, S. 468 ‒ 474
- Institut der deutschen Wirtschaft: Koalitionsvertrag: Entlastungen summieren sich auf gut 50 Mrd. EUR: www.iww.de/s12797
- Koalitionsvertrag: Investitions-Booster, Zeilen 1430 ‒ 1431: www.iww.de/s12798
- Varnholt, N., Hoberg, P., Wilms, S., Lebefromm, U.: Investitionsmanagement ‒ Betriebswirtschaftliche Grundlagen und Umsetzung mit SAP S/4HANA®, 2. Auflage, Berlin/Boston 2023