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  • · Fachbeitrag · COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (CoVInsAG)

    Folgen des COVInsAG für Unternehmensleiter, ihre Kreditgeber, Geschäftspartner und Berater

    von RA StB Detlef Leyh, ltd. Regierungsdirektor a. D., Lüdinghausen

    | Das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz ist Teil des im März 2020 erlassenen Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, mit dem den wirtschaftlichen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in Deutschland begegnet werden soll. Welche Folgen für Unternehmen, Kreditgeber und Steuerberater das Gesetz in der Praxis nach sich zieht, erfahren Sie im folgenden Beitrag. |

    1. Ziele des COVInsAG und Bedeutung für den Steuerberater

    Die Entwicklung zeigt, dass die Pandemie noch nicht unter Kontrolle ist und zu erheblichen Beeinträchtigungen der Unternehmen führen kann. Es war daher zu begrüßen, dass der Gesetzgeber schon früh mit dem Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz, BGBl I 20, 569) reagiert und versucht hat, die gravierenden persönlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie wie etwa durch die für die Monate April bis Juni 2020 eingeräumten Leistungsverweigerungsrechte für bestimmte Dauer-schuldverhältnisse und einen begrenzten Kündigungsschutz für Mietverhältnisse abzufedern.

     

    Einer der Schwerpunkte des COVID-19-Folgenabmilderungsgesetz ist das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (abgekürzt „COVInsAG“). Das Gesetz wurde am 27.3.20 erlassen und ist am 1.3.20 in Kraft getreten.

     

    Durch das Gesetz soll Unternehmen die aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, geholfen werden. Insbesondere soll ihnen die Zeit gegeben werden, die unterschiedlichen staatlichen Unterstützungsmaßnahmen, deren Inanspruch-nahme teilweise nicht unerheblichen bürokratischen Aufwand erfordert, in Anspruch zu nehmen, ohne in die Insolvenz abzurutschen.

     

    Betroffen sind allerdings nicht nur Unternehmen, denen, wie etwa das Hotel-oder Veranstaltungsgewerbe, die Umsätze fast vollständig weggebrochen sind, sondern auch andere Unternehmenszweige wie etwa Bekleidungsgeschäfte, die aufgrund der verhängten Kontaktbeschränkungen Umsatzeinbußen hinzunehmen haben. Hinzuweisen ist dabei auch auf die zivilrechtlichen Auswirkungen des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie. Das über Art. 5. des Gesetzes bis zum 30.6.2020 begrenzte Moratorium für von Verbrauchern eingegangene Dauerschuldverhältnisse, Miet- und Pachtverträge sowie Darlehensverträge (Art. 240 §§ 1 ‒ 3 BGB) hat bei einigen Vertragspartnern (z. B. Vermietern, Banken) zu erheblichen Liquiditätsproblemen bis hin zu einer möglichen Zahlungsunfähigkeit geführt.

     

    Auch wenn die Bundesregierung von der ihr durch Art. 240 § 4 EGBGB eingeräumten Ermächtigung, durch Rechtsverordnung das Moratorium bis zum 30.9.20 zu verlängern, keinen Gebrauch gemacht hat, werden die eingetretenen Liquiditätsprobleme nicht über Nacht behoben werden können. Das COVInsAG will möglichen Insolvenzgefahren daher mit folgenden Maßnahmen begegnen:

     

    Übersicht / Maßnahmen durch das COVInsAG

    • Aussetzung der Insolvenzantragspflichten bis zum 30.9.20 („Aussetzungszeitraum“) bei coronabedingter Insolvenz
    • Einschränkung der Haftung der Geschäftsleiter für Zahlungen bei Insolvenzreife im Aussetzungszeitraum
    • Befreiung von Kreditgebern von Anfechtungsrisiken bei Kreditgewährung im Haftungszeitraum sowie möglichen Haftungsrisiken wegen möglicher sittenwidriger Hilfe zur Insolvenzverschleppung
    • Aussetzung des Nachrangs für im Aussetzungszeitraum gewährte Gesellschafterdarlehen
    • Beschränkung der Anfechtungsmöglichkeiten gegenüber Vertragspartnern, die im Aussetzungszeitraum Leistungen gegenüber dem betroffenen Unternehmen erbringen
     

    Für den Steuerberater ist die Frage der Insolvenzrisiken des von ihm betreuten Unternehmens zunächst schon deshalb wichtig, weil ihm daran gelegen sein muss, dass der Mandant, der bis zum Eintreten der Krise über ein funktionierendes Geschäftsmodell verfügt hat, die Krise wirtschaftlich übersteht. Noch wichtiger für ihn kann aber die Vermeidung von Haftungsrisiken sein, die seit dem BGH-Urteil vom 26.1.17 (IX ZR 285/14) existieren.

     

    In seiner Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass der Berater bei der Erstellung des Jahresabschlusses auf der Grundlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen und der ihm bekannten Umstände zu prüfen und entsprechende Hinweise zu geben hat, ob der Fortführung der Unternehmens-tätigkeit und der Bilanzierung zu Fortführungswerten dem Mandanten möglicherweise nicht bekannte Insolvenzgründe entgegenstehen. Vor allem aber hat der BGH dem Berater bei Dauermandaten auch unabhängig vom Jahresabschluss Hinweis- und Warnpflichten gegenüber der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft auferlegt, deren schuldhafte Verletzung eine Haftung nach den §§ 280 Abs. 1, 675 Abs. 1 BGB auslösen kann. Insbesondere hat er Folgendes hervorgehoben:

     

    Erkennt der Steuerberater etwa aufgrund er ihm aus dem Dauermandat bekannten Umstände, dass

    • ein Insolvenzantragsgrund vorliegt oder
    • ernsthafte Anhaltspunkte für einen möglichen Insolvenzantragsgrund offenkundig sind und
    • muss er annehmen, dass die mögliche Insolvenzreife dem Mandanten nicht bewusst ist,

    ist er verpflichtet, den Mandanten hierauf hinzuweisen.

     

    Als nicht ausreichend erachtet der BGH einen pauschalen Hinweis auf die generellen Pflichten der Geschäftsleitung, die Zahlungsfähigkeit bzw. das Vorliegen einer Überschuldung zu prüfen.

    2. Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

    Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, grundsätzlich spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Insolvenzantrag zu stellen (§ 15a Abs. 1 S. 1 InsO).

     

    2.1 Zeitraum für die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht

    Diese Insolvenzantragspflicht wird durch § 1 S. 1 COVInsAG grundsätzlich für die Dauer des Aussetzungszeitraums suspendiert. Dadurch sollen die Unternehmen die Chance erhalten, die Insolvenz, insbesondere unter Inanspruchnahme der bereitgestellten staatlichen Hilfen gegebenenfalls aber auch im Zuge von Sanierungs- oder Finanzierungsvereinbarungen, abzuwenden. So soll verhindert werden, dass an sich gesunde Unternehmen mit erfolgreichem Geschäftskonzept in das Insolvenzverfahren gezwungen werden, obwohl finanzielle Hilfe erlangt werden könnte, für deren Inanspruchnahme allerdings die durch das Insolvenzrecht eingeräumte Dreiwochenfrist nicht ausreicht.

     

    Der vorerst festgelegte Aussetzungszeitraum ist nach Art. 6 Abs. 1 COVID-19 Folgenabmilderungsgesetz rückwirkend zum 1.3.20 in Kraft getreten und gilt zunächst bis zum 30.9.20. Da allerdings nicht absehbar ist, bis wann sich die Verhältnisse stabilisiert haben werden, ist die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz nach § 4 COVInsAG ermächtigt, durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht nach § 1 COVInsAG bis höchstens zum 31.3.21 zu verlängern. Mit Ablauf des Zeitraums tritt die Antragspflicht sowohl wegen Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung wieder in Kraft, was eine erhebliche sofortige Welle von Insolvenzverfahren zur Folge haben könnte. Denn in vielen Fällen dürften sich zwischenzeitliche Sanierungsbemühungen auch unter Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen nicht als Erfolg versprechend erwiesen haben, sodass auch die Dreiwochenfrist nicht mehr einzuräumen wäre, es also bei der unverzüglichen Pflicht zur Antragstellung verbliebe.

     

    2.2 Ausnahmen von der Aussetzung der Antragspflicht

     

    • § 1 Abs. 1 S. 2 COVInsAG legt zwei Aussetzungshindernisse fest
    • Die Insolvenzreife beruht nicht auf den Auswirkungen der Corona-Pandemie bzw.
    • es besteht keine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit.
     

    In diesen Fällen dauert die Insolvenzantragspflicht entweder unverändert fort, etwa bei von Anfang an vorliegenden anderen Ursachen für die Insolvenz-reife. Sie kann aber auch noch im Laufe des Aussetzungszeitraums wieder aufleben, etwa wenn Sanierungsbemühungen endgültig scheitern.

     

    Die beiden Aussetzungshindernisse sind für die Geschäftsleiter und ihre Berater nicht zu unterschätzen. Kommt es nämlich zu späteren Insolvenzverfahren, werden Insolvenzverwalter, eventuell auch Gläubiger, sich auf diese Aussetzungshindernisse berufen und Ersatzansprüche geltend machen.

     

    PRAXISTIPP | Es ist dringend anzuraten, durch eine nachvollziehbare Dokumentation zu belegen, dass ein Pandemie-Zusammenhang bestanden hat und auch die Aussicht auf die Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vorgelegen hat.

     

    In der Mehrzahl der betroffenen Fälle wird sich der Pandemie-Zusammenhang auch relativ einfach nachweisen lassen (z. B. bei behördlich angeordneter Schließung von Unternehmen oder Unterbrechung von Lieferketten). Bei bloßen Umsatzrückgängen muss der Nachweis aber schon genauer erfolgen.

     

    Allerdings hat sich der Gesetzgeber durch die Art der Gesetzesfassung bemüht, der späteren Geltendmachung von Ansprüchen seitens der Gläubiger oder des Insolvenzverwalters entgegenzuwirken. Durch die negative Formulierung der Voraussetzungen für den Fortbestand der Insolvenzantragspflicht („dies gilt nicht, wenn …“) hat er zum Ausdruck gebracht, dass der Anspruchssteller die Beweislast dafür trifft, dass die Insolvenzreife nicht auf der COVID-19-Pandemie beruht oder während des Aussetzungszeitraums keine Aussichten auf die Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestanden haben. Vor allem aber soll eine Entlastung der Antragspflichtigen durch die in § 1 S. 3 COVInsAG niedergelegte Regelung erreicht werden. Danach wird vermutet, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht und Aussichten auf eine Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit bestehen, wenn der Schuldner am 31.12.19 nicht zahlungsunfähig war.

     

    Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 19/18110, S. 22, 23) soll mit der Vermutung gewährleistet werden, dass die derzeit bestehenden Unsicherheiten und Schwierigkeiten hinsichtlich des Nachweises der Kausalität und der Prognostizierbarkeit der weiteren Entwicklungen in keiner Weise zulasten des Antragspflichtigen gehen. Eine Widerlegung der Vermutung soll nur in solchen Fällen in Betracht kommen, in denen kein Zweifel daran bestehen kann, dass die COVID-19-Pandemie nicht ursächlich für die Insolvenzreife war und dass die Beseitigung einer eingetretenen Insolvenzreife nicht gelingen konnte. Es sollen insoweit höchste Anforderungen zu stellen sein.

     

    PRAXISTIPP | Trotz der vom Gesetzgeber beabsichtigten Entlastungen sollten antragspflichtige Geschäftsleiter nicht auf eine nachvollziehbare Dokumentation der Liquiditätsentwicklung und -planung verzichten. Insbesondere sollte festgehalten werden, inwieweit Liquiditätslücken entstanden sind bzw. entstehen und diese durch Zuführung neuer Mittel ‒ sei es staatlicher Hilfsgelder oder privater Kreditgeber ‒ geschlossen werden können. Dabei sollte aufgezeigt werden, dass eine eventuelle Zahlungsunfähigkeit bis zum Ende des Aussetzungszeitraums beseitigt ist.

     

    3. Entlastung der Geschäftsleiter von Ersatzansprüchen

    Solange die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist, kann § 15a InsO nicht als Schutzgesetz gemäß § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der Gläubiger eingreifen mit der Folge, dass auch eine Insolvenzverschleppungshaftung des Geschäftsleiters ausgesetzt ist.

     

    Nicht zwingend ausgeschlossen ist die Haftung gegenüber der Gesellschaft (vgl. § 64 GmbHG und die entsprechenden Tatbestände etwa für die Aktiengesellschaft (§ 92 Abs. 2 AktG) und die GmbH und Co. KG (§§ 130a Abs. 1,177a S. 1 HGB). So ist der Geschäftsführer einer GmbH nach § 64 S. 1 GmbHG der Gesellschaft gegenüber zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die er nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet hat. Es handelt sich hierbei um einen Ersatzanspruch eigener Art, der einen Schaden der Gesellschaft nicht voraussetzt, sondern darauf gerichtet ist, das Gesellschaftsvermögen wieder aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zu einer ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht.

     

    Die Haftung ist gemäß § 64 S. 2 GmbHG allein hinsichtlich solcher Zahlungen ausgeschlossen, die nach dem Eintritt der Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Der Ausschlusstatbestand wird von der Rechtsprechung des BGH nur in engen Grenzen anerkannt. Zugelassen werden lediglich Zahlungen, die nicht zu einer Schmälerung der Masse führen oder erforderlich sind, um den sofortigen Zusammenbruch der GmbH zu vermeiden.

     

    An dieser Stelle setzt nunmehr das COVInsAG an: Nach § 2 Nr. 1 des Gesetzes gelten, soweit die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt ist, insbesondere auch solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Sanierungskonzepts dienen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG und den entsprechenden Schwestervorschriften (z. B. § 92 Abs. 2 S. 2 AktG) vereinbar. Dadurch sollen Geschäftsleiter bei der Fortführung des Unternehmens nicht durch die grundsätzlich vorgegebenen engen Grenzen beschränkt werden. Sie sollen vielmehr die erforderlichen Maßnahmen ergreifen können, um das Unternehmen im ordentlichen Geschäftsgang fortzuführen. Das schließt nicht nur Maßnahmen der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs ein, sondern auch Maßnahmen im Zuge der Neuausrichtung des Geschäfts im Rahmen einer Sanierung (BT-Drucks. 19/18110, S. 23). Als Beispiele können hier die dauerhafte Vermietung von Hotelzimmern durch einen an der Aufnahme von Gästen gehinderten Hotelbetrieb oder die Herstellung von Atemschutzmasken durch ein auf die Produktion von Kleidung spezialisiertes Unternehmen genannt werden.

     

    Im Zusammenhang mit der Entlastung des Geschäftsleiters sei darauf hingewiesen, dass sonstige Pflichten in der Unternehmenskrise bestehen bleiben. Der Geschäftsführer einer GmbH ist weiterhin verpflichtet, eine Gesellschafterversammlung einzuberufen, wenn er erkennt, dass die Hälfte des Stammkapitals verbraucht ist (vgl. § 49 Abs. 3 GmbHG).

     

    Auch die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten bestehen vorbehaltlich zugestandener staatlicher Billigkeitsmaßnahmen weiter und können zu Haftungsfolgen (z. B. nach § 69 AO) für den Geschäftsleiter führen.

    4. Gesetzliche Maßnahmen zur Erhaltung krisenbedrohter Unternehmen

    4.1 Notwendigkeit entsprechender Regelungen

    Die Entlastung der Geschäftsleiter reicht für ein krisenbedrohtes Unternehmen nicht aus, um dessen Fortbestand zu sichern. Gleichermaßen notwendig ist die Versorgung mit ausreichender Liquidität und die Sicherung der Geschäftsbeziehungen zu alten und neuen Geschäftspartnern. Beides ist aber in der Unternehmenskrise gefährdet und steht einer erfolgreichen Sanierung häufig entgegen. Kommt es nämlich trotz aller Sanierungsbemühungen zu einem Insolvenzverfahren, steht den Insolvenzverwaltern das scharfe Schwert der Insolvenzanfechtung (§§ 129 ff. InsO) zur Verfügung, von dem sie in der Praxis teilweise exzessiv Gebrauch machen. So besteht für Kreditgeber etwa die Gefahr, dass sie ihnen vom Schuldner zurückgezahlte Darlehensbeträge wieder an die Insolvenzmasse erstatten müssen, weil in der Rückzahlung angeblich eine vorsätzliche Benachteiligung (§ 133 InsO) gelegen hat. Geschäftspartner können insbesondere der sogenannten Deckungsanfechtung nach §§ 130 und 131 InsO unterliegen. Zur Vermeidung solcher Gefahren hat der Gesetzgeber Regelungen in § 2 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 COVInsAG geschaffen.

     

    4.2 Schutz neuer Kreditgeber

    4.2.1 Privilegierung von Krediten

    Werden unter den Voraussetzungen des § 1 COVInsAG neue Kredite ‒ auch in Form von Warenkrediten ‒ gewährt oder derartige Kredite abgesichert, gilt dies nach § 2 Nr. 2 Halbs. 1 COVInsAG nicht als gläubigerbenachteiligend. Damit wird durch eine Fiktion die Grundvoraussetzung für eine Anfechtung ‒ Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) ‒ beseitigt und die Anfechtung generell ausgeschlossen. Der Ausschluss der Anfechtung bezieht sich nach § 2 Nr. 2 Halbs. 2 COVInsAG auch auf die Rückgewähr der Kredite, sofern diese bis zum 30.9.23 (Ende des sogenannten Privilegierungszeitraums) erfolgt.

     

    Zu beachten ist allerdings, dass es sich um einen neuen Kredit handeln muss. Bei einer bloßen Novation oder Prolongation und wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten, die etwa auf ein Hin- und Herzahlen hinauslaufen, kommt das Anfechtungsprivileg also nicht zur Anwendung. Denn die Regelung zielt darauf ab, Banken und andere Kreditgeber zu motivieren, Krisenunternehmen zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen (BT-Drucks. 19/18110, S. 24).

     

    4.2.2 Ausschluss sittenwidriger Beihilfe zur Insolvenzverschleppung

    Unter den Voraussetzungen des § 1 COVInsAG erfolgte Kreditgewährungen und Sicherungen im Aussetzungszeitraum sind nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung anzusehen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 COVInsAG). Damit soll eine nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa 12.4.16, XI ZR 305/14) mögliche Schadenersatzpflicht der Kreditgeber gemäß § 826 BGB verhindert werden. Nach der Gesetzesbegründung erstreckt sich diese Entlastung auch auf Novationen und Prolongationen von Krediten (BT-Drucks. 19/18110, S. 24).

     

    4.3 Privilegierung von Gesellschafterdarlehen

    Gemäß § 2 Nr. 2 Halbs. 2 COVInsAG gilt die für externe Kreditgeber maßgebende Vergünstigung auch für Gesellschafterdarlehen und Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, obwohl für diese durch § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine noch leichtere Anfechtungsmöglichkeit in der InsO vorgesehen ist. Die Anfechtung der Rückzahlung solcher Darlehen, die im Aussetzungszeitraum (1.3.20 bis 30.9.20) gewährt und im Privilegierungszeitraum (1.3.20 bis 30.9.23) zurückgezahlt worden sind, ist daher ausgeschlossen. Hier gilt die Privilegierung wiederum nicht für Novationen und Prolongationen. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut des Gesetzes wird außerdem die Besicherung von Gesellschafterdarlehen nicht privilegiert, sodass insoweit eine Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO in einem späteren Insolvenzverfahren möglich bleibt.

     

    Eine weitere Vergünstigung für Gesellschafterdarlehen enthält § 2 Nr. 2 Halbs. 3 COVInsAG: Nach dieser Regelung wird der insolvenzrechtliche Nachrang von Gesellschafterdarlehen (siehe § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) und der von Gesellschaftern gestellten Sicherheiten (siehe § 44a InsO) in Insolvenzverfahren, die bis zum 30.9.23 beantragt werden, suspendiert.

     

    4.4 Noch weitergehende Privilegierung für staatliche Hilfsprogramme

    Die zeitlichen Beschränkungen nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 3 COVInsAG gelten gemäß § 2 Abs. 3 COVInsAG nicht für Finanzierungen, die im Rahmen der staatlichen Hilfsprogramme gewährt werden, z. B. von der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Dies bedeutet insbesondere, dass insoweit auch Kreditvergaben nach dem Auslaufen des Aussetzungszeitraums erfasst sind und dass der Schutz sich auch auf Rückzahlungszeiträume nach dem 30.9.23 erstreckt. Dies sollte eine zusätzliche Motivation sein, vorrangig staatliche Hilfsprogramme in Anspruch zu nehmen.

     

    4.5 Schutz von Geschäftspartnern vor Anfechtungsrisiken

    Grundsätzlich nicht anfechtbar sollen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 S. 1 COVInsAG Rechtshandlungen im Aussetzungszeitraum sein, die dem Geschäftspartner eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht haben, die er in der Art oder zu der Zeit beanspruchen konnte (sog. kongruente Deckung), es sei denn es war ihm bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht zur Beseitigung einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit geeignet gewesen sind. Hierdurch sollen vor allem Vertragspartner aus Dauerschuldverhältnissen wie Vermieter oder Leasinggeber, aber auch Lieferanten geschützt und dadurch zur Fortsetzung der Vertragsbeziehung motiviert werden (BT-Drucks. 19/18110, S. 24).

     

    Teilweise geschützt werden die Vertragspartner auch in Bezug auf bestimmte inkongruente Deckungshandlungen, die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 S. 2 COVInsAG aufgeführt sind. So hat etwa der Schutz einer Verkürzung von Zahlungszielen den Zweck, Vertragspartnern einen weitergehenden Anreiz für eine Fortsetzung der Vertragsbeziehungen zu bieten.

    5. Geltung des COVInsAG für natürliche Personen und nicht antragspflichtige Unternehmen

    Natürliche Personen unterliegen in Liquiditätskrisen keiner Antragspflicht. Dennoch können sie sich dem Vorwurf der Insolvenzverschleppung ausgesetzt sehen, was gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 4 InsO die Versagung der Restschuldbefreiung zur Folge haben kann. Dies soll für die Dauer des Aussetzungszeitraums verhindert werden. § 1 S. 4 COVInsAG ordnet deshalb an, dass auf die Verzögerung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch natürliche Personen im Zeitraum zwischen dem 1.3.20 und dem 30.9.20 keine Versagung der Restschuldbefreiung gestützt werden kann.

     

    Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen auch nicht antragspflichtige Unternehmen, wie z. B. Einzelhandelskaufleute und Kommanditgesellschaften mit einer natürlichen Person als Komplementär unter den vorgesehenen Erleichterungen weitere Finanzierungen erhalten können und auch sie bzw. ihre Vertragspartner von dem Schutz vor Anfechtungsrisiken profitieren. Deshalb bestimmt § 2 Abs. 2 COVInsAG, dass die an die Aussetzung anknüpfenden Vergünstigungen des § 2 Abs. 1 Nr. 2 ‒ 4 ‒ also insbesondere die Anfechtungsfestigkeit von Krediten und kongruenten Deckungen sowie die Entlastung von Schadenersatzansprüchen wegen sittenwidriger Insolvenzverschleppung ‒ auch für solche Unternehmen gelten, die weder zahlungsunfähig noch überschuldet sind.

    6. Einschränkung von Gläubigerinsolvenzanträgen

    Auch Insolvenzanträge von Gläubigern waren eingeschränkt (§ 3 COVInsAG). Wurden sie in der Zeit vom 28.3.20 bis 28.6.20 gestellt, war Voraussetzung, dass der Eröffnungsgrund bereits am 1.3.20 vorgelegen hatte. Die Frist ist mittlerweile abgelaufen. Gemäß § 4 COVInsAG war die Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz berechtigt, auch diese Frist bis zum 31.3.21 durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrats zu verlängern. Das ist bisher nicht geschehen. Sollte nicht noch eine Verlängerung erfolgen, haben Gläubiger wieder die Möglichkeit, unter Beachtung der Vorgaben des § 14 InsO einen Insolvenzantrag zu stellen.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2020 | Seite 219 | ID 46687337

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